AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W226.2212853.1.00
Spruch:
W226 2212849-1/17EW226 2212858-1/12EW226 2212855-1/9EW226 2212853-1/11EW226 2239320-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER über die gemeinsame Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , StA. Kirgistan, 2.) XXXX , geb. XXXX , StA. Kirgistan, 3.) XXXX , geb. XXXX , StA. Kirgistan, 4.) XXXX , geb. XXXX , StA. Kirgistan und die Beschwerde von 5.) XXXX , geb. XXXX , StA. Kirgistan, vertreten durch Hofbauer & Wagner Rechtsanwälte KG, Riemerplatz 1, 3100 St. Pölten, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2018, Zlen.: 1195095603-180556852 (ad 1.)), 1195095701-180556865 (ad 2.)), 1195095004-180556879 (ad 3.)), 1195095102-180556887 (ad 4.)) und vom 20.01.2021, Zl. 1272290605-201259846 (ad 5.)), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.04.2021 zu Recht:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
I.1.1 Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) sind Staatsangehörige von Kirgistan. Der erste Beschwerdeführer (im Folgenden: BF1) ist Angehöriger der koreanischen Volksgruppe und dem Christentum zugehörig. Die zweite Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF2) ist Angehörige der kirgisischen Volksgruppe und dem Christentum zugehörig. Der dritte und vierte Beschwerdeführer sowie die fünfte Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF3, BF4 und BF5) sind die gemeinsamen minderjährigen Kinder von BF1 und BF2.
Die BF 1 bis 4 stellten am 14.06.2018 nach vorangegangener legaler Einreise in das Bundesgebiet mittels Visum einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.1.2. Bei einer anschließenden Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Oberösterreich am selben Tag, gab der BF1 an, seine Mutter, sein Vater und sein Bruder seien noch in Kirgistan aufhältig. Ein Cousin dritten Grades lebe ebenfalls in Österreich. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, von der Polizei und radikalen Moslems bedroht worden zu sein, weil seine Frau Moslem sei und er der koreanischen Minderheit in Kirgistan angehöre, welche aufgrund ihrer christlichen Konfession von den Moslems bedroht würde. Er habe Angst getötet oder eingesperrt zu werden, es laufe ein Verfahren gegen ihn. Sein Sohn XXXX sei ohne seine Erlaubnis beschnitten worden. Er sei bereits mehrmals geschlagen worden, zu seinen Verletzungen gebe es ein ärztliches Protokoll.
Die BF2 gab im Zuge ihrer Erstbefragung am 14.06.2018 zu ihrem Fluchtgrund an, dass das Leben ihres Ehemannes in Gefahr sei und ein Verfahren laufe. Er sei überfallen und geschlagen und ihr Sohn beschnitten worden, ohne ihr Wissen. Auch sie sei mehrmals geschlagen worden, auch von ihren Verwandten, weil sie dem Christentum angehöre und aus dem Islam ausgetreten sei. Sie habe Angst ihre Kinder zu verlieren und, dass ihr Mann eingesperrt werde. Alle in ihrer Umgebung würden glauben, sie gehören einer Sekte an, weshalb sie bedroht würden.
I.1.3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 04.12.2018 brachte der BF1 vor, die BF2 2002 heimlich geheiratet zu haben, da ihre Mutter und andere Verwandte dagegen gewesen seien. Seine Cousine wohne seit mittlerweile 15 Jahren in Österreich; sie sei eine Cousine väterlicherseits und er sei mit ihr gemeinsam aufgewachsen. In Kirgistan hätten sie in XXXX vier Jahre lang in einem Einfamilienhaus bis Ende Februar 2018 gelebt, danach seien sie für ein bis zwei Wochen in eine Wohnung gezogen und anschließend habe sich die ganze Familie an zwei Adressen versteckt, er wisse nicht, wo das war. Ein Freund habe ihn dabei unterstützt. Er habe zwei Eigentumswohnungen in XXXX . Mit seinen Eltern sei er einmal die Woche telefonisch in Kontakt. Mit seinem Bruder weniger. Weiters gebe es noch seinen Großcousin und seine Frau in Kirgistan. Nach einer Schilderung seiner bisherigen Ausbildung und Berufserfahrung sowie seiner Wohnorte, wurden dem BF1 inhaltliche Fragen zum christlichen Glauben gestellt, da der BF1 vorbrachte, dass er und die BF2 2007 zu Protestanten konvertiert seien. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF1 an, 2011 in XXXX wegen des Verdachts des Autodiebstahls mit dem Auto von Polizisten aufgehalten worden zu sein. Er sei im Kommissariat befragt und bedroht worden und habe sein Auto schließlich verloren. Es sei zu einer Gerichtsverhandlung gekommen, im Zuge welcher er Zeuge gewesen sei, obwohl er Besitzer des Autos gewesen sei. Im Dezember 2016 seien er und die BF2 zudem von muslimischen Männern angesprochen worden und der BF1, weil er seine Frau in eine Kirche gebracht habe, von diesen ins Gesicht, am Hinterkopf und Oberkörper geschlagen worden. Er habe das Bewusstsein verloren und die BF2 habe ihn nach Hause gefahren. Er sei anschließend zum Bezirkskommissariat gefahren, um eine Anzeige zu machen, anschließend habe er sich für das Gericht ärztlich untersuchen lassen und sei am nächsten Tag ins Spital gefahren. Es sei dann ein Strafverfahren eröffnet worden, welches nach einiger Zeit eingestellt worden sei. Im Mai XXXX sei er außerdem mehrere Tage von Polizisten wegen des Vorwurfs des Drogenverkaufs festgehalten worden. Sie hätten ihn gezwungen, die Schuld auf sich zu nehmen und ihn geschlagen. Er habe nichts unterschrieben und sei dann einfach so entlassen worden. Er sei danach nach Hause und anschließend mit einem Freund zur Staatsanwaltschaft gefahren, um eine Anzeige einzubringen. Die Staatsanwaltschaft habe das gar nicht annehmen wollen, weil er gegen die Polizei Anzeige erstattet habe. Er habe sich dann wieder für das Gericht ärztlich untersuchen lassen und sei am nächsten Tag zu einem anderen Arzt gefahren. Das sei der letzte Vorfall gewesen, er habe dann von der Staatsanwaltschaft gehört, dass kein Strafverfahren angeordnet werde. Er habe dann Hilfe bei der koreanischen Diaspora gesucht, welche einen Brief an den Präsidenten geschickt, aber keine Antwort bekommen habe, und habe einen Brief an die XXXX geschrieben, deren Antwort wieder nichtssagend gewesen sei. Danach habe er auch polizeiliche Ladungen bekommen, irgendwann 2018, einmal wegen einer Beschwerde der Nachbarn, dass der BF1 und die BF2 evangelisieren würden, ein weiteres Mal wegen einer Beschwerde der Eltern der BF2, dass der BF1 die BF2 ua zur Konversion gezwungen habe, woraufhin sie bei der Polizei ein Schreiben unterschrieben hätten, dass diese Vorwürfe nicht stimmen würden; der dritten Ladung sei er schließlich aus Angst, der Mai XXXX könnte sich wiederholen, nicht gefolgt. Im Februar 2018 habe außerdem die Familie der BF2 den BF3 ohne seine Zustimmung beschnitten. Danach seien auch Probleme in der Arbeit entstanden, Geschäftspartner seien auf einmal mit der Ware nicht mehr zufrieden gewesen, steuerliche Prüfungen seien durchgeführt worden, sein muslimischer Verkäufer sei ständig gefragt worden, warum er für den BF1 arbeite und Polizisten hätten ihn gezwungen, zu billigeren Preisen Waren an sie zu verkaufen.
Die BF2 wurde ebenfalls am selben Tag niederschriftlich vor dem BFA einvernommen, wobei sie angab, dass ihre Mutter, ihr Bruder und seine Familie sowie eine Schwester in Kirgistan leben würden, ihr Vater sei bereits verstorben. Es gebe weitere Verwandte, zu denen sie nach ihrer Hochzeit aber keinen Kontakt mehr gehabt habe. Nach dem Tod ihres Vaters habe der Bruder ihrer Mutter die Verantwortung für sie übernommen. Ihre Familie sei muslimisch. Ihre Mutter sei in Pension, ihre Geschwister würden arbeiten. Das Verhältnis zu diesen sei im Moment schlecht. Sie habe ohne Einwilligung ihrer Mutter und Geschwister geheiratet, weshalb das Verhältnis zu diesen zunächst schlecht gewesen sei. Nach der Hochzeit sei es etwas besser geworden. Das Problem sei die Volksgruppe, sowie die Religion des BF1 gewesen. Vor ihrer Ausreise habe sie Kontakt mit ihnen gehabt, nach der Taufe habe es aber nur Vorwürfe seitens dieser gegeben. Nach einer Schilderung ihrer bisherigen Ausbildung und Berufserfahrung sowie ihrer Wohnorte, wurden der BF2 inhaltliche Fragen zum muslimischen und christlichen Glauben gestellt, da die BF2 unter anderem vorbrachte, dass sie 2007 zu einer Protestantin konvertiert sei. Befragt, ob die BF2 jemals Probleme mit den Behörden oder staatsähnlichen Institutionen ihres Heimatlandes hatte, gab die BF2 an, persönlich keine Probleme gehabt zu haben. Im Zusammenhang mit ihrem Ehemann sei das Leben im Herkunftsstaat allerdings unmöglich geworden aufgrund seiner Volkszugehörigkeit und Religion. Die BF2 erzählte ebenfalls von den Vorfällen im Jahr 2016 und 2017, wobei sie beim Vorfall im Jahr 2016 angab, ihr Mann habe selbst mit den Männern gesprochen, sowie von den Ladungen an ihren Mann. Als ihre Familie im Jahr 2014 oder 2015, sie wisse nicht genau wie, von ihrem Konfessionswechsel erfahren habe, hätte ihre Familie mit ihr geredet und sie eines Tages Ende 2017 von zuhause abgeholt, einen Mullah eingeladen, die BF2 gezwungen, die Worte des Mullahs zu wiederholen und ihr ins Gesicht und auf den Kopf geschlagen. Ihre zwei Onkel, ihr Bruder, ein Sohn von ihrem Onkel und ihre Tante hätten nicht mehr gewollt, dass die BF2 in die Kirche gehe. Ihr Bruder habe auch darauf bestanden, dass die Kinder Muslime seien und beschnitten werden. Im Februar 2018 habe ihr Bruder schließlich einen Sohn der BF2 von der Schule abgeholt und ihn beschneiden lassen. Sie könne nicht zurück, ihre Familie lasse sie nicht in die Kirche gehen, die staatlichen Organe würden ihren Mann verfolgen. Wenn er ins Gefängnis käme, wäre sie alleine auf sich gestellt. Sie habe Angst, dass man ihr die Kinder wegnehme und kein Vertrauen, dass die Polizei sie beschütze.
I.1.4. Jeweils mit Bescheid vom 12.12.2018 wurden die Anträge des BF1, BF3, BF4 und der BF2 auf internationalen Schutz vom 14.06.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG abgewiesen. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) wurde gegen den BF1, BF3, BF4 und die BF2 Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG jeweils festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kirgisistan zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen.
Bezüglich des BF1 wurde von der belangten Behörde festgestellt, dass der BF1 nicht glaubhaft habe machen können, dass er in seinem Herkunftsstaat einer hinreichend intensiven Verfolgung ausgesetzt sei, die eine Asylgewährung rechtfertigen würde. Es hätten sich keine Hinweise auf eine aktuelle, maßgebliche und auch in Zukunft bestehende Bedrohungssituation seiner Person ergeben. Der BF1 habe mehrere Vorfälle ins Treffen geführt, in denen der Schutzauftrag seines Herkunftslandes seinen Bürgern gegenüber durchaus erfüllt werde, sowohl gegenüber Christen, als auch gegenüber den Angehörigen der Minderheit der Koreaner. Es handle sich aus objektiver Sicht in diesen Fällen um keine maßgeblichen und systematischen Diskriminierungen. Was die Beschneidung seines minderjährigen Sohnes durch die Verwandtschaft seiner Ehefrau betreffe, handle es sich um einen kriminellen Akt und sei demzufolge eine polizeiliche Anzeige zur Einleitung rechtsstaatlicher Maßnahmen angezeigt. Bezüglich der BF2, des BF3 und BF4 wurde festgestellt, dass sie sich hinsichtlich der behördlichen Verfolgung und mangelnden Schutzfähigkeit ihres Herkunftsstaates auf die vorgebrachten Verfolgungsgründe ihres Ehemannes bzw Vaters stützen, welche dieser jedoch der Behörde gegenüber nicht glaubhaft habe machen können. Darüber hinaus seien im gesamten Verfahrensverlauf keinerlei relevante Verfolgungs- oder Bedrohungsaspekte hervorgekommen. Hinsichtlich des Vorbringens der BF2 bzw des BF3 wurde außerdem noch festgestellt, dass es sich bei den Übergriffen ihrer/ seiner Verwandtschaft bzw. Familie nach ihrer christlichen Taufe bzw der Beschneidung des BF3 um kriminelle Akte handle und demzufolge polizeiliche Anzeigen zur Einleitung entsprechender rechtsstaatlicher Maßnahmen angezeigt sei.
