VwGH 2010/17/0049

VwGH2010/17/00492.7.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, in der Beschwerdesache des AM in M, vertreten durch Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schauflergasse 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Salzburg vom 10. Dezember 2009, Zl. UVS-5/13.759/3-2009, wegen Übertretung des Glücksspielgesetzes, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Mit am 8. Februar 2010 zur Post gegebenem Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg vom 23. Februar 2009, Zl. UVS-5/13067/4-2008, betreffend eine Beschlagnahme nach § 52 Abs. 2 GSpG.

Mit Verfügung vom 22. Februar 2010, Zl. 2010/17/0024-2, erging an den Beschwerdeführer die Aufforderung, sofern der Bescheid zugestellt worden sei, eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides anzuschließen. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer ersucht mitzuteilen, inwieweit die am 8. Februar 2010 zur Post gegebene Beschwerde gegen den am 11. März 2009 zugestellten Bescheid rechtzeitig sei.

Mit Schriftsatz vom 4. März 2010 legte der Beschwerdeführer (in Erfüllung des Verbesserungsauftrags zur Zl. 2010/17/0024) den Bescheid vom 23. Februar 2009 vor und teilte gleichzeitig mit, dass am 8. Februar 2010 eine Beschwerde gegen einen anderen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg erhoben hätte werden sollen (diesbezüglich wurde die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags angekündigt, der nunmehr vorliegt und zur hg. Zl. 2010/17/0049-WE protokolliert wurde).

1.2. Eine Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg vom 23. Februar 2009, Zl. UVS-5/13067/4- 2008, war bereits zur hg. Zl. 2009/17/0065 erhoben worden. Diese Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2009 als unbegründet abgewiesen.

Mit Beschluss vom 12. März 2010, Zl. 2010/17/0024-5, wurde die (im Jahre 2010 neuerlich eingebrachte) Beschwerde gegen den Bescheid vom 23. Februar 2009, Zl. UVS-5/13067/4-2008, wegen Verspätung und wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

1.3. Mit dem nun vorliegenden (zur hg. Zl. 2010/17/0049 protokollierten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg vom 10. Dezember 2010, Zl. UVS-5/13.759/3-2009, beantragt und gleichzeitig die Beschwerde gegen diesen Bescheid vorgelegt (die Beschwerde wurde zur hg. Zl. 2010/17/0050 protokolliert).

1.4. Begründet wird der Antrag auf Wiedereinsetzung damit, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers dem Sekretariat seiner Rechtsanwaltskanzlei am 8. Februar 2010 den Auftrag erteilt habe, "die von ihm unterfertigten drei Ausfertigungen der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vom 8.2.2010" zu kuvertieren und die Postaufgabe "entsprechend abzuwickeln". Das angefochtene Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg sei dieser Verwaltungsgerichtshofbeschwerde angeschlossen gewesen.

Erst durch die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 2010, Zl. 2010/17/0024-2, die am 25. Februar eingelangt sei, sei bekannt geworden, dass vom Sekretariat des Rechtsvertreters am 8. Februar nicht die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vom 8. Februar 2010 gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg vom 10. Dezember 2010, Zl. UVS-5/13.759/3-2009, sondern die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vom 15. April 2009, die sich gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg vom 23. Februar 2009, Zl. UVS-5/13067/4-2008, gerichtet habe, in 3- facher Ausfertigung, allerdings ohne den angefochtenen Bescheid, kuvertiert und zur Post gebracht worden sei.

Aus letztlich nicht mehr feststellbaren Gründen habe das Sekretariat

unter der Leitung von Frau G entgegen dem am 8. Februar 2010 erteilten

Auftrag nicht die in drei Ausfertigungen vorliegende und unterfertigte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vom 8. Februar 2010 samt Beilage kuvertiert und der Post übergeben. Dies könne möglicherweise darin begründet sein, dass im "hier fraglichen Zeitraum" gleichzeitig mehrere Verwaltungsgerichtshofbeschwerden gegen verschiedene Bescheide im Sekretariat zu bearbeiten gewesen seien.

Bei der Leiterin des Sekretariats, Frau G, handle es sich um eine versierte, bisher fehlerfrei arbeitende, seit mehr als 30 Jahren in der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Fritz Wennig tätige Kanzleikraft.

1.5. Angeschlossen ist dem Antrag eine eidesstattliche Erklärung der Bediensteten, in der diese (neben der Darstellung ihrer Stellung in der Kanzlei und ihrer Aufgaben) bestätigt, sich nicht erklären zu können, "warum die Ausfertigungen der VwGH-Beschwerde vom 8.02.2010 samt Beilage

am 8.02.2010 nicht auftragsgemäß kuvertiert und zur Post gegeben wurden."

