VwGH Ro 2015/04/0026

VwGHRo 2015/04/002618.5.2016

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision des M W in K, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2015, Zl. W104 2016940-2/12E, betreffend Feststellungsverfahren nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kärntner Landesregierung; mitbeteiligte Partei: B GmbH in S, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19), zu Recht erkannt:

Normen

32003L0035 Öffentlichkeitsbeteiligung-RL Umweltangelegenheiten;
32005D0370 AarhusKonvention;
32011L0092 UVP-RL Art1 Abs2 lite;
32011L0092 UVP-RL Art11 Abs3;
32011L0092 UVP-RL Art11;
32011L0092 UVP-RL;
62007CJ0555 Kücükdeveci VORAB;
62008CJ0263 Djurgarden-Lilla Värtans Miljöskyddsförening VORAB;
62009CJ0240 Lesoochranarske zoskupenie VORAB;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
AVG §6 Abs1;
AVG §8;
B-VG Art11 Abs1 Z7;
EURallg;
GewO 1994 §74;
UVPG 2000 §19;
UVPG 2000 §3 Abs7 idF 2013/I/095;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3 Abs7a idF 2013/I/095;
UVPG 2000 §3 Abs7a idF 2016/I/004;
VwGG §21 Abs1 Z4;
VwGG §47;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RO2015040026.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat der mitbeteiligten Projektwerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Antrag der Standortgemeinde, Landeshauptstadt Klagenfurt, auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Die Kärntner Landesregierung stellte auf Antrag einer anerkannten Umweltorganisation mit Bescheid vom 14. März 2015 gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 fest, dass für die Errichtung und den Betrieb eines biomassebefeuerten Heizkraftwerks für die Erzeugung von Fernwärme und elektrischem Strom in Klagenfurt keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist.

2 2. Mit Beschluss vom 24. Juli 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers zurück und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig. Die Beschwerde der anerkannten Umweltorganisation wurde abgewiesen und damit bestätigt, dass für das gegenständliche Vorhaben keine UVP-Pflicht besteht.

3 In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht zur Zurückweisung der Beschwerde des Revisionswerbers aus, dass Nachbarn im UVP-Feststellungsverfahren weder Parteistellung zukäme, noch sie in zulässiger Weise Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben, noch sie einen zulässigen Antrag auf Einleitung eines solchen Feststellungsverfahrens stellen könnten. Der Revisionswerber bringe vor, Nachbar im Sinne der GewO 1994 zu sein und somit zur "betroffenen Öffentlichkeit" gemäß Art. 11 der UVP-Richtlinie zu zählen, weshalb ihm eine Überprüfungsmöglichkeit zustehe, die nur innerhalb des von der Behörde geführten gegenständlichen Feststellungsverfahrens erfolgen könne. Nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache "Gruber" sei ihm ein Beschwerderecht gegen den Feststellungsbescheid der Landesregierung einzuräumen.

Das Bundesverwaltungsgericht hielt dem entgegen, das EuGH-Urteil "Gruber" bedeute nicht, dass Nachbarn unmittelbar auf Grund des Unionsrechts ein Antragsrecht auf Einleitung eines UVP-Feststellungsverfahrens zuzugestehen sei. Die als unionsrechtswidrig erkannte Bindungswirkung des UVP-Feststellungsbescheides könne Nachbarn zwar nicht mehr entgegengehalten werden. Im Umkehrschluss führe dies aber nicht automatisch dazu, dass Nachbarn im UVP-Feststellungsverfahren entgegen § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 Parteistellung einzuräumen sei. Vielmehr könne dem Unionsrecht auch dadurch Genüge getan werden, dass dem Nachbarn das Recht auf Klärung der UVP-Pflicht in einem (materienrechtlichen) Genehmigungsverfahren zustehe. Im Rahmen eines derartigen Verfahrens könne die dort zuständige Behörde etwa als mitwirkende Behörde bei der UVP-Behörde einen Feststellungsantrag nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 stellen und unter Auseinandersetzung mit dem daraufhin ergehenden oder mit einem bereits früher erlassenen Feststellungsbescheid eine Entscheidung treffen. Dies gelte jedenfalls bis zur Verankerung einer unionsrechtskonformen Lösung durch den Gesetzgeber im UVP-G 2000.

