AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:I401.2245278.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch Mag.a Meliha Deniz GÜZGÜN, p.A. Asyl in Not, Währinger Straße 59/2/1, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 08.07.2021, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine aus dem Bundesstaat Edo stammende nigerianische Staatsangehörige, stellte am 24.02.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie mit einer Bedrohung durch Fulani-Hirten begründete. Am 27.12.2020 hätten die Nomaden ihre Kühe auf ihr Feld geführt, welche ihr Getreide gefressen hätten. Ihr Feld sei zerstört worden. Beim Versuch, die Hirten davon abzuhalten, sei sie geschlagen und ihr Bruder getötet worden.
Bei ihren weiteren Einvernahmen am 27.05.2021 und am 24.06.2021 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihren geschilderten Fluchtgrund.
Mit bekämpftem Bescheid wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt I. und II.), erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gewährte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 05.08.2021, wobei insbesondere ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, ungenügende Länderfeststellungen und eine willkürliche Beweiswürdigung geltend gemacht wurden. Das Bundesamt habe sich nicht ausreichend mit der Bedrohung durch die „Fulani-Herdsman“ auseinandergesetzt und sei zu wenig auf die Lage alleinstehender Frauen ohne familiären Rückhalt eingegangen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die volljährige Beschwerdeführerin ist ledig, kinderlos, Staatsangehörige von Nigeria, bekennt sich zum christlichen Glauben und gehört der Volksgruppe der Benin an. Ihre Identität steht nicht fest. Sie ist gesund und arbeitsfähig.
Sie reiste im Februar 2021 legal mit gültigem Reisedokument aus Nigeria über den Flughafen Lagos aus und gelangte über unbekannte Zwischenstationen schließlich per Bahn illegal nach Österreich. Sie hält sich zumindest seit der Asylantragstellung im Bundesgebiet auf.
Die Eltern und der Bruder der Beschwerdeführerin sind verstorben. In Nigeria leben Onkel und Tanten von ihr im Bundesstaat Edo, wo auch die Beschwerdeführerin bis zu ihrer Ausreise lebte. Sie ging fünf Jahre in die Schule, spricht Englisch und Edo. Sie bestritt ihren Lebensunterhalt als Landwirtin auf der Farm ihrer Eltern. Aufgrund ihrer in Nigeria gewonnenen Arbeitserfahrung besteht für sie die Möglichkeit, am dortigen Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen zu können.
Die Beschwerdeführerin ist in Österreich nicht vorbestraft. Sie verfügt über keine Verwandten oder tiefgreifenden persönlichen Beziehungen und weist auch keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. Sie verfügt über geringe Deutschkenntnisse.
Sie ging und geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
1.2. Zu den Fluchtmotiven:
Entgegen dem Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin kann eine Bedrohung durch Fulani-Hirten auf ihrer Farm nicht festgestellt werden. Sie kann einer Verfolgung durch die Wahrnehmung innerstaatlicher Fluchtalternativen entgehen.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:
Unter Berücksichtigung der Aktualisierungen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Nigeria (aus dem COI-CMS, Version 3) vom 03.09.2021 ist zwischenzeitlich keine entscheidungserhebliche Veränderung der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Nigeria im Sinne einer entscheidungserheblichen Verbesserung gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen eingetreten.
Fallbezogen werden aus dem Länderinformationsblatt nachstehende Punkte samt Quellenangabe hervorgehoben:
COVID-19
Letzte Änderung: 01.09.2021
Die COVID-19-Situation in Nigeria ist nach wie vor angespannt. Die veröffentlichten absoluten Zahlen an bisherigen Infizierten geben angesichts der geringen Durchtestung der 200-Millionen-Bevölkerung ein verzerrtes Bild. Aussagekräftiger ist der Anteil der positiven Fälle gemessen an der Zahl der durchgeführten Tests. Dieser lag im Oktober 2020 landesweit bei mehr als drei Prozent, in der Metropole Lagos hingegen bei etwa 30 Prozent. Die Zahlen berücksichtigen noch nicht die Auswirkung der #EndSARS-Proteste, bei denen von den Demonstrierenden praktisch keine Schutzvorkehrungen gegen COVID-19 getroffen worden sind. Ein Anstieg an positiven Fällen ist hauptsächlich in der Südwestzone des Landes zu beobachten. In einigen Bundesstaaten herrscht überhaupt Skepsis an der Notwendigkeit von COVID-19-Maßnahmen. Die allgemeine Risikowahrnehmung und die Nachfrage nach Tests sind gering (ÖB 10.2020).
In Nigeria gibt es wie in anderen afrikanischen Ländern relativ wenig belegte COVID-19 Infizierte. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass vergleichsweise wenig Tests durchgeführt werden. Mit Stand 22.8.2021 sind in Nigeria 187.023 COVID-19 Fälle erfasst, die zu 2.268 Toten geführt haben; getestet wurden 2.648.684 Personen (Africa CDC 22.8.2021).
Bedingt durch COVID-19 sind öffentliche Versammlungen beschränkt, mit Stand September 2020 auf 50 Personen (USDOS 30.3.2021). Im ganzen Land gilt eine Ausgangssperre von Mitternacht bis 4 Uhr. Bei Flugreisen nach Nigeria ist beim Einchecken ein negativer COVID-19 PCR-Befund vorzulegen, der nicht älter als 72 Stunden sein darf. Zusätzlich muss vor der Abreise nach Nigeria ein weiterer COVID-19 PCR-Test gebucht und bezahlt werden, der nach der siebentägigen Selbstquarantäne durchzuführen ist. Die Befolgung der Quarantäne wird nicht kontrolliert. Vor der Abreise ist ein Formular auszufüllen (WKO 7.8.2021).
2020 wurde die Wirtschaft des Landes schwer durch den COVID-bedingten Verfall der internationalen Ölpreise getroffen. Für 2020 wird mit einem Rückgang des BIP von ca. 3,2 Prozent bei einem Wachstum der Bevölkerung in etwa gleicher Höhe gerechnet. Bereits im 4. Quartal 2020 hat die Wirtschaft jedoch wieder zu expandieren begonnen. 2021 sollte sie, getragen von Ölpreisen um 60 USD pro Fass, um 1,5 bis 2,5 Prozent real wachsen (WKO 16.6.2021).
Quellen:
- Africa CDC - Africa Centres for Disease Control and Prevention (22.8.2021): Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) - Latest updates on the COVID-19 crisis from Africa CDC, https://africacdc.org/covid-19/ , Zugriff 23.8.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf , Zugriff 28.5.2021
- USDOS - U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048101.html , Zugriff 26.5.2021
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (7.8.2021): Coronavirus: Situation in Nigeria - Aktuelle Informationen und Info-Updates, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-nigeria.html , Zugriff 23.8.2021
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (16.6.2021): Die nigerianische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-nigerianische-wirtschaft.html , Zugriff 23.8.2021
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 01.09.2021
Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 5.12.2020).
Beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insurgenz (AA 5.12.2020), vorwiegend durch Boko Haram (FH 2021; vgl. UKFCDO 19.5.2021), sowie ISWA [Islamischer Staat Westafrika] und anderen Gruppen (UKFCDO 16.8.2021). Die Aktivitäten der Islamisten haben sich von den nordöstlichen Staaten in die nordwestlichen Staaten ausgeweitet (EASO 6.2021). Obwohl Präsident Buhari in den ersten Jahren seiner Regierungszeit angab, Boko Haram "technisch" besiegt zu haben, gibt er nun [Anm.: Stand Juli 2021] zu, dass es seiner Regierung nicht gelingt, den Aufstand zu stoppen (BBC 19.7.2021).
Im Middle Belt kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen zwischen Hirten und Bauern (AA 5.12.2020; vgl. FH 3.3.2021). Beide Seiten machen sich Hassreden und Gewaltverbrechen schuldig (AA 5.12.2020). Standen zu Beginn vor allem die Bundesstaaten Kaduna und Plateau im Zentrum der Auseinandersetzungen, haben sich diese südlich nach Nasarawa, Benue, Taraba und Adamawa ausgeweitet (AA 5.12.2020; vgl. EASO 6.2021). Tausende sind in dem Konflikt um knappe Ressourcen getötet worden (BBC 19.7.2021).
Im Südosten handelt es sich (noch) um vergleichsweise beschränkte Konflikte zwischen einzelnen sezessionistischen Bewegungen [u.a. IPOB - Indigenous People of Biafra] und der Staatsgewalt. Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta geht es sowohl um Konflikte zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Partikularinteressen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen (AA 5.12.2020).
