VwGH Ra 2015/04/0035

VwGHRa 2015/04/003524.6.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Revision des R W in S, vertreten durch Dr. Richard Benda, Dr. Christoph Benda und Mag. Stefan Benda, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Pestalozzistraße 3, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. April 2015, Zl. W195 2103950- 1/4E, betreffend Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §6;
AVG §60;
B-VG Art102 Abs2;
B-VG Art131 Abs1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art131 Abs3;
B-VG Art131 Abs6;
B-VG Art133 Abs1 Z3;
IngG 2006 §4 ;
VwGG §71;
VwGVG 2014 §18;
VwGVG 2014 §3 Abs1;
VwGVG 2014 §31 Abs2;
VwGVG 2014 §31;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 11. Juli 2014 hat der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft den Antrag des Revisionswerbers auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 Z 4 des Ingenieurgesetzes 2006 abgewiesen.

1.2. Die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde wurde am 22. August 2014 dem Landesverwaltungsgericht Steiermark vorgelegt. Dieses hat mit Beschluss vom 17. März 2015 die Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG iVm § 3 Abs. 1 und § 31 VwGVG "zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht abgetreten".

1.3. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 9. April 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurück und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht (zusammengefasst) aus, es sei in der gegenständlichen Rechtssache nicht zuständig, weil ein Fall der mittelbaren Bundesverwaltung vorliege und sich aus Art. 102 und Art. 131 B-VG sowie den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien ergebe, dass unter anderem "keine Zuständigkeit des Bundes(verwaltungsgerichtes) besteht, wenn (...) in einer Angelegenheit, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt wird, (ausnahmsweise) eine erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesministers vorgesehen ist".

1.4. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision. Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG bringt sie vor, es fehle Rechtsprechung zur gegenständlichen Rechtsfrage, ob das Landesverwaltungsgericht oder das Bundesverwaltungsgericht "in der Anwendung des Ingenieurgesetzes 2006" zuständig sei.

 

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist zulässig; sie erweist sich jedoch als nicht begründet.

2.1. Art. 131 B-VG sieht eine Aufteilung der (sachlichen) Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte in Form von Generalklauseln zugunsten der Landesverwaltungsgerichte (Abs. 1 und 6 leg. cit.) in Verbindung mit einer taxativen Aufzählung jener Angelegenheiten, über die die Verwaltungsgerichte des Bundes entscheiden (Abs. 2 und 3 leg. cit.), vor. Gemäß Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig "in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden". Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes knüpft also daran an, dass eine Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung im Sinne des Art. 102 Abs. 2 B-VG erledigt wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob die betreffende Angelegenheit in Art. 102 Abs. 2 B-VG genannt ist oder sich ihre Besorgung in unmittelbarer Bundesverwaltung aus anderen Bestimmungen ergibt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 2015, E 923/2014, mit Hinweis auf ErlRV 1618 BlgNR 24. GP , 15). Entscheidend ist somit die tatsächliche Besorgung, nicht die verfassungsrechtliche Möglichkeit dazu (vgl. Wiederin, Das Bundesverwaltungsgericht: Zuständigkeiten und Aufgabenbesorgung, in: Holoubek/Lang (Hrsg.), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2013) 29 (38)). Den Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ist zudem zu entnehmen, dass eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes nicht besteht, wenn in einer Angelegenheit, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt wird, (ausnahmsweise) eine erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesministers vorgesehen ist (vgl. ErlRV 1618 BlgNR 24. GP , 15).

Gemäß § 4 des Ingenieurgesetzes 2006, BGBl. I Nr. 120 in der Fassung BGBl. I Nr. 129/2013, entscheidet der jeweils zuständige Bundesminister über die Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur". Nachdem es sich bei der Vollziehung des Ingenieurgesetzes 2006 um mittelbare Bundesverwaltung handelt (vgl. dazu die Gesetzesmaterialien zum Verwaltungsgerichts-Anpassungsgesetz - Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, BGBl. I Nr. 129/2013: ErlRV 2244 BlgNR 24. GP , 4 f), ergibt sich aus dem oben Gesagten, dass der Rechtszug im vorliegenden Fall gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG an das (jeweils örtlich zuständige) Landesverwaltungsgericht geht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat daher seine Zuständigkeit zu Recht verneint.