Es könne weiters nicht festgestellt werden, dass BF1, BF3, BF4 und die BF2 im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Kirgistan in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären. Der BF1 und die BF2 seien überdurchschnittlich gebildet und würden über (lange) Berufserfahrung und zwei Eigentumswohnungen verfügen. Sie würden im Rückkehrfall selbsterhaltungsfähig sein und den notwendigen Lebensunterhalt – wie auch vor der Ausreise – für sich und ihre Familie erwirtschaften können. Zur Rückkehrentscheidung führte die belangte Behörde aus, dass der BF1, BF3, BF4 und die BF2 abseits ihrer mitgereisten Familie in Österreich nicht verfahrensrelevant familiär verankert sei und eine gemeinsame Außerlandesbringung mit diesen Angehörigen beabsichtigt sei. Der BF1, BF3, BF4 und die BF2 seien maßgeblich im Heimatstaat familiär und sozial verankert. Der BF1 und die BF2 würden in Österreich über keine nennenswerten sozialen Kontakte verfügen und seien der deutschen Sprache nur mäßig mächtig. Es könne keine Integrationsverfestigung festgestellt werden.
I.1.5. Der BF1, BF3, BF4 und die BF2 brachten gegen diesen Bescheid fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ein, worin sie ausführten, dass entgegen den Ausführungen der Behörde die Misshandlungen von muslimischen Kirgisen, ergebnislosen Hilfsansuchen bei Polizei und Staatsanwaltschaft und die Misshandlungen seitens der Exekutivbeamten bei korrekter rechtlicher Beurteilung sehr wohl asylrelevante Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen würden. Weiters hätten sie zahlreiche Unterlagen, ärztliche Atteste, Anzeigen, etc vorgelegt, die Behörde habe hingegen im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich auf die allgemeinen Länderfeststellungen verwiesen, welche in keinerlei Zusammenhang mit den konkreten Angaben des BF1 und der BF2 stünden. Der BF1, BF3, BF4 und die BF2 hätten zudem zahlreiche Unterlagen, welche ihre außergewöhnliche Integration im Bundesgebiet dokumentieren würden, vorgelegt, womit sich die Behörde in keiner Weise auseinandergesetzt habe.
I.1.6. Am XXXX kam das dritte Kind, die fünfte Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF5) der BF1 und BF2 auf die Welt, für welche ihre Eltern am 14.12.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.
I.1.7. Mit Bescheid des BFA vom 20.01.2021 wurde der Antrag der BF5 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) wurde gegen die BF5 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kirgistan zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen.
I.1.8. Am 20.04.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, wobei der BF1 und die BF2 vom erkennenden Gericht nochmals ergänzend zu ihren Fluchtgründen sowie zu integrativen Aspekten befragt wurden.
I.1.9. Am 04.05.2021 legten die BF diverse Urkunden zum Nachweis ihrer Integration vor.
I.1.10. Am 17.05.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht die Übersetzungen des Sachverständigengutachtens Nr. XXXX sowie des „Schreibens der XXXX der kirgisischen Republik zur Zahl XXXX “ den BF, woraufhin die BF eine Stellungnahme erstatteten, in welcher sie ua vorbrachten, dass das Sachverständigengutachten ergebe, dass der BF1 in seinem Herkunftsland schwer misshandelt worden sei, wobei massive Hinweise auf eine Misshandlung durch Exekutivbeamte vorliegen würden, weshalb dieses Gutachten die Angaben des BF1 stütze, in seinem Herkunftsstaat asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein. Außerdem seien Angehörige christlicher Minderheiten in Kirgistan nach wie vor massiven Verfolgungshandlungen ausgesetzt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung wie folgt erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. BF1 und BF2 sind seit 2002 verheiratet, deren gemeinsame Kinder der BF3, BF4 und die BF5 sind. Die BF sind Staatsangehörige von Kirgistan. Der BF1 gehört der Volksgruppe der Koreaner an und bekennt sich seit 2007 zum protestantischen Glauben. Die BF2 gehört der Volksgruppe der Kirgisen an und bekennt sich ebenfalls seit 2007 zum protestantischen Glauben, wobei sie zuvor dem Islam angehörte. Die Muttersprache der BF ist Russisch, die BF2 spricht auch ein wenig Kirgisisch. Der BF1, BF3, BF4 und die BF2 lebten zuletzt in der Stadt XXXX , wo sie über zwei Eigentumswohnungen verfügen. Die BF5 ist Österreich auf die Welt gekommen.
II.1.2. Der BF1, BF3, BF4 und die BF2 reisten im Juni 2018 legal mit einem Visum ins Bundesgebiet ein und stellten am 14.06.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die BF5 stellte am 14.12.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.
II.1.3. Die BF sind gesund und leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen. Der BF1 und die BF2 sind strafgerichtlich unbescholten. Die BF2 ist seit Mai 2019 in wöchentlicher bzw seit Beginn der Corona-Pandemie zweiwöchentlicher psychotherapeutischer Behandlung aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung.
II.1.4. Der BF1 absolvierte nach der Schule im Jahre 2002 ein fünfjähriges Universitätsstudium in Maschinenbau und arbeitete danach in verschiedenen Firmen in XXXX und XXXX und machte sich nach 2015 auch selbstständig. Die BF2 absolvierte nach der Schule im Jahre 2001 ein vierjähriges Universitätsstudium in Management und erlangte nach einem weiteren Studienjahr 2002 ein Abschlussdiplom für ihre höhere Ausbildung. Sie arbeitete danach als Buchhalterin an der pädagogischen Universität in XXXX bis 2007. Nach der Geburt ihres ersten Kindes, arbeitete sie ab November 2013 fünf Monate als Aushilfe für die Buchhaltung. Seit ihr zweites Kind auf der Welt ist, war die BF2 nicht mehr berufstätig.
II.1.5. Im Herkunftsstaat leben die Eltern des BF1, mit denen er regelmäßig Kontakt hat, der Bruder und ein Großcousin des BF1. Eine Cousine des BF1 lebt mit ihrer Familie in Österreich. Die BF2 verfügt im Herkunftsstaat über ihre Mutter, ihren Bruder, ihre Schwester, zwei Onkel und eine Tante.
II.1.6. Die Mitglieder der Familie der BF2 sind Angehörige des muslimischen Glaubens. Die Hochzeit der BF2 mit dem BF1 sowie die Konversion der BF2 zum Christentum führte zu Konflikten in ihrer Familie, wobei dies nicht zum gänzlichen Abbruch zumindest eines Teiles der Familie des Kontaktes zur BF2 führte. Der Onkel und Bruder der BF2 haben, als der BF1 und die BF2 in XXXX wohnten und insbesondere nach der Taufe der BF2, mehrmals Druck auf die BF2 ausgeübt, zum Islam zurückzukehren und die Kinder beschneiden zu lassen. In der Zeit, als der BF1 und die BF2 von etwa 2008 bis 2014 in XXXX gelebt haben, gab es keine Probleme mit dem Onkel und dem Bruder der BF2. Schließlich ließ der Bruder der BF2 den BF3 im Februar 2018 gegen den Willen des BF1 und der BF2 beschneiden.
II.1.7. Der BF1 wurde im Mai XXXX von der Polizei des Drogenhandels bezichtigt, auf das Kommissariat gebracht und von den Beamten mit Plastikflaschen am Kopf und mit einem Gummistock, sowie an den Fersen geschlagen, weiters ein Plastiksack über den Kopf gezogen bekommen und mit Handschellen an den Tisch gefesselt worden, damit er ein Schreiben unterzeichnet, dass er mit Drogen handelt. Er wurde schließlich nach Unterzeichnung einer Erklärung, keine rechtlichen Schritte gegen die Beamten zu unternehmen, freigelassen. Eine Anklage gegen ihn wurde in dieser Sache nicht erhoben. Er erstattete nach dem Vorfall eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft und wurde im Folge zum Gerichtssachverständigen geschickt, welcher ihn amtsärztlich untersuchte. Es wurde in weiterer Folge kein Strafverfahren gegen die Polizisten eingeleitet, weshalb sich der BF1 an die XXXX und den kirgisischen Präsidenten wandte. Laut dem Antwortschreiben der XXXX vom XXXX , werden die verantwortlichen Polizisten disziplinarisch belangt, sollten sich die Foltervorwürfe bestätigen.
Der BF1 erhielt Ende 2017, im Februar und April 2018 jeweils eine Ladung. Der ersten Anzeige lag eine Anzeige einer fremden Frau zugrunde, wonach der BF1 und die BF2 Broschüren über das Christentum an Leute verteilen und evangelisieren würden. Der BF1 leistete der Ladung Folge und ging zur Polizei des Bezirks XXXX , wo er eine Erklärung unterschrieb, dass sie dies nicht machen würden. Die BF2 war nicht dabei. Der zweiten Ladung lag eine Anzeige der Familie der BF2 zugrunde, wonach der BF1 die BF2 zum Kirchenbesuch zwinge und sie zuhause einsperre. Der BF1 sowie die BF2 unterschrieben dann bei der Polizei des Bezirks XXXX eine Erklärung, dass dies nicht stimme.
Der BF1 wurde am 11.12.2016 etwa eine halbe Stunde nach dem Besuch einer christlichen Kirchenmesse von muslimischen Männern ins Gesicht, am Hinterkopf und Oberkörper geschlagen. Die BF2 brachte ihn nachhause und der BF1 ging anschließend zum Bezirkskommissariat, um eine Anzeige zu machen und ließ sich für das Gerichtsverfahren ärztlich untersuchen. Das eingeleitete Strafverfahren wurde nach einiger Zeit mangels ausreichender Täterbeschreibung eingestellt.
II.1.8. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF1 oder die BF2 einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung, insbesondere aufgrund ihrer Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit in Kirgistan ausgesetzt sind.
Nicht festgestellt werden kann weiters, dass der kirgisische Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, die gegen den BF1 im Dezember 2016 verübten Misshandlungen einer Gruppe muslimischer Männer, welche der BF1 bei der Polizei angezeigt hat, oder die von der Familie der BF2 verübte Beschneidung des BF3, welche gar nicht zur Anzeige gebracht wurde, hintan zu halten.
II.1.9. Unter Zugrundelegung der im Folgenden dargestellten Länderberichte liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass die BF bei einer Rückkehr ins Herkunftsland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit konkret Gefahr liefen, dort aktuell der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden oder aufgrund der allgemeinen Versorgungslage in eine aussichtslose Lage (Nahrung, Unterkunft) zu geraten.
Die aktuell vorherrschende COVID-19 Pandemie bildet kein Rückkehrhindernis. Die BF sind gesund und gehören mit Blick auf ihr Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die BF bei einer Rückkehr nach Kirgistan eine COVID-19 Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würden.
II.1.10. Der BF3 ist 13 Jahre, der BF4 fast 7 Jahre und die BF5 fast 1 Jahr alt. Der BF3 besuchte als außerordentlicher Schüler die dritte und vierte Volkschulklasse und derzeit die 1. Klasse einer Mittelschule. Der BF4 besuchte bisher den Kindergarten in Österreich und würde dieses Jahr eingeschult.
Der BF1 und die BF2 absolvierten beide die Deutschprüfung auf A2-Niveau. Die BF verfügen über Freunde und Bekannte in Österreich (Urkundenvorlage, Empfehlungsschreiben). Der BF1 betätigt sich bei der freiwilligen Feuerwehr der Marktgemeinde XXXX , besucht einen Deutschkurs auf B1-Niveau, machte in Österreich einen Autoführerschein und arbeitete im Juli, August und September 2020 als geringfügiger Arbeiter in „ XXXX “. Die BF2 ist seit 2019 bei der Tafel XXXX als Reinigungskraft via Dienstleistungscheck beschäftigt. Der BF1 und die BF2 sind seit 2019 assoziierte und aktive Mitglieder der staatlich anerkannten Freikirche „ XXXX “.
II.1.11. Zur Lage in Kirgistan:
1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
KI vom 22.1.2021: Ausgang der Präsidentenwahl am 10.1.2021 (betrifft: Abschnitt 2./Politische Lage).
Am 10.1.2021 fanden in Kirgisistan vorgezogene Präsidentenwahlen statt. Mehr als 15 Personen kandidierten (RFE/RL 10.1.2021; vgl. DW 10.1.2021). Die Wahlbeteiligung betrug 39,16%, als Sieger ging Schaparow Sadyr Nurgoschoewitsch mit 79,20% der abgegebenen Stimmen hervor (ZK 20.1.2021a; vgl. DS 11.1.2021, SWP 1.2021).
Die Präsidentenwahl wurde vorverlegt, nachdem das Parlamentswahlergebnis vom 4.10.2020 wegen Betrugsvorwürfen annulliert worden war (OSZE 11.1.2021, SWP 1.2021).