Zunehmend kritisch für die allgemeine Sicherheitslage in Nord- und Zentralnigeria ist die aus den nordwestlichen Bundesstaaten Sokoto, Zamfara, Katsina und Kaduna ausgehende Bandenkriminalität (insb. Viehdiebstähle, Überfälle, Entführungen) (AA 5.12.2020; vgl. EASO 6.2021). Bemühungen der Sicherheitskräfte haben eher zur Verdrängung der Aktivitäten in bisher nicht betroffene Gebiete als zur effektiven Verfolgung der Kriminellen geführt (AA 5.12.2020). Seit Dezember 2020 wurden mehr als 1.000 Schüler entführt und viele wurden erst wieder nach Zahlung eines hohen Lösegelds freigelassen (BBC 19.7.2021).
Die Kriminalitätsrate in Nigeria ist sehr hoch, die allgemeine Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren laufend verschlechtert. In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, westl. Taraba und der östl. Teil von Nasarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger und Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. innerethnischen Konflikten zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie organisierten kriminellen Banden betroffen. In den südöstlichen und südlichen Bundesstaaten Imo, Rivers, Anambra, Enugu, Ebonyi und Akwa-Ibom kommt es derzeit gehäuft zu bewaffneten Angriffen auf Institutionen staatlicher Sicherheitskräfte. Die nigerianische Polizei hat nach einem erheblichen Anstieg von Sicherheitsvorfällen am 19.5.2021 die "Operation Restore Peace" in diesen Bundesstaaten begonnen. Dies kann lokal zu einer höheren polizeilichen Präsenz führen. In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im Juli/August 2019 und im Oktober 2020 [Anm.: im Rahmen der EndSARS Proteste] forderten diese in Abuja, Lagos und anderen Städten zahlreiche Todesopfer (AA 3.8.2021).
Anfang Oktober 2020 führte eine massive Protestwelle zur Auflösung der Spezialeinheit SARS am 11.10.2020 (Guardian 11.10.2020; vgl. EASO 6.2021). Die Einheit wurde in SWAT (Special Weapons and Tactics Team) umbenannt und seine Beamten sollen einer zusätzlichen Ausbildung unterzogen werden (DS 16.10.2020; vgl. EASO 6.2021). Nach Oktober 2020 wurde eine Kommission aus Nationaler Menschenrechtskommission (NHRC) und zivilgesellschaftlichen Gruppen zur Untersuchung der Polizeieinsätze während der Protestwelle eingesetzt (EASO 6.2021).
In der Zeitspanne März 2020 bis März 2021 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.888), Kaduna (1.103), Zamfara (938). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Gombe (5), Bauchi (16), Jigawa (16) (CFR 12.4.2021). Gemäß dem Global Peace Index 2020 findet sich Nigeria auf Platz 147 von 163 Ländern. Gemäß Brooking haben intensive Unsicherheit und Gewalt seit 2018 in Nigeria Bestand bzw. haben diese zugenommen (EASO 6.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.8.2021): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise
- (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5 , 18.8.2021
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf , Zugriff 17.5.2021
- BBC - BBC News (19.7.2021): Nigeria's security crises - five different threats, https://www.bbc.com/news/world-africa-57860993 , Zugriff 18.8.2021
- BBC - BBC News (25.10.2020): Nigeria protests: Police chief deploys 'all resources' amid street violence, https://www.bbc.com/news/world-africa-54678345 , Zugriff 21.2.2021
- CFR - Council on Foreign Relations (12.4.2021): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483 , Zugriff 18.8.2021
- DS - Der Standard (16.10.2020): Berüchtigte "Sars"-Polizeieinheit in Nigeria nach Protesten abgeschafft, https://www.derstandard.at/story/2000120951836/beruechtigte-sars-polizeieinheit-in-nigeria-nach-protesten-abgeschafft , Zugriff 28.10.2020
- EASO - European Asylum Support Office (6.2021): Nigeria - Security Situation Version 1.1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2053722/2021_06_EASO_COI_Report_Nigeria_Security_situation.pdf , Zugriff 17.8.2021
- FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Nigeria, https://freedomhouse.org/country/nigeria/freedom-world/2021 , Zugriff 20.5.2021
- Guardian, The (11.10.2020): Nigeria to disband Sars police unit accused of killings and brutality, https://www.theguardian.com/world/2020/oct/11/nigeria-to-disband-sars-police-unit-accused-of-killings-and-brutality , Zugriff 28.10.2020
- UKFCDO - United Kingdom Foreign, Commonwealth & Development Office [Großbritannien] (16.8.2021): Foreign travel advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria , Zugriff 18.8.2021
Nigerdelta
Letzte Änderung: 01.09.2021
Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelte es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Partikularinteressen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen (AA 5.12.2020). Im Nigerdelta, dem Hauptgebiet der Erdölförderung, bestehen zahlreiche bewaffnete Gruppierungen, die sich neben Anschlägen auf Öl- und Gaspipelines auch auf Piraterie im Golf von Guinea und Entführungen mit Lösegelderpressung spezialisiert haben (ÖB 10.2020). Generell ist das Risiko von Entführungen in Nigeria hoch (AA 3.8.2021). Auch im Jahr 2020 wurden im Nigerdelta Zivilisten entführt um Lösegeld zu erpressen (USDOS 30.3.2021).
Von 2000 bis 2010 agierten im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt (Sabotage der Ölinfrastruktur) durchzusetzen (AA 5.12.2020). 2009 gelang dem damaligen Präsidenten Yar'Adua mit einem Amnestieangebot eine Beruhigung des Konflikts. Unter Buhari lief das Programm am 15.12.2015 aus. Es kam zur Wiederaufnahme der Attacken gegen die Ölinfrastruktur (AA 5.12.2020; vgl. ACCORD 7.6.2021). Im Herbst 2016 konnte mit den bewaffneten Gruppen ein neuer Waffenstillstand vereinbart werden, der bislang großteils eingehalten wird (ÖB 10.2020; vgl. ACCORD 7.6.2021). Das Amnestieprogramm ist bis 2019 verlängert worden. Auch wenn Dialogprozesse zwischen der Regierung und Delta-Interessengruppen laufen und derzeit ein "Waffenstillstand" zumindest grundsätzlich hält, scheint die Regierung nicht wirklich an Mediation interessiert zu sein, sondern die Zurückhaltung der Aufständischen zu "erkaufen" und im Notfall mit militärischer Härte durchzugreifen (AA 5.12.2020).
Die Lage bleibt aber sehr fragil (AA 5.12.2020; vgl. ACCORD 7.6.2021), da weiterhin kaum nachhaltige Verbesserung für die Bevölkerung erkennbar ist (AA 5.12.2020). Der Konflikt betrifft die Staaten des Nigerdeltas, Abia, Akwa-Ibom, Bayelsa, Cross River, Delta, Edo, Imo, Ondo und Rivers. Vergleicht man 2018 und 2019, so stieg das Konfliktrisiko und tödliche Gewalt nahm zu. 2020 führte zu einem weiteren Anstieg der Gewalt und des Konfliktrisikos, die Zahl an Todesopfern nahm hingegen ab (EASO 6.2021). Bewaffnete Kultgruppen stellen weiterhin ein Sicherheitsrisiko in der Region dar (BBC 19.7.2021).
Das Militär hat auch die Federführung bei der zivilen Bürgerwehr Civilian Joint Task Force inne, die u.a. gegen militante Gruppierungen im Nigerdelta eingesetzt wird. Auch wenn sie stellenweise recht effektiv vorgeht, begeht diese Gruppe häufig selbst Menschenrechtsverletzungen oder denunziert willkürlich persönliche Feinde bei den Sicherheitsorganen (AA 5.12.2020).
Im Jahr 2021 gingen Sicherheitskräfte zudem vermehrt gegen das Eastern Security Network (ESN), den militanten Arm der verbotenen separatistischen Gruppe Indigenous People of Biafra (IPOB) vor. Im Februar 2021 wurden im Bundesstaat Imo in Orlu und Orsu bei Angriffen auf ESN-Lager Helikopter und hunderte Soldaten eingesetzt. Im März 2021 kam es zu Angriffen auf Polizeibeamte und -einrichtungen seitens Mitgliedern des ESN. Soldaten töteten 16 ESN-Mitglieder in der Stadt Aba im Bundesstaat Abia. Im April 2021 führten Sicherheitskräfte in der Stadt Awomama eine Razzia im ESN-Hauptquartier durch und töteten 11 Personen (ACCORD 7.6.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.8.2021): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise
- (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5 , 18.8.2021
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf , Zugriff 17.5.2021
- ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (7.6.2021): ecoi.net-Themendossier zu Nigeria: Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/de/laender/nigeria/themendossiers/sicherheitslage/ , Zugriff 20.8.2021
- BBC - BBC News (19.7.2021): Nigeria's security crises - five different threats, https://www.bbc.com/news/world-africa-57860993 , Zugriff 18.8.2021
- EASO - European Asylum Support Office (6.2021): Nigeria - Security Situation Version 1.1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2053722/2021_06_EASO_COI_Report_Nigeria_Security_situation.pdf , Zugriff 17.8.2021
- EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance: Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf , Zugriff 26.5.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf , Zugriff 28.5.2021
- USDOS - U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048101.html , Zugriff 26.5.2021
Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 02.09.2021
Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (GIZ 12.2020b; vgl. ÖB 10.2020, AA 5.12.2020) und Freiheit der Religionsausübung (ÖB 10.2020). Laut Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen, ist religiöse Diskriminierung verboten und hat jeder die Freiheit seine Religion zu wählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern (USDOS 12.5.2021; vgl. USCIRF 4.2021). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, z.B. bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious-Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät.Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 5.12.2020).
