VwGH Ra 2016/09/0046

VwGHRa 2016/09/004620.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Maga. Höhl, über die außerordentliche Revision der ÖBB-Infrastruktur AG in Wien, vertreten durch Dr. Martin Wandl & Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwaltspartnerschaft, in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2016, Zl. W170 2000821-1/36E, betreffend Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Bundesdenkmalamt), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §53;
AVG §7;
B-VG Art133 Abs4;
BVwGG 2014 §14;
DMSG 1923 §1 Abs1;
DMSG 1923 §1 Abs10;
DMSG 1923 §1 Abs5;
DMSG 1923 §3 Abs1;
LVwGG Tir 2014 §17;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016090046.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 14. Juni 2002 hat das Bundesdenkmalamt ausgesprochen, dass die Erhaltung der Angerschluchtbrücke der Tauernbahn in Bad Hofgastein gemäß §§ 1 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. September 1923, BGBl. Nr. 533/23 (Denkmalschutzgesetz, DMSG), in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 170/1999, im öffentlichen Interesse gelegen sei. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 20. August 2002 keine Folge gegeben und der angeführte Bescheid bestätigt. Mit dem hg. Erkenntnis vom 6. April 2005, Zl. 2002/09/0160, wurde dieser wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufgehoben.

2 Im fortgesetzten Verfahren hat die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur nach Einholung eines ergänzenden Gutachtens eines Amtssachverständigen des Bundesdenkmalamtes vom 13. Juni 2005 mit Bescheid vom 28. November 2006 neuerlich den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich bestätigt. Dies begründete sie zusammengefasst damit, dass die Erhaltung der gegenständlichen Brücke gemäß § 1 Abs. 2 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen sei. Die Brücke sei auf Grund ihrer Spannweite von technikgeschichtlicher Bedeutung. Sie sei nicht nur besonders gut erhalten, sondern auch ein (heute) seltenes Beispiel einer Eisenfachwerkbrücke.

3 Sie quere den Taleinschnitt in 80 Meter Höhe und bestehe aus einem Stahltragwerk als Zweigelenkbogen mit 110 Meter Spannweite und gemauerter Vorlandbrücke mit neun Metern Spannweite. Das eindrucksvolle Haupttragwerk sei eine Eisenfachwerkskonstruktion mit parabelförmigem Untergurt, das heiße, dass zwei außen liegende Fachwerksträger durch mehrere Querverbände ausgesteift seien. Die einzelnen Vertikal- und Diagonalstäbe seien als Gitterkonstruktionen aus einer Vielzahl von Eisenprofilen zusammengesetzt, sodass die Brücke als leichter, gleichsam transparent wirkender Bau in Erscheinung trete. Durch die stützenlose Überspannung der Angerschlucht und die schlanke Ausbildung der Brückenkonstruktion samt Verwendung von Gitterstäben entstehe ein technisch ebenso wie ästhetisch anspruchsvolles Werk des Eisenbahnbrückenwesens, das heute als eindrucksvolle historische Leistung der Ingenieurskunst auf diesem Gebiet gelte. Die übrigen Brücken der Tauernbahn seien durch moderne Spannbetonbrücken ersetzt bzw. sei die 42 Meter lange Gasteiner Achenbrücke in ihrer Bauweise nicht mit der gegenständlichen vergleichbar. Der Angerschluchtbrücke komme darüber hinaus auch für die Geschichte des Eisenbahnwesens, das eng mit der Entwicklung von Brücken verbunden sei, eine herausragende Bedeutung zu. Als materielles Zeugnis dieser Entwicklungen sei die Erhaltung der gegenständlichen Brücke daher auch unter dem Aspekt der geschichtlichen Dokumentation im öffentlichen Interesse gelegen.

4 Dieser Bescheid vom 28. November 2006 wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 16. September 2010, 2007/09/0075, vom Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung aufgehoben, dass die Bundesministerin nicht die Revisionswerberin als Eigentümerin, sondern eine GmbH als Partei des Verfahrens am Verfahren beteiligt habe, weshalb der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben gewesen sei.

5 Im nunmehr fortgesetzten Verfahren hat die Bundesministerin für Unterricht und Kultur die Sache dem infolge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2013 zuständigen Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in welcher eine ergänzende Befragung des Sachverständigen erfolgte, festgestellt, dass der verfahrensgegenständlichen Brücke eine geschichtliche und kulturelle Bedeutung zukomme. Der Verlust der Brücke würde eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtheit hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten. Durch die Erhaltung der Brücke könne eine technikgeschichtliche Dokumentation der Entwicklung des Eisenbahnwesens im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert erreicht werden. Das Objekt sei zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt in einem statischen und substanziellen (physischem) Zustand, der keine Instandsetzungsmaßnahmen unmittelbar erforderlich mache. Die zur Sicherung der längerfristigen Erhaltung nötigen Maßnahmen - vorerst Aufbringung eines Korrosionsschutzes - seien technisch möglich.

6 Zwar sei der in beiden Instanzen beigezogene Amtssachverständige gleichzeitig Beamter des Bundesdenkmalamtes. Dies allein vermöge jedoch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom 29. April 2011, 2010/09/0230) keine Bedenken gegen seine volle Unabhängigkeit zu begründen. Insbesondere auch, weil seine allein auf seiner fachlichen Qualifikation beruhende Begutachtung keinem Weisungsrecht unterliege. Auch könne den Beamten grundsätzlich zugebilligt werden, dass sie ungeachtet der jeweiligen Interessenlage ihres Dienstgebers ihre Entscheidung in behördlichen Angelegenheiten dem Gesetz entsprechend träfen.

7 Zwar sei das Gutachten eines Amtssachverständigen auf Veranlassung eines Beamten des Bundesministeriums dahingehend verändert worden, dass darin Ausführungen über den Erhaltungszustand der Brücke gestrichen worden seien. Der Beamte habe dies in der Verhandlung mit der mangelnden Qualifikation des Gutachters für Aussagen zur Statik der Brücke erklärt. Die strittige Stelle des Gutachtens bestehe lediglich aus einer Tatsachenfeststellung - nämlich, dass der Zugsverkehr weiter über die Brücke abgewickelt werde - und einem Verweis auf ein anderes Gutachten. Es sei nicht ersichtlich, dass der Sachverständige eine Weisung der Berufungsbehörde erhalten habe, und es sei weder eine Befangenheit noch eine Anscheinsbefangenheit des Gutachters zu erkennen.

8 Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 AVG seien zur Gutachtenserstellung primär Amtssachverständige vor einem anderen Sachverständigen beizuziehen. Dem Bundesverwaltungsgericht stünden gemäß § 14 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichts (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) die im Bereich der Vollziehung des Bundes tätigen Amtssachverständigen zur Verfügung. Diese seien daher angesichts der im Grunde des § 17 VwGVG gegebenen Anwendbarkeit des § 52 Abs. 1 und 2 AVG beizuziehen. Im vorliegenden Fall sei das Gutachten des Amtssachverständigen im Administrativverfahren vor dem Bundesdenkmalamt und der Bundesministerin, einschließlich des Ergänzungsgutachtens und der Ausführungen des Sachverständigen vor dem Bundesverwaltungsgericht vollständig und schlüssig und es hätten sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht im Wesentlichen nur ergänzende Fragen ergeben. Ein Fall der Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens oder widersprechender Gutachten liege nicht vor. Der Beiziehung des Amtssachverständigen des Bundesdenkmalamtes sei daher nichts im Wege gestanden.

9 Der Sachverständige habe im Ergänzungsgutachten und in der mündlichen Verhandlung schlüssig dargelegt, warum der gegenständlichen Brücke "Unikalität" sowie - aufgrund der Spannweite, die ohne Verwendung eines Mittelpfeilers erreicht worden sei und der feingliedrigen Konstruktion aus Eisenstäben - technikgeschichtliche Bedeutung zukomme. Es wäre der Revisionswerberin offen gestanden, ein denkmalschutzrechtliches Gegengutachten einzuholen um dem Gutachten auf gleichem wissenschaftlichen Niveau zu entgegnen. Ihr Einwand, es handle sich um eine "Brücke unter vielen anderen" und der Werkstoff Metall sowie die Bauart seien nichts Besonderes, seien nicht geeignet, die Unschlüssigkeit des Gutachtens aufzuzeigen.

