Normen
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs4 Z1;
VStG §24;
VStG §51 Abs1;
VwGG §13 Abs1 Z2;
VwRallg;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs4 Z1;
VStG §24;
VStG §51 Abs1;
VwGG §13 Abs1 Z2;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 28. Juni 1993 wurde dem Beschwerdeführer folgendes zur Last gelegt:
"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG der K... St... Ges.m.b.H. mit Sitz in Wien, H-Gasse 73, zu verantworten, daß die K. St. Ges.m.b.H. in der Zeit vom 21.4.1992 bis 5.5.1992 Zink-Kohle-Batterien der Type R 6 mit einem Cadmiumgehalt von 0,006 % von ihrem Zentrallager in W, Hauptstraße 24, durch Verteilung an die einzelnen Filialen bzw. Zwischenlager für Vertragsverkaufsstellen in Verkehr gebracht hat, obwohl Zink-Kohle-Batterien der Type R 6 nur in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn der Cadmiumgehalt 0,001 % nicht übersteigt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs. 1 Verordnung über die Rücknahme und Schadstoffbegrenzung von Batterien und Akkumulatoren, BGBl. Nr. 514/1990 in der geltenden Fassung, begangen."
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 39 Abs. 1 lit. b Z. 1 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990, eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,--, für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen verhängt. Dieser Bescheid enthielt eine Rechtsmittelbelehrung dahin, daß die Berufung beim Magistrat der Stadt Wien oder beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eingebracht werden könne.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien, an den die beim Magistrat der Stadt Wien eingebrachte Berufung weitergeleitet worden ist, übermittelte dieses Rechtsmittel an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien war dabei der Auffassung, daß die Behörde erster Instanz als Tatort das "Zentrallager in W, Hauptstraße 24", angenommen habe, weshalb der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land Niederösterreich gemäß § 51 Abs. 1 VStG für die Entscheidung über die Berufung zuständig sei. Letzterer hat die Berufung "gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, zurückgewiesen" und dies damit begründet, daß im Spruch des angefochtenen erstinstanzlichen Straferkenntnisses kein Ort ausdrücklich als Tatort angegeben worden sei; es bedürfe daher der Interpretation, welchen der beiden im Spruch enthaltenen Orte (einerseits der Unternehmenssitz der K.S. Ges.m.b.H. in Wien, andererseits das Zentrallager in Niederösterreich) die Behörde erster Instanz als Tatort angenommen habe. Nach Auffassung der belangten Behörde sprächen folgende Gründe dafür, daß die erstinstanzliche Behörde vom Tatort in Wien ausgegangen sei: die "faktische Auslieferung der Batterien" durch das Zentrallager bedeute nicht automatisch, daß dort der Tatort gegeben sei. Als Tatort sei nämlich nur jener Ort anzusehen, an dem der Täter gehandelt habe bzw. hätte handeln müssen. Im vorliegenden Fall sei der Täter der handelsrechtliche Geschäftsführer. Es lägen im Akt keine Hinweise vor, daß der handelsrechtliche Geschäftsführer seine Handlungen im Zentrallager setze, sodaß allfällige Verfehlungen bzw. ein allfälliges Fehlverhalten dem handelsrechtlichen Geschäftsführer am Unternehmenssitz anzulasten seien. Die erstinstanzliche Behörde sei offensichtlich auch von dieser Rechtsauffassung ausgegangen und habe daher ihre örtliche Zuständigkeit wahrgenommen. Eine Abtretung gemäß § 29a VStG habe nicht stattgefunden, zumal dagegen spreche, daß der Beschuldigte seinen Wohnsitz nicht in Wien habe. Die erstinstanzliche Behörde habe auch in ihrer Rechtsmittelbelehrung unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß eine Berufung gegen ihren Strafbescheid an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien möglich sei. Auch aus diesem Umstand sei abzuleiten, daß die erstinstanzliche Behörde Wien als Tatort angenommen habe. Aufgrund des in Wien gelegenen Tatortes ergebe sich aber die offenkundige Unzuständigkeit der belangten Behörde als Berufungsbehörde, weshalb die Berufung zurückzuweisen gewesen sei.