Dies könne damit zusammenhängen, dass in diesem Zeitraum mehrere Verwaltungsgerichtshof-Beschwerden zu bearbeiten gewesen seien.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen

Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur

um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grads des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. der Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 1999, Zl. 99/03/0029, mwH, und vom 23. November 2009, Zl. 2009/03/0089).

Wer darüber hinaus einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substanziiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Februar 1996, Zl. 95/08/0259, und vom 15. Oktober 2009, Zl. 2008/09/0225, u.v.a.).

2.2. Das im Antrag auf Wiedereinsetzung enthaltene Vorbringen ist im Lichte der zitierten Rechtsprechung nicht geeignet, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes glaubhaft zu machen.

Das Vorbringen übergeht insbesondere den durch die neuerliche Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg vom 23. Februar 2009, Zl. UVS-5/13067/4- 2008, gerichtsbekannten Umstand, dass der Beschwerdevertreter am 8. Februar 2010 eine Beschwerde in einer bereits entschiedenen Rechtsache neuerlich einbrachte. Das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag legt nur dar, dass eine angeblich vorbereitete Beschwerde gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid von der Kanzleikraft unverständlicher Weise nicht zur Post gegeben worden sei. Keine Ausführungen enthält der Wiedereinsetzungsantrag zu der vom Beschwerdeführer - ob bewusst oder aus Versehen kann mangels jeglicher Angaben dazu vom Verwaltungsgerichtshof nicht beurteilt werden - zusätzlich zu der vor einem Jahr erhobenen Beschwerde unterzeichneten Beschwerde gegen den vor einem Jahr zugestellten Bescheid. Der Antrag enthält keinerlei Vorbringen zu den näheren Umständen, wie es zu den ebenfalls vom Beschwerdevertreter unterzeichneten Ausfertigungen der Beschwerden gegen den Bescheid vom 23. Februar 2009 kam, die dem Verwaltungsgerichtshof am 8. Februar 2010 übermittelt wurden. Es liegt insofern nicht etwa ein Versehen der Kanzleiangestellten vor, die aus eigenem eine alte Datei ausgedruckt und an Stelle der vom Beschwerdevertreter vorbereiteten anderen Beschwerde kuvertiert und zur Post gegeben hätten, sondern der Beschwerdevertreter hat entweder eine ihm vorgelegte Beschwerde gegen einen schon bekämpften Bescheid unterschrieben oder es befanden sich - aus welchen Gründen immer - noch überzählige, vom Beschwerdevertreter unterfertigte Ausfertigungen der Beschwerde zur Zl. 2009/17/0065 im Handakt. Durch das parallele Vorhandensein einer "tatsächlich einzubringenden" und einer wie für eine Einbringung beim Verwaltungsgerichtshof ausgefertigten und vom Beschwerdevertreter unterschriebenen Beschwerde hat der Beschwerdevertreter selbst ein Verhalten gesetzt, welches die Gefahr einer Verwechslung hervorruft und daher besondere Sorgfalt hinsichtlich der Abfertigung der Beschwerde von seiner Seite erfordert hätte. Dass diesbezüglich irgendeine Kontrolle ausgeübt worden wäre und welche Anordnungen der Beschwerdevertreter hinsichtlich der nicht einzubringenden Beschwerde erteilt hat, wird auch im Wiedereinsetzungsantrag nicht behauptet bzw. dargetan. Der Wiedereinsetzungsantrag enthält insofern kein substanziiertes Vorbringen, wie es nach der zitierten Rechtsprechung zur Darlegung eines mangelnden Verschuldens des Beschwerdevertreters erforderlich gewesen wäre.

2.3. In diesem Zusammenhang ist das Beschwerdevorbringen zudem insofern unglaubwürdig, als als allfälliger Grund, weshalb der Kanzleikraft ein Versehen unterlaufen sei, der Umstand angeführt wird, dass "im fraglichen Zeitraum gleichzeitig mehrere Verwaltungsgerichtshofbeschwerden gegen verschiedene Bescheide im Sekretariat zu bearbeiten" gewesen seien.