10 Das Bundesverwaltungsgericht begründete in rechtlicher Hinsicht, dass es sich bei der Brücke um ein Denkmal im Sinne des § 1 Abs. 1 DMSG handle, welches die Entwicklung des Eisenbahnwesens im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert dokumentiere. Der Verlust der Brücke würde aus überregionaler und auch aus regionaler (lokaler) Sicht eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtheit hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten. Daher liege die Erhaltung der Brücke im öffentlichen Interesse.

11 Das öffentliche Interesse an der Erhaltung der gegenständlichen Brücke sei auch nicht im Hinblick auf § 1 Abs. 10 DMSG ausgeschlossen, es handle sich nicht um eine Ruine im Sinne dieser Bestimmung. Die Bestimmung erfasse nur besonders schwere Schäden, die von vornherein jede Erhaltungsmöglichkeit ausschlössen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 29. April 2011, 2010/09/0230). Dies sei hier nicht der Fall. Dass die Brücke ab April 2016 keine Verwendung im Eisenbahnverkehr mehr finde und "am Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer angelangt" sei, ändere daran nichts.

12 Die Brücke stehe der neuen Angerschluchtbrücke nicht im Wege, ein Verstoß gegen Art. 9 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft 91/440/EWG sei nicht gegeben.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, mit welcher das Verwaltungsgericht auch die Verfahrensakten vorgelegt hat.

14 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

16 Der Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 34 Abs. 1a VwGG bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17 Die vorliegende Revision hängt im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukäme:

18 Die Revisionswerberin meint, jener Amtssachverständige, der das ergänzende Gutachten vom 13. Juni 2005 erstattet habe, sei befangen gewesen, weshalb die Revision zulässig und das angefochtene Erkenntnis aufzuheben sei.

19 Zwar kann die Teilnahme eines befangenen Amtssachverständigen einen wesentlichen Verfahrensmangel und die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bedeuten. Für die Beurteilung, ob solche Bedenken im Grunde der § 53 iVm. § 7 AVG und § 17 VwGVG (wonach sich Amtssachverständige im Fall jeder Befangenheit der Ausübung ihres Amtes enthalten müssen), zu Recht bestehen, kommt es vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK darauf an, ob diese objektiv gerechtfertigt sind, wobei dafür vom EGMR drei Faktoren für maßgeblich erachtet wurden: 1. die Natur der dem Sachverständigen übertragenen Aufgabe, 2. die Stellung des Sachverständigen in der Hierarchie der Partei des Verfahrens, und 3. seine Rolle im Verfahren, insbesondere im Hinblick auf das seinem Gutachten beigemessene Gewicht (vgl. z.B. die Urteile des EGMR vom 5. Juli 2007, Sara Lind Eggertsdottir v. Iceland, Nr. 31930/04, Rand. Nr. 47 ff, und vom 8. Oktober 2015, Korošek v. Slovenia, Nr. 77212/12, Rand. Nr. 49 ff, mit Hinweisen auf weitere Rechtsprechung). Dass ein solcher Fall hier vorläge, wurde von der Revisionswerberin aber nicht aufgezeigt:

