VwGH 2013/08/0137

VwGH2013/08/01379.8.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Stohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des BL in H, vertreten durch Pierre Stantic, Rechtsanwalt in D-80997 München, Menzinger Straße 163 a, im Einvernehmen mit Lirk Spielbüchler Hirtzberger, Rechtsanwälte OG in 5020 Salzburg, Hellbrunnerstraße 9a gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 27. Mai 2013, Zl. 6-SO-N4073/6-2008, betreffend Zurückweisung eines Einspruches in einer Angelegenheit des ASVG (mitbeteiligte Partei: Burgenländische Gebietskrankenkasse, 7001 Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §67 Abs10;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;
ASVG §67 Abs10;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Wie sich aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt, hat die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 28. November 2007 betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG in Höhe von EUR 406.663,19 zuzüglich Verzugszinsen gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei ungarischer Staatsbürger und zum Zeitpunkt der (in Ungarn erfolgten) Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides in Ungarn wohnhaft gewesen. In Österreich habe er zum Zustellzeitpunkt keinen Wohnsitz gehabt. Aus der Zustellverfügung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gehe hervor, dass der erstinstanzliche Bescheid mittels Rückscheinbrief zugestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe im Inland keinen Zustellbevollmächtigten namhaft gemacht und sei dazu auch nicht aufgefordert worden. Es existierten keine bilateralen oder multilateralen internationalen Verträge, welche die Rechtshilfe im Bereich der Verwaltungsverfahren zwischen der Republik Ungarn und der Republik Österreich regeln würden. Insbesondere habe die Republik Ungarn das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland nicht unterzeichnet. Es seien keine verbindlichen Regelungen durch Organe der Europäischen Union für die Leistung von Rechtshilfe (namentlich für Zustellung) in Verwaltungsverfahren vorhanden.

Bestünden keine internationalen Vereinbarungen mit dem betreffenden ausländischen Staat über die Zustellung, so seien gemäß § 11 Abs. 1 ZustellG dessen Rechtsvorschriften über die Zustellung von Schriftstücken maßgebend. Sonst würde sich die Zulässigkeit und Form der Zustellung von Schriftstücken österreichischer Behörden im Ausland nach der internationalen Übung richten, also danach, ob und gegebenenfalls welche Form der Zustellung der betreffende ausländische Staat auf seinem Gebiet üblicherweise ohne Protest zulasse und damit stillschweigend seine Zustimmung zu diesem Vorgehen zum Ausdruck bringe.

Einer von der österreichischen Botschaft Budapest vorgelegten Stellungnahme sei u.a. zu entnehmen, dass Ungarn dem Ansuchen betreffend Zustellung des ausländischen Dokumentes im Allgemeinen auch durch Zwangszustellung nachkomme. Um dem Rechtshilfeersuchen nachzukommen, solle das Gericht nicht nur das Dokument und den Zustellnachweis übermitteln, sondern auch amtlich bestätigen, dass die Zustellung nach den betreffenden ungarischen Rechtsvorschriften rechtskräftig ist. Die Zwangszustellung sei nicht zulässig, wenn die ausländische Behörde dem Dokument die beglaubigte ungarische Übersetzung nicht beigelegt habe. Eine Heilung von Zustellmängeln nach § 7 ZustellG auf fremdem Territorium werde durch § 11 ZustellG ausgeschlossen.

Dem Beschwerdeführer sei der erstinstanzliche Bescheid vom 28. November 2007 lediglich in deutscher Sprache - ohne die für Zustellungen in Ungarn erforderliche Vorgangsweise einzuhalten - übermittelt worden. Infolge des Fehlens einer Übersetzung in die ungarische Sprache und mangels Einhaltens jenes Weges, den die nationalen Regelungen für Zustellungen auf dem Gebiet der Republik Ungarn vorsehen würden, sei die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides in Ungarn nicht gültig bewirkt worden.

Da der erstinstanzliche Bescheid bislang mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht erlassen worden sei und keine Rechtswirkungen habe entfalten können, habe dagegen auch nicht Einspruch erhoben werden können. Der Einspruch sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde bringt vor, im Spruch des angefochtenen Bescheides fehle eine Entscheidung darüber, dass der erstinstanzliche Bescheid vom 28. November 2007 keine Rechtswirkungen entfalte. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sei der Auffassung, dass der Ursprungsbescheid vom 28. November 2007 in Rechtskraft erwachse, weil im Spruch des angefochtenen Bescheides keine Entscheidung zur Rechtsunwirksamkeit des Ursprungsbescheides vom 28. November 2007 getroffen worden sei. Es sei daher davon auszugehen, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Ursprungsbescheid wie angekündigt vollziehen werde, obwohl die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgestellt habe, dass der Ursprungsbescheid keine Rechtswirkungen entfalten habe können. Der Beschwerdeführer sehe sich aus "äußerster (anwaltlicher) Vorsicht" zur Anfechtung des Bescheides der belangten Behörde und damit zur Abklärung der Frage der rechtlichen Wirkungen des Ursprungsbescheides vom 28. November 2007 gezwungen.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Grundsätzlich gilt, dass nur der Spruch des Bescheides, nicht aber dessen Entscheidungsgründe in Rechtskraft erwachsen kann. Dieser Grundsatz gilt aber jedenfalls für verfahrensrechtliche Bescheide nicht uneingeschränkt. Auch wenn sich der Spruch eines Bescheides auf die Zurückweisung eines Rechtsmittels beschränkt, ohne den Grund dafür in den Spruch aufzunehmen, so kommt der unterschiedliche normative Gehalt einer Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet oder unzulässig im Gegensatz zu jenem der Zurückweisung eines Rechtsmittels mangels Vorliegens einer anfechtbaren Entscheidung in der insoweit bindenden Begründung zum Ausdruck (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2006, Zl. 2006/12/0040, mwN).

Im vorliegenden Verfahren ist nicht strittig, dass der erstinstanzliche Haftungsbescheid in Ermangelung einer wirksamen Zustellung an den Beschwerdeführer bisher nicht erlassen worden ist. Die belangte Behörde hat daher den Einspruch des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Der normative Gehalt dieser Zurückweisung ergibt sich aus den Entscheidungsgründen, nämlich dem Nichtvorliegen eines anfechtbaren Bescheides. Die Begründung für die Zurückweisung bildet hier die der materiellen Rechtskraft teilhaftig werdende Beantwortung der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Hauptfrage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0001). Sollte diese Frage in anderen Verfahren als Vorfrage eine Rolle spielen, so wäre die betreffende Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer an die rechtskräftig beantwortete Hauptfrage im gegenständlichen Verfahren gebunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0174).

Der Beschwerdeführer ist dadurch, dass die belangte Behörde die nicht rechtswirksame Erlassung des Haftungsbescheides nur in der Begründung des angefochtenen Bescheides, nicht aber auch im Spruch festgestellt hat, in keinen Rechten verletzt.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 9. August 2013

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