Die Behandlung der zunächst beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde wurde von diesem gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG mit Beschluß vom 28. November 1994, B 2043/94-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der auch an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer u.a. in dem Recht auf Sachentscheidung über seine Berufung verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 39 Abs. 1 lit. b Z. 1 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990 (im folgenden: AWG), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist,
"...
b) mit Geldstrafe von 5000 bis 100000 Schilling, wer
1. den Vorschriften einer Verordnung gemäß § 7 zuwiderhandelt;".
Gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung über die Rücknahme und Schadstoffbegrenzung von Batterien und Akkumulatoren, BGBl. Nr. 514/1990, die gemäß § 7 Abs. 2 Z. 3 und 8 AWG vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erlassen wurde, dürfen Zink-Kohlebatterien der Typen R 6, R 14 und R 20 nur in Verkehr gebracht werden, wenn der Quecksilbergehalt 0,001 % und der Cadmiumgehalt 0,001 % nicht übersteigt.
Gemäß § 51 Abs. 1 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden, vor der Novelle
BGBl. Nr. 620/1995 geltenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 666/1993, steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde.
Gemäß dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 6 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.
2. Beschwerdevorbringen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß bis zur VStG-Novelle 1990 die Berufungsbehörde für den Fall der nicht genauen Angabe eines Tatbestandsmerkmales (wie des Tatortes) im Straferkenntnis die Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG hätte beheben können, um der erstinstanzlichen Behörde eine neue, präzise Entscheidung aufzutragen. Diese Möglichkeit sei mit der genannten Novelle beseitigt worden, da durch die nunmehr geschaffenen unabhängigen Verwaltungssenate die Untersuchung des Sachverhaltes und die Aufklärung von Ungenauigkeiten (von diesem) selbst zu erfolgen habe. Der unabhängige Verwaltungssenat habe gemäß den §§ 51e bis 51i VStG die Pflicht zur Behandlung der Berufung in einer Verhandlung und zur sachlichen Entscheidung ausschließlich auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Verhandlung. Statt dessen sei dem Beschwerdeführer u.a. durch die Zurückweisung seiner Berufung durch den angefochtenen Bescheid aus Unzuständigkeitserwägungen sein Recht, das Straferkenntnis der erstinstanzlichen Behörde im Instanzenzug auf seine Gesetzmäßigkeit überprüfen zu lassen, entzogen worden. Er habe insbesondere einen Anspruch auf Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens vor dem Berufungssenat und auf eine Sachentscheidung, die sich ausschließlich auf die im Berufungsverfahren durchgeführten Beweise gründe. Es sei unzulässig, wenn sich die belangte Behörde auf § 66 Abs. 4 AVG stütze. Eine Zurückweisung der Berufung sei nur in den beiden - nach Auffassung des Beschwerdeführers hier nicht gegebenen - Fällen der Unzulässigkeit oder der Verspätung der Berufung zulässig.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.
Die hier zu entscheidende Rechtsfrage, wie eine Oberbehörde, wenn sie von einer Unterbehörde oder von einer anderen Behörde - angenommen fälschlich - als Berufungsbehörde angesehen und ihr demgemäß das Rechtsmittel samt Akten vorgelegt bzw. übermittelt wird, vorzugehen hat bzw. vorgehen darf, wurde in der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unterschiedlich beantwortet.