4 3. Das Bundesverwaltungsgericht legte die gegen die Zurückweisung der Beschwerde gerichtete (ordentliche) Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens sowie der von der mitbeteiligten Projektwerberin und der Standortgemeinde (Landeshauptstadt Klagenfurt) erstatteten Revisionsbeantwortungen vor.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 1. Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist

jedoch nicht begründet.

6 2.1. Art. 1 und Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU

über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 vom 28.1. 2012, S 1, (im Folgenden: UVP-RL) lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Artikel 1

(1) Gegenstand dieser Richtlinie ist die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

(2) Im Sinne dieser Richtlinie sind:

(...)

d) 'Öffentlichkeit': eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen;

e) 'betroffene Öffentlichkeit': die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren gemäß Artikel 2 Absatz 2 betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse.

(...)

Artikel 11

(1) Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die

  1. a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ
  2. b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert,

    Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

(2) Die Mitgliedstaaten legen fest, in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können.

(3) Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a dieses Artikels. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels verletzt werden können.

(3) bis (4) (...)"

7 2.2. § 3 Abs. 7 und 7a des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000), BGBl. Nr. 697/1993 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 95/2013, hat folgenden Wortlaut:

"(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Vorhabens und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen. Hat die Behörde eine Einzelfallprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, so hat sie sich dabei hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken. Die Entscheidung ist innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung sind die mitwirkenden Behörden und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Umweltanwalt und die mitwirkenden Behörden sind von der Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen befreit.

(7a) Stellt die Behörde gemäß Abs. 7 fest, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist, ist eine gemäß § 19 Abs. 7 anerkannte Umweltorganisation berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Ab dem Tag der Veröffentlichung im Internet ist einer solchen Umweltorganisation Einsicht in den Verwaltungsakt zu gewähren. Für die Beschwerdelegitimation ist der im Anerkennungsbescheid gemäß § 19 Abs. 7 ausgewiesene örtliche Zulassungsbereich maßgeblich."

8 3. Der Revisionswerber wendet sich gegen die vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Auffassung, dem Unionsrecht werde dadurch Genüge getan, dass dem Nachbarn das Recht auf Klärung der Frage der UVP-Pflicht in einem materienrechtlichen Genehmigungsverfahren eingeräumt werde. Nach Ansicht des Revisionswerbers sei dies - zumindest in verfassungskonformer Weise - nicht möglich, weil die Materiengesetze ausschließlich Genehmigungstatbestände enthielten, die die Genehmigungsbehörde zu vollziehen habe, die sich aber nicht auf die Tatsachen- und Rechtsfragen des UVP-G 2000 beziehen würden. So seien Tatbestandselemente wie etwa der Vorhabensbegriff des § 2 Abs. 2 UVP-G 2000, die verschiedenen Prüffragen nach § 3 Abs. 2 und 4 UVP-G 2000, aber auch die Kriterien des § 17 UVP-G 2000 in den materienrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht anzuwenden. Die materienrechtlich zuständige Genehmigungsbehörde könne und dürfe diese im Sinne des Legalitätsprinzips nicht anwenden. Ebenso unterbleibe bei UVP-pflichtigen Vorhaben, hinsichtlich derer gar kein materienrechtliches Genehmigungsverfahren vorgesehen sei, ein entsprechendes Ermittlungsverfahren. Nachbarn hätten in diesen "Ersatzverfahren" daher keine Mitwirkungsrechte. Die Frage der UVP-Pflicht müsste damit im Rahmen von Verfahren geklärt werden, die auf eine Verletzung der verfassungsgesetzlichen Kompetenztatbestände, insbesondere des Art. 11 Abs. 4 und des Art. 131 Abs. 4 B-VG hinausliefen.