Die Regierung achtet Religionsfreiheit in der Praxis, obwohl von lokalen politischen Akteuren geschürte Gewalt in der Regel straflos bleibt. Die Verfassung verbietet es Gebietskörperschaften, ethnischen oder religiösen Gruppen Vorrechte einzuräumen. In der Praxis bevorzugen Bundesstaaten jedoch die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion (ÖB 10.2020). Manche Gesetze von Landes- und Bundesregierung diskriminieren Mitglieder christlicher oder muslimischer Minderheiten (USDOS 12.5.2021). Außerdem gestaltet sich die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit in der Praxis aufgrund religiöser Spannungen schwierig (GIZ 12.2020b).
Die Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und religiösen Gruppen ist auf lokaler Ebene und in der Bevölkerung teilweise nur unzureichend ausgeprägt. Eine Ausnahme sind die Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen seit Generationen auch Mischehen zwischen Moslems und Christen verbreitet sind. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit dagegen problematisch, insbesondere im Middle Belt, wo der Kampf um Land und Lebensraum zunehmend religiös aufgeladen wird (AA 5.12.2020). NGOs sowie religiöse Organisationen drücken ihre Besorgnis aus, dass die Gewalt zwischen vorwiegend muslimischen Fulani-Nomaden und vorwiegend christlichen Bauern in den nördlich und zentral gelegenen Staaten, religiöse Untertöne hat. Gemäß lokalen Behörden, Wissenschaftlern und Experten spielen dabei aber auch Ethnizität, Politik, Kriminalität, mangelnde Rechenschaft und Zugang zu Justiz sowie der Konflikt um sich reduzierende nutzbare Landflächen eine zentrale Rolle (USDOS 12.5.2021).
Auch die Lage zwischen den Moslems der sunnitischen Mehrheit und der schiitischen Minderheit ist teilweise stark angespannt. Versammlungen und Märsche der schiitischen Minderheit gelten als Provokation. Diesbezüglich kam es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen. Nach gewaltsamen Protesten des IMN (Islamic Movement of Nigeria) in Abuja im Juli 2019 wurde die Gruppierung durch die Regierung im ganzen Land zu einer illegalen Organisation erklärt (AA 5.12.2020). Die Regierung betont allerdings, dass dieses Verbot nicht gegen die „friedfertigen und gesetzestreuen“ Schiiten in Nigeria gerichtet ist (USDOS 12.5.2021). Die islamistisch-terroristischen Organisationen Boko Haram und Islamischer Staat in Westafrika sind weiterhin aktiv und führen zahlreiche Angriffe auf Bevölkerungszentren oder religiöse Ziele durch [Anm. Siehe Abschnitt: Sicherheitslage] (USDOS 12.5.2021).
Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen, Fälle sind jedoch individuell zu prüfen. Staatlicher Schutz ist wahrscheinlicher außerhalb der nordöstlichen Staaten verfügbar, ist aber auch dort lokalen Ressourcen entsprechend unterschiedlich ausgeprägt (UKHO 1.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf , Zugriff 17.5.2021
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 1.9.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf , Zugriff 28.5.2021
- UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (1.2019): Country Policy and Information Note Nigeria: Boko Haram, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005749/Nigeria_-_BH_-_v3_-_January _
- 2019.pdf, Zugriff 9.7.2021
- USCIRF - U.S. Commission on International Religous Freedom [USA] (4.2021): USCIRF – Recommended for Countries of particular concern (CPC), https://www.ecoi.net/en/file/local/2052979/Nigeria+Chapter+AR2021.pdf , Zugriff 8.7.2021
- USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051592.html , Zugriff 28.5.2021
Spannungen zwischen Muslimen und Christen
Letzte Änderung: 02.09.2021
Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein auch nur annähernd in Verbindung gebrachter Vorfall im christlichen Süden gegen Muslime wird sofort Reaktionen im Norden hervorrufen, die immer wieder zum Tod von sogenannten Nichtgläubigen führen. Pogrome gehören mittlerweile zum politischen Alltagsgeschehen in Nigeria. Seit 2000 sprechen die offiziellen Zahlen von über 11.500 Toten aufgrund religiöser Unruhen. Die tatsächlichen Zahlen dürften um ein Vielfaches höher liegen. Mit der Einführung der Scharia in den zwölf nördlichen Bundesstaaten und dem Terrorismus durch Boko Haram in den drei nordöstlichen Bundesstaaten haben sich die Spannungen weiter verschärft (GIZ 12.2020b). Im Norden Nigerias (einschließlich des Middle Belts) grassiert die im Namen des Islam von Boko Haram und ISWAP (sogenannter Islamischer Staat) begangene Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere gegen Christen. Dasselbe gilt für die Gewalt, die von Fulani-Kämpfern und bewaffneten Banditen verübt wird. Die Einflusskreise dieser verschiedenen Gruppen überschneiden sich zunehmend, ähnlich wie ihre Agenden. Dies stellt nicht nur für die nördlichen Staaten, einschließlich der Staaten des Middle Belts, eine Bedrohung dar, sondern auch für die südlichen Staaten. Deutliche Beispiele für Landraub und damit verbundene Gewalt durch militante Fulani sind bereits im Südwesten und Südosten zu sehen (OD 2021). In den nördlichen und zentralen Staaten kam es im Jahr 2020 zu zahlreichen tödlichen Zusammenstößen zwischen vorwiegend muslimischen Fulani Hirten und vorwiegend christlichen Farmern, die Regierung führte Militäroperationen durch, aber gemäß verschiedener Quellen waren diese unzureichend (USDOS 12.5.2021).
In den zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Religionsfreiheit von Nicht-Muslimen in der Praxis teilweise beschränkt, da viele Verwaltungsvorschriften ohne Rücksicht auf die jeweilige Religionszugehörigkeit erlassen und durchgesetzt werden (z.B. Verbot des gemischten Schulunterrichts, Verbot des Alkoholgenusses, Geschlechtertrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln, Neubau von Kirchen etc.). Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten haben in den ersten Jahren nach Einführung des Scharia-Rechts zu hunderten Amputations- und einigen Steinigungsurteilen geführt, die jedoch von einer höheren Instanz aufgehoben wurden (AA 5.12.2020).
Jene Personen, die sich vor einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure fürchten, können in der Regel Schutz bei Behörden suchen (UKHO 3.2019a) oder eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 3.2019b). Die Effektivität des Justiz- und Strafsystems wird allerdings von einigen ernsthaften Schwächen unterminiert. In Konfliktgebieten, wie Teilen Nordostnigerias, dem Niger Delta und dem Middle Belt, sowie für Angehörige bestimmter sozialer Gruppen, wie Frauen, Homosexuelle, Nicht-Indigene, ist Schutz nur bedingt verfügbar (UKHO 3.2019a). Die Möglichkeit der Relokation ist von der Art der Bedrohung und von den Lebensumständen des Betroffenen abhängig und kann für Frauen und Nicht-Indigene schwierig sein (UKHO 3.2019b).
Quellen:
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 1.9.2021 [Anm.: Der Link ist mit Stand 1.9.2021 nicht abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und abrufbar]
- OD - Open Doors (2021): Länderprofil Nigeria, Berichtszeitraum: 1. Oktober 2019 - 30. September 2020, https://www.opendoors.de/sites/default/files/country_dossier/9_laenderprofil_nigeria.pdf , Zugriff 9.7.2020
- UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (3.2019a): Country Policy and Information Note - Nigeria: Actors of protection, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/794316/CPIN_-_NGA_-_Actors_of_Protection.final_v.1.G.PDF , Zugriff 28.5.2021
- UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (3.2019b): Country Policy and Information Note Nigeria: Internal relocation, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/794323/CPIN_-_Nigeria_-_Internal_relocation.PDF , Zugriff 22.6.2021
- USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051592.html , Zugriff 28.5.2021
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Letzte Änderung: 02.09.2021
Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 5.12.2020), kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 30.3.2021). Frauen werden in der patriarchalen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt, v.a. dort, wo traditionelle Regeln gelten (AA 5.12.2020). So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 5.12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen. Z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt. Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 5.12.2020). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden (BS 2020; vgl. LHRL 9./10.2019).
Frauen ist es in Nigeria gesellschaftlich nicht zugedacht, Karriere zu machen. Männer gelten als Versorger der Familie (WRAPA 9./10.2019). Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen kaum eine Rolle. Jene mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz, z.B. eine Richterin beim Obersten Gerichtshof und die Finanzministerin (BS 2020).
Üblicherweise ist es für Frauen und alleinstehende Mütter möglich, Arbeit zu finden (WRAPA 9.10.2019; vgl. EMB A 9./10.2019; EMB B 9./10.2019). Die Art der Arbeit hängt von der Bildung ab (EMB A 9./10.2019). Demgegenüber stehen eine hohe Arbeitslosigkeit und ein geringes Jobangebot (WRAPA 9./10.2019; vgl. EMB B 9./10.2019). Rechtlich ist keine Vorschrift vorhanden, die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer für gleichwertige Tätigkeiten festschreibt. Es gibt auch kein Diskriminierungsverbot bei der Einstellung von Angestellten. Im formalen Sektor bleiben Frauen unterrepräsentiert (DFAT 3.12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Internationalen Beobachtern zufolge sind Frauen im Rahmen traditioneller und religiöser Praktiken mit erheblicher wirtschaftlicher Diskriminierung konfrontiert (DFAT 3.12.2020).
Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sexueller, körperlicher, psychologischer und sozioökonomischer Gewalt sowie mit schädlichen traditionellen Praktiken. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, Genitalverstümmelung (FGM/C) usw. Straftatbestände dar (VA 20.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Durchgesetzt wird das Gesetz von NAPTIP (National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons). Mit Stand Jänner 2021 haben 20 Bundesstaaten das VAPP ratifiziert: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bauchi, Benue, Cross Rivers, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, FCT, Kaduna, Kwara, Lagos, Nasarawa, Ogun, Osun, Oyo, Plateau, Yobe. Mit selbem Stand sind 61 Fälle anhängig seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2015. Es kam in diesem Zeitraum seit Inkraftreten bis Jänner 2021 zu fünf Verurteilungen auf Grundlage des VAPP (VA 20.1.2021).
Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert, die Polizei schreitet oft nicht ein. In ländlichen Gebieten zögern Polizei und Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht übersteigt. Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Für häusliche Gewalt sieht das Gesetz [Anm.: VAPP] eine Haftstrafe von maximal drei Jahren sowie eine Geldstrafe oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 30.3.2021). Im Falle von häuslicher Gewalt kann sich das Opfer an die Polizei wenden, jedoch besteht das Risiko, dass die Betroffene wieder nach Hause geschickt wird (LHRL 9./10.2019; vgl. LNGO A 9./10.2019). Sollte eine Frau hingegen verletzt sein, würde der Ehemann inhaftiert werden (LHRL 9./10.2019). Abuja verzeichnet die höchste Rate von häuslicher Gewalt, auch aus diesem Grund gibt es aber in Abuja viele von Frauen geführte Haushalte. Auch in anderen Städten wie Lagos oder Port Harcourt sind Frauen nun besser sensibilisiert und verlassen Beziehungen, in denen Missbrauch vorkommt. Sie können allerdings vermehrt Stalking, Gewalt oder gar Ermordung durch den Ex-Partner ausgesetzt sein. In ländlichen Gegenden ist die Sensibilisierung der Frauen weniger vorangeschritten, und es ist für sie schwieriger, sich Gewalt in der Beziehung zu entziehen (WRAPA 9./10.2019).
Vergewaltigung steht unter Strafe. Gemäß Bundesgesetz [Anm.: VAPP] beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft für Straftäter, die älter als 14 Jahre alt sind. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sorgen Schutzbeamte, die sich mit Gerichten koordinieren, dafür, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche Gerichte dazu ermächtigt, Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. Da das Bundesgesetz [Anm.: VAPP] bis dato aber nur in bestimmten Bundesstaaten ratifiziert wurde, gelten in den meisten Vergewaltigungsfällen bundesstaatliche strafrechtliche Regelungen. Vergewaltigungen bleiben weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass 9% der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 sexueller Gewalt ausgesetzt waren (USDOS 30.3.2021).
Das Bundesgesetz kriminalisiert seit 2015 weibliche Genitalverstümmlung (FGM/C) auf nationaler Ebene [Anm.: VAPP] (USDOS 30.3.2021; GIZ 12.2020b). Die Regierung verabschiedete im Jahr 2020 eine überarbeitete nationale Strategie zur Bekämpfung von FGM (USDOS 30.3.2021). Verschiedene Aufklärungskampagnen versuchen, einen Bewusstseinswandel einzuleiten. Bei der Verbreitung gibt es erhebliche regionale Unterschiede. In einigen – meist ländlichen – Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd ist die Praxis weit verbreitet, im Norden eher weniger (AA 5.12.2020). Die Verbreitung von FGM ist jedenfalls zurückgegangen (NHRC 9./10.2019; vgl. LHRL 9./10.2019; WRAPA 9./10.2019).
Für Opfer von FGM/C bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM/C bedroht sind, gibt es Schutz und/oder Unterstützung durch staatliche Stellen und NGOs, obwohl davon auszugehen ist, dass es schwierig ist, außerhalb des FCT staatlichen Schutz zu erhalten. Die Verfassung und Gesetze sehen interne Bewegungsfreiheit für alle vor, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Die Bewegungsfreiheit von Frauen und Kindern aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt (UKHO 8.2019). Je gebildeter die Eltern, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie ihre Kinder beschneiden lassen. Wenn der Vater die Mutter bei ihrer Weigerung, das gemeinsame Kind beschneiden zu lassen, unterstützt, dann können die Eltern dies auch verhindern. Allerdings gab es v.a. in der Vergangenheit Einzelfälle, wo Großeltern ein Kind beschneiden ließen (NHRC 9./10.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf , Zugriff 17.5.2021
- BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029575/country_report_2020_NGA.pdf , Zugriff 28.5.2021
- DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (3.12.2020): DFAT Country Information Report Nigeria, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/dfat-country-information-report-nigeria-3-december-2020.pdf , Zugriff 18.8.2021
- EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance: Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf , Zugriff 20.4.2020
- EMB A - westliche Botschaft A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- EMB B - westliche Botschaft B (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 18.6.2021
- LHRL - Lokaler Menschenrechtsanwalt (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokkumentation auf
- LNGO A - Repräsentantin der lokalen NGO A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- NHRC - National Human Rights Commission [Nigeria] (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2021612/NIGR_%C3%96B_Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 18.11.2020
- UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (8.2019): Country Information and Guidance Nigeria: Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/825243/Nigeria_-_FGM_-_CPIN_-_v2.0__August_2019_.pdf , Zugriff 22.6.2021
- USDOS - U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048101.html , Zugriff 26.5.2021
- VA - Vertrauensanwalt der ÖB Abuja (20.1.2021): Bericht des VA, übermittelt via e-mail am 21.1.2021, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- Vanguard (10.3.2019): Our gods will destroy you; Oba of Benin curse human traffickers, https://www.vanguardngr.com/2018/03/gods-will-destroy-oba-benin-curse-human-traffickers/ , Zugriff 20.4.2020
- WRAPA - Anisa Ari, Snr. Program Coordinator; Umma Rimi, Programme Officer, NGO Women’s Rights Advancement and Protection Alternative (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel
Letzte Änderung: 03.09.2021
Gemäß zweier Quellen einer FFM der Staatendokumentation im Oktober 2019 müssen Frauen, um einen Mietvertrag abzuschließen, einen männlichen Bürgen beibringen (WRAPA 9/10.2019; vgl. LNGO A 9/10.2019). Dies kann ein Freund, ein Kollege, oder ein Verwandter sein (WRAPA 9/10.2019). Gemäß einer anderen Quelle ist es für Frauen in Abuja kein Problem, alleine zu leben oder zu arbeiten (LNGO B 9/10.2019). Auch andere Quellen bestätigen, dass es für alleinstehende Frauen möglich ist, alleine zu leben und eine Wohnung zu mieten (EMB D 9./10.2019; vgl. EMB B 9/10.2019). Die Situation für alleinstehende Frauen ist allerdings schwierig. Sozialer Druck in Hinblick auf ein traditionelles Rollenbild besteht (WRAPA 9./10.2019). Üblicherweise ist es für Frauen und alleinstehende Mütter möglich, Arbeit zu finden (WRAPA 9.10.2019; vgl. EMB A 9./10.2019; EMB B 9./10.2019). Die Art der Arbeit hängt von der Bildung ab (EMB A 9./10.2019). Demgegenüber stehen eine hohe Arbeitslosigkeit und ein geringes Jobangebot (WRAPA 9./10.2019; vgl. EMB B 9./10.2019).
Nigeria verfügt über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianische Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EU-Staaten bei der Reintegration (ÖB 10.2020). Die Agentur ist außerdem für die Bekämpfung des Menschenschmuggels zuständig. Sie hat nach eigenen Angaben zwischen April 2019 und März 2020 von 934 (2018-2019: 938) angezeigten Fällen von Menschenhandel 210 (192) untersucht, 64 (64) Individuen strafrechtlich verfolgt und die Verurteilung von 27 (43) Schleusern erreicht (AA 5.12.2020). NAPTIP ist eine zentrale Anlaufstelle für Rückkehrerinnen und bietet unter anderem um 2.000 US-Dollar mehrmonatige Rehabilitierung (psychologische Betreuung) und Berufstraining für ehemalige Zwangsprostituierte an (ÖB 10.2020). Es gibt außerdem einige NGOs, die für zurückkehrende Frauen Unterstützung anbieten (EMB D 9./10.2019). Generell gibt es neben NAPTIP noch andere NGOs, welche über Frauenhäuser verfügen. Meist liegt der Fokus aber auf Menschenhandel (NHRC 9./10.2019). NAPTIP verfügt in Nigeria über mehrere Shelters, vermittelt Frauen aber auch an andere Organisationen – etwa MeCAHT oder WOTCLEF – weiter (NAPTIP 9./10.2019).
Vom Office of the Special Adviser to the President on Relations with Civil Society erhielt die österreichische Botschaft eine Liste mit 203 auf Seriosität/Bonität geprüften NGOs, die sich um Rehabilitierung, Fortbildung und medizinische Betreuung/Versorgung sämtlicher Bevölkerungsgruppen des Staates bemühen. Darin werden regionale bzw. das ganze Staatsgebiet umfassende Organisationen aufgelistet, die sich um Witwen, Vollwaisen, minderjährige Mütter, alleinstehende Frauen, Albinos, HIV-Positive, Ex-Häftlinge, Häftlinge, Prostituierte, Alphabetisierung, FGM oder Opfer häuslicher Gewalt bemühen. Diese Organisationen betreiben Wohn- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen, Waisen sowie körperlich und geistig Behinderte. Zusätzlich unterstützen Gattinnen der Gouverneure eigene "pet projects". Die bekannteste Vertreterin ist Dr. Amina Titi Atiku Abubakar, Gründerin und Vorsitzende der NGO WOTCLEF, die es bis zur Akkreditierung durch die UN gebracht hat und zahlreiche Projekte im Frauenbereich unterstützt (ÖB 10.2020).
Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind alleinstehende Frauen oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes – und dort vor allem in den Städten – werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 5.12.2020). Die Verfassung und Gesetze sehen interne Bewegungsfreiheit für alle vor, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Die Bewegungsfreiheit der Frauen und Kindern aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt (UKHO 8.2019). Auch im Allgemeinen dürfte der Wechsel des Wohnortes für alleinstehende Frauen ohne Zugang zu einem unterstützenden Netzwerk schwieriger sein (UKHO 3.2019b).
Eine Auswahl spezifischer Hilfsorganisationen für Frauen:
African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email: info@awegng.org , aweg95@yahoo.com , nosaaladeselu@yahoo.co.uk (AWEG o.d.a). Die AWEG ist eine ausschließlich weibliche, nicht profitorientierte NGO. Zielgruppe sind Frauen und Jugendliche. Spezielle Programme zielen darauf ab, Frauen beim Erwerb von Fähigkeiten im Bildungsbereich sowie im sozialen, ökonomischen und politischen Bereich zu unterstützen. AWEG führt Studien zu geschlechtsspezifischer Gewalt durch (AWEG o.D.b).
Women Aid Collective (WACOL), No 9 Matthias Ilo Avenue, New Haven Extension by Akanu Ibia Airport Flyover, Enugu State. Tel: +234 9060002128, Email: wacolnig@gmail.com , wacolnig@yahoo.com . WACOL ist eine Wohltätigkeitsorganisation und bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste (WACOL o.D.).
Women Advocates Research and Documentation Center (WARDC), 9b james Oluleye Crescent (Harmony Enclave), off Adeniyi Jones by Koko bus stop, Ikeja, Lagos State, +(123) 443-769-456, Email: info@wardcnigeria.org (WARDC o.d.a). WARDC ist eine Frauenrechts-NGO für weibliche Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt und anderer Menschenrechtsverletzungen. Ca. sechs Frauen pro Woche werden diesbezüglich in rechtlicher und sozialer Hinsicht beraten (WARDC o.d.b.).
Womens Health and Equal Rights Initiative (WHER), Adresse nicht online verfügbar, +234 818 645 7675, Email: wher@whernigeria.org WHER ist eine NGO zur Unterstützung von Frauen im Allgemeinen und von Frauen, die Angehörige einer sexuellen Minderheit sind (WHER o.d.).
The Women’s Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel: +234 8033188767, +2349134197431, +234 8037190133, +234 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com , info@womenconsortiumofnigeria.org (WOCON o.D.a). WOCON ist eine gemeinnützige NGO, die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Ziel ist die Aufklärung bezüglich Menschenhandel und der Kampf gegen den Menschenhandel (WOCON o.D.b).
Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA): 19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja, Tel.: 08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com , wrapa399@yahoo.com . WRAPA ist eine Organisation, die bundesweit für Frauenrechte eintritt. Aktivitäten umfassen kostenfreie Rechtsberatung, Ausbildung, Mobilisation, Sensibilisierung und Meinungsbildung bezüglich rechtlicher Reformen. Jede Frau, die in irgendeiner Form einen Eingriff in ihre Rechte bzw. eine Diskriminierung erlitten hat, kann in den Genuss der Unterstützung von WRAPA kommen (WRAPA, o.D.).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf , Zugriff 17.5.2021
- AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): AWEG - Contact Information, https://awegng.org/contact-us/ , Zugriff 22.6.2021
- AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): AWEG - About Us, https://awegng.org/about-us/ , Zugriff 22.6.2021
- EMB A - westliche Botschaft A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- EMB B - westliche Botschaft B (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- EMB D - westliche Botschaft D (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- LNGO A - Repräsentantin der lokalen NGO A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- LNGO B - Repräsentantinnen der lokalen NGO B (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- NAPTIP - National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons [Nigeria] (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- NHRC - National Human Rights Commission [Nigeria] (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf , Zugriff 28.5.2021
- UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (3.2019b): Country Policy and Information Note Nigeria: Internal relocation, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/794323/CPIN_-_Nigeria_-_Internal_relocation.PDF , Zugriff 22.6.2021
- UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (8.2019): Country Information and Guidance Nigeria: Nigeria:Female Genital Mutilation (FGM), https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/825243/Nigeria_-_FGM_-_CPIN_-_v2.0__August_2019_.pdf , Zugriff 22.6.2021
- WACOL - Women Aid Collective (o.D.): Homepage, https://wacolnigeria.org/ , Zugriff 22.6.2021
- WARDC - Women Advocates Research and Documentation Center (o.d.a): WARDC - Contact us, http://wardcnigeria.org/contact-us/ , Zugriff 22.6.2021
- WARDC - Women Advocates Research and Documentation Center (o.d.b): WARDC - About us, http://wardcnigeria.org/what-we-do/ , Zugriff 22.6.2021
- WHER - Womens Health and Equal Rights Initiative (o.d.): WHER about, https://whernigeria.org/about/ , Zugriff 22.6.2021
- WOCON - Women’s Consortium of Nigeria (o.D.a): WOCON - Contact, http://womenconsortiumofnigeria.org/?q=content/contact , Zugriff 22.6.2021
- WOCON - Women’s Consortium of Nigeria (o.D.b): WOCON - About us, http://womenconsortiumofnigeria.org/?q=about-us , Zugriff 22.6.2021
- WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.): FAQ, https://wrapanigeria.org/faq/ , Zugriff 22.6.2021
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 03.09.2021
Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein, vor allem in Gebieten, in denen es Terroranschläge oder ethnisch motivierte Gewalt gibt. Dies betrifft aufgrund der Operationen gegen Boko Haram und ISIS-WA v.a. die Bundesstaaten Adamawa, Borno und Yobe. Auch in anderen Bundesstaaten kommt es in Reaktion auf gewaltsame Auseinandersetzungen in ländlichen Regionen mitunter zu Ausgangssperren. Bei Operationen von Sicherheitskräften in Städten und an Hauptverkehrsstraßen werden gelegentlich Checkpoints eingerichtet (USDOS 30.3.2021).
Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 30.3.2021). Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen (AA 5.12.2020). Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden (UKHO 3.2019).
In den vergangenen Jahrzehnten hat eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der „Kern“-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa-Fulani, Yoruba, Igbo) stattgefunden. So ist insbesondere eine starke Nord-Süd-Wanderung feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen (ÖB 10.2020). Ein innerstaatlicher Umzug kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem keine Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der Gesellschaft ist es für viele Menschen schwer, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 5.12.2020).
Bundesstaats- und Lokalregierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt, obwohl sie dort über keine familiäre Bindung mehr verfügen (USDOS 30.3.2021).
Für Überlandfahrten stehen mehrere Busunternehmen zur Verfügung, so z.B. ABC Transport, Cross Country Limited, Chisco und GUO Transport. Die Busse bieten Komfort, sind sicher, fahren planmäßig und kommen i.d.R. pünktlich am Zielort an. Die nigerianische Eisenbahn gilt als preisgünstiges, aber unzuverlässiges Transportmittel. Günstige Inlandflüge zwischen den Städten werden von mehreren nigerianischen Fluggesellschaften angeboten. Um innerhalb einer der Städte Nigerias von einem Ort zum anderen zu gelangen, stehen Taxis, Minibusse, Dreirad, die Keke und Motorradtaxis, die Okada genannt werden, zur Verfügung (GIZ 9.2020).
Bedingt durch COVID-19 sind öffentliche Versammlungen beschränkt, mit Stand September 2020 auf 50 Personen (USDOS 30.3.2021). Im ganzen Land gilt eine Ausgangssperre von Mitternacht bis 4 Uhr (WKO 7.8.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf , Zugriff 17.5.2021
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Nigeria - Alltag, https://www.liportal.de/nigeria/alltag/ , Zugriff 1.9.2021 [Anm.: Der Link ist mit Stand 1.9.2021 nicht abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und abrufbar]
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf , Zugriff 28.5.2021
- UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (3.2019b): Country Policy and Information Note Nigeria: Internal relocation, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/794323/CPIN_-_Nigeria_-_Internal_relocation.PDF , Zugriff 22.6.2021
- USDOS - U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048101.html , Zugriff 26.5.2021
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (7.8.2021): Coronavirus: Situation in Nigeria - Aktuelle Informationen und Info-Updates, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-nigeria.html , Zugriff 23.8.2021
Grundversorgung
Letzte Änderung: 03.09.2021
Nigeria ist die größte Volkswirtschaft Afrikas. Die Erdölproduktion ist der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes. Aufgrund des weltweiten Verfalls der Erdölpreise rutschte Nigeria 2016 jedoch in eine schwere Rezession, die bis zum zweiten Quartal 2017 andauerte. 2018 wuchs die nigerianische Wirtschaft erstmals wieder um 1,9 Prozent. Getragen wurde das Wachstum vor allem durch die positive Entwicklung von Teilen des Nicht-Öl-Sektors (Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe) (GIZ 6.2020). 2020 wurde die Wirtschaft des Landes schwer durch den COVID-bedingten Verfall der internationalen Ölpreise getroffen. Für 2020 wird mit einem Rückgang des BIP von ca. 3,2 Prozent bei einem Wachstum der Bevölkerung in etwa gleicher Höhe gerechnet. Bereits im 4. Quartal 2020 hat die Wirtschaft jedoch wieder zu expandieren begonnen. 2021 sollte sie, getragen von Ölpreisen um 60 US-Dollar pro Fass, um 1,5 bis 2,5 Prozent real wachsen (WKO 16.6.2021).
Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 5.12.2020). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei- und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 6.2020). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 5.12.2020). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 6.2020).
Über 70 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Agrarsektor wird durch die Regierung stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 6.2020). Dennoch ist Nigeria in diesem Bereich keineswegs autark, sondern auf Importe, vor allem von Reis, angewiesen. Aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten verrotten bis zu 40 Prozent der Ernten (ÖB 10.2020).
Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt. Insgesamt hat sich der Prozentsatz an Unterernährung in den nördlichen Staaten im Vergleich zu 2015 verbessert und liegt nun unter der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen aber weiterhin zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2020). Mit Stand August 2020 benötigen gemäß UN 10,6 Millionen Menschen in Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa humanitäre Hilfe (HumAngle 11.8.2020).
Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2020; vgl. GIZ 12.2020b). 87 Millionen Nigerianer (40 Prozent der Bevölkerung) leben in absoluter Armut, d.h. sie haben weniger als 1 US-Dollar pro Tag zur Verfügung (GIZ 6.2020). Gemäß Schätzungen der Weltbank leben mehr als 90 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag und 92 Prozent der Bevölkerung müssen mit einem Einkommen von weniger als 5,50 Dollar pro Tag auskommen (ÖB 10.2020). Die Armut ist in den ländlichen Gebieten größer als in den städtischen Ballungsgebieten (GIZ 12.2020b). Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 6.2020).
Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 35 wird sie auf über 50 Prozent geschätzt (GIZ 12.2020b). Die letzten offiziellen Zahlen dazu stammen aus dem 3. Quartal 2018. Demnach waren damals 42 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung entweder arbeitslos oder unterbeschäftigt. Seither werden Arbeitslosenzahlen, angeblich aus Kostengründen, nicht mehr veröffentlicht. Besonders hoch ist die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen (ÖB 10.2020). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 10.2020; vgl. BS 2020).
Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 12.2020b). Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2020).
Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2020). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2020). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2020).
Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Mietkosten, Zugang zu medizinischer Versorgung und Lebensmittelpreise variieren nicht nur von Bundesstaat zu Bundesstaat, sondern auch regional/ethnisch innerhalb jedes Teilstaates (ÖB 10.2020).
Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup“, „garri“ oder „pounded yam“, für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf , Zugriff 17.5.2021
- BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029575/country_report_2020_NGA.pdf , Zugriff 18.5.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 1.9.2021 [Anm.: Der Link ist mit Stand 1.9.2021 nicht abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und abrufbar]
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2020): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 1.9.2021 [Anm.: Der Link ist mit Stand 1.9.2021 nicht abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und abrufbar]
- HumAngle (11.8.2020): Number of People Requiring Humanitarian Aid in North-East Nigeria Highest in Five Years, https://humanglemedia.com/number-of-people-requiring-humanitarian-aid-in-north-east-nigeria-highest-in-five-years/ , Zugriff 6.8.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf , Zugriff 28.5.2021
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (16.6.2020): Die nigerianische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-nigerianische-wirtschaft.html , Zugriff 23.8.2021
Rückkehr
Letzte Änderung: 03.09.2021
Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2020).
Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 5.12.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2020). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 5.12.2020).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 5.12.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2020). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 5.12.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2020) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 5.12.2020; vgl. ÖB 10.2020). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2020).
Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 5.12.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2020).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure betreiben Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert und es werden Aus- oder Weiterbildungsprojekte angeboten (AA 5.12.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf , Zugriff 17.5.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf , Zugriff 28.5.2021
1.4. Zur Covid-19 Pandemie:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses ).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei etwa 80 % der Betroffenen leicht bzw. symptomlos und bei ca. 20 % der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Sehr schwere oder tödliche Krankheitsverläufe treten am häufigsten bei Risikogruppen auf, zum Beispiel bei älteren Personen und Personen mit medizinischen Problemen oder Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses ).
Die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung listet die medizinischen Gründe (Indikationen) für die Zugehörigkeit einer Person zur COVID-19-Risikogruppe. Auf Grundlage dieser Indikationen darf eine Ärztin/ein Arzt ein COVID-19-Risiko-Attest ausstellen. Diese medizinischen Hauptindikationen werden in der Verordnung weiter unterteilt und genau beschrieben (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus-Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Risikogruppen.html ).
In Österreich gibt es mit Stand 22.09.2021, 00:00 Uhr, aktuell 30.121 aktive Fälle und 10.707 gemeldete Todesfälle (https://info.gesundheitsministerium.at/dashboard_Epidem.html?l=de ; Zugriff 23.09.2021).
Nigeria hat mit Stand 22.09.2021, 17:06 Uhr, aktuell insgesamt 202.191 bestätigte Fälle und 2.661 Todesfälle zu verzeichnen (https://covid19.who.int/region/afro/country/ng ; Zugriff 23.09.2021). In Relation zur Einwohnerzahl (von mehr als 214 Millionen Einwohnern) liegt die Infektions- sowie die Sterberate in Nigeria somit prozentual deutlich unter jener von Österreich (mit ca. 8,9 Mio. Einwohnern).
Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vor diesem und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria vom 03.09.2021.
Die Beschwerdeführerin bestreitet den vom Bundesamt festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, so dass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der vom Bundesamt vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung anschließt.
Das Bundesamt hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die in der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich dargelegt. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde sind keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die vom Bundesamt zu Grunde gelegten Erwägungen in Frage zu stellen.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrem Gesundheitszustand, ihrer Arbeitsfähigkeit, ihrer Herkunft, ihrer Glaubens- und Volksgruppenzugehörigkeit sowie ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt (AS 65 ff; AS 97 ff). Das Bundesamt hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person aufgekommen. Dass die Beschwerdeführerin in Österreich über keine maßgeblichen persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben anlässlich ihrer Einvernahme durch das Bundesamt (AS 100). Sie erwähnte zwei Freunde mit Vornamen, die sie im Internet kennengelernt habe. Einer sei Lkw-Fahrer, den sie schon persönlich getroffen habe. Über den zweiten Freund wisse sie noch nicht so viel. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu ihnen bestehe nicht. Insgesamt lässt sich - auch in Hinblick auf ihren erst kurzen Aufenthalt in Österreich - eine maßgebliche private Verfestigung nicht erkennen.
Sie hat bislang keine Sprachprüfung abgelegt. Sie war bei ihren Einvernahmen zur Gänze auf einen Dolmetscher angewiesen. Die mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit und die Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit ergeben sich aus dem Bezug staatlicher Unterstützungsleistungen (AS 68), dem aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem und dem Auszug aus dem AJ-Web jeweils vom 23.09.2021. Die Feststellungen zum gegenwärtigen Wohnsitz gehen auf dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister zurück.
Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest.
Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit geht auf eine Abfrage im Strafregister der Republik Österreich vom 23.09.2021 zurück.
2.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:
2.3.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn die Beschwerdeführerin die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (vgl. VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, Zl. 92/03/0011; 1.10.1997, Zl. 96/09/0007).
Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069; 30.11.2000, Zl. 2000/01/0356). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650). Die Unkenntnis in wesentlichen Belangen indiziert ebenso mangelnde Glaubwürdigkeit (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).
2.3.2. Die widersprüchliche Darlegung der Fluchtgeschichte trifft in gegenständlichem Fall zu. Die Beschwerdeführerin schilderte ihre Eindrücke vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes deutlich abweichend von ihren Erzählungen vor dem Bundesamt. Von letzterem wurde sie zweimal einvernommen und waren auch hier widersprechende Vorbringen gravierend.
Auch wenn sich die Ersteinvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (VwGH 14.06.2017, Ra 2017/18/0001), kann von der Beschwerdeführerin doch erwartet werden, dass sie zumindest in den wesentlichen Punkten eine stimmige Fluchtgeschichte darlegt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend und gleichbleibend schildert, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist.
Die Aussagen der Beschwerdeführerin vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dass die Kühe der Fulani-Herdsmen die Ernte gefressen und dass das Feld zerstört worden sei (AS 20), weicht nicht nur im Detail von ihren Äußerungen vor dem Bundesamt am 27.05.2021 ab. Demnach hätten sie und ihr Bruder einen Mann gesehen, der die ganze Saat geerntet hätte und sei es dann zu einer Auseinandersetzung gekommen (AS 71). Bei der weiteren Einvernahme am 25.06.2021 kehrte sie annähernd zu ihren ursprünglichen bei der Erstbefragung getätigten Angaben zurück und gab zu Protokoll, eine Gruppe bewaffneter Fulani-Herdsmen angetroffen zu haben. Diese hätten ihre Ernte genommen und an ihre Kühe verfüttert (AS 104). Außerdem sei sie geschlagen worden und hätte drei Zähne verloren, wohingegen sie in der ersten Einvernahme noch von einem ausgeschlagenen Zahn sprach und in der Erstbefragung den Umstand eines Angriffs auf sie überhaupt nicht erwähnte.
Diese Unstimmigkeiten sowie weitere Widersprüche in ihren Schilderungen lassen Zweifel an einer selbst erlebten Bedrohungssituation und ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen. So konnte sie die weiteren drei Tage, in denen ihr Bruder auf der Farm zurückgeblieben und von den Fulani-Hirten ermordet worden sei, nicht schlüssig schildern. Sie habe beim Dorfältesten um Rat und Hilfe gesucht. Dieser habe eine Gruppe von Jugendlichen zunächst zur Polizeistation und später auf die Farm geschickt, um Nachschau zu halten (AS 104 f). Dort hätten sie den Bruder tot aufgefunden und ihn sofort traditionell auf der Farm begraben. Demgegenüber gab sie in derselben Einvernahme an, dass die Jugendgruppe bereits am Morgen des dritten Tages zur Farm geschickt worden sei und vom Tod des Bruders berichtet habe. Erst dann sei der Onkel der Beschwerdeführerin auf die Farm mitgegangen, wo ihr Bruder anschließend bestattet worden sei. Auf Nachfrage gab die Beschwerdeführerin widersprüchlich an, der Onkel sei gleich mit der Jugendgruppe mitgegangen und niemand sei an diesem Tag vorher auf der Farm gewesen (AS 115).
Die Beschwerdeführerin gab auch an, dass sie noch bis 21.02.2021 in ihrem Dorf gelebt, allerdings nicht auf der Farm gearbeitet habe. Sie habe noch Lebensmittel zu Hause gehabt und davon leben können. Da sie den tätlichen Angriff der Fulani mit Ende Dezember 2020 bekannt gab, fehlt es am zeitlichen Konnex zwischen dem fluchtauslösenden Ereignis und dem tatsächlichen Verlassen des Landes (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; dazu auch VwGH 19.10.2000, 98/20/0430). Die Beschwerdeführerin gestand selbst ein, Nigeria vornehmlich wegen der Unsicherheit und der Sorge, wie sie ihren Lebensunterhalt würde sichern können, verlassen habe (AS 119).
Aus diesen Angaben erschließt sich, dass sie der allfälligen Bedrohung durch Fulani-Hirten auch durch innerstaatliche Relokation hätte entgehen können und ist ihr eine solche auch zumutbar. Aus dem Länderinformationsblatt ergibt sich, dass die Nomaden in bestimmten Teilen, nicht aber in ganz Nigeria leben. Ziel der Hirten ist nicht die Verfolgung der Beschwerdeführerin als Person, sondern sie wollen sich des Weidelandes für ihr Vieh bemächtigen. Es wäre der Beschwerdeführerin, die gesund und arbeitsfähig ist sowie über Jahre Erfahrung in der Landwirtschaft gesammelt hat, auch möglich gewesen, in einem anderen Landesteil dieser Tätigkeit nachzugehen. Aus dem Länderinformationsblatt ergibt sich, dass sich jede Bürgerin und jeder Bürger in jedem Teil Nigerias niederlassen dürfen. Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Es ist für die Beschwerdeführerin, die jung, gesund und arbeitsfähig ist, daher eine interne Relokation möglich, sollte sie von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt werden oder sich vor diesen fürchten.
Es ist für das Bundesverwaltungsgericht nachvollziehbar, dass das Bundesamt dieses Fluchtvorbringen als widersprüchlich, unschlüssig und daher unglaubwürdig qualifizierte. Dieser Beurteilung tritt auch die Beschwerde nicht substantiiert entgegen, so dass für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund besteht, an der Bewertung des Bundesamtes zu zweifeln. Die Beschwerde geht näher auf die Situation der Landbevölkerung mit den Fulani-Hirten und die damit einhergehenden Spannungen ein. Diesen Ausführungen steht auch das Länderinformationsblatt nicht entgegen. Auf Grund des unglaubwürdigen Vorbringens der Beschwerdeführerin braucht darauf nicht näher eingegangen zu werden.
Da die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde dem bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegentrat und sich die Begründung darin erschöpfte, die bisher vorgetragenen Fluchtgründe nach wie vor aufrecht zu halten, ergeben sich keine Zweifel am Zutreffen der vom Bundesamt getroffenen Feststellungen und der Beweiswürdigung.