3. Bisherige Judikatur:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen Erkenntnissen vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0092, vom 20. Dezember 1993, Zl. 93/02/0226, vom 25. März 1994, Zl. 94/02/0026, vom 19. April 1994, Zl. 94/11/0095, und in der in diesen Erkenntnissen angeführten Vorjudikatur die Zurückweisung der Berufung wegen Unzuständigkeit der Berufungsbehörde ohne Einschränkung für zulässig erachtet. Alle diese Fälle standen im Zusammenhang mit einer Weiterleitung der Berufung gemäß § 6 AVG, wobei in dem Fall Zl. 94/02/0026 der Beschwerdeführer bei der weiterleitenden Behörde auf einer Entscheidung über die Berufung beharrt hatte. Nach diesen Erkenntnissen (im hg. Erkenntnis vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0092, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. April 1989, Slg. Nr. 12.896/A, welches allerdings einen Antrag erster Instanz und kein Rechtsmittel behandelt) sei die Zurückweisung der Berufung wegen Unzuständigkeit keine endgültige Entscheidung über die Berufung, weshalb es dem Beschwerdeführer freistehe, bei der Behörde, von der die Berufung weitergeleitet worden sei, auf der Erledigung seiner Berufung zu beharren (vgl. die angeführten hg. Erkenntnisse Zl. 93/18/0092, Zl. 93/02/0226 und Zl. 94/11/0095). Im letztgenannten Erkenntnis führte der Gerichtshof dazu näher aus, daß der gesonderte Ausspruch der Zurückweisung der Berufung wegen Unzuständigkeit der Sache nach nicht mehr als die ausdrückliche Verweigerung der meritorischen Entscheidung aus diesem Grund bedeute. Eine solche Zurückweisung bringe nur die implizite verfahrensrechtliche Folge einer Feststellung der örtlichen Unzuständigkeit zum Ausdruck. Daraus ergebe sich jedoch nicht, daß mit dem angefochtenen Bescheid endgültig über die Berufung des Beschwerdeführers entschieden worden und der erstinstanzliche Bescheid somit in Rechtskraft erwachsen sei. Dem Beschwerdeführer stehe es - wie bereits dargelegt - vielmehr frei, bei der Behörde, von der die Berufung weitergeleitet worden sei, auf der Erledigung seiner Berufung zu beharren.
Über diese Judikatur hinausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 21. März 1995, Zl. 95/11/0024, die allgemeine Aussage getroffen, daß die "ausdrücklich angerufene" unzuständige Berufungsbehörde zur Zurückweisung der Berufung wegen Unzuständigkeit berechtigt sei. Dies sei aus § 6 Abs. 1 AVG abzuleiten, nach dem jeder Behörde begriffsnotwendig auch die Zuständigkeit zur Zurückweisung eines an sie gerichteten Anbringens im Falle ihrer Unzuständigkeit zukommen muß. Dieses Erkenntnis betraf keinen Fall, in dem die Berufung gemäß § 6 AVG weitergeleitet worden war. Es wurde allerdings auch auf die Möglichkeit der Weiterleitung bzw. der Weiterverweisung gemäß § 6 Abs. 1 AVG in keiner Weise Bezug genommen. Es handelte sich auch nicht um einen Fall, in dem überhaupt keine Berufungsmöglichkeit bestand. In diesem Erkenntnis wurde dem Umstand, welche Berufungsbehörde von der Partei angeführt worden war, maßgebliche Bedeutung beigemessen.
Im Unterschied dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in zwei Erkenntnissen (nämlich jenen vom 24. Februar 1993, Zl. 92/02/0309, und vom 20. Mai 1994, Zl. 93/02/0239) die Zulässigkeit der Zurückweisung einer Berufung wegen Unzuständigkeit der zur Entscheidung angerufenen Behörde nur für den Fall bejaht, daß die Partei auf der Erledigung ihrer Berufung durch die angerufene, aber objektiv unzuständige Behörde beharrt, ansonsten sei gemäß § 6 AVG vorzugehen. In dem dem Erkenntnis Zl. 92/02/0309 zugrundeliegenden Fall erachtete die belangte Behörde die (bloße) Bezeichnung der Berufungsbehörde durch den Berufungswerber als maßgeblich, während in dem dem Erkenntnis Zl. 93/02/0239 zugrundeliegenden Fall die Berufung von der Behörde erster Instanz der Berufungsbehörde vorgelegt worden war. Diese zuletzt angeführten Erkenntnisse gehen ausdrücklich davon aus, daß die Bezeichnung der Berufungsbehörde nicht maßgeblich ist und einer Weiterleitung gemäß § 6 AVG nicht entgegensteht. Im hg. Erkenntnis Zl. 92/02/0309 wurde dies explizit zum Ausdruck gebracht. § 6 Abs. 1 AVG lasse den Grundsatz erkennen, es solle einer Partei aus einer Unkenntnis der Behördenorganisation und der Zuständigkeitsnormen kein Rechtsnachteil entstehen. Es sei Sache der Behörde, dafür zu sorgen, daß ein Parteianbringen unabhängig von der darin etwa erfolgten Bezeichnung der angerufenen Behörde an die zu seiner Erledigung zuständige Behörde gelangt. Daß dies uneingeschränkt auch für das Berufungsverfahren gelte, ergebe sich aus § 63 Abs. 3 AVG, wonach die Berufung den Bescheid, gegen den sie sich richtet, zu bezeichnen und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten, nicht aber die zur Entscheidung über die Berufung angerufene Behörde zu benennen habe.
