Spruch:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
Begründung
Der Verwaltungsgerichtshof stellte das Beschwerdeverfahren zur Zl. 2010/09/0002 mit Beschluss vom 24. März 2011 (welcher dem Beschwerdeführervertreter am 31. März 2011 zugestellt wurde) wegen nicht vollständiger Mängelbehebung gemäß § 34 Abs. 2 und § 33 Abs. 1 VwGG ein, weil der Antragsteller dem Verbesserungsauftrag nicht fristgerecht nachgekommen waren, indem er nicht die entsprechende Zahl an Ausfertigungen der Urbeschwerde und den angefochtenen Bescheid vorgelegt hat.
Mit dem am 14. April 2011 zur Post gegebenen Antrag begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der Mängel der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 17. Mai 2010. Dazu wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Aufforderung zur Mängelbehebung der Rechtsanwaltsanwärterin Dr. CE als zuständiger Sachbearbeiterin in der Kanzlei des Beschwerdeführervertreters nach dem Posteingang überreicht worden sei; die Beschwerdeergänzung sei diktiert und verbessert und der Kanzleimitarbeiterin BF nach Verbesserung zur Ausfertigung der Post wieder vorgelegt worden. Hiefür habe Dr. CE "eine Ausfertigung der Beschwerde vom 19.7. 2010 gemeinsam mit den angefochtenen Bescheid mit einer Büroklammer zusammengeheftet, oben auf den Akt gelegt mit dem Hinweis, die ursprüngliche Beschwerde, wie vom Verwaltungsgerichtshof aufgefordert, 2-fach vorzulegen". Die Kanzleileiterin BF habe die auf dem Akt liegende Beschwerde gesehen, jedoch dem diktierten Schriftsatz der Beschwerdeergänzung vom 23. Februar 2011 entnommen, dass zwei Beschwerden beizulegen seien. Sie habe darauf den Akt durchsucht und die beiden anderen Originalausfertigungen vorgefunden und dem Kuvert beigelegt, wobei ihr nicht aufgefallen sei, dass an der bereits vorbereiteten Originalbeschwerde die Bescheidausfertigung angeheftet gewesen sei, die ebenfalls als Beilage mitzuschicken gewesen wäre. Die Nichtvorlage dieses Bescheides beruhe auf einem Versehen, welches durch ein Missverständnis der Sachbearbeiterin und der sonst absolut zuverlässigen Kanzleimitarbeiterin passiert sei. Ein Verschulden des Rechtsvertreters durch mangelhafte Überwachung liege nicht vor, da auf Grund der Fixierung der Beschwerdeausfertigung mit der Bescheidausfertigung mittels einer Büroklammer durch die juristische Sachbearbeiterin Dr. CE infolge der bisher gezeigten Verlässlichkeit der langjährigen Kanzleimitarbeiterin BF nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass diese aus Versehen die beiden im Akt befindlichen Beschwerden der Beschwerdeergänzung beilegen und die bereits vorbereitete Beschwerde wieder in den Akt einordnen werde. Bei Unterfertigung der Beschwerdeergänzung durch den Beschwerdeführervertreter sei diesem auf Grund der beigelegten Beschwerdeausfertigungen ebenfalls nicht aufgefallen, dass die dritte Beschwerde samt angehefteten Bescheid wieder in den Akt eingeordnet worden sei.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, das heißt die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihn nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist, als an rechtsunkundige Personen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 28. April 1994, Zl. 94/16/0066).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden anderer Personen. Führt das Fehlverhalten anderer Personen, etwa das von Angestellten des Vertreters, zu einer Fristversäumung, so ist zu prüfen, ob der Vertreter bzw. die Partei selbst dadurch ein schuldhaftes Verhalten gesetzt hat, dass er bzw. sie eine ihr auferlegte Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen hat (z.B. Auswahlverschulden, mangelnde Überwachungstätigkeit oder sonstiges Organisationsverschulden; vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa den Beschluss vom 27. Februar 1996, Zlen. 95/08/0309, 0314).
Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zlen. 95/08/0259, 96/08/0031).
Im konkreten Fall hätte der Beschwerdeführer auf Grund des Mängelbehebungsauftrages die Beschwerdeergänzungen vierfach sowie eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde (für eine weitere Partei) unter Anschluss der zurückgestellten Originalbeschwerde samt den dazu angeschlossenen Beschwerdeausfertigungen und dem angefochtenen Bescheid vorzulegen gehabt. Aus dem im Rubrum der Beschwerdeergänzung befindlichen Vermerk ("4-fach, 2 Beschwerden, Überweisungsbeleg i.O.") ist zu schließen, dass entgegen dem Mängelbehebungsauftrag keine entsprechende Zahl von Ausfertigungen der Beschwerde und auch nicht der angefochtene Bescheid angeschlossen ist.
Dem Beschwerdeführervertreter hätte bei Vorlage zur Unterfertigung des Schriftsatzes vor Abfertigung auffallen müssen, dass schon nach diesem Vermerk dem Mängelbehebungsauftrag nicht entsprochen wird. Aus dem Antragsvorbringen ist aber zu schließen, dass er dabei nur auf den Vergleich der angeschlossenen Beilagen mit dem Vermerk auf der ersten Seite des Schriftsatzes abgestellt hat. Die offenkundige Unterlassung der Heranziehung des Mängelbehebungsauftrages bei der vom Rechtsanwalt anlässlich der Unterfertigung des Schriftsatzes vorzunehmenden (abschließenden) Prüfung stellt aber nicht bloß eine minderen Grad des Versehen dar; dieses Fehlverhalten ist unmittelbar dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Es erübrigt sich daher hier die weitere Prüfung, ob im Vorfeld der Unterfertigung durch den Rechtsanwalt die Sachbearbeiterin auch die behaupteten Unterlagen beigelegt bzw. die Kanzleimitarbeiterin diese auf Grund des divergierenden Vermerks wieder entfernt hat und darin allenfalls auch ein Organisationsverschulden gesehen werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom 5. April 2011, Zl. 2011/16/0044).
Im Übrigen ist anzumerken, dass im Wiedereinsetzungsantrag durch Vorlage von zwei Ausfertigungen der Beschwerde vom 19. Juli 2010 auch § 46 Abs. 3 zweiter Satz VwGG nicht entsprochen wurde.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war daher gemäß § 46 VwGG keine Folge zu geben.
Wien, am 29. April 2011
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)