2.4. Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom September 2021 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Die Beschwerdeführerin trat den älteren Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen. Kritisiert wurden nicht der Länderbericht als solches, sondern der Umstand, dass die individuelle Situation der Beschwerdeführerin nicht abgedeckt sei. In der erhobenen Beschwerde nimmt sie teilweise auf Berichte älteren Datums Bezug (zB. 2015 bis Juni 2016 [AS 223 f], Februar 2019 [AS 226 f], 26.06.2018 [AS 227], 08.02.2018 [AS 228] oder 12.06.2020 [AS 229]). Aber auch die ergänzenden Berichte aus dem Jahr 2021 stehen nicht im Widerspruch zum zu Grunde gelegten aktuellen Länderinformationsblatt. Wenn die Beschwerdeführerin moniert, dass auf die Lage und Angriffe der Fulani nicht ausreichend eingegangen worden sei, ist zu entgegnen, dass sich auch das aktuelle Länderinformationsblatt in den Punkten „Religionsfreiheit“ und „Spannungen zwischen Muslimen und Christen“ - soweit fallgegenständlich relevant - mit dieser Problematik beschäftigt.
Bei einer Gesamtbetrachtung tritt die Beschwerdeführerin nicht den dargelegten Länderfeststellungen entgegen, sondern zielt ihr Vorbringen auf eine andere beweiswürdigende und letztlich rechtliche Einschätzung ab.
Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen.
Die Feststellungen zur Covid 19 Pandemie ergeben sich aus den zitierten Quellen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A):
3.1. Zum Status der Asylberechtigten:
3.1.1. Rechtslage:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, Zl. 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG 2005 erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II. 2.3. ausführlich dargelegt, konnte die Beschwerdeführerin mit dem geltend gemachten Fluchtgrund, sie sei von den Fulani-Hirten bedroht worden, weder eine Bedrohung, noch eine Verfolgung aufgrund der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung glaubhaft machen.
Insbesondere war auch eine innerstaatliche Fluchtalternative zu bejahen, um möglichen Angriffen der Fulani-Hirten auf ihre Farm zu entgehen. Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zum Status der subsidiär Schutzberechtigten:
3.2.1. Rechtslage:
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 28.06.2011, Zl. 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 07.09.2016, Ra 2015/19/0303).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Der Beschwerdeführerin droht in Nigeria - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung bzw. kann sie durch innerstaatliche Relokation einer Bedrohung durch die Fulani-Hirten entgehen. Diese Möglichkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative steht auch einer Gewährung von subsidiären Schutz entgegen.
Auch dafür, dass ihr im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Die Beschwerdeführerin ist gesund und somit arbeitsfähig. Sie gehört als Frau im Alter von ca. 30 Jahren ohne Vorerkrankung keiner Covid-19-Risikogruppe an. Sie hat über mehrere Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet und dadurch ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie diese Arbeit nicht in einem anderen Landesteil von Nigeria wieder wird ausüben können. Selbst wenn sie diese Tätigkeit nicht mehr ausüben könnte, wäre es ihr möglich, durch die Ausübung einer anderen Tätigkeit für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.
Es leben Onkel und Tanten der Beschwerdeführerin in Nigeria und brachte sie nur in Bezug auf einen Onkel vor, dass dieser sie nicht unterstützen würde. Es besteht für sie die Möglichkeit, nach ihrer Rückkehr den Kontakt zu den übrigen Verwandten wieder aufzunehmen und - zumindest vorübergehend - ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen und bei ihnen zu wohnen. Sie wäre anfänglich somit nicht gänzlich auf sich alleine gestellt. Aus dem Länderinformationsblatt (zu Punkt „Grundversorgung“) ergibt sich außerdem, „[…] dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird […]“, wobei nicht explizit zwischen Männern und Frauen unterschieden wird. Zudem steht Frauen die Möglichkeit offen, sich an staatliche und halbstaatliche Einrichtungen zu wenden, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. Aus dem Länderinformationsblatt lassen sich mehrere spezifische Hilfseinrichtungen für (alleinstehende) Frauen in ganz Nigeria entnehmen, die sich um unterschiedliche Problemstellungen von Frauen, wie beispielsweise Wohnungs- oder Jobsuche oder auch psychologische Hilfestellungen, kümmern. Insgesamt kann damit nicht erkannt werden, dass die Beschwerdeführerin, die gesund und arbeitsfähig ist und auch sonst keiner besonderen vulnerablen Gruppe angehört, ihre Existenz in Nigeria selbst bei Ausbleiben von familiärer Unterstützung nicht sichern könnte.
Damit ist die Beschwerdeführerin durch die Abschiebung nach Nigeria nicht in ihrem Recht gemäß Art. 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass die Beschwerdeführerin allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber ihrer Situation in Nigeria besser gestellt ist, genügt nicht für die Annahme, sie würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit ihre Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Ganz allgemein besteht in Nigeria derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem Länderinformationsblatt zu Nigeria, die nahelegen würden, dass bezogen auf die Beschwerdeführerin ein reales Risiko einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.
Die Beschwerde erweist sich daher, nicht zuletzt auch auf Grund der innerstaatlichen Relokationsmöglichkeit, als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 abzuweisen war.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des § 57 AsylG 2005:
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines „Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß § 57 AsylG 2005 (gemeint offenbar: einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“) wurde von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keine Hinweise, die es nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.
Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung:
3.4.1. Rechtslage:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG 2005) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:
Wie ausgeführt, war ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 („Aufenthaltstitel besonderer Schutz“) nicht zu erteilen. Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:
Bei der Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249).
Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 24.02.2021 bis zum gegebenen Zeitpunkt eine sehr kurze Dauer von ca. sieben Monaten. Der seit der Asylantragstellung andauernde Aufenthalt der Beschwerdeführerin beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb sie während des gesamten Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass sie sich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.
Bei der Einzelfallprüfung bedarf es daher zudem der Beurteilung, ob die Beschwerdeführerin in der Zeit ihres Aufenthaltes wesentliche Integrationsschritte gesetzt hat.
Sie führt - wie auch das Bundesamt zu Recht ausführt - nach eigenen Angaben keine Lebensgemeinschaft oder eine „familienähnliche“ Beziehung in Österreich. Es fehlen alle Sachverhaltselemente, aus denen sich die Existenz gewisser in einem Zeitraum eines ca. siebenmonatigen Aufenthaltes entstandener - unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens relevanter - Bindungen allenfalls hätte ergeben können (wie etwa Teilnahme am Erwerbsleben und am sozialen Leben in Österreich, Selbsterhaltungsfähigkeit, Erwerb von nachweisbaren Sprachkenntnissen). Gleichzeitig hat die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat, in dem sie aufgewachsen ist und den Großteil ihres bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Anknüpfungspunkte, ist mit den vorherrschenden Gepflogenheiten in Nigeria vertraut und verfügt sie über verwandtschaftliche Beziehungen, zumal Onkel und Tanten in Nigeria leben. Bei einer Rückkehr ist es ihr möglich, zumindest für eine kurze Zeit Unterkunft bei ihnen zu nehmen. Ihre Versorgungssituation wäre somit - zumindest vorübergehend - gesichert. Als gesunde Frau ist ihr eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft im Herkunftsstaat zumutbar. Auch in Hinblick auf die noch immer anhaltende Covid-19-Pandemie stehen keine Rückkehrhindernisse nach Nigeria im Weg. Da sie als junge Frau ohne Vorerkrankung keiner Risikogruppe zuzuordnen ist, trifft sie die Pandemie in Nigeria nicht anders oder stärker als in Österreich.
Dem allenfalls bestehenden Interesse der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die - wie die Beschwerdeführerin - ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt, schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib in Österreich (VwGH 12.12.2012, Zl 2012/18/0207).
Ebenso wenig vermag die strafgerichtliche Unbescholtenheit ihre persönlichen Interessen entscheidend zu stärken (VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 nicht in Betracht kommt.
Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art. 8 EMRK, vgl. § 9 Abs. BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Die Beschwerdeführerin verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG abzuweisen war.
3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat:
Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak zulässig ist.
Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0399, mwN).
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 52 Abs. 9 FPG abzuweisen war.
3.6. Zur Frist für die freiwillige Ausreise:
Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich aus § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die die Drittstaatsangehörige bzw. die Beschwerdeführerin bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, ergibt sich weder aus dem Verwaltungsakt noch sind solche von der Beschwerdeführerin vorgebracht worden, die als „besondere Umstände“ iSd § 55 Abs. 2 FPG zu werten wären. Daher setzte das Bundesamt zu Recht die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen fest.
Die Beschwerde war daher hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 52 Abs. 9 FPG abzuweisen.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem Verwaltungsgericht durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch das Bundesamt vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der behördlichen Entscheidung und jener durch das Bundesverwaltungsgericht ca. zwei Monate liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch das Bundesamt hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen wiederholt das bisherige Fluchtvorbringen und versucht die Angaben mit verschiedenen Berichten, die dem herangezogenen Länderinformationsblatt nicht entgegenstehen, zu untermauern. Es ist somit unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch keinen persönlicher Eindruck von der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall trotz des Vorliegens einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Fakten auch dann für sie kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihr einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).
Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
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