In dem hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1988, Zl. 88/04/0011, wird die Auffassung vertreten, § 6 Abs. 1 zweiter Halbsatz AVG normiere kein Verbot der bescheidmäßigen Zurückweisung eines Antrages (einschließlich einer Berufung), wenn von der Möglichkeit der Weiterleitung oder Weiterverweisung durch die von der Partei ausdrücklich in Anspruch genommene unzuständige Behörde kein Gebrauch gemacht werden könne (in diesem Fall hatte sich der (nach hg. Auffassung zuständige) Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, an den die Berufung vom angerufenen damaligen Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie gemäß § 6 AVG weitergeleitet worden war, auch für unzuständig erklärt, worauf der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie die Berufung wegen Unzuständigkeit zurückwies).
4. Rechtliche Erwägungen:
Aufgrund der im folgenden näher dargelegten Erwägungen hält der Verwaltungsgerichtshof folgende - in der bisherigen, unter Punkt 3. dargestellten hg. Judikatur - vertretenen Auffassungen nicht mehr aufrecht:
a) ein Spruch eines Bescheides, mit dem die Berufung wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen wird, bringe nur die implizite verfahrensrechtliche Folge einer Feststellung einer örtlichen Unzuständigkeit der Berufungsbehörde explizit zum Ausdruck (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1994, Zl. 94/11/0095) und eine Zurückweisung der Berufung wegen Unzuständigkeit sei keine endgültige Erledigung der Berufung (vgl. die
hg. Erkenntnisse vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0092, vom 20. Dezember 1993, Zl. 93/02/0226, vom 25. März 1994, Zl. 94/02/0026, vom 19. April 1994, Zl. 94/11/0095, und die in diesen Erkenntnissen angeführte Vorjudikatur);
b) die Zurückweisung der Berufung wegen Unzuständigkeit sei (ohne Einschränkung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0092, vom 20. Dezember 1993, Zl. 93/02/0226, vom 19. April 1994, Zl. 94/11/0095, und vom 23. Jänner 1995, Zl. 95/11/0024) bzw. nur im Fall des Beharrens der Partei auf der Entscheidung einer Berufungsbehörde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1993, Zl. 92/02/0309, und vom 20. Mai 1994, Zl. 93/02/0239) bzw. wenn von der Weiterleitung gemäß § 6 Abs. 1 AVG kein Gebrauch gemacht werden könne (siehe das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1988, Zl. 88/04/0011)) rechtmäßig.