20 Die behauptete Rechtswidrigkeit erblickt die Revisionswerberin darin, dass der Amtssachverständige bereits als Gutachter im Verfahren erster Instanz agiert und im weiteren Verfahren naturgemäß sein schon früher erstattetes Gutachten zu verteidigen gehabt habe. Das Bundesministerium habe im fortgesetzten Verfahren nach dem Erkenntnis vom 6. April 2005, Zl. 2002/09/0160, um die Erstattung eines ergänzenden Amtssachverständigengutachtens durch das Bundesdenkmalamt ersucht, insbesondere zur Frage "ob der gegenständlichen Eisenbahnbrücke beispielsweise hinsichtlich Spannweite, Konstruktion und Erhaltungszustand Seltenheitswert zukommt". In dem daraufhin vom Amtssachverständigen des Bundesdenkmalamtes erstatteten ergänzenden Gutachten vom 13. Juni 2005 sei diesbezüglich eine Passage enthalten gewesen (wonach der Erhaltungszustand insofern beurteilt werden könne, als der gesamte Zugsverkehr über das Bauwerk abgewickelt werde und das Tragwerk nach den Schlussfolgerungen des Zivilingenieurs für Bauwesen unter den angegebenen Voraussetzungen und Betriebsbedingungen den Tragsicherheitsanforderungen entspreche). Diese Textpassage des ergänzenden Gutachtens sei sodann in der den Parteien des Verfahrens mitgeteilten und endgültigen Fassung des Gutachtens auf Veranlassung eines Beamten des Bundesministeriums nach Rücksprache mit dem Amtssachverständigen gestrichen worden. Der Amtssachverständige habe daher "auf Zuruf" des Ministerialbeamten sein Gutachten geändert.

21 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 14. April 2016, Ra 2015/06/0037, die Frage beurteilt, ob es zulässig ist, dass ein Bediensteter der belangten Behörde, der bereits im Verfahren vor der Behörde als Sachverständiger tätig geworden ist, auch vom Verwaltungsgericht in derselben Sache beigezogen wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf "grundlegende Aussagen" des Verfassungsgerichtshofes in dessen Erkenntnis vom 7. Oktober 2014, E 707/2014, hingewiesen und sich diesen ausdrücklich angeschlossen.

22 In den wesentlichen Textpassagen dieses Erkenntnisses, auf welches der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen bereits in seinem zum Denkmalschutz ergangenen hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0037, hingewiesen hat, hat der Verfassungsgerichtshof zu einem Verfahren vor dem Tiroler Landesverwaltungsgericht u. a. Folgendes ausgeführt:

"1.1. Das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz enthält keine eigenen Bestimmungen betreffend die Beiziehung von Sachverständigen in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Gemäß § 17 VwGVG kommen somit die Bestimmungen der §§ 52 und 53 AVG zum Tragen, wonach bei Notwendigkeit der Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen sind (§ 52 Abs. 1 AVG). Nur wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen (§ 52 Abs. 2 leg.cit.); unter bestimmten Voraussetzungen ist die Heranziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen auch möglich, nämlich wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist (§ 52 Abs. 3 leg.cit.). Vor diesem Hintergrund sieht § 17 TLVwGG vor, dass dem Tiroler Landesverwaltungsgericht - unbeschadet der Möglichkeit der Beiziehung sonstiger Amtssachverständiger nach Maßgabe der Verfahrensvorschriften bzw. im Weg der Amtshilfe nach Art. 22 B-VG - die bei den Dienststellen des Landes tätigen Amtssachverständigen zur Verfügung stehen.

1.2. Im Rahmen ihrer Beschwerde führt die Beschwerdeführerin aus, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol bestimmte Fragestellungen an die Abteilungen ‚Agrarwirtschaft' und ‚Örtliche Raumplanung' des Amtes der Tiroler Landesregierung gerichtet habe und die von zwei ‚Amtssachverständigen' (so die Bezeichnung seitens der Beschwerdeführerin) erstatteten Stellungnahmen Eingang in die angefochtene Entscheidung gefunden hätten. In diesem Zusammenhang erachtet die Beschwerdeführerin § 17 TLVwGG als verfassungswidrig, weil Amtssachverständige nicht unabhängig seien und ihre zwingend vorgesehene Beiziehung im Verfahren vor Verwaltungsgerichten somit eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art. 7 Abs 1 B-VG und auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC darstelle. Gerichtsverfahren unterlägen grundsätzlich anderen grundrechtlichen Anforderungen als Verwaltungsverfahren; das Verfahrensrecht für die Verwaltungsgerichte müsse sicherstellen, dass diese grundrechtlichen Anforderungen eingehalten werden.