Laut den Wahlbeobachtern verlief der Wahltag ruhig, jedoch wurde das Wahlgeheimnis nicht immer gewahrt (OSZE 11.1.2021).
Zeitgleich mit der Präsidentenwahl fand ein Verfassungsreferendum mit dem Ziel statt, das Präsidialsystem wiedereinzuführen. Zu den Initiatoren des Referendums gehört der neu gewählte Präsident Schaparow. Das Referendum wurde von der Mehrheit der Abstimmenden angenommen (ZK 20.1.2021b, DW 10.1.2021; vgl. RFE/RL 10.1.2021, IWPR 14.1.2021). Die
Volksabstimmungsbeteiligung betrug 39,12% (ZK 20.1.2021b; vgl. RFE/RL 10.1.2021).
Quellen:
• DS – Der Standard (11.1.2021): Populist Schaparow gewinnt Wahlen in Kirgistan, https://www.derstandard.at/story/2000123184816/populist-schaparow-gewann-kirgisische- praesidentschaftswahlen , Zugriff 21.1.2021
• DW – Deutsche Welle (10.1.2021): Sadyr Schaparow wird neuer Präsident von Kirgisistan, https://www.dw.com/de/sadyr-schaparow-wird-neuer-präsident-von-kirgisistan/a- 56187341 , Zugriff 21.1.2021
• IWPR – Institute for War and Peace Reporting (14.1.2021): Populist Wins Kyrgyzstan's Presidential Election, https://iwpr.net/global-voices/populist-wins-kyrgyzstans-presidential , Zugriff 21.1.2021
• OSZE – Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (11.1.2021): Kyrgyzstan’s well-run presidential election impaired by uneven playing field for candidates, international observers say, https://www.osce.org/odihr/elections/475559 , Zugriff 21.1.2021
• RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (10.1.2021): Nationalist Politician Wins Kyrgyz Presidential Election, Set To Get Sweeping Powers, https://www.rferl.org/a/japarov- kyrgyzstan-presidential-election-referendum-/31040110.html , Zugriff 21.1.2021
• SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik – Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit (1.2021): SWP-Aktuell 4 - Kirgistans dritte Revolution, https://www.swp- berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2021A04_UmbruchKirgistan.pdf , Zugriff 21.1.2021
• ZK – Центральная комиссия по выборам и проведению референдумов Кыргызской Республики (Zentralkommission für Wahlen und Volksabstimmungen der Kirgisischen Republik) (20.1.2021a): ЦИК КР утвердила результаты досрочных выборов Президента Кыргызской Республики (Zentrale Wahlkommission der Kirgisischen Republik bestätigte die Ergebnisse der vorgezogenen Präsidentenwahl), https://shailoo.gov.kg/ru/news/4383/ , Zugriff 21.1.2021
• ZK – Центральная комиссия по выборам и проведению референдумов Кыргызской Республики (Zentralkommission für Wahlen und Volksabstimmungen der Kirgisischen Republik) (20.1.2021b): ЦИК признала состоявшимся референдум по определению формы правления Кыргызской Республики (Zentrale Wahlkommission anerkannte das Referendum zur Festlegung der Regierungsform der Kirgisischen Republik), https://shailoo.gov.kg/ru/news/4384/ , Zugriff 22.1.2021
2. Politische Lage
Während die Verfassung von 2007 dem Präsidenten weitreichende Befugnisse gab, enthält die in dem Referendum am 27.6.2010 angenommene Verfassung sowohl parlamentarische als auch präsidentielle Züge. Der direkt gewählte Staatspräsident besitzt eine Reihe wichtiger Vollmachten, beispielsweise hinsichtlich der Ernennung und Entlassung von Obersten Richtern und des Generalstaatsanwalts. Er ist ferner Oberkommandierender der Streitkräfte und Vorsitzender des Sicherheitsrates. Eine Präsidentschaft ist auf sechs Jahre beschränkt, die Wiederwahl laut Verfassung nicht möglich. In der Verfassung von 2010 ist der Grundrechtsschutz deutlich gestärkt worden. Die 2016 per Referendum beschlossenen Verfassungsänderungen sind nach der Präsidentschaftswahl 2017 voll umfänglich in Kraft getreten und haben unter anderem die Position des Premierministers gestärkt (AA 3 .2018a).
Bei den Präsidentschaftswahlen am 15.10.2017 wählte die Nation den ehemaligen Premierminister und Mitglied der Regierungspartei Sooronbai Jeenbekov zum Nachfolger des scheidenden Präsidenten Almazbek Atambayev. (USDOS 20.4.2018).
Die Präsidentschaftswahlen vom 15.10.2017 trugen zur Stärkung der demokratischen Institutionen bei, indem sie einen geordneten Machtwechsel von einem gewählten Präsidenten zum anderen mit sich brachten. Die Wahlen waren kompetitiv, da die Wähler eine große Auswahl hatten und die Kandidaten im Allgemeinen frei wählen konnten, obwohl Fälle von Missbrauch öffentlicher Mittel, Druck auf Wähler und Stimmenkauf weiterhin ein Problem darstellen. Während die im Fernsehen übertragenen Debatten zu mehr Pluralismus beitrugen, deuteten Selbstzensur und begrenzte redaktionelle Berichterstattung über die Kampagne Mängel in der Medienfreiheit an. Bei der Stimmenauszählung und den ersten Schritten der Ergebniserstellung wurden zahlreiche und erhebliche Verfahrensprobleme festgestellt (OSCE/ODHIR 8.3.2018).
Das Parlament besteht aus einem 120-köpfigen Einkammerparlament mit einer Frauenquote von 25%. Es wurde am 4.10.2015 neu gewählt. Die Partei der Sozialdemokraten SDPK, der auch der zu diesem Zeitpunkt regierende Präsident Almazbek Atambayev angehörte, konnte einen Stimmenzuwachs für sich verbuchen und ist mit 38 Sitzen die stärkste Partei im Parlament. Zweitstärkste Partei ist der Zusammenschluss der ehemals eigenständigen Parteien Respublika und Ata Jurt, die im Herbst 2014 fusionierten. Respublika-Ata Jurt sind mit 28 Abgeordneten vertreten. Die Sozialisten, Ata Meken, sind mit 11 Abgeordneten vertreten. Die Partei Ar Namys flog bei den Parlamentswahlen 2015 komplett aus dem Parlament. Dafür schafften es gleich drei neue Parteien ins Parlament: die „Kirgistan Partei“ bekam 18 Sitze, die Partei Önügüü (Fortschritt) 13 Sitze und Bir bol (Einheit) 12. Politische Analysten schätzen alle im Parlament vertretenen Parteien als pro- russisch ein. Das Parlament wird im fünf-jährigen Rhythmus gewählt (GIZ 3.2018). Die Verwaltungsstruktur des Landes: Die Republik ist in acht Verwaltungsbereiche gegliedert, davon sieben Regionen: Tschui, Issyk-Kul, Talas, Naryn, Osch, Dschalalabat, Batken und die Hauptstadtregion Bischkek. Die Regionen untergliedern sich wiederum in 39 Landkreise, Bischkek in vier. Die Landkreise umfassen insgesamt 429 Lokalverwaltungen
bzw. Gemeinden (AA 3 .2018a).
Das kirgisische Parlament hat am 20.4.2018 Mukhammedkalyi Abylgaziyev als neuen Premierminister bestätigt, einen Tag nachdem Sapar Isakov, ein Verbündeter des ehemaligen Präsidenten Almazbek Atambayev entlassen wurde. Präsident Sooronbai Jeenbekov entließ Isakovs Regierung am 19.4.2018, Stunden nachdem das Parlament einen Misstrauensantrag als deutlichstes Zeichen eines Machtkampfes zwischen Präsident Jeenbekov und seinem Vorgänger Atambayev angenommen hatte (RFE/RL 20.4.2018). Isakovs Entlassung schien die Säuberung einer Reihe von Beamten abzuschließen, die vermeintlich Ex-Präsident Atambayev nahe standen. Damit wurde auch die Einschätzung vieler Kritiker in Frage gestellt, wonach Jeenbekov nach seiner Wahl zum Präsidenten nicht mehr als ein Handlanger seines Vorgängers Atambayev sein würde (bne 23.4.2018).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kirgisistan – Innenpolitik, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/kirgisistan-node/-/206926#content_4 , Zugriff 23.4.2018
• bne-INTELLINEWS (23.4.2018): Kyrgyz lawmakers name new prime minister, cabinet, file:///home/wjf5284/Schreibtisch/Dokumente/02_L%20%C3%84%20N%20D%20E%20R_L IB+KI/KIRGISISTAN/Politik/bne%20IntelliNews%20-%20Kyrgyz%20lawmakers%20name% 20new%20prime%20minister,%20cabinet.html, Zugriff 23.4.2018
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018): Kirgisistan
- Geschichte, Staat und Politik, https://www.liportal.de/kirgisistan/geschichte-staat/#c45784 , Zugriff 23.4.2018
• OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (8.3.2018): Kyrgyz Republic – Presidential Election, 15 October 2017, OSCE/ODIHR Election Observation Mission - Final Report, https://www.osce.org/odihr/elections/kyrgyzstan/374740?download=true , Zugriff 23.4.2018
• RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (20.4.2018): Kyrgyz Parliament Approves New Prime Minister, Cabinet, https://www.rferl.org/a/kyrgyz-parliament-approves-new-prime- minister-cabinet/29182781.html , Zugriff 23.4.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2017&dlid=277285# wrapper, Zugriff 23.4.2018
3. Sicherheitslage
Die ruhig verlaufenen Parlamentswahlen vom 4.10.2015 haben die politische Lage weiter stabilisiert, jedoch stellen Armut und soziale Spannungen das Land weiterhin vor große Herausforderungen. Als Folge der schwierigen Wirtschaftslage nimmt die Kriminalität zu. Bei Demonstrationen besteht die Gefahr von gewalttätigen Ausschreitungen. Auch Terroranschläge können nicht ausgeschlossen werden (SDA 24.4.2018).
Die Rückkehr islamistischer Kämpfer, die Zeit im Dienst des sogenannten Islamischen Staates verbrachten, stellt eine Herausforderung dar, wenn auch derzeit von marginaler Bedeutung. Allerdings trägt die begrenzte staatliche Kapazität Kirgisistans, genauere Informationen hierüber zu erlangen, zu Sicherheitsbedenken in bestimmten ländlichen Gebieten bei (BTI 1.2018).
Die Präsidenten Kirgisistans und Usbekistans kamen im Oktober 2017 zu einem bahnbrechenden Treffen zusammen, das zur Lösung von 85% der Grenzstreitigkeiten zwischen den beiden Ländern führte und eine verstärkte Zusammenarbeit an vielen Fronten verspricht. So wurde kürzlich der Grenzübergang bei Dostyk wieder geöffnet, wodurch sich durch die Grenze getrennte Familien ohne mühsamen bürokratischen Prozess sehen können. Diese Entwicklung folgte auf den Tod des usbekischen Präsidenten Islam Karimow 2016 und die Machtübernahme seines reformorientierten Nachfolgers (Al Jazeera 14.11.2017).
Im April 2018 haben sich Grenzbeamte in Kirgisistan und Usbekistan darauf geeinigt, die Koordinierung anlässlich der Erschießung eines kirgisischen Bürgers durch usbekische Grenzschutzbeamte zu intensivieren. Nach einem Treffen in der usbekischen Stadt Namangan kamen Beamte beider Länder überein, den Einsatz von scharfer Munition gegen Zivilisten außer in Ausnahmefällen zu verbieten. Es ist geplant, eine gemeinsame Grenzkommission einzuberufen, um die Zusammenarbeit zur Stärkung des öffentlichen Bewusstseins für richtiges Verhalten in Grenzgebieten, die Koordinierung von Patrouillen und die Entwicklung eines einheitlichen Verhaltenskodex für das Grenzpersonal zu erörtern (Eurasia.net 13.4.2018).