2.2. Ungeachtet der durch die subsidiäre - sinngemäße - Anwendbarkeit des § 6 AVG auch den Verwaltungsgerichten eröffneten Möglichkeit, Anbringen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig sind, an die zuständige Stelle - die auch ein anderes sachlich oder örtlich zuständiges Verwaltungsgericht sein kann - durch verfahrensleitenden Beschluss im Sinne des § 31 Abs. 2 VwGVG weiterzuleiten, ist jedenfalls dann, wenn die Unzuständigkeit eines Verwaltungsgerichts zweifelhaft und nicht offenkundig ist, eine Entscheidung über die Zuständigkeit in der in den Verfahrensgesetzen vorgesehenen Form (Beschluss über die Zurückweisung wegen Unzuständigkeit oder Erkenntnis in der Sache bzw. Zurückweisung aus anderen Gründen oder Einstellung unter Bejahung der Zuständigkeit) zu treffen (vgl. den hg. Beschluss vom 18. Februar 2015, Ko 2015/03/0001). Während der Behörde in der Konstellation eines Berufungsverfahrens vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 eine Zurückweisung wegen Unzuständigkeit verwehrt war (vgl. das von einem verstärkten Senat beschlossene Erkenntnis vom 30. Mai 1996, 94/05/0370 = VwSlg. 14.475 A/1996, sowie die weiteren Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG I2 (2014) § 6 Rz. 15), stellt die förmliche Ablehnung der Zuständigkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Beschluss vom 18. Februar 2015 bereits festgestellt hat - nunmehr nach Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Voraussetzung für eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über einen Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsgerichten gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 3 B-VG dar. Da das VwGVG für ein Absprechen über die Nichtzuständigkeit des Verwaltungsgerichts keine gesonderte Form vorsieht, kommt hier nur ein Zurückweisungsbeschluss in Betracht. Wie sich dem zitierten Beschluss Ko 2015/03/0001 entnehmen lässt, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass das Verwaltungsgericht, das den (ersten) förmlichen Zurückweisungsbeschluss zu erlassen hat, auch verpflichtet ist, die Akten des Verfahrens an das für zuständig erachtete Verwaltungsgericht rückzuübermitteln, um diesem die Möglichkeit zu geben, selbst einen förmlichen Beschluss über seine Unzuständigkeit zu erlassen (Pkt. 9.7.).

Ausgehend davon ist die angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Hinblick auf seine eindeutige Begründung, die ausdrücklich auf den hg. Beschluss Ko 2015/03/0001 Bezug nimmt, dahin zu deuten, dass die Beschwerde "wegen Unzuständigkeit" zurückgewiesen wurde und somit lediglich ein Abspruch über die Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts erfolgte (vgl. zur Einbeziehung der Begründung bei der Auslegung einer Zurückweisungsentscheidung das hg. Erkenntnis vom 9. August 2013, 2013/08/0137). Die vom Bundesverwaltungsgericht ausgesprochene Zurückweisung der Beschwerde "als unzulässig" ist bei dieser Begründung als Vergreifen im Ausdruck anzusehen (vgl. zur Umdeutung eines Spruches das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2014, 2012/17/0176).

Dass das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Zurückweisungsbeschluss der Sache nach lediglich über seine (Un)Zuständigkeit abgesprochen hat, ergibt sich schon aus Rechtsschutzerwägungen, weil eine - wie im vorliegenden Fall - zu Unrecht erfolgte Weiterleitung an ein nicht zuständiges Verwaltungsgericht und die daraufhin ergangene Zurückweisung der Beschwerde durch dieses Gericht nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen kann. Eine abschließende Erledigung des Beschwerdeverfahrens ist im vorliegenden Fall damit nicht erfolgt. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht die Akten an das zuständige Landesverwaltungsgericht rückzuübermitteln.

2.3. Da bereits die Revision erkennen ließ, dass die vom Revisionswerber behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. Juni 2015

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