1.3. Der Verfassungsgerichtshof teilt diese grundsätzlichen Bedenken der Beschwerdeführerin gegen die Heranziehung von Amtssachverständigen durch das Tiroler Landesverwaltungsgericht nicht. Es ist zwar richtig, dass mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51/2012, ein neues gerichtliches Rechtsschutzsystem eingerichtet wurde und das Verhältnis der Verwaltungsbehörde zum Verwaltungsgericht nunmehr anders zu beurteilen ist als jenes zwischen zwei verwaltungsbehördlichen Instanzen im Rahmen der Erhebung eines administrativen Rechtsmittels. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist aber die Heranziehung von Amtssachverständigen auch in Verfahren vor Verwaltungsgerichten grundsätzlich zulässig:

1.3.1. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Verfahren gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 52 und 53 AVG primär die ihm zur Verfügung stehenden Amtssachverständigen heranzuziehen, kann aber nach den Umständen auch nichtamtliche Sachverständige mit der Erstellung von Gutachten betrauen.

Zunächst ist festzuhalten, dass Amtssachverständige gemäß § 52 Abs. 1 AVG entweder der entscheidenden Verwaltungsbehörde beigegeben sind oder ihr zur Verfügung stehen. Die einer Behörde beigegebenen Sachverständigen sind organisatorisch in diese eingegliedert; die "zur Verfügung stehenden" amtlichen Sachverständigen sind solche, die zwar einer anderen als der zur Entscheidung berufenen Behörde zugehören, von dieser Behörde aber herangezogen werden können (vgl. Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz2, 2005, § 52, Rz 25 ff. mwN).

1.3.2. Amtssachverständige sind grundsätzlich gemäß Art. 20 Abs 1 B-VG in dienstlicher Hinsicht weisungsgebunden (vgl. VwGH 23.9.2004, 2002/07/0149; 17.6.1993, 92/06/0228). Allein darin kann aber kein Grund für eine Befangenheit oder den Anschein der Befangenheit gesehen werden (vgl. VwGH 22.11.2000, 98/12/0036; 23.6.1994, 93/06/0212). Gemäß ständiger Rechtsprechung sowohl des Verwaltungs- als auch des Verfassungsgerichtshofes sind Amtssachverständige bei der Erstattung ihrer Gutachten ausschließlich der Wahrheit verpflichtet und hinsichtlich des Inhaltes ihrer Gutachten an keine Weisungen gebunden (vgl. VfSlg 16.567/2002; VwGH 21.12.2005, 2003/04/0184; 29.4.2011, 2010/09/0230), weil Gutachten den sie erstellenden (Amts‑)Sachverständigen persönlich zurechenbar sind. Davon gehen auch die Straftatbestände der §§ 288 und 289 StGB aus (vgl. VwGH 26.5.2008, 2004/06/0039).

1.3.3. Aus der fachlichen Weisungsfreiheit des Amtssachverständigen bei Erstattung seines Gutachtens kann jedoch nicht gefolgert werden, dass das Verwaltungsgericht in jedem Fall Amtssachverständige heranziehen darf. Das Verwaltungsgericht muss vielmehr stets prüfen, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wird. Ob dies der Fall ist, hat das Verwaltungsgericht stets nach den Umständen des Einzelfalls mit der gebotenen Sorgfalt zu untersuchen und zu beurteilen (zu Fällen, in denen von einer dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK widersprechenden (Anscheins‑)Befangenheit ausgegangen wurde, vgl. EGMR 6.5.1985, Fall Bönisch, Appl. 8658/79, sowie VfSlg 11.131/1986, 16.827/2003 mwN; vgl. auch VwGH 23.9.2004, 2004/07/0075). Dies setzt auch voraus, dass das Verwaltungsgericht selbst die Auswahl des Amtssachverständigen vornimmt (und nicht etwa einer anderen Stelle überlässt) und dabei dessen Qualifikation und das Vorliegen etwaiger Befangenheitsgründe bzw. Gründe für den Anschein der Befangenheit dieses Amtssachverständigen prüft.