4.1. Zunächst ist festzustellen, daß ein Spruch, der - wie im vorliegenden Fall - dahin lautet, daß die Berufung zurückgewiesen wird, nicht in der Weise umgedeutet werden kann, daß er eine bloße Feststellung der Unzuständigkeit der Berufungsbehörde darstellt, die nicht als abschließende Entscheidung über die Berufung qualifiziert werden könnte (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 11. März 1983, Zl. 82/04/0059, wonach die Begründung nicht zur Ergänzung eines Spruches herangezogen werden kann, sondern immer nur zur Auslegung eines unklaren Spruches). Wenn aber eine solche Umdeutung der Zurückweisung der Berufung der belangten Behörde nicht möglich ist, ergibt sich daraus weiters, daß mit einer Zurückweisung der Berufung wegen Unzuständigkeit über die Berufung endgültig entschieden wurde und der erstinstanzliche Bescheid somit in formelle Rechtskraft erwächst. Diese in der hg. Judikatur bisher vertretene Auffassung (u.a. in den unter Punkt II.3. zitierten Erkenntnissen Zl. 93/18/0092 und Zl. 93/02/0226) steht auch im Widerspruch zur ständigen hg. Rechtsprechung, nach der eine Erledigung eines Antrages auch in dessen Zurückweisung bestehen kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 5. Juni 1973, Zl. 647/73, und vom 31. Oktober 1985, Zl. 85/06/0034, u.a.). Wenn aber eine bescheidmäßige Erledigung der Berufung vorliegt, besteht auch für den Berufungswerber gegenüber der Berufungsbehörde, die die Berufung weitergeleitet hat, keine Möglichkeit mehr, auf einer (dann: neuerlichen) Entscheidung über die Berufung zu beharren. Letzterem steht entgegen, daß im Hinblick auf die Berufung bereits entschiedene Sache vorliegt.
4.2. Zentrale Frage im vorliegenden Zusammenhang ist zunächst, ob die Zurückweisung der Berufung wegen sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit überhaupt auf § 66 Abs. 4 AVG gestützt werden kann. § 66 Abs. 4 AVG sieht die Zurückweisung der Berufung im Falle der Unzulässigkeit der Berufung und im Falle ihrer Verspätung vor. Wenn der Gesetzgeber in ein und demselben Verfahrensgesetz in den §§ 1 bis 6 und im § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG ausdrücklich von der zuständigen bzw. unzuständigen Behörde und in § 66 Abs. 4 AVG von der Zulässigkeit der Berufung spricht, welcher Ausdruck im Rahmen des § 63 AVG mehrfach verwendet wird, spricht dies für eine Verneinung dieser Frage. Der Ausdruck der unzulässigen Berufung in § 66 Abs. 4 AVG zeigt auch an, daß es sich um Voraussetzungen handeln muß, die der Berufung anhaften. In der Literatur und Kommentaren (vgl. Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, 1995, 218 f, RdZ 535, 536;
Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, 618, Anm. 9 zu § 66 Abs. 4; Mannlicher - Quell,
Das Verwaltungsverfahren8, 1975, 358 ff, Anm. 2 und 3;
Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 1990, 512 ff, Anm. 10 und 11) wird die (sachliche oder örtliche) Unzuständigkeit der Berufungsbehörde nicht als möglicher Grund für eine Unzulässigkeit der Berufung angeführt. In diesem Zusammenhang erscheint vor allem beachtlich, daß § 63 AVG, der mit Ausnahme seines Abs. 1 auch im Verwaltungsstrafverfahren zur Anwendung kommt (vgl. § 24 VStG) und Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Berufung - allerdings nicht vollständig (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A) -, insbesondere auch betreffend den unbedingt gebotenen Inhalt der Berufung, enthält (§ 63 Abs. 3 AVG: Bezeichnung des Bescheides, begründeter Berufungsantrag), das Erfordernis der Bezeichnung der Berufungsbehörde nicht kennt. § 63 Abs. 5 AVG stellt weiters nur darauf ab, wo die Berufung einzubringen ist. § 63 Abs. 5 AVG in der seit 1. Juli 1995 geltenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 sieht nunmehr wieder allein die Einbringung bei der Behörde vor, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, behandelt allerdings auch die Einbringung bei der Berufungsbehörde als rechtzeitige Einbringung, wobei die Berufungsbehörde die Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten hat. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung vor der genannten AVG-Novelle war die Einbringung bei der Behörde erster Instanz oder der Berufungsbehörde vorgesehen. Der Bezeichnung der Berufungsbehörde (daher auch einer falschen) kommt keine Bedeutung zu. In Verbindung mit dem auch für Berufungen und auch im VStG anzuwendenden § 6 Abs. 1 AVG ergibt sich, daß die Behörden - aus welchem Grund auch immer und auf welchem Wege ihnen eine Berufung vorgelegt wird - in dem Fall, daß sie sich für nicht zuständig erachten, von amtswegen wahrzunehmen haben, welche Berufungsbehörde für die Erledigung der in Frage stehenden Berufung die örtlich und sachlich zuständige ist. Aus all diesen Gründen kann die Zuständigkeit der Berufungsbehörde nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Berufung angesehen werden. In diesem Sinne muß daher auch die hg. Judikatur zu den Zulässigkeitsgründen für die Berufung (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A), die mit Prozeßvoraussetzungen für das Berufungsverfahren gleichgesetzt werden (in der früheren Judikatur wurde vom Vorliegen eines formalgesetzlichen Hindernisses gesprochen:
u. a. im hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1970, Zl. 475/69, und in der dort zitierten Vorjudikatur), eingeschränkt verstanden werden.
