Normen
ABGB §1332;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §24 Abs1 Z2;
VwGG §24 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §46 Abs4;
VwGG §46;
VwGG §61 Abs3;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015190222.L00
Spruch:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Begründung
Mit Erkenntnis vom 10. August 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 19. Februar 2013 erhobene Beschwerde des Antragstellers gemäß § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unbegründet ab. Unter einem erkannte das Verwaltungsgericht dem Antragsteller gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zu und erteilte ihm eine bis 10. August 2016 gültige befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005. Die Erhebung einer Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Gegen dieses Erkenntnis beabsichtigt der Antragsteller, soweit ihm der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt wurde, eine außerordentliche Revision einzubringen.
Mit dem Antrag vom 22. September 2015 begehrte der Antragsteller, ihm zur Abfassung und Einbringung der Revision Verfahrenshilfe zu gewähren.
Mit Beschluss vom 6. Oktober 2015, Ra 2015/19/0222-2, wies der Verwaltungsgerichtshof diesen Antrag als verspätet zurück. Als dafür maßgeblich wurde angesehen, dass der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zwar innerhalb der Revisionsfrist zur Post gegeben, aber entgegen der Bestimmung des § 24 Abs. 1 Z 2 VwGG nicht beim Verwaltungsgerichtshof, sondern beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht wurde. Dort langte der Antrag erst nach Ablauf der Revisionsfrist ein, sodass auch die Weiterleitung des Antrages durch das Bundesverwaltungsgericht an den Verwaltungsgerichtshof erst nach Ablauf der Revisionsfrist erfolgte (zur Nichtgeltung des sog. "Postlaufprivilegs" in einem solchen Fall vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 26. März 2015, Ra 2014/22/0194, und vom 28. Mai 2015, Ra 2014/22/0165, jeweils mwN).
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 begehrte der Antragsteller - unter Anschluss eines gegenüber dem ersten Antrag gleichlautenden Verfahrenshilfeantrages - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Stellung des Verfahrenshilfeantrages.
Begründend führte er aus, er habe aus Versehen den Antrag auf Zuerkennung der Verfahrenshilfe an das Bundesverwaltungsgericht und nicht an den Verwaltungsgerichtshof adressiert. Die Rechtsmittelbelehrung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes habe keinen Hinweis darauf enthalten, bei welcher Stelle ein Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Revision einzubringen sei. In der Rechtsmittelbelehrung sei vielmehr darauf hingewiesen worden, dass "eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Bundesverwaltungsgericht" einzubringen sei. Dementsprechend habe der Antragsteller auch den Verfahrenshilfeantrag beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Für einen Rechtsunkundigen - der Antragsteller habe den Verfahrenshilfeantrag mit Unterstützung eines österreichischen Bekannten, der kein Jurist, sondern Architekt sei, eingebracht - sei es naheliegend, dass Anträge auf Zuerkennung der Verfahrenshilfe zur Erhebung eines Rechtsmittels bei jener Einbringungsstelle einzubringen seien, bei der das Rechtsmittel selbst einzubringen sei. Dass der Antragsteller im Vertrauen auf die Hilfe seines österreichischen Bekannten nicht weitere Erkundigungen über die richtige Einbringungsstelle eingeholt habe, könne ihm nicht als auffallende Sorglosigkeit, sondern nur als ein minderer Grad des Versehens vorgeworfen werden.
Gemäß § 24 Abs. 1 Z 2 VwGG sind Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen, der gemäß § 61 Abs. 3 VwGG über derartige Anträge entscheidet.
Mangels näherer Vorschriften im VwGG - § 46 Abs. 3 und 4 VwGG enthält Regelungen betreffend die Wiedereinsetzung nach erfolgter Einbringung der Revision bzw. für den Fall der Versäumung der Revisionsfrist - sind Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Anträge zu entscheiden (vgl. den hg. Beschluss vom 23. September 2014, Ra 2014/01/0070).
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.
Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag bestand das "Ereignis", das den Antragsteller an der rechtzeitigen Stellung eines an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Verfahrenshilfeantrages hinderte, darin, dass dem Antragsteller hinsichtlich der richtigen Einbringungsstelle ein Irrtum unterlaufen sei, zumal die Rechtsmittelbelehrung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes keinen Hinweis darauf enthalten habe. Für einen Rechtsunkundigen sei daher nachvollziehbar, dass Anträge auf Zuerkennung der Verfahrenshilfe zur Erhebung eines Rechtsmittels bei jener Stelle einzubringen seien, bei der das Rechtsmittel selbst einzubringen sei. Von diesem Versehen habe der Antragsteller am 13. Oktober 2015 mit der Übernahme des den Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes und der darin enthaltenen Begründung erfahren. Damit sei das Hindernis im Sinn des § 46 Abs. 3 VwGG weggefallen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt die Auffassung vertreten, dass auch ein Rechtsirrtum als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht kommen kann. Wenn ein solcher Irrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht wird, ist im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen. Der Begriff des minderen Grades des Versehens im letzten Satz des § 46 Abs. 1 VwGG ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 11. September 2013, 2013/02/0152, mwN).