1.3.4. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu verweisen, dass insoweit keine Verletzung des Art. 6 EMRK zu erkennen ist, als dem Gutachten eines Amtssachverständigen im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) kein erhöhter Beweiswert zukommt und diesem unter anderem durch ein Gegengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten werden kann (vgl. EKMR 30.6.1992, Fall Zumtobel, Appl. 12.235/86, Z87; vgl. auch VwGH 31.5.1999, 98/10/0008; 19.12.1996, 93/06/0229; in diesem Sinne auch Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1997, 649 f.).

1.3.5. Die in § 17 TLVwGG vorgesehene Beiziehung von Amtssachverständigen verstößt auch nicht gegen den in Art. 94 Abs 1 B-VG normierten Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung, weil es sich beim Amtssachverständigen zwar um einen organisatorisch zur Staatsfunktion Verwaltung zählenden Organwalter handelt, der von einem Gericht beigezogen wird, dieser aber nur als Hilfsorgan des Verwaltungsgerichts an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitwirkt. Selbständige hoheitliche Befugnisse kommen einem Amtssachverständigen somit nicht zu; die Entscheidungsbefugnis obliegt allein dem Verwaltungsgericht (vgl. Pürgy, Die Mitwirkung von Sachverständigen im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, ÖJZ 2014, 391)."

23 Ganz ähnlich wie § 17 TLVwGG für das Tiroler Landesverwaltungsgericht sieht § 14 BVwGG für das im vorliegenden Fall tätige Bundesverwaltungsgericht vor, dass diesem die im Bereich der Vollziehung des Bundes tätigen Amtssachverständigen zur Verfügung stehen.

24 Im vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht das -

vom Präsidenten des Bundesdenkmalamtes, nicht aber von einem bestimmten Gutachter gefertigte - Gutachten des Bundesdenkmalamtes vom 26. Jänner 2002 sowie das von der Ministerialinstanz als damalige Berufungsbehörde in Auftrag gegebene Ergänzungsgutachten vom 13. Juni 2005 vorgefunden und den Verfasser des Ergänzungsgutachtens (und offensichtlich auch des Gutachtens aus 2002), einen Beamten und Amtssachverständigen der vor dem Bundesverwaltungsgericht belangten Behörde Bundesdenkmalamt, als Zeugen in der mündlichen Verhandlung befragt und dort auch der Revisionswerberin die Möglichkeit gegeben, sowohl seine volle Unbefangenheit als auch seine Beurteilung in Frage zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat die Auswahl der Person des Sachverständigen für das ergänzende Gutachten nicht der vor ihm belangten Behörde überlassen.

25 Es ist auf Grund dieser Beweismittel zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei der Angerschluchtbrücke um ein Denkmal im Sinne des § 1 Abs. 1 DMSG handle, dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liege.

26 Die Revisionswerberin zeigt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf, weshalb die Beiziehung des Sachverständigen angesichts der grundsätzlichen Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit von Gutachten und Ergänzungsgutachten zu einer ergänzenden Befragung nicht zulässig gewesen wäre (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der ergänzenden Befragung eines im Behördenverfahren tätigen Amtssachverständigen durch das Verwaltungsgericht vgl. die bereits angeführten Erkenntnisse vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0037, sowie vom 14. April 2016, Ra 2015/06/0037). Die Revisionswerberin hat auch nicht behauptet, die Beurteilung des Sachverständigen sei einseitig zugunsten des Standpunktes der belangten Behörde erfolgt.