§ 66 Abs. 4 AVG bietet keine Grundlage, eine Berufung wegen sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit der Berufungsbehörde zurückzuweisen.
Der erkennende verstärkte Senat ist daher nunmehr der Auffassung, daß eine Behörde, der eine Berufung nach ihrer Auffassung zu Unrecht von der erstinstanzlichen Behörde vorgelegt wird, diese gemäß § 6 AVG an die ihrer Auffassung nach zuständige Berufungsbehörde weiterzuleiten hat, nicht aber berechtigt ist, eine an sich zulässige Berufung wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen und damit im Ergebnis die Verantwortung für die (angenommen) verfehlte Weiterleitung innerhalb des Behördenapparates auf die Partei zu überwälzen. Weder die unrichtige Bezeichnung der Berufungsbehörde durch die Partei noch ein Beharren der Partei auf der Entscheidung einer bestimmten Berufungsbehörde vermag eine Berechtigung oder gar Verpflichtung dieser Behörde zur Zurückweisung einer (zulässigen) Berufung auszulösen.
4.3. Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß die Berufungsbehörde in Wahrnehmung der Zuständigkeit nicht berechtigt ist, aus diesem Grund mit einer Zurückweisung der Berufung vorzugehen, und daß eine solche Zurückweisung der Berufung nicht in eine bloße Feststellung der Unzuständigkeit der Berufungsbehörde umgedeutet werden kann.
III.
1. Im Hinblick darauf, daß im fortgesetzten Verfahren bereits - wie im folgenden dargelegt wird - § 51 Abs. 1 VStG in der durch die Novelle BGBl. Nr. 620/1995 geänderten Fassung anzuwenden ist, kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde zutreffend ihre Unzuständigkeit im Hinblick auf § 51 Abs. 1 VStG in der Fassung vor der genannten Novelle angenommen hat:
Gemäß der Übergangsbestimmung des § 66b Abs. 6 VStG in der Fassung dieser Novelle ist die vor dieser Novelle geltende Fassung des § 51 Abs. 1 VStG in anhängigen Verfahren nur dann weiter anzuwenden, wenn die mündliche Verhandlung (nach den Erläuterungen RV 131 BlgNR. 19. GP, 11: vor dem unabhängigen Verwaltungssenat) bis zum 30. Juni 1995 abgehalten wurde. Da im vorliegenden Verwaltungsverfahren nach der Aktenlage eine solche mündliche Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat bisher nicht stattgefunden hat, wird aufgrund der im fortgesetzten Verfahren (daher) anzuwendenden Neufassung des § 51 Abs. 1 VStG nunmehr jedenfalls der für den Sitz der erstinstanzlichen Behörde zuständige Unabhängige Verwaltungssenat Wien über die Berufung zu entscheiden haben.
2. Da somit eine Zurückweisung der Berufung wegen Unzuständigkeit der Berufungsbehörde nicht auf § 66 Abs. 4 AVG gestützt werden kann, wurde der Beschwerdeführer in seinem Recht auf meritorische Entscheidung über sein (zulässiges) Rechtsmittel verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des konkret gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG Kostenersatz für Stempelgebühren nur für zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderliche Schriftsätze (im vorliegenden Fall: die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung und der angefochtene Bescheid in einfacher Ausfertigung) zusteht.
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