Normen
KFG 1967 §103 Abs2;
MRKZP 07te Art4;
ParkometerG Wr 1974 §1a;
StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VStG §2 Abs2;
VStG §22 Abs1;
VStG §27 Abs1;
VwGVG 2014 §38;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017020267.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Das mit 4. August 2015 datierte und am 18. Mai 2016 abgefertigte Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel lastete dem Revisionswerber unter Angabe einer bestimmten Tatzeit, eines Tatortes und eines Fahrzeuges an, er habe "als Zulassungsbesitzer des angeführten Kraftfahrzeuges trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 21.11.2014, Zl. (...), nicht binnen 2 Wochen der Behörde darüber Auskunft erteilt, wer das Fahrzeug zum oben genannten Zeitpunkt und Übertretungsort gelenkt hat". Der Revisionswerber habe dadurch § 103 Abs. 2 KFG verletzt, über ihn werde gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe von EUR 220,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 93 Stunden) verhängt.
2 Der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem angefochtenen Erkenntnis insofern Folge, als es die Geld- und die Ersatzfreiheitsstrafe herabsetzte, und es sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, dem Revisionswerber sei in einem Straferkenntnis - ebenfalls mit Datum 4. August 2015 und abgefertigt am 6. August 2015 - angelastet worden, die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 42 km/h überschritten und dadurch § 52 lit. a Z 10a StVO verletzt zu haben, wofür er - in Vergreifen der Strafbestimmung - gemäß § 134 Abs. 1 KFG bestraft worden sei. Der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde habe das Landesverwaltungsgericht Tirol mit Erkenntnis vom 18. Februar 2016 Folge gegeben und das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung (Verletzung des § 52 lit. a Z 10a StVO) gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt, weil Spruch und Begründung des Straferkenntnisses in unauflöslichem Widerspruch stünden und die Behörde selbst bereits dem Revisionswerber die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung mitgeteilt habe. Damit liege kein Verstoß gegen Art. 4 des 7. ZPEMRK vor, weil dem Revisionswerber im gegenständlichen Verfahren eine andere Verletzung, und zwar des § 103 Abs. 2 KFG zur Last gelegt werde. Die aus der zuletzt zitierten Vorschrift resultierende Verpflichtung zur Lenkerauskunft stelle keinen Zwang zur Selbstbezichtigung dar (Hinweis auf EGMR 10.1.2008, Lückhof und Spanner/Österreich, 58452/00 und 61920/00; VwGH 5.2.2015, Ra 2015/02/0017; VwGH 9.2.2017, Ra 2017/02/0032).
3 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 21. September 2017, E 1250/2017-7, ablehnte. Begründend wurde v. a. ausgeführt:
Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen im vorliegenden Fall aber vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 18.550/2008, S 212-214 mwH) und des EGMR (vgl. zuletzt Urteil vom 18.3.2010, Fall Krumpholz, Appl. 13201/05, ÖJZ 2010/7(MRK)) aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Verfassungswidrigkeit des § 45 Abs. l Z 4 und Abs. l letzter Satz VStG idF BGBI. I 33/2013 behauptet wird, lässt ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:
Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Verwaltungsstrafgesetzgebers, die - von den Verwaltungsgerichten gemäß § 38 VwGVG sinngemäß anzuwendende - Einstellung des Strafverfahrens bzw. das Absehen von der Strafe unter Ausspruch einer Ermahnung gemäß § 45 Abs. l Z 4 VStG (auch) an das Kriterium der ‚Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes' zu knüpfen."
Über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers trat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. November 2017, E 1250/2017-9, die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst geltend gemacht, sowohl der Tatort als auch die Tatzeit im Spruch bezögen sich nicht auf die Verweigerung der Lenkerauskunft sondern auf die Geschwindigkeitsüberschreitung, was der Judikatur widerspreche (Hinweis auf VwGH (verstärkter Senat) 31.1.1996, 93/03/0156 sowie 15.9.1995, 95/17/0211, RS5).
