VwGH Ra 2017/02/0017

VwGHRa 2017/02/00174.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des P in P, vertreten durch Mag. Klaus Mayer, Rechtsanwalt in 8141 Premstätten, Hauptstraße 131, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 25. November 2016, Zl. LVwG 30.31-2247/2016-9, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
MRKZP 07te Art4 Abs1;
StVO 1960 §31 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §99 Abs2 lite;
VStG §22 Abs1;
VStG 1991 §45 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017020017.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach der Aktenlage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. April 2016, LVwG 30.20-173/2016-14, ein gegen den Revisionswerber geführtes Strafverfahren eingestellt. Dort wurde ihm vorgeworfen, er sei als Lenker eines Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, sein Fahrzeug nicht sofort angehalten und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall verständigt, obwohl er jenen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, seinen Namen und Anschrift nicht nachgewiesen habe. Er habe dadurch unter anderem § 4 Abs. 5 StVO i.V.m. § 99 Abs. 3 lit. b StVO übertreten.

2 Die Einstellung begründete das Verwaltungsgericht mit dem Umstand, dass der Revisionswerber beim Verkehrsunfall ein Schild mit der Aufschrift "Achtung Kinder", also eine Einrichtung zur Sicherung des Verkehrs, beschädigt habe, weshalb nicht § 4 StVO, sondern § 31 Abs. 1 StVO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. e StVO zum Tragen komme.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis legt das Verwaltungsgericht dem Revisionswerber zur Last, er habe bei demselben Verkehrsunfall Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, nämlich das Schild "Achtung Kinder", beschädigt und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle oder den Straßenerhalter von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers verständigt. Dadurch habe er § 31 Abs. 1 StVO i.V.m. § 99 Abs. 2 lit. e StVO übertreten.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

5 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hat eine Revisionsbeantwortung erstattet mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig ab- bzw. zurückzuweisen.

 

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Der Revisionswerber sieht in seiner Verurteilung wegen Übertretung des § 31 Abs. 1 StVO i.V.m. § 99 Abs. 2 lit. e StVO im Hinblick auf die Einstellung des Verfahrens wegen einer Übertretung gemäß § 4 Abs. 5 StVO eine unzulässige Doppelbestrafung.

8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

9 Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben nach § 4 Abs. 1 StVO, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten, wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen und an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

10 Ist bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden, haben gemäß § 4 Abs. 5 StVO die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

11 Nach § 31 Abs. 1 StVO dürfen Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (insbesondere Verkehrsampeln, Signalscheiben, Straßenverkehrszeichen, Verkehrsleiteinrichtungen, Leiteinrichtungen für Menschen mit Sehbehinderung, Sockel für Verkehrsposten, Verkehrstürme, Schutzinseln, Sperrketten, Geländer, Begrenzungspfeiler, Randsteine, radableitende Randbegrenzungen, Straßenbeleuchtungseinrichtungen, Schneegatter, Verkehrsspiegel und das allenfalls mit solchen Einrichtungen verbundene Rückstrahlmaterial) nicht beschädigt oder unbefugt angebracht, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert werden.

12 Gemäß § 99 Abs. 2 lit. e StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von EUR 36,-- bis EUR 2.180,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizeidienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden.

13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt § 31 Abs. 1 StVO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. e StVO im Verhältnis zu § 4 Abs. 5 StVO die spezielle Strafbestimmung dar. Wer eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs beschädigt und diese Beschädigung nicht meldet, macht sich demnach einer Übertretung nach § 31 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. e StVO schuldig (vgl. VwGH vom 27. Februar 1992, 92/02/0031, mwN).

14 Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist. Eine Entscheidung - Freispruch oder Verurteilung - ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, dh wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl. VwGH vom 29. Mai 2015, 2012/02/0238, mwH).

15 Liegen nach Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens einer Bestrafung nicht wesentlich verschiedene Sachverhaltselemente, vielmehr dieselbe einheitliche Tathandlung zu Grunde, erweist sich die Bestrafung als nicht zulässig (vgl. VwGH vom 18. Oktober 2016, Ra 2016/03/0029).

16 Diese Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht beachtet, indem es der Bestrafung im angefochtenen Erkenntnis denselben Sachverhalt wie im eingestellten Verfahren, Zl. LVwG 30.20-173/2016-14, zu Grunde gelegt hat. Die Einstellung des Verfahrens wegen Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO hat aber Sperrwirkung für das Verfahren wegen einer Übertretung nach § 31 Abs. 1 StVO i.V.m. § 99 Abs. 2 lit. e StVO entfaltet.

17 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 4. April 2017

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