27 Die Revisionswerberin hatte auch im gesamten Verfahren die Möglichkeit, dem Gutachten und dem Ergänzungsgutachten auf gleicher fachlicher Ebene zu entgegnen. Sie hätte ein eigenes Sachverständigengutachten einholen und vorlegen können und ein solches wäre vom Verwaltungsgericht auf ebensolche Weise zu berücksichtigen gewesen, wie die fachlichen Beurteilungen des Experten des Bundesdenkmalamtes. Weil auch der Sachverständige des Bundesdenkmalamtes wenn auch nicht organisatorisch aber doch hinsichtlich seiner fachlichen Beurteilung unabhängig und keinen Weisungen unterworfen war (vgl. Pkt. 1.3.2. des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes) ist im vorliegenden Fall eine Zulässigkeit der Revision auch im Hinblick auf den dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK immanenten Grundsatz der Waffengleichheit nicht gegeben.

28 Soweit die Revisionswerberin eine "Anscheinsbefangenheit" des Sachverständigen darin erblickt, dass mit seiner Zustimmung auf Anregung eines Ministerialbeamten aus dem Ergänzungsgutachten die Aussage entfernt worden sei, dass der Erhaltungszustand der Brücke insofern beurteilt werden könne, als der gesamte Zugsverkehr über das Bauwerk abgewickelt werde und das Tragwerk nach den Schlussfolgerungen des Zivilingenieurs für Bauwesen unter den angegebenen Voraussetzungen und Betriebsbedingungen den Tragsicherheitsanforderungen entspreche, zeigt die Revisionswerberin die Zulässigkeit der Revision schon deswegen nicht auf, weil diese Aussage im Hinblick auf das Thema des Gutachtens, für seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit und daher auch ihre Streichung unbeachtlich war (vgl. zu unbeachtlichen Aussagen in Gutachten das bereits vom Bundesverwaltungsgericht angeführte hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2014, 2013/03/0108).

29 Bei der Beurteilung der künstlerischen, historischen oder kulturellen Bedeutung eines Denkmals und der Entscheidung über die Frage, ob seine Erhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen und ob das Denkmal daher mit Bescheid nach § 1 Abs. 5 und § 3 Abs. 1 DMSG unter Denkmalschutz zu stellen ist, handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung.

30 Eine weitere Zulässigkeit der Revision erblickt die Revisionswerberin darin, dass sich die gegenständliche Brücke in einem teilweise ruinösem Zustand befinde, außer Betrieb zu nehmen sei und dann keine Eisenbahnbrücke mehr sei. Die für die Ersterhaltung erforderlichen Mittel betrügen zwei Millionen Euro. Es sei keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Abwägung des dem öffentlichen Interesse an der Unterschutzstellung entgegenstehenden öffentlichen Interesses aus volkswirtschaftlichen Aspekten zu ersehen.

31 Damit zeigt die Revisionswerberin die Zulässigkeit der Revision nicht auf, weil sich die Brücke unbestritten nicht in einem solchem Zustand befindet, dass ihre Instandsetzung im Sinne des § 1 Abs. 10 DMSG überhaupt nicht mehr möglich oder mit so großen Veränderungen an der Substanz verbunden wäre, dass ihr ein Dokumentationswert als Denkmal nicht mehr in ausreichendem Maße entsprochen werden könnte. Ob die Brücke als Eisenbahnbrücke verwendet werden kann, ist für ihre Qualifikation als schutzwürdiges Denkmal nicht entscheidend (vgl. zu § 1 Abs. 10 DMSG das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2014, Ro 2014/09/0004).

32 Die technische Möglichkeit der (weiteren) Erhaltung eines Denkmals auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, die Kosten einer solchen Erhaltung und die Wirtschaftlichkeit der Aufwendung solcher Kosten sind bei der Entscheidung über die Unterschutzstellung - anders als im Verfahren nach § 5 DMSG - unbeachtlich; ebenso auch eine Abwägung möglicherweise widerstreitender öffentlicher Interessen an der Erhaltung des Denkmales wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung gegenüber nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten anderen Interessen (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. März 2012, 2009/09/0248, und vom 20. Februar 2014, Ro 2014/09/0004).

33 Die Revision erweist sich daher als unzulässig, weshalb sie mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen war.

Wien, am 20. Juni 2016

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