8 Nach den genannten Erkenntnissen ist der für die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates maßgebliche Tatort bei den Unterlassungsdelikten nach § 103 Abs. 2 KFG und nach § 1a Wr. ParkometerG 1974 der Ort, an dem der Täter hätte handeln sollen, also der Sitz der anfragenden Behörde. Davon wich das Landesverwaltungsgericht Tirol nicht ab, wenn es - als nunmehr für Beschwerden gegen Straferkenntnisse zuständiges Gericht - über die Beschwerde gegen das Straferkenntnis wegen unterbliebener Lenkerauskunft zu der von der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel ergangenen Aufforderung nach § 103 Abs. 2 KFG entschied.
9 Der Spruch des mit Beschwerde bekämpften Straferkenntnisses lastet dem Revisionswerber an, als Zulassungsbesitzer der Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 21. November 2014 nicht binnen zwei Wochen der Behörde die verlangte Auskunft erteilt zu haben. Damit sind sowohl Ort als auch Zeit der als erwiesen angenommenen Tat nach § 103 Abs. 2 KFG ausreichend bezeichnet. Soweit im Spruch auch Tatzeit und -ort der Geschwindigkeitsübertretung genannt werden, handelt es sich hierbei um die in der Lenkeranfrage enthaltenen Merkmale, die klar erkennbar nur auf diese bezogen sind. Die Konkretisierung der als erwiesen angenommenen Tat entspricht daher der - auch in der Revision zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
10 Als weiteren Grund für die Zulässigkeit der Revision wird eine unzulässige Doppelverfolgung und -bestrafung durch das angefochtene Erkenntnis behauptet. Das am 18. Februar 2016 ergangene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol entfalte Sperrwirkung, weil die Begründung des dort bekämpften Straferkenntnisses eine Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG betreffe (Hinweis auf VwGH 4.4.2017, Ra 2017/02/0017; VwGH 18.10.2016, Ra 2016/03/0029; VwGH 10.1.2017, Ra 2016/02/0230).
11 Sowohl der Spruch des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 18. Februar 2016 als auch des Straferkenntnisses nennen als verletzte Verwaltungsvorschrift § 52 lit. a Z 10a StVO und im Spruch des Straferkenntnisses wird die als erwiesen angenommene Tat mit dem Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit umschrieben. Das Landesverwaltungsgericht Tirol beurteilte im zitierten Erkenntnis den Spruch als eindeutig und zog die Begründung des Straferkenntnisses nicht zur Auslegung des Spruchs heran, sondern hob das Straferkenntnis vielmehr wegen eines Widerspruchs zwischen Spruch und Begründung auf. Gegenstand jenes Verfahrens war also die Geschwindigkeitsübertretung nach § 52 lit. a Z 10a StVO. Zwischen der Übertretung der StVO und der - hier in Rede stehenden - Nichtbefolgung der Auskunftspflicht besteht keine Identität, es handelt sich um verschiedene Taten (vgl. VwGH 22.3.2000, 98/03/0344). Davon wich das angefochtene Erkenntnis nicht ab. Die in der Revision zitierten Erkenntnisse haben andere Tathandlungen zum Gegenstand.
12 Schließlich führt die Revision zu ihrer Zulässigkeit noch aus, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verstoß gegen § 33 Abs. 2 VStG bei "Bestrafung wegen Verweigerung der in einem bereits anhängigen Verwaltungsstrafverfahren geforderten Lenkerauskunft, Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Geschwindigkeitsüberschreitung sowie Führung eines zweiten Verwaltungsstrafverfahrens samt Bestrafung wegen Verweigerung der Lenkerauskunft".
13 Dem ist entgegenzuhalten, dass nicht nur der Verfassungsgerichtshof im oben genannten Ablehnungsbeschluss - wie sich aus dem dort enthaltenen Hinweis auf VfSlg. 18.550/2008, S 212-214 ergibt - keine Bedenken in Richtung eines verfassungswidrigen Zwangs zum Geständnis hegte, sondern dass auch dem Urteil des EGMR 10.1.2008, Lückhof und Spanner/Österreich, 58452/00 und 61920/00, ein Verfahren mit derselben Konstellation wie hier zu Grunde lag, in dem der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt hatte. Der EGMR kam zum Ergebnis, dass der Wesensgehalt des Rechts zu schweigen und sich selbst nicht zu bezichtigen, nicht berührt wurde und daher keine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK vorliegt (vgl. darüber hinaus VwGH (verstärkter Senat) 2.7.1980, 2615/79, VwSlg. 10192 A).
14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 17. Oktober 2018
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