Nach Ausweis der Geschäftsstellendatenbank des Verwaltungsgerichtshofes sind die beiden zuletzt vor der Beschwerde zur hg. Zl. 2010/17/0024 eingebrachten Beschwerden des Beschwerdevertreters (zu den hg. Zlen. 2010/17/0017 und 2010/17/0018) am 29. Jänner 2010 im Gerichtshof eingegangen. Weitere Beschwerden aus dem "fraglichen Zeitraum" (außer der nunmehr vorliegenden zur Zl. 2010/17/0050) sind nicht aktenkundig. Die Behauptung, es könne ein Fehler unterlaufen sein, weil mehrere Verwaltungsgerichtshofbeschwerden zu bearbeiten gewesen wären, erweist sich daher als unglaubwürdig. Soweit aber am 8. Februar - unterstellt man die Richtigkeit der Behauptung, dass die nunmehr eingebrachte Beschwerde zur Zl. 2010/17/0050 bereits am 8. Februar 2010 vom Beschwerdevertreter unterfertigt worden sei - tatsächlich zwei Verwaltungsgerichtshofbeschwerden vom Beschwerdevertreter unterfertigt wurden (die "richtige", "eigentlich einzubringende", und die - aus welchen Gründen immer - ebenfalls in der Kanzlei des Beschwerdevertreters in Bearbeitung genommene alte, bereits vom Verwaltungsgerichtshof erledigte Beschwerde zu einem früheren Bescheid), war die Gefahr einer allfälligen Verwechslung durch das Sekretariat durch die unverständliche Vorgangsweise des Beschwerdevertreters verursacht und hätte einer besonderen Auftragserteilung und Vergewisserung seitens des Beschwerdevertreters bedurft, ob seine Anordnungen auch korrekt befolgt würden.

2.4. Bei dieser Sachlage kommt der vorgelegten eidesstattlichen Erklärung der Leiterin des Sekretariats des Beschwerdevertreters, aus der lediglich hervor geht, dass sie sich nicht erklären könne, warum "die Ausfertigungen der VwGH-Beschwerde vom 8.02.2010 samt Beilage am 8.02.2010 nicht auftragsgemäß kuvertiert und zur Post gegeben" worden seien, keine ausschlaggebende Bedeutung zu (anzumerken ist, dass diese Erklärung überdies überhaupt keinen Bezug auf eine Beschwerde gegen einen bestimmten Bescheid nimmt; ihr Erklärungswert ist daher schon von Haus aus nur beschränkt, da auch aus ihr nicht zu entnehmen ist, welche Anweisungen hinsichtlich der beiden oben genannten Beschwerden der Beschwerdevertreter seinem Sekretariat gegeben hat und ob die "VwGH-Beschwerde vom 8.02.2010", auf die sich die Kanzleileiterin bezieht, die nunmehr eingebrachte, oder aber die "doppelt" ausgefertigte und am 8. Februar tatsächlich eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid aus dem Jahre 2009 sein sollte; auch diese Erklärung enthält somit nicht das fehlende Vorbringen, aus dem zu entnehmen wäre, dass der Beschwerdevertreter seinen Organisations- und Kontrollverpflichtungen nachgekommen wäre).

2.5. Auch wenn man davon ausgehen wollte, dass die Behauptung, es sei (auch) gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2009 eine Beschwerde vorbereitet, unterschrieben und der Auftrag zur Postaufgabe erteilt worden, zutreffend ist, hätte die Existenz der nach den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag vom Beschwerdevertreter am 8. Februar 2010 unterfertigten Beschwerdeausfertigungen, die irrtümlich nicht zur Post gegeben worden sein sollen, in der Kanzlei auffallen müssen. Das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag lässt auch insoweit Unklarheiten offen, als im letzten Absatz, in dem ausgeführt wird, dass die Beschwerde gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2009 nunmehr vorgelegt werde, das maschinschriftliche Datum "8. 2. 2010" lautet, welches mit Kugelschreiber auf

"8. 3. 2010" (so lautet tatsächlich das Datum der vorgelegten Beschwerdeausfertigungen) ausgebessert wurde.

Auch insofern hätte es jedoch im Sinne der obigen Ausführungen eines konkreteren Vorbringens bedurft, aus dem auf das Fehlen eines den minderen Grad des Versehens übersteigenden Verschuldens des Beschwerdevertreters geschlossen werden könnte.

Es spricht nicht für eine sorgfältige Kanzleiorganisation, wenn vom Beschwerdevertreter vorbereitete und unterfertigte Ausfertigungen, denen nach den Angaben im Antrag auch bereits die Kopie des anzufechtenden Bescheids beigefügt war, die irrtümlich nicht abgesendet werden, durch zwei Wochen hindurch in der Kanzlei keine weitere Beachtung erfahren.

2.6. Aus diesen Überlegungen war der Antrag auf Wiedereinsetzung abzuweisen.

2.7. Im Hinblick auf die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist erweist sich die am 10. März 2010 zur Post gegebene Beschwerde zur Zl. 2010/17/0050 gegen den am 28. Dezember 2009 zugestellten Bescheid als verspätet.

Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 2. Juli 2010

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