4. Mit diesem Vorbringen ist der Revisionswerber nicht im Recht:

9 Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat im Urteil vom 16. April 2015, C-570/13 (Gruber) ausgesprochen, dass nach Art. 11 Abs. 3 UVP-RL die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt. Demnach steht es dem nationalen Gesetzgeber frei, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinne von Art. 11 der UVP-RL geltend machen kann, auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken, d. h. auf individuelle Rechte, die nach dem nationalen Recht als subjektiv-öffentliche Rechte qualifiziert werden können. Doch dürfen die Bestimmungen dieses Artikels über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten der Mitglieder der Öffentlichkeit, die von unter diese Richtlinie fallenden Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen betroffen ist, nicht restriktiv ausgelegt werden (vgl. Rn. 39f).

10 Im Fall "Gruber" wurde das Vorliegen dieser Voraussetzungen (des "ausreichenden Interesses" bzw. der "Rechtsverletzung") bejaht und festgestellt, dass Personen, die unter den Begriff des "Nachbarn" im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 fallen, unionsrechtlich zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne des Art. 1 Abs. 2 lit. e) UVP-RL gehören (vgl. den Tenor und Rn. 42 des EuGH-Urteils sowie das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2015, 2015/04/0002).

11 Daraus folgt, dass Nachbarn nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Gruber" die Möglichkeit haben müssen, die Entscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, "im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten". Nachdem die betroffene Nachbarin im Fall "Gruber" nach der nationalen Rechtslage des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 keine Parteistellung im UVP-Feststellungsverfahren hatte, kam dem UVP-Feststellungsbescheid ihr gegenüber keine Bindungswirkung zu (vgl. das hg. Erkenntnis 2015/04/0002).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Folge auch Baubewilligungen aufgehoben, weil die belangte Behörde (bzw. das Landesverwaltungsgericht) zu Unrecht die Bindungswirkung eines (negativen) UVP-Feststellungsbescheides gegenüber den beschwerdeführenden Grundeigentümern, deren Grundstücke im Einflussbereich der Baugrundstücke lagen, angenommen hatte, obwohl diese Grundeigentümer dem Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 nicht als Parteien beigezogen worden waren, und weil sie sich deshalb mit den von den beschwerdeführenden Grundeigentümern im Rahmen des Bauverfahrens vorgetragenen Argumenten für das Vorliegen einer UVP-Pflicht hätte auseinandersetzen müssen (vgl. die hg. Erkenntnisse jeweils vom 4. August 2015, Ro 2014/06/0058, und Ra 2014/06/0044).

12 Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Frage der Bindungswirkung eines (negativen) UVP-Feststellungsbescheides in Bezug auf materienrechtliche Genehmigungsverfahren, sondern darum, ob dem Revisionswerber als Nachbar aus unionsrechtlicher Sicht zwingend Parteistellung und Beschwerdelegitimation im UVP-Feststellungsverfahren einzuräumen ist.

13 Hinsichtlich der vom Revisionswerber geforderten Parteistellung hat der Verwaltungsgerichtshof im Fall einer anerkannten Umweltorganisation bereits ausgesprochen, dass sich weder aus dem Aarhus-Übereinkommen noch aus der UVP-RL oder aus der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL ein Recht auf Teilnahme am UVP-Feststellungsverfahren als Partei ergibt. Es ist unionsrechtlich keine Parteistellung, sondern lediglich eine Anfechtungsmöglichkeit gefordert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2015, 2013/07/0105, mwN). Angesichts dessen besteht kein Anlass, die Anregung des Revisionswerbers auf Befassung des EuGH mit einem diesbezüglichen Vorabentscheidungsersuchen aufzugreifen. Wie diese Anfechtungsmöglichkeit ausgestaltet sein muss, lässt der EuGH im Urteil "Gruber" offen. Um der UVP-RL zu entsprechen, ist es für ihn - wie oben bereits ausführt - ausreichend, wenn ein zur betroffenen Öffentlichkeit im Sinne dieser Richtlinie gehörender Einzelner, der die Kriterien des nationalen Rechts in Bezug auf "ausreichendes Interesse" oder gegebenenfalls eine "Rechtsverletzung" erfüllt, die Möglichkeit hat, die Entscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, "im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten". Die Mitgliedstaaten können daher direkten Rechtsschutz ermöglichen oder den Rechtsschutz auf die Möglichkeit einer inzidenten Rüge in Zusammenhang mit einem Rechtsbehelf gegen eine Genehmigung beschränken (vgl. Huber-Medek, Zur Bindungswirkung von UVP-Feststellungsbescheiden, ÖZW 2015, 116 (118)).

14 Nach der Rechtsprechung des EuGH obliegt es den nationalen Gerichten, den Rechtsschutz sicherzustellen, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und deren volle Wirkung zu gewährleisten (vgl. das Urteil vom 19. Jänner 2010, C-555/07 (Kücükdeveci), Rn. 45). Lässt eine Problemstellung mehrere unterschiedliche Varianten unionskonformer Lösungen zu, so darf aus innerstaatlicher Sicht im Wege der Verdrängung nur jene zur Anwendung gelangen, mit welcher die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers so weit wie möglich erhalten bleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 2008, 2008/15/0064).

15 Aus § 3 Abs. 7 und 7a UVP-G 2000 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 95/2013 geht eindeutig hervor, dass der österreichische Gesetzgeber Nachbarn weder ein Antragsrecht auf Einleitung eines solchen Feststellungsverfahrens, noch Parteistellung im Feststellungsverfahrens, noch ein Beschwerderecht einräumt (die nunmehr mit der Novelle BGBl. I Nr. 4/2016 geschaffene Rechtslage, nach der § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 den Nachbarn ein ausdrückliches Beschwerderecht gegen Feststellungsbescheide nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 einräumt, ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar). Vor diesem Hintergrund stellt die den Nachbarn eingeräumte Möglichkeit, die UVP-Feststellungsentscheidung im Rahmen eines gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten, einen ungleich geringeren Eingriff in die innerstaatliche Rechtsordnung dar, zumal im vorliegenden Fall dem Revisionswerber als Nachbar auch Parteistellung im gewerbebehördlichen Bewilligungsverfahren zukommt (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 5. November 2015, Ro 2014/06/0078, wo der Verwaltungsgerichtshof - um den vom EuGH aufgezeigten Anforderungen der UVP-RL Genüge zu tun - ausgesprochen hat, dass Nachbarn, denen nach den einschlägigen nationalen Vorschriften im veranstaltungsrechtlichen Bewilligungsverfahren keine Parteistellung zukommt, eine solche kraft Unionsrecht einzuräumen ist).

Die vom Revisionswerber dagegen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken erweisen sich als unbegründet. Ein Eingehen der Fachbehörde auf die vom Nachbarn gegen die UVP-Pflicht vorgebrachten Einwände widerspricht weder dem Legalitätsprinzip noch der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung. Mit dem Argument, die Fachbehörde habe lediglich die jeweiligen Genehmigungstatbestände anzuwenden und die §§ 74 ff GewO 1994 enthielten schon ihrem Wortlaut nach gänzlich andere Kriterien, aber auch mit dem Hinweis auf Art. 11 Abs. 1 Z 7 B-VG verkennt der Revisionswerber, dass es im vorliegenden Fall nicht um die Durchführung der UVP geht, sondern ausschließlich um die Frage der UVP-Pflicht und somit um die Klärung der Zuständigkeit der Fachbehörde (§ 6 Abs. 1 AVG). So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Fall "Gruber" ausgesprochen, dass die Fachbehörde verpflichtet ist, ihre Zuständigkeit von Amts wegen unter Berücksichtigung einer allfälligen UVP-Pflicht des eingereichten Vorhabens zu prüfen und auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen darzulegen, warum sie vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgeht (vgl. das hg. Erkenntnis 2015/04/0002, mwN; siehe auch das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2015, 2012/07/0137). Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den negativen UVP-Feststellungsbescheid somit zu Recht zurückgewiesen.

16 5. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

17 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Der Antrag der Standortgemeinde (Landeshauptstadt Klagenfurt) auf Kostenersatz für die Einbringung der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen, weil ihr im Verfahren betreffend die Frage der Parteistellung und der Beschwerdelegitimation des Revisionswerbers gemäß § 21 Abs. 1 Z 4 VwGG nicht die Stellung als mitbeteiligte Partei zukommt.

Wien, am 18. Mai 2016

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