Im Rahmen der ihn als "ordentliche Prozesspartei" treffenden Sorgfaltspflicht (vgl. den zitierten hg. Beschluss vom 11. September 2013) hätte den Antragsteller jedoch die Obliegenheit getroffen, sich die notwendigen Kenntnisse hinsichtlich der für einen Verfahrenshilfeantrag zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision richtigen Einbringungsstelle zu verschaffen. Dies umso mehr als er selbst erkannt hat, dass der in der Rechtsmittelbelehrung enthaltene Hinweis sich nur auf Revisionen, nicht aber auch auf Verfahrenshilfeanträge bezogen hat.
Solche Erkundigungen hat der Antragsteller aber gänzlich unterlassen. Zudem hat er den Verfahrenshilfeantrag mit dem vom Verwaltungsgerichtshof aufgelegten Formblatt "Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer außerordentlichen Revision" gestellt. In diesem Formblatt ist sogleich nach der soeben wiedergegebenen Überschrift (überdies in Fettdruck) auf der ersten Seite der Vermerk enthalten: "Hinweis:
Dieser Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen".
Schon deswegen kann keine Rede davon sein, dass der Irrtum hinsichtlich der Einbringungsstelle bloß auf leichter Fahrlässigkeit beruht hätte.
Doch selbst wenn man das Vorbringen des Antragsteller so zu verstehen hätte, dass der Irrtum über die Einbringungsstelle auf das Verhalten jener Person zurückzuführen wäre, deren Hilfe sich er sich bedient hat, läge kein bloß minderer Grad des Versehens vor.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden anderer Personen. Führt das Fehlverhalten anderer Personen zu einer Fristversäumung, so ist zu prüfen, ob die Partei selbst dadurch ein schuldhaftes Verhalten gesetzt hat, dass sie eine ihr auferlegte Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen hat (z.B. Auswahlverschulden, mangelnde Überwachungstätigkeit oder sonstiges Organisationsverschulden; vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa den Beschluss vom 29. April 2011, 2011/09/0061, mwN).
Wer einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2009, 2008/09/0225, mwN).
Aus dem Unterlassen des Aufgreifens des am Formblatt abgedruckten Hinweises auf die Einbringungsstelle durch den Bekannten des Antragstellers - dass dieser am Formblatt an prominenter Stelle und in Fettdruck angebrachte Hinweis nicht bemerkt worden wäre, wird im Wiedereinsetzungsantrag nicht einmal vorgebracht - kann nur auf eine auffallende Sorglosigkeit der zur Unterstützung herangezogenen Person geschlossen werden.
Darüber hinaus hat sich der Antragsteller, ohne kontrollierende Maßnahmen zu setzen, auf die Auskunft seines Bekannten betreffend die Einbringungsstelle verlassen, obgleich er selbst einräumt, es habe sich dabei ebenfalls nur um Schlussfolgerungen eines Rechtsunkundigen (nach dem Vorbringen: eines Architekten) aus der dieses Thema aber gar nicht abhandelnden Rechtsmittelbelehrung des anzufechtenden Erkenntnisses gehandelt.
Somit ist auch das auf die Unterstützung durch einen Bekannten abstellende Vorbringen nicht geeignet darzulegen, dass die Voraussetzungen für die begehrte Wiedereinsetzung vorlägen.
Der gegenständliche Wiedereinsetzungsantrag wurde entgegen § 24 Abs. 2 VwGG nicht von einem Rechtsanwalt eingebracht. Ein Auftrag an den Antragsteller, diesen dem Wiedereinsetzungsantrag anhaftenden Formmangel zu beseitigen, erübrigte sich allerdings, weil der Antrag zweifelsfrei erkennen lässt, dass keinerlei Anhaltspunkte für die Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages gegeben sind und somit auch nach Behebung des Formgebrechens die Bewilligung der Wiedereinsetzung ausgeschlossen wäre (vgl. den bereits zitierten Beschluss vom 23. September 2014), zumal die innerhalb der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages aufgestellten Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers den Rahmen für die Untersuchung der Frage abstecken, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. dazu den bereits erwähnten Beschluss vom 29. April 2011, 2011/09/0061, mwN).
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG - nach dem Gesagten: ohne dass es geboten gewesen wäre, den dem Antrag auf Wiedereinsetzung anhaftenden Formmangel einer Verbesserung zuführen zu müssen - abzuweisen.
Über den mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundenen Verfahrenshilfeantrag wird vom dafür gemäß § 14 Abs. 2 VwGG zuständigen Berichter zu entscheiden sein.
Wien, am 10. November 2015
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