Quellen:
• Al Jazeera (14.11.2017): Kyrgyz-Uzbek citizens welcome reopening of borders, https://www.aljazeera.com/news/2017/11/kyrgyz-uzbek-citizens-reopening-borders- 171114065436085.html , Zugriff 24.4.2018
• BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Kyrgyzstan Country Report, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kyrgyzstan.pdf , Zu- griff 24.4.2018
• Eurasianet (13.4.2018): Kyrgyzstan, Uzbekistan agree to boost border cooperation after fa- tal shooting, file:///home/wjf5284/Schreibtisch/Doku- mente/02_L%20%C3%84%20N%20D%20E%20R_LIB+KI/KIRGISISTAN/SICHER- HEIT/Eurasianet%20|%20Kyrgyzstan,%20Uzbekistan%20agree%20to%20boost%20bor- der%20cooperation%20after%20fatal%20shooting.html, Zugriff 24.4.2018
4. SDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (11.5.2018): Reise- hinweise für Kirgisistan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-informa- tion/kirgisistan/reisehinweise-kirgisistan.html , Zugriff 11.5.2018
5. Rechtsschutz / Justizwesen
Die Justiz ist traditionell die schwächste der drei Gewalten. Trotz anhaltender Diskussionen über die Justizreform und das Versprechen der Unabhängigkeit der Justiz hat es die Führung Kirgisistans - insbesondere der Präsident - versäumt, der Justiz echte Autonomie und Selbstverwaltung zu gewähren. Denn im Gegenteil hat sich entgegen der Reformrhetorik die Unterordnung der Justiz gegenüber der Regierung und insbesondere dem Präsidenten verstärkt. Für ein paar Jahre war die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs die einzige bemerkenswerte Ausnahme von der gerichtlichen Unterwerfung. Viele der Entscheidungen der Verfassungskammer waren nicht zu Gunsten der Regierung und einige von ihnen widersprachen stark den Präferenzen des Präsidenten. Seit 2015 hat das Gremium jedoch durch die Entlassung eines Richters, der den Präsidenten kritisiert hatte, und die Ernennung von zwei dem Präsidenten treuen Richtern viel von seiner Unabhängigkeit verloren. Der Rest der Justiz ist nach wie vor weitgehend der politischen Kontrolle unterworfen, korrupt und institutionell abhängig. In allen jüngsten Meinungsumfragen wurden die Gerichte als eine der beiden korruptesten Institutionen wahrgenommen (die andere ist die Polizei). Es gibt viele Gründe für die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz. Das Budget der Justiz wird von der Regierung zugewiesen, wodurch die Justiz finanziell abhängig wird. Die juristische Ausbildung ist ein weiteres systematisches Problem, das eine kaum reformierte juristische Schule im sowjetischen Stil kultiviert, die an allen Universitäten als sehr korrupt empfunden wird. Ein Mechanismus zur Gewährleistung einer unparteiischen und leistungsorientierten Richterauswahl, der Nationale Rat zur Auswahl der Richter, wurde unmittelbar nach seiner Gründung in Streitigkeiten verwickelt und ist zu einem unbedeutenden Organ geworden (BTI 1.2018).
Wie in den vergangenen Jahren haben NGOs und Überwachungsorganisationen, darunter das UN- Hochkommissariat für Menschenrechte und die OSZE, Beschwerden über willkürliche Verhaftungen registriert. Die allgemeine gesetzliche Beschränkung der Untersuchungsdauer beträgt 60 Tage. Politische Machenschaften, komplexe Gerichtsverfahren, schlechter Zugang zu Rechtsanwälten und begrenzte Ermittlungskapazitäten verlängern oft die Zeit der Angeklagten in Untersuchungshaft über die 60-Tage-Grenze hinaus, wobei einige der Betroffenen bis zu einem Jahr festgehalten wurden. Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Richter sind der Beeinflussung oder der Korruption ausgesetzt. Es gibt Fälle, in denen die Ergebnisse der Gerichtsverhandlungen vorherbestimmt erscheinen. Mehrere Quellen, darunter NGOs, Anwälte, Regierungsbeamte und Privatpersonen, behaupten, dass Richter Bestechungsgelder zahlten, um ihre berufliche Positionen zu erreichen. Etliche Anwälte behaupten, dass Bestechung unter Richtern allgegenwärtig sei. Zahlreiche NGOs beschreiben allgegenwärtige Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren, einschließlich erzwungener Geständnisse, Anwendung von Folter, Verweigerung des Zugangs zu Rechtsbeistand und Verurteilungen in Ermangelung hinreichend schlüssiger Beweise oder trotz entlastender Beweise. Internationale Beobachter berichten von Drohungen und Gewalttaten gegen
Angeklagte und Verteidiger innerhalb und außerhalb des Gerichtssaals sowie von Einschüchterungen von Prozessrichtern durch Angehörige und Freunde der Opfer. Die Sitten und Gebräuche der Justiz widersprechen weiterhin dem Grundsatz der Unschuldsvermutung. Die Ermittlungen im Vorfeld des Verfahrens konzentrieren sich fast ausschließlich auf die Sammlung ausreichender Beweise zum Nachweis der Schuld. Verteidiger beschweren sich, dass Richter routinemäßig Fälle, wenn es nicht genügend Beweise gibt, an die Ermittler zurückgeben, um Schuld nachzuweisen, während dieser Zeit können Verdächtige in Haft bleiben. Richter verhängen für gewöhnlich zumindest eine bedingte Strafe (USDOS 20.4.2018).
Die Zahl der Fälle, in denen Beamte strafrechtlich verfolgt werden, hat in den letzten Jahren generell zugenommen. Es kommt häufiger vor, dass mittlere Steuerbeamte, Staatsanwälte, Polizisten und andere öffentliche Amtsträger wegen Amtsmissbrauchs, Korruption oder Unterschlagung angeklagt und verfolgt werden (BTI 1.2018).
Im Rule of Law Index 2017-18 des World Justice Project (WJP) rangiert Kirgisistan auf Platz 82 von 113 Ländern, was eine Verbesserung um einen Rang im Vergleich zu 2016 bedeutet. In der Subskala Ziviljustiz nimmt das Land den Rang 84 und in der Subskala Strafjustiz den Platz 101 von 113 Staaten ein (WJP 31.1.2018).
In der öffentlichen Meinung hinsichtlich der Arbeit von kirgisischen und internationalen Institutionen nehmen die nationalen Gerichte mit Abstand den letzten Platz ein. 50% beurteilen laut einer Studie [n=1.500] des International Republican Institute Ende 2017 die Arbeit der Gerichte negativ, während 41% diese positiv bewerten (bei 8% Unentschlossenen bzw. Antwortverweigerern). Hinsichtlich der Korruption hielten 83% der Befragten die Gerichte als sehr oder teilweise korrupt, lediglich von der staatlichen Autoinspektionsbehörde übertroffen (IRI 5.2.2018).
Mindestens 200 Demonstranten haben sich Anfang März 2018 in der Innenstadt von Bischkek versammelt, um Justizreformen und die Entlassung von "korrupten Richtern" zu fordern. Die Demonstranten versammelten sich vor dem Obersten Gerichtshof und marschierten dann zu dem Gebäude, in dem sich das kirgisische Parlament und die Präsidialverwaltung befinden. Die Demonstranten hatten eine Liste mit mehr als 20 angeblich korrupten Richtern und forderten Präsident Sooronbai Jeenbekov auf, diese zu ersetzen. Sie forderten auch den Rücktritt des Chefs des Staatlichen Komitees für Nationale Sicherheit, Abdil Segizbaev. Die Polizei hat sich nicht eingemischt (RFE/RL 5.3.2018).
Quellen:
• BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Kyrgyzstan Country Report, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kyrgyzstan.pdf , Zu- griff 25.4.2018
• IRI – International Republican Institute (5.2.2018): Public Opinion Survey Residents of Kyrgyzstan, http://www.iri.org/sites/default/files/2018-2-5_iri_poll_presentation_kyrgyzs- tan.pdf , Zugriff 25.4.2018
• RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (5.3.2018): Kyrgyz Demonstrators Demand Dis- missal Of 'Corrupt' Judges, https://www.ecoi.net/en/document/1425958.html , 25.4. 2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 25.4.2018
• WJP – World Justice Projekt (31.1.2018): Rule of Law Index 2017-2018 – Kyrgyzstan, http://data.worldjusticeproject.org/#/groups/KGZ , Zugriff 25.4.2018
6. Sicherheitsbehörden
Die Untersuchung allgemeiner und lokaler Verbrechen fällt in die Zuständigkeit des Innenministeriums, während Verbrechen auf nationaler Ebene in die Zuständigkeit des Staatskomitees für nationale Sicherheit (GKNB) fallen, welches auch den Sicherheitsdienst des Präsidenten kontrolliert. Die XXXX verfolgt sowohl lokale als auch nationale Verbrechen. Sowohl lokale als auch internationale Beobachter sagen, dass die GKNB und Strafverfolgungsbehörden in weit verbreitete willkürliche Verhaftungen verwickelt sind, darunter einige, die angeblich politisch motiviert sind, sowie in Misshandlung von Häftlingen und Erpressung, insbesondere im südlichen Teil des Landes. Die Behörden haben die meisten Verfahren wegen Korruption oder Amtsmissbrauch gegen Beamte des Innenministeriums abgewiesen. NGOs und andere Rechtsbeobachter stellen routinemäßig den Mangel an Frauen und ethnischen Minderheiten in der Polizei und in allen Regierungspositionen fest. Offiziell machen Frauen und Angehörige ethnischer Minderheiten etwa 6 bzw. 4% der Polizeikräfte aus. Nach UN-Statistiken machen ethnische Minderheiten jedoch etwa 27% der Bevölkerung aus (USDOS 20.4.2018).
Wenn die Regierung Reformen durchführt, hat sie oft auf den Widerstand der bestehenden Kader, die von den Veränderungen betroffen sind. Dies war zum Beispiel bei der Reform des Polizeisystems der Fall. Der Konservatismus des Systems hat bei jedem Reformprogramm zum gleichen Ergebnis geführt, nämlich dass die einzigen wesentlichen Änderungen neue Namen waren. Der Umstand ist mit der Korruption und der Politisierung der öffentlichen Verwaltung verbunden. Die Korruptionspyramide im Polizeidienst hat zu einer institutionellen Stagnation geführt, und das Fortbestehen der alten Strukturen und Muster bewirkt (BTI 1.2018).
Anfang April entließ Präsident Jeenbekov den Chef des Staatskomitees für Nationale Sicherheit, Abdil Segizbayev, und Generalstaatsanwältin Indira Joldubayeva, die als Verbündete von Ex- Präsident Atambayev galten und welche seit langem für das Vorgehen gegen Oppositionspolitiker und unabhängige Journalisten kritisiert wurden (RFE/RL 11.4.2018 u. 20.4.2018).
Quellen:
• BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Kyrgyzstan Country Report, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kyrgyzstan.pdf , Zu- griff 24.4.2018
• RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (11.4.2018): Another Atambaev Appointee On Way Out As Kyrgyz Lawmakers Back Prosecutor's Sacking, https://www.rferl.org/a/kyrgyzs- tan-prosecutor-general-sacking-atambaev-joldubaeva/29158671.html , Zugriff 25.4.2018
• RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (20.4.2018): Kyrgyz Parliament Approves New Prime Minister, Cabinet, https://www.rferl.org/a/kyrgyz-parliament-approves-new-prime-mi- nister-cabinet/29182781.html , Zugriff 25.4.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/in- dex.htm?year=2017&dlid=277285#wrapper , Zugriff 25.4.2018
7. Folter und unmenschliche Behandlung
Straffreiheit für Folter bleibt die Norm, und Untersuchungen zu Misshandlungen und Foltervorwürfen bleiben selten, verzögern sich oder sind unwirksam. Die kirgisische Koalition gegen Folter, eine Gruppe von 16 NGOs, die an der Verhütung von Folter arbeiten, berichtete im Februar 2017, dass die Staatsanwaltschaft im Jahr 2016 435 Beschwerden wegen Misshandlung registriert hatte, es aber in 400 Fällen ablehnte, Untersuchungen einzuleiten (HRW 18.1.2018).
Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Im Laufe des Jahres 2017 gab es keine prominenten Berichte über angebliche Folterungen durch Sicherheitskräfte; dennoch gab es weiterhin physische Übergriffe, einschließlich unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, in den Gefängnissen. Berichten zufolge blieben Misshandlungen durch die Polizei ein Problem, vor allem in der Untersuchungshaft. Nach Angaben von Mitgliedern der Anti-Folter-Koalition haben die von ihr eingereichten Klagen gegen mutmaßliche Folterer nicht zu Verurteilungen geführt. In historischen Fällen, in denen Polizisten wegen Folter vor Gericht gestellt wurde, erhoben Staatsanwälte, Richter und Angeklagte routinemäßig prozessuale und inhaltliche Einwände, die die Verfahren verzögerten, was oft zu kärglichen Beweisen und schließlich zur Klagsabweisung führte. Im Laufe des Jahres 2017 berichteten NGOs, dass Gerichte regelmäßig Geständnisse, die angeblich durch Folter erzielt wurden, als Beweismittel zugelassen haben. In der ersten Hälfte des Jahres 2017 erhielt das Büro der Ombudsperson 25 Folterbeschwerden (USDOS 20.4.2018).
Der Oberste Gerichtshof Kirgisistans hat am 27.1.2017 die Regierung angewiesen, der Familie eines Mannes, der nach polizeilicher Folter gestorben war, eine Entschädigung zu zahlen, in einer Entscheidung, die die Ergebnisse des UN-Menschenrechtsausschusses (HRC) in Genf bestätigte. Das Urteil ist das erste, durch welches das oberste kirgisische Gericht die Verbindlichkeit einer Entscheidung des HRC anerkennt. Die kirgisische Regierung reagierte zuvor auf eine Reihe kritischer Urteile der UN-Menschenrechtsvertragsorgane, indem sie die Streichung einer Verfassungsklausel veranlasste, die bisher die Umsetzung solcher Beschlüsse verlangte. Kirgisistan ist jedoch weiterhin Vertragspartei einer Reihe von internationalen Menschenrechtsabkommen, die die Umsetzung von HRC-Beschlüssen verlangen. Die kirgisische Verfassung sieht auch in der revidierten Fassung das Recht des Einzelnen vor, sich im Falle von Rechtsverletzungen an internationale Gremien zu wenden (OSF 20.3.2017).
In Kirgisistan hat der Koordinierungsrat für Menschenrechte unter der Regierung einen Entwurf für einen Aktionsplan zur Umsetzung der Grundsätze des Istanbuler Protokolls für 2017-2020 ausgearbeitet, der darauf abzielt, die Untersuchung von mutmaßlichen Fällen von Folter und Misshandlung zu verbessern. Beamte der XXXX haben die Absicht bekundet, Strafverfahren im Sinne der Folteropfer einzuleiten, auch wenn diese ihre Beschwerden zurückziehen oder sich weigern, Anklage gegen mutmaßliche Täter zu erheben. Die NGO „Coalition against Torture“ startete eine Kampagne mit Fernsehdiskussionen mit führenden Experten; eine Ausstellung mit Geschichten von Folteropfern und ihren Familien; ein Fußballturnier am 24.6.2017, an dem Vertreter von Behörden, das Büro des Bürgerbeauftragten für Menschenrechte, Anwälte, die NGO „Coalition against Torture“, Journalisten, kirgisische Popstars usw. teilnahmen. Ziel des Turniers war es, der Öffentlichkeit die gemeinsame Entschlossenheit zu demonstrieren, die schädliche Praxis der Folter in Kirgisistan zu bekämpfen (IPHR 26.6.2017).
Quellen:
• HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/1422484.html , Zugriff 25.4.2018
• IPHR – International Partnership for Human Rights (26.6.2017): Calling for an end to torture in Central Asia on International Anti-torture Day, http://iphronline.org/calling-for-an-end-to- torture-in-central-asia.html , Zugriff 26.4.2018
• OSF – Open Society Foundations (20.3.2017): Kyrgyzstan Accepts UN Human Rights Committee Ruling with Compensation Award, https://www.opensocietyfoundations.org/press-releases/kyrgyzstan-accepts-un-human- rights-committee-ruling-compensation-award , Zugriff 25.4.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 25.4.2018
8. Korruption
Kirgisistan ist seit langem eines der korruptesten Länder der Welt. Jeder neue Präsident oder jede neue Regierung hebt die Korruption als ein großes Problem hervor, das angegangen werden muss. Trotz politischer Rhetorik bleibt die Korruptionsbekämpfung jedoch auf die selektive Bestrafung von politisch illoyalen Persönlichkeiten beschränkt. Im Jahr 2017 wurden mehrere hochkarätige Strafverfahren eingeleitet, bei denen die Angeklagten unter Anwendung des bisher selten applizierten Artikels 303 („Korruption“) des Strafgesetzbuches angeklagt wurden. Diese wurden jedoch weithin als politisch motivierte Schritte angesehen, die den selektiven Charakter der Korruptionsbekämpfung in Kirgisistan belegen. So waren alle Urteile gegen die oberste Führung der Oppositionspartei Ata Meken wegen Korruptionsvorwürfen in den Jahren 2010 oder 2011. Diese Fälle wurden als übereilte und politisch motivierte Verfolgung offener Kritiker des Präsidenten beschrieben (FH 11.4.2018).
Während das Gesetz strafrechtliche Sanktionen gegen Beamte vorsieht, die wegen Korruption verurteilt wurden, hat die Regierung das Gesetz nicht wirksam umgesetzt. Nach Angaben von Transparency International wurden offizielle Korruptionsfälle selektiv untersucht und verfolgt. Die Zahlung von Bestechungsgeldern zur Vermeidung von Ermittlungen oder Strafverfolgung war ein großes Problem auf allen Ebenen der Strafverfolgung. Strafverfolgungsbeamte, insbesondere im Süden des Landes, setzten häufig willkürliche Festnahmen, Folter und die Androhung von Strafverfolgung als Mittel zur Erpressung von Bargeldzahlungen von Bürgern ein. Die einzige Regierungsstelle, die befugt war, Korruption zu untersuchen, war die Antikorruptionsabteilung des Staatskomitees für nationale Sicherheit (GKNB). Dieses ist keine unabhängige staatliche Einrichtung, und ihr Haushalt verblieb im Rahmen des Funktionshaushalts des GKNB. Die Zusammenarbeit der Agentur mit der Zivilgesellschaft war begrenzt, und ihre Untersuchungen führten zu sehr wenigen Fällen, die vor Gericht gestellt wurden (USDOS 20.4.2018).
Kirgisistan belegt auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International für das Jahr 2017 Platz 135 von 180 Ländern (2016: Rang 136 von 176 Staaten) (TI 2018). In der Unterskala
„Abwesenheit von Korruption“ des World Justice Project nimmt Kirgisistan Rang 104 von 113 Staaten ein (WJP 31.1.2018). Im World Competitive Index 2017/18 des Weltwirtschaftsforums nimmt Kirgisistan im Segment „illegale Zahlungen und Bestechungen“ Rang 122 von 137 Staaten ein (WEF 26.12.2017).
In einer Umfrage des IRI vom November 2017 sahen 95% der KirgisInnen die Korruption als ein sehr großes oder großes Problem an (74% „sehr großes Problem, 21% „großes Problem“. 20% meinten, dass die Regierung ausreichend Maßnahmen ergreift, um die Korruption zu bekämpfen. Zu den drei korruptesten Institutionen zählen, in den Augen der Öffentlichkeit, die staatliche Automobilinspektion (86% sehr oder teilweise korrupt), die Gerichte (83%) und die Polizei (83%). Bei keiner Institution überwog in Summe die Einschätzung von „wenig“ oder „gar nicht korrupt“ (IRI 5.2.2018).
Quellen:
• FH - Freedom House: Nations in Transit 2018 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/1429165.html , 25.4.2018
• IRI – International Republican Institute (5.2.2018): Public Opinion Survey Residents of Kyrgyzstan, http://www.iri.org/sites/default/files/2018-2- 5_iri_poll_presentation_kyrgyzstan.pdf , Zugriff 25.4.2018
• TI - Transparency International (2018.): Corruption Perceptions Index 2017, https://www.transparency.org/country/KGZ , Zugriff 26.4.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 26.4.2018
• WEF – World Economic Forum (26.12.2017): World Competitive Index 2017/18 - Irregular payments and bribes, http://www3.weforum.org/docs/GCR2017- 2018/05FullReport/TheGlobalCompetitivenessReport2017–2018.pdf , Zugriff 26.4.2018
• WJP – World Justice Projekt (31.1.2018): Rule of Law Index 2017-2018 – Kyrgyzstan, http://data.worldjusticeproject.org/#/groups/KGZ , Zugriff 26.4.2018
9. NGOs und Menschrechtsaktvisten
Der zivilgesellschaftliche Sektor in Kirgisistan ist einer der am stärksten ausgeprägten in Zentralasien. Vertreter der Zivilgesellschaft wirken durch zahlreiche öffentliche Beratungsgremien in Ministerien und Behörden auf nationaler und lokaler Ebene mit. Derzeit sind mehr als 15.655 NGOs bzw. zivilgesellschaftliche Organisationen registriert, wobei jedoch nur 5.200 aktiv sind und in vielen Bereichen wie etwa Menschenrechten, einschließlich der Unterstützung gefährdeter Gruppen, Kultur, Kunst, Gesundheit, Umweltschutz etc. agieren (ICNL 24.3.2018).
NGOs, Gewerkschaften und kulturelle Vereine müssen sich beim Justizministerium registrieren lassen. NGOs müssen mindestens drei Mitglieder haben. Das Justizministerium verweigerte keiner heimischen NGO die Registrierung. Das Gesetz verbietet aus dem Ausland finanzierten NGOs, einschließlich ihrer Vertretungen und Niederlassungen, politische Ziele zu verfolgen. Zahlreiche nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen waren im Land aktiv. Dennoch behinderten staatliche Maßnahmen zuweilen ihre Fähigkeit, frei zu agieren. Regierungsbeamte waren selten kooperativ und reagierten nicht auf deren Ansinnen (USDOS 20.4.2018).
Gelegentlich hat die öffentliche Rhetorik verschiedener Entscheidungsträger und insbesondere des Präsidenten NGOs in ein negatives Licht gerückt, indem sie NGOs oft beschuldigt haben, von ausländischen Gebern, deren Wünsche sie umsetzen, finanziert zu werden. Doch hatte eine solche Rhetorik keine praktischen Auswirkungen. Eine neue Tendenz ist die Zunahme von Gruppen, die nationale, kulturelle oder religiöse Werte widerspiegeln, die eher konservativ und anfällig für Konfrontationen untereinander oder mit eher liberal orientierten Gruppen sind. Es gibt eine Tendenz, dass eine große Zahl von NGOs auf externe Finanzierung angewiesen ist, was dazu führt, dass der Bereich ihrer Tätigkeit einem gewissen Mainstream folgt, um damit ein kontinuierliches Einkommen und das institutionelle Überleben zu gewährleisten (BTI 1.2018).
Quellen:
• BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Kyrgyzstan Country Report, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kyrgyzstan.pdf , Zu- griff 26.4.2018
• ICNL - The International Center for Not-for-Profit Law (24.3.2018): NGO Law Monitor Kyrgyz Republic, http://www.icnl.org/research/monitor/kyrgyz.html , Zugriff 26.4.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 26.4.2018
10.
11. Ombudsperson
Das Büro der Ombudsperson agierte als unabhängiger Anwalt für Menschenrechte im Namen von Privatpersonen und NGOs und war befugt, Fälle zur gerichtlichen Überprüfung zu empfehlen. Die Regierung richtete 2002 das Büro des Ombudsmannes und 2012 das Nationale Zentrum zur Verhütung von Folter ein. Menschenrechtsvertreter arbeiteten mit dem National Center zusammen und führten routinemäßige und unangekündigte Besuche in Gefängnissen durch. Obwohl das Büro der Ombudsperson teilweise dazu dient, Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen entgegenzunehmen und die Beschwerden zur Untersuchung an die zuständigen Stellen weiterzuleiten, stellten sowohl nationale als auch internationale Beobachter die Effizienz des Büros in Frage (USDOS 20.4.2018).
Das Parlament hat im April 2017 in erster Lesung einen Gesetzentwurf des Bürgerbeauftragten angenommen, der darauf abzielt, die Institution in Einklang mit den Pariser Grundsätzen zu bringen, den internationalen Standards, die die nationalen Menschenrechtsinstitutionen bestimmen und leiten (HRW 18.1.2018).
Quellen:
• HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/1422484.html , Zugriff 26.4.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 26.4.2018
12. Wehrdienst und Wehrdienstverweigerung / Desertion
Im Alter zwischen 18 und 27 Jahren bestehen eine Wehrpflicht sowie die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes oder des Dienstes im Innenministerium. Frauen ab 19 Jahren können freiwillig bei der Armee dienen (CIA 2.4.2018).
Nach dem Gesetz ist Religion ein Grund für Kriegsdienstverweigerung und -befreiung. Wehrdienstverweigerer müssen eine Gebühr von 18.000 Som (ca. 260 US-Dollar) zahlen, um vom Militärdienst befreit zu werden. Wehrpflichtige Männer müssen die Gebühr zahlen, bevor sie 27 Jahre alt werden. Bei Nichteinhaltung der Altersgrenze muss die Person 240 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten oder eine Geldstrafe von bis zu 20.000 Som (ca. 289 US-Dollar) zahlen. Wehrpflichtige Männer, die sich dem Militärdienst entziehen und nicht unter eine Ausnahmeregelung fallen, werden mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren belegt. Es gibt keine Möglichkeit, eine Ersatzleistung zu erbringen. Die Weigerung, den Wehrdienst abzuleisten oder eine Gebühr zu zahlen, bringt nach Ansicht von Vertretern religiöser Gruppen Wehrdienstverweigerer in Bedrängnis, weil der Wehrdienst eine Voraussetzung für den Staatsdienst, aber auch bei vielen privaten Arbeitgebern ist (USDOS 15.8.2017).
Quellen:
• CIA - Central Intelligence Agency (2.4.2018): The World Factbook - Kyrgyzstan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/kg.html , Zugriff 26.4.2018
• USDOS – US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1407805.html , 26.4.2018
13. Allgemeine Menschenrechtslage
Das einst als "Insel für Demokratie und Freiheit" bekannte Kirgisistan macht seit einigen Jahren Rückschläge im Bereich der Menschenrechte durch. Obwohl die kirgisische Verfassung in Artikel 16 vorschreibt, dass alle in Kirgisistan lebenden Menschen vor dem Gesetz gleich sind und dass kein Mensch aufgrund von Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Sprache, Glauben, politischer Überzeugung, Ausbildung oder Behinderung diskriminiert werden darf, sieht die Realität häufig anders aus. Die jüngsten Verhaftungen in der politischen Landschaft Kirgisistans sind besorgniserregend. Nicht nur Politiker, sondern auch regierungskritische Journalisten und gesellschaftliche Aktivisten sind Zielscheibe der Justiz (GIZ 3.2018).
Die Behörden beschränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung, insbesondere im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen. LGBTI-Personen waren weiterhin mit Diskriminierung und Gewalt durch staatliche und nichtstaatliche Akteure konfrontiert. Anfällige Gruppen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, hatten zusätzliche Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung (AI 22.2.2018).
Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören die Anwendung von Folter und willkürliche Verhaftungen durch Beamte der Strafverfolgungs- und Sicherheitsdienste, der zunehmende Druck auf unabhängige Medien, die Schikanierung von Journalisten, selektive und politisch motivierte Strafverfolgungsmaßnahmen, allgegenwärtige Korruption, Zwangsarbeit sowie Übergriffe, Drohungen und systematische Erpressung sexueller und ethnischer Minderheiten durch die Polizei. Die offizielle Straflosigkeit war ein großes Problem. Während die Behörden Berichte über offiziellen Missbrauch in den Sicherheitsdiensten und anderswo untersuchten, verfolgten und bestraften sie nur selten Beamte, die wegen Menschenrechtsverletzungen oder Mittäterschaft am Menschenhandel angeklagt waren (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
• AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/1425465.html , Zugriff 26.4.2018
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018): Kirgisistan
- Menschenrechte und Politische Freiheit, https://www.liportal.de/kirgisistan/geschichte- staat/#c93449 , Zugriff 26.4.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 24.4.2018
14. Meinungs- und Pressefreiheit
Obwohl das Klima für die freie Meinungsäußerung und die Medienfreiheit in Kirgisistan günstiger ist als in den anderen zentralasiatischen Ländern und es mehr Möglichkeiten zur Meinungsäußerung gibt, hat sich die Situation in letzter Zeit verschlechtert. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben eine zunehmende Intoleranz gegenüber Kritik gezeigt, wobei Journalisten und andere in der Öffentlichkeit auftretende Personen Ziele verbaler Angriffe von Beamten, regierungsfreundlichen Medien sowie sozialen Medien wurden. Insbesondere der mittlerweile abgetretene Präsident Atambayev hat die Rhetorik gegen die Kritiker seiner Politik verstärkt. In einer Erklärung vom 11.3.2017 warf er, in seinen Augen, vermeintlich unabhängigen Journalisten, Medien und Politikern vor, ihn im Namen der Meinungsfreiheit zu verleumden und zu diskreditieren, und behauptete, ihr wahres Ziel sei es, die Situation im Land zu destabilisieren. In einer besonders besorgniserregenden Entwicklung sahen sich große unabhängige Medien in letzter Zeit mit finanziellen Verleumdungsklagen konfrontiert, weil sie den Präsidenten verärgerten (IPHR 22.5.2017, vgl. USDOS 20.4.2018).
Während die Verfassung die Meinungsfreiheit garantiert und Strafverfolgung wegen Verleumdung verbietet, genießt der Präsident einen höheren Schutz in zivilrechtlichen Verleumdungsfällen (OSCE/ODIHR 8.3.2018). Wegen "Beleidigung" des Präsidenten wurden astronomische Geldbußen, begleitet von Vermögenssperren und Reiseverboten verhängt (RwB 2018). Diese exzessiven und unverhältnismäßigen Klagen bedrohen die Meinungsfreiheit und tragen zur Selbstzensur bei (IPHR 22.5.2017, vgl. USDOS 20.4.2018, OSCE/ODIHR 8.3.2018).
Auch bei bestimmten Themen wie interethnischen Beziehungen gibt es nach wie vor viel Selbstzensur, und die Gründe für Besorgnis nehmen zu. Anlässlich der Präsidentschaftswahlen 2017 wurden die Bestimmungen des Strafgesetzbuches zur sogenannten "Anstiftung zur nationalen (interethnischen), rassischen, religiösen oder interregionalen Feindschaft" weit gefasst, was die Meinungsfreiheit erheblich beeinträchtigte (OSCE/ODIHR 8.3.2018).
NGO-Funktionäre und Medienrechtler behaupteten jedoch, dass sich die Situation im Laufe des Jahres nicht nur verschlechtert habe, weil es eine Zunahme von Verleumdungsklagen gegen unabhängige Medien und Journalisten gab, sondern auch weil es zu Zwangsschließung von Nachrichtenagenturen kam (USDOS 20.4.2018).
Im Jahr 2017 wurden gegen mehrere kritische Medien völlig unverhältnismäßige Sanktionen verhängt: So wurden die führende Nachrichten-Website Ferghana blockiert und der Fernsehsender Sentyabr geschlossen (RwB 2018).
Es herrschte nicht nur Selbstzensur, sondern einige Journalisten berichteten auch über den Druck von Redakteuren und Politikern, ihre journalistische Berichterstattung über sensible Themen einseitig zu gestalten. Wie in früheren Jahren berichteten einige Journalisten von Einschüchterungen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über sensible Themen wie interethnische Beziehungen, religiösen Extremismus oder den Aufstieg des Nationalismus. Besonders ausgeprägt war dieser Trend gegenüber usbekischsprachigen Medien. Andere wurden wegen kritischer Berichterstattung über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verfolgt oder bedroht (USDOS 20.4.2018).
Im Pressefreiheitsindex 2018 von Reporter ohne Grenzen belegt Kirgisistan Platz 98 von 180 Ländern, ein Minus von neun Plätzen im Vergleich zu 2017 (RwB 2018).
Quellen:
• IPHR – International Partnership for Human Rights (22.5.2017): Key Concerns And Recommendations On The Protection Of Fundamental Rights In Kyrgyzstan,Briefing paper for EU – Kyrgyzstan Human Rights Dialogue, June 2017, http://iphronline.org/wp- content/uploads/2017/05/IPHR-LPF-briefing-for-EU-Kyrg-HR-dialogue-May-2017.pdf , Zugriff 26.4.2018
• OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (8.3.2018): Kyrgyz Republic – Presidential Election, 15 October 2017, OSCE/ODIHR Election Observation Mission - Final Report, https://www.osce.org/odihr/elections/kyrgyzstan/374740?download=true , Zugriff 3.5.2018
• RwB - Reporters without Borders (2018): Kyrgyzstan - Moment of Truth, https://rsf.org/en/kyrgyzstan , Zugriff 3.5.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 24.4.2018
13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
13.1. Versammlungsfreiheit
Die Verfassung garantiert das Versammlungsrecht, und die Regierung respektiert es im Allgemeinen, jedoch mit einigen Ausnahmen. Organisatoren und Teilnehmer sind für die Benachrichtigung der Behörden über geplante Versammlungen verantwortlich, aber die Verfassung verbietet es den Behörden, friedliche Versammlungen auch ohne vorherige Ankündigung zu verbieten oder einzuschränken (USDOS 20.4.2018).
Das kirgisische Gesetz von 2012 über friedliche Versammlungen steht in Übereinstimmung mit den OSZE-Leitlinien über friedliche Versammlungen und schützt das Recht, auch ohne Genehmigung Versammlungen zu organisieren und abzuhalten. Das Gesetz legt die Verpflichtung der staatlichen Behörden fest, sowohl geplante als auch spontane friedliche Versammlungen zu erleichtern und zu schützen. Versammlungen dürfen nur verboten werden, wenn deren Zielsetzungen dem Gesetz widersprechen, wie z.B. Propaganda für Krieg und Gewalt. Die Zeit des Versammlungsortes darf nur begrenzt werden, um die Sicherheit der Teilnehmer oder anderer Bürger zu gewährleisten. Die Behörden müssen innerhalb von 24 Stunden eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen zum Verbot oder zur Einschränkung von Versammlungen beantragen. In der Praxis schränken die Behörden jedoch manchmal friedliche Proteste ein, nur weil es keine Vorankündigung gibt oder weil sie die Zeit und den Ort von Versammlungen unter Verstoß gegen das Gesetz einschränken. Darüber hinaus haben sich die Strafverfolgungsbehörden in einigen Fällen unter verschiedenen Vorwänden unangemessen in das Verhalten friedlicher Versammlungen eingemischt und Teilnehmer festgenommen (IPHR 22.5.2017).
Die Behörden haben 2017 Maßnahmen ergriffen, um die Versammlungsfreiheit einzuschränken. Im Februar 2017 verhängte ein Gericht in Bischkek ein dreiwöchiges Verbot für öffentliche Versammlungen im Bezirk Leninskij und verwies auf die Notwendigkeit, die öffentliche Ordnung zu gewährleisten. Mitte März 2017 wurden fünf Protestteilnehmer während eines friedlichen Marsches zur Unterstützung der Meinungsfreiheit festgenommen. Ein Gericht in Bischkek verbot zwischen Juli und Oktober 2017 öffentliche Versammlungen an zentralen Orten in Bischkek mit Sicherheitsbedenken angesichts der abzuhaltenden Wahlen (HRW 18.1.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).
Quellen:
• HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/1422484.html , Zugriff 3.5.2018
• IPHR – International Partnership for Human Rights (22.5.2017): Key Concerns And Recom- mendations On The Protection Of Fundamental Rights In Kyrgyzstan,Briefing paper for EU
– Kyrgyzstan Human Rights Dialogue, June 2017, http://iphronline.org/wp-content/uplo- ads/2017/05/IPHR-LPF-briefing-for-EU-Kyrg-HR-dialogue-May-2017.pdf , Zugriff 3.5.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 3.5.2018
13.2. Vereinigungsfreiheit
Die Verfassung von Kirgisistan schützt das Recht auf Vereinigungsfreiheit und besagt, dass die Bürger auf der Grundlage ihrer freien und gemeinsamen Interessen Vereinigungen gründen können. Der zivilgesellschaftliche Sektor in Kirgisistan ist dynamisch und mehrere tausend NGOs sind derzeit im Land tätig (IPHR 22.5.2017).
NGOs, Gewerkschaften, politische Parteien und Kulturverbände müssen sich beim Justizministerium anmelden. Es bestehen keine Fälle, bei denen sich das Justizministerium geweigert hätte, inländische NGOs zu registrieren. Das Gesetz verbietet allerdings ausländischen Parteien und NGOs, einschließlich ihrer Vertretungen und Zweigstellen, politische Ziele zu verfolgen. 21 "religiös orientierte" Gruppen, die von der Regierung als extremistisch eingestuft wurden, sind weiterhin verboten. Ähnlich wie in den letzten Jahren berichteten zahlreiche Menschenrechtsaktivisten von Verhaftungen und Verfolgungen von Personen, die des Besitzes und der Verbreitung von Literatur der Hizb ut-Tahrir beschuldigt werden. Die meisten Verhaftungen von angeblichen Hizb ut-Tahrir-Mitgliedern fanden im Süden des Landes statt und betrafen ethnische Usbeken. Die Regierung hat die Mehrheit der Verhafteten wegen des Besitzes von illegalem religiösem Material angeklagt (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
• IPHR – International Partnership for Human Rights (22.5.2017): Key Concerns And Recom- mendations On The Protection Of Fundamental Rights In Kyrgyzstan,Briefing paper for EU
– Kyrgyzstan Human Rights Dialogue, June 2017, http://iphronline.org/wp-content/uplo- ads/2017/05/IPHR-LPF-briefing-for-EU-Kyrg-HR-dialogue-May-2017.pdf , Zugriff 3.5.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 3.5.2018
13.3. Opposition
Die Anti-Korruptions-Kampagne schien oft dazu genutzt zu werden, um unbequeme politische Gegner und Opposition loszuwerden. Sie ist selektiv geblieben, wenn man bedenkt, dass zahlreiche sehr wohlhabende, lang dienende Beamte unangetastet geblieben sind (BTI 1.2018).
Die jüngsten Verhaftungen in der politischen Landschaft Kirgisistans sind besorgniserregend. Der wohl bekannteste Vertreter der Opposition, Ömürbek Tekebayev, wurde am 26.2.2017 früh morgens am Manas-Flughafen verhaftet, als er von einer Auslandsreise zurück kam. Ihm wird Korruption vorgeworfen. In vielen Orten im Land wurde für Tekebayevs sofortige Freilassung demonstriert. Es wird spekuliert, dass Tekebayevs Verhaftung mit den Präsidentschaftswahlen im November 2017 zu tun hatte. Ebenfalls in Haft sind die ehemaligen Parlamentsabgeordneten Düishönkul Chotonov und Sadyr Japarov. Ersterer wird der Korruption beschuldigt, Letzterer habe durch die Organisation mehrerer gewaltsamer Demonstrationen für Unruhe im Land gesorgt (GIZ 3.2018).
Tekebayev wurde zu acht Jahren Gefängnis wegen Korruption verurteilt. Allerdings hat der im Herbst neu gewählte Präsident Jeenbekov am 7.4.2018 den als Hardliner bekannten Chef des Staatskomitees für Nationale Sicherheit, Abdil Segizbayev, entlassen. Dieser wurde immer wieder für die Repression gegen Oppositionspolitiker und unabhängige Journalisten kritisiert (RFE/RL 7.4.2018).
Quellen:
• BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Kyrgyzstan Country Report, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kyrgyzstan.pdf , Zu- griff 3.5.2018
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018): Kirgisistan
- Menschenrechte und Politische Freiheit, https://www.liportal.de/kirgisistan/geschichte- staat/#c93449 , Zugriff 3.5.2018
• RFE/RL – Radio Free Europe/Radion Liberty (7.4.2018): Kyrgyz Security Chief, Deputy Dismissed Amid Presidents' Feud, https://www.rferl.org/a/kyrgyz-security-chief-other- sacked-presidents-feud/29151678.html , Zugriff 2.5.2018
15. Haftbedingungen
Mit Ende Jänner 2018 befanden sich rund 10.600 Personen in Haft, was einer Rate von 171 auf
100.00 Einwohner entspricht (Österreich: 94 im Juli 2017). Der Wert sank in der ersten Dekade kontinuierlich von einem Höchststand von 402 auf 183 im Jahr 2010. Seither bewegen sich die Werte zwischen 166 und 176. Der Prozentsatz von Untersuchungshäftlingen lag bei 18,4% aller Insassen (Österreich: 23,6%) (ICPR 2018).
Die Haftbedingungen sind hart und manchmal lebensbedrohlich aufgrund von Nahrungsmittel- und Medikamentenmangel, unzureichender Gesundheitsversorgung, fehlender Heizung und Misshandlungen. Die Einrichtungen für Untersuchungshaft und vorübergehende Inhaftierungen sind besonders überfüllt. Die Bedingungen sind im Allgemeinen schlimmer als in den Gefängnissen und Misshandlungen sind häufiger. Die Behörden halten Jugendliche in der Regel getrennt von Erwachsenen, transferieren diese aber in überfüllte provisorische Haftanstalten, wenn andere Einrichtungen nicht verfügbar sind. NGOs berichten, dass in einigen Fällen Gefängnisbanden die Gefängnisverwaltung und -disziplin kontrollierten, da es den Gefängnisbeamten an Kapazitäten und Fachwissen für den Betrieb einer Einrichtung fehlt. In einigen Fällen kontrollieren die Banden z.B. Essen und Kleidung, die ins Gefängnis gebracht werden. Nach Angaben von NGOs haben die Behörden nicht versucht, diese Gruppen zu zerschlagen, weil sie zu mächtig seien. NGOs berichten, dass Wachbeamte mehr Offenheit für Visiten von Beobachtern in Gefängnissen und Haftanstalten zeigen. Die meisten, darunter das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), berichten, dass sie ungehinderten Zugang erhalten. Einige NGOs haben das Recht, die Gefängnisse im Rahmen ihrer technischen Hilfe, wie etwa der medizinischen und psychologischen Betreuung, zu besuchen. Das Nationale Zentrum zur Prävention von Folter, eine unabhängige und unparteiische Einrichtung, ist befugt, Haftanstalten zu überwachen (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
• ICPR - Institute for Criminal Policy Research (2018): World Prison Brief, Kyrgyzstan – Over- wiew, http://www.prisonstudies.org/country/kyrgyzstan , Zugriff 3.5.2018
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 3.5.2018
15. Todesstrafe
Die Todesstrafe wurde durch Gesetz im Juni 2007 für alle Straftaten abgeschafft. (AI 3.2018, vgl. AA 3 .2018a).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kirgisistan – Innenpolitik, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/kirgisistan-node/-/206926#content_4 , Zugriff 3.5.2018
• AI – Amnesty International (3.2018): Abolitionist And Retentionist Countrie As Of March 2018, https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5066652017ENGLISH.pdf , Zugriff 3.5.2018
16. Religionsfreiheit
Seit der Unabhängigkeit gilt Religionsfreiheit als gesetzlich verbrieftes Recht, das je nach religiöser Gruppe eine relativ offene Religionsausübung ermöglicht (GIZ 7.2017a).
Die Verfassung garantiert die Gewissens- und Religionsfreiheit, das Recht, eine Religion einzeln oder gemeinsam mit anderen Personen auszuüben oder nicht auszuüben, und das Recht auf Verweigerung der Darstellung seiner/ihrerdie eigenen religiösen Ansichten zu bekunden. Die Verfassung verbietet Handlungen, die zum religiösem Hass aufstacheln. Die Verfassung legt die Trennung von Religion und Staat fest. Sie verbietet die Gründung religiös begründeter politischer Parteien und die Verfolgung politischer Ziele durch religiöse Gruppen. Die Verfassung verbietet die Etablierung einer Religion als Staats- oder Pflichtreligion. Das Gesetz besagt, dass alle Religionen und religiösen Gruppen gleich sind. Sie verbietet die Beteiligung von Minderjährigen an organisierten, religiösen Gruppen, die Proselytismus betreiben, d.h. beharrlich versuchen, andere zu bekehren, oder illegale missionarische Tätigkeiten. Dies liegt vor, wenn eine missionierende Gruppe nicht bei der Staatlichen Kommission für religiöse Angelegenheiten (SCRA) registriert ist. Das Gesetz schreibt vor, dass sich alle religiösen Gruppen und religiöse Schulen bei der SCRA, die für die Überwachung der Umsetzung der Bestimmungen des Gesetzes über die Religion zuständig ist, anmelden müssen. Das Wirken nicht registrierter religiöser Gruppen ist verboten (USDOS 15.8.2017).
Religiöse Gruppen berichten weiterhin, dass der SCRA-Registrierungsprozess umständlich ist und zwischen einen Monat bis zu mehreren Jahren dauern kann. Nicht registrierte Gruppen berichten, dass sie in der Lage waren, regelmäßige Gottesdienste ohne staatliche Einmischung abzuhalten, insbesondere wenn sie in der Vergangenheit registriert waren und ihr jährlicher Antrag auf Neuregistrierung anhängig war. Laut Forum 18 gaben evangelische Pastoren an, dass es viele neue Gemeinden im Land gäbe, die sich registrieren lassen wollen, aber nicht die nötigen 200 Gründungsmitglieder hätten, die für die Registrierung erforderlich sind (USDOS 15.8.2017). 75% der Bevölkerung bekennen sich formal zum Islam und circa 20% zur russisch-orthodoxen Kirche. Laut der "Staatlichen Agentur für religiöse Angelegenheiten" gibt es heute 1.648 Moscheen und 46 orthodoxe Kirchen. Neben muslimischen und orthodoxen Glaubensgemeinschaften existieren weitere religiöse Gruppen, wie protestantische, katholische und jüdische Glaubensgemeinschaften, sowie eine kleine buddhistische Gruppe. Ungefähr 1.800 islamische und 300 christliche Organisationen sind in Kirgisistan aktiv. Radikal-islamische Organisationen wie Hizb- ut-Tahrir oder die Islamische Bewegung Usbekistans (IMU) sind verboten und agieren im Untergrund. Parallel zum Moscheenbau und der zunehmenden Islamisierung begann nach der Unabhängigkeit eine sehr aktive Missionierungsbewegung verschiedenerer christlicher Gruppen, wie etwa durch die Baptisten und verschiedenen neupfingstlerischen Kirchen, die als die erfolgreichste christliche Gruppe in Kirgisistan gelten. Besonders im ländlichen Kirgisistan führt die Anwesenheit kleiner christlicher Gemeinden in einem mehrheitlich muslimischen Umfeld heute zu Konflikten. So gibt es zum Beispiel Auseinandersetzungen darüber, ob Kirgisen, die zum Christentum konvertiert sind, auf dem Dorffriedhof bestattet werden dürfen, wo bisher nur Bestattungen nach muslimischem Ritual durchgeführt wurden (GIZ 7.2017a).
Kirgisistan gilt laut Einschätzung mancher Experten als das Land in Zentralasien, in dem die Islamisierung am schnellsten voranschreitet. Noch gibt es ein gelassenes Nebeneinander der verschiedenen Lebensstile. Neben jungen Mädchen in Miniröcken sieht man immer mehr Frauen, die den Hijab tragen, der Haar und Hals vollständig bedeckt. Es gibt verschiedene Stimmen, sowohl internationaler Beobachter als auch aus der Zivilgesellschaft in Kirgisistan, die vor einer religiösen Radikalisierung warnen. Schon heute gehen Experten von ungefähr 35.000 Mitgliedern illegaler religiöser Gruppen in Kirgisistan aus, die sich vor allem im Süden des Landes, im kirgisischen Teil des Ferghanatals konzentrieren. Man nimmt an, dass vier Fünftel davon auf die Hizb Ut-Tahrir, die revolutionäre Partei der Befreiung Kirgisistans entfallen (GIZ 7.2017).
Quellen:
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017a): Kirgisistan
- Gesellschaft, https://www.liportal.de/kirgisistan/gesellschaft/#c17351 , Zugriff 3.5.2018
• USDOS – US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1407805.html , Zugriff 3.5. 2018
17. Ethnische Minderheiten
Laut Schätzungen betrug 2017 der Anteil der Kirgisen 73,2% der Gesamtbevölkerung. Usbeken machten 14,6%, Russen 5,8% und Dunganen 1,1% aus. Die übrigen 5,3% verteilten sich u.a. auf Uiguren, Tadschiken, Türken, Kasachen, Tataren, Ukrainer, Koreaner und Deutsche (CIA 1.5.2018, vgl. MRGI 3.2018a).
Ethnische Usbeken bilden die größte Minderheit und leben hauptsächlich in den südlichen Regionen von Osch und Jalalabad. Die ethnischen Kirgisen machen heute fast drei Viertel der Bevölkerung aus. Slawen - hauptsächlich Russen, aber auch einige Ukrainer - waren bis vor kurzem die größte Minderheit in Kirgisistan. Anders als in anderen zentralasiatischen Staaten ist ein erheblicher Teil der Slawen Landbewohner. Ihre Zahl ist jedoch seit der Unabhängigkeit drastisch zurückgegangen. Auch die überwiegende Mehrheit der Deutschen ist ausgewandert, vor allem nach Deutschland. Juden, die einst in der Hauptstadt zahlreich waren und für ihren Beitrag zu Gesundheit, Technik und Kultur respektiert wurden, sind eine weitere Gruppe, die schnell schrumpft. Die überwiegende Mehrheit ist nach Israel ausgewandert, andere in die USA und nach Deutschland (MRGI 3.2018a).
Quellen:
• CIA - Central Intelligence Agency (1.5.2018): The World Factbook - Kyrgyzstan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/kg.html , Zugriff 4.5.2018
• MRGI - MRG - Minority Rights Group International (3.2018a): Kyrgyzstan,http://minori- tyrights.org/country/kyrgyzstan/ , Zugriff 4.5.2018
17.1. Usbeken
Mit geschätzten 878.615 Personen (14,6% der Bevölkerung) stellen die Usbeken nach Angaben der Regierung im Jahr 2016 die größte Minderheit Kirgisistans dar und konzentrieren sich hauptsächlich auf die südlichen und westlichen Teile des Landes, insbesondere das Ferghana-Tal und die drei Verwaltungsbezirke Batken, Osch und Jalalabad. Usbeken sind überwiegend sunnitische Muslime der Hanafi-Schule, die von türkisch-mongolischen Invasoren mit stark iranischen Einflüssen abstammen. Trotz ihrer großen Zahl und geographischen Konzentration, auch in der Provinz Osch, wo sie die Mehrheit bilden, sind sie seit der Unabhängigkeit Kirgisistans eher von der Ausübung politischer Macht ausgeschlossen (MRGI 3.2018).
Die Spannungen zwischen ethnischen Usbeken, die fast 15% der Bevölkerung ausmachen, und den ethnischen Kirgisen bleiben problematisch, vor allem im südlichen Teil des Landes, wo die Usbeken fast die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Die Diskriminierung ethnischer Usbeken in Wirtschaft und Regierung sowie Schikanen und willkürliche Verhaftungen zeigten diese Spannungen auf. Ethnische Usbeken berichteten von großen öffentlichen Arbeiten und Straßenbauprojekten in überwiegend usbekischen Gebieten, die oft ohne öffentliche Konsultation durchgeführt wurden, die Nachbarschaften beeinträchtigten und Häuser zerstörten (USDOS 20.4.2018, vgl. MRGI 3.2018b).
In einem Urteil vom März 2017 stellte der UN-Menschenrechtsausschuss fest, dass vier ethnische Usbeken aus Südkirgisistan nach interethnischer Gewalt in Osch im Jahr 2010 willkürlich inhaftiert und misshandelt oder gefoltert wurden. Der Ausschuss kam zu dem Schluss, dass Kirgisistan die Foltervorwürfe der Beschwerdeführer untersuchen und eine angemessene Entschädigung leisten muss. Bis August 2017 waren 191 Personen wegen Terrorismus oder extremistischer Straftaten inhaftiert. Viele waren ethnische Usbeken, die behaupteten, sie seien aufgrund falscher Zeugenaussagen oder Beweise der Polizei verhaftet worden, und dass sie gefoltert und anderweitig in Polizeigewahrsam misshandelt worden seien (HRW 18.1.2018).
Während eine Reihe von Minderheiten im Land mit Herausforderungen in Bezug auf die Sprachrechte konfrontiert ist, sind die Erfahrungen der usbekisch-sprachigen Bevölkerung besonders akut. Während Usbekisch in Gebieten mit einem hohen Anteil an ethnischen Usbeken relativ weit verbreitet war, schrumpft seit 2010 der Raum für die usbekische Sprache im offiziellen Leben. Seit 2014-15 werden die Hochschulzugangsprüfungen nur noch in kirgisischer oder russischer Sprache angeboten (MRGI 3.2018b).
Der Hochkommissar für nationale Minderheiten der OSZE räumte anlässlich eines Besuches im April 2018 ein, dass sich acht Jahre nach den tragischen Ereignissen in Osch die interethnische Situation im Süden des Landes stabilisiert habe, aber die Herausforderungen bestehen bleiben, sodass konzertierte Anstrengungen notwendig sind, damit sichergestellt wird, dass sich alle Gemeinschaften einbezogen fühlen und frei am öffentlichen Leben teilnehmen können (OSCE 12.4.2018).
Quellen:
• HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/1422484.html , Zugriff 4.5.2018
• MRGI - MRG - Minority Rights Group International (3.2018b): Kyrgyzstan – Uzbeks, http://mi- norityrights.org/minorities/uzbeks-2/ , Zugriff 4.5.2018
• OSCE – Organization for Security and Co-operation in Europe (12.4.2018) OSCE High Com- missioner on National Minorities and Government of Kyrgyzstan to intensify co-operation on inter-ethnic policy and multilingual education, https://www.osce.org/hcnm/377635 , Zugriff 4.4.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 4.5.2018
17.2. Uiguren
Es gab Berichte über beleidigende und feindselige Äußerungen - einige kamen von Regierungsbeamten -, die Uiguren als Terroristen und Fundamentalisten ("Wahhabiten") bezeichneten und mitunter zur wahrgenommenen negativen gesellschaftlichen Einstellung und Medienberichten gegenüber der uigurische Minderheit beitrugen. Menschenrechtsgruppen haben ihre Besorgnis darüber geäußert, dass die kirgisischen Behörden allzu oft die Uiguren auf der Basis von erfundenen Terroranschuldigungen angreifen, angeblich auf Druck Chinas, da sich die bilateralen Beziehungen zwischen den Ländern verstärkt haben (MRGI 3.2018c).
Vertreter der uigurischen Gemeinschaft haben ebenfalls ihre Besorgnis über die Überwachung durch die Regierung zum Ausdruck gebracht. Dies hat sich nach mehreren gewalttätigen Vorfällen gegen chinesische Regierungsvertreter in Bischkek verschärft, beispielsweise im August 2016, als bei einem Angriff auf die chinesische Botschaft drei Mitarbeiter verletzt wurden. Die kirgisischen Behörden beschuldigten die islamische Bewegung Ostturkestans (ETIM), eine separatistische Organisation. Viele uigurische Gruppen in Kirgisistan haben diese Vorfälle ebenfalls verurteilt. Die Führer der uigurischen Gemeinden in Kirgisistan bekunden keine Unterstützung für den uigurischen Separatismus (MRGI 3.2018c, vgl. AJ 8.1.2017).
Einige Uiguren-Vertreter haben Berichten zufolge Bedenken geäußert, dass das Fehlen einer uigurischen Sprachschule im Land ihre Sprachrechte verletzt. Uiguren wurden auch von nationalistischen kirgisischen Jugendgruppen, wie Kyrk Choro, angegriffen (MRGI 3.2018c).
Quellen:
• AJ – Al Jazeera (8.1.2017): Uighurs in Kyrgyzstan hope for peace despite violence, https://www.aljazeera.com/indepth/features/2016/09/uighurs-kyrgyzstan-hope-piece-vio- lence-160915133619696.html , Zugriff 8.5.2018
• MRGI - MRG - Minority Rights Group International (3.2018b): Kyrgyzstan – Uighurs,http://mi- norityrights.org/minorities/uighurs-2/ , Zugriff 8.5.2018
18. Relevante Bevölkerungsgruppen
18.1. Frauen
Vergewaltigung, auch innerhalb der Ehe, ist illegal, aber wie in den vergangenen Jahren hat die Regierung es versäumt, das Gesetz wirksam durchzusetzen, und Vergewaltigungsfälle wurden kaum angezeigt. Die Strafen für die Verurteilung wegen sexueller Übergriffe reichen von drei bis acht Jahren Haft. Staatsanwälte haben Vergewaltigungsfälle selten vor Gericht gebracht. Die Polizei betrachtete eheliche Vergewaltigung im Allgemeinen als ein Verwaltungsvergehen und nicht als Straftat. Während das Gesetz häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen und Mädchen ausdrücklich verbietet, ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor ein erhebliches, aber selten zur Anzeige gebrachtes Delikt. Die Strafen für Verurteilungen wegen häuslicher Gewalt reichen von Geldstrafen bis hin zu 15 Jahren Haft, letztere bei Missbrauch mit Todesfolge. Viele Verbrechen gegen Frauen wurden aufgrund von psychologischem Druck, wirtschaftlicher Abhängigkeit, kulturellen Traditionen, Angst vor Stigmatisierung und Apathie bei den Strafverfolgungsbeamten nicht gemeldet. Es gab auch Berichte über Vergeltungsmaßnahmen von Ehepartnern gegen Frauen, die über Missbrauch berichteten. Organisationen, die misshandelten Frauen helfen, haben sich erfolgreich dafür eingesetzt, das Verfahren zur Erlangung von Schutzbefehlen zu straffen. Die Regierung stellte dem Krisenzentrum „Sezim“ Büros für Opfer von häuslichem Missbrauch zur Verfügung und übernahm die Kosten (USDOS 20.4.2018).
Im April 2018 wurde ein neues Gesetz über die Verhütung und den Schutz vor familiärer Gewalt verabschiedet, das die Polizei verpflichtet, jede Beschwerde wegen häuslichen Missbrauchs anzuzeigen und physischen und psychischen Missbrauch sowie "wirtschaftliche Gewalt", was die Beschränkung des Zugangs zu und der Nutzung von finanziellen Ressourcen oder anderen Vermögenswerten einschließt, anzuerkennen. Das Gesetz schreibt das Vorgehen der Justiz und der Polizei bei häuslicher Gewalt vor und gewährleistet den Zugang der Opfer zu Unterkünften, psychosozialer Unterstützung und Rechtsbeistand. Einige Bestimmungen des Gesetzes sind nicht spezifisch und bieten keinen Schutz für die Überlebenden. Trotz positiver Gesetzesänderungen ist häusliche Gewalt nach wie vor weit verbreitet. Der Druck, Familien zusammen zu halten, Stigmatisierung, wirtschaftliche Abhängigkeit und Angst vor Repressalien durch Täter oder die begrenzte Unterstützung und Feindseligkeit seitens der Polizei sowie deren Untätigkeit hindern Opfer daran, Hilfe zu suchen oder Zugang zu Schutz oder Gerechtigkeit zu erhalten (HRW 18.1.2018).
Kirgisistan gehört zu den wenigen Staaten der Welt in denen Brautraub aktiv praktiziert wird. „Ala katschuu“ wie die Praxis des Brautraubs auf Kirgisisch genannt wird, ist die Entführung von jungen Frauen durch junge Männer zum Zweck der Heirat. Die Entführungen sind manchmal zwischen den jungen Paaren abgesprochen, oft finden sie jedoch gewaltsam, gegen den Willen des Mädchens statt. Laut einer Studie des Kyz Korgon Instituts, wurden im Jahr 2010 und 2011 ungefähr 45% aller Ehen in der kirgisischen Stadt Karakol und Umgebung durch Brautraub, gegen den Willen der Braut, geschlossen. Manche Menschenrechtsgruppen sprechen gar von 65%-75% aller Ehen, die in Kirgisistan durch Brautraub zustande kommen sollen. Besonders seit dem Ende der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Kirgistans im Jahr 1991 hat die Entführung von jungen Frauen eine Renaissance erfahren. Bis Januar 2013 drohten laut Gesetz für Brautraub bis zu drei Jahre Haft, doch in den letzten 20 Jahren wurde in Kirgistan kaum jemand dafür verurteilt. Die Stimmen kirgisischer Menschenrechtsgruppen, die Brautraub seit Jahren als Menschenrechtsverletzung brandmarken, blieben lange ungehört und es herrschte ein gesellschaftlicher Konsens, dass Brautraub eine kirgisische Tradition sei, die in Kirgistan einfach dazu gehöre. Laut einer Umfrage der NGO Open Line im Jahr 2010, unter 268 Betroffenen, wussten 77% der Frauen nicht, dass sie sich im Falle ihrer Entführung, um Hilfe an die Polizei oder andere Hilfsorganisation hätten wenden können (GIZ 7.2017a).
Obwohl gesetzlich verboten, wurde die Praxis der Entführung von Frauen und Mädchen zum Zwecke der Zwangsheirat fortgesetzt. Die Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa schätzt, dass jedes Jahr 12.000 junge Frauen in Zwangsehen entführt und 20% vergewaltigt werden. Entführte Bräute sind eher Opfer von häuslichem Missbrauch und sind in ihrem Streben nach Bildung und Beschäftigung eingeschränkt. Der negative Effekt der Praxis erstreckte sich auch auf Kinder entführter Bräute. Einige Opfer von Brautentführungen gingen zur örtlichen Polizei, um Schutz zu erhalten, aber die Behörden setzten Anweisungen zum Opferschutz oft mangelhaft durch. Obwohl die Regierung im Jahr 2013 die Strafe für die Verurteilung von Brautentführungen auf maximal 10 Jahre im Gefängnis verschärft hat, meldeten die NGOs weiterhin keine Zunahme der Anzeigen oder Verfolgung des Verbrechens (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017a): Kirgisistan
- Gesellschaft, https://www.liportal.de/kirgisistan/gesellschaft/#c17351 , Zugriff 4.5.2018
• HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/1422484.html , Zugriff 4.5.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 4.5.2018
18.2. Kinder
Kirgisistan ist ein junges Land und 2,1 Millionen Kinder machen 36,5% der Bevölkerung aus. Kinderarmut ist ein ernstes Problem. Die Armut nimmt zu (32,1%), wobei Kinder in der Armutsstatistik überrepräsentiert sind (40,5% im Jahr 2015). Fast 900.000 Kinder in Kirgisistan leben in Armut und sind weiterhin von Armut betroffen. Kinder, die in Armut leben, versäumen die Vorschul- und Schulbildung sowie die Gesundheitsversorgung und sind der Unterernährung ausgesetzt. Die ärmsten Kinder leben hauptsächlich in ländlichen Gebieten im Süden des Landes. Viele gehören Familien mit drei und mehr Kindern und Familien mit arbeitslosen Erwachsenen an. Fast 73% der Kinder berichten von Missbrauch oder Vernachlässigung in der Familie. Es gibt jedoch einige Verbesserungen, um Kinder, die mit dem Gesetz in Berührung kommen, zu schützen. Mittlerweile wurde die Zahl der gegen Jugendliche verhängten Haftstrafen um 84% reduziert (UNICEF o.D.).
Nach Berichten von NGOs und der UNO waren Kindesmissbrauch, einschließlich Prügel, Kinderarbeit und kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Jungen und Mädchen, ein Problem. Kinder im Alter von 16 und 17 Jahren können mit Zustimmung der örtlichen Behörden legal heiraten, aber das Gesetz verbietet unter allen Umständen standesamtliche Ehen vor dem 16. Lebensjahr. Obwohl illegal, ging die Praxis der Brautentführung weiter. Die Nationale Statistikkommission schätzte, dass 15% der verheirateten Frauen zwischen 25 und 49 Jahren vor dem Alter von 18 Jahren und 1% unter 15 Jahren heiraten (USDOS 20.4.2018).
Wie in den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Berichte über die Vernachlässigung von Kindern aufgrund mangelnder Ressourcen der Eltern, und eine große Zahl von Kindern lebte in Heimen, bei Pflegefamilien oder auf der Straße. Etwa 80% der Straßenkinder waren interne Migranten. Straßenkinder hatten Schwierigkeiten beim Zugang zu Bildungs- und medizinischen Diensten. Die Polizei nahm Straßenkinder fest und schickte sie nach Hause, wenn eine Adresse bekannt war oder in ein Rehabilitationszentrum oder Waisenhaus. Staatliche Waisenhäuser und Pflegeheime waren nicht in der Lage, eine angemessene Betreuung zu gewährleisten, was zum Beispiel dazu führte, dass ältere Kinder in psychiatrische Einrichtungen verlegt wurden, auch wenn sie keine psychischen Probleme hatten (USDOS 20.4.2018).
Prostitution ist eine Praxis, die in Kirgisistan immer häufiger vorkommt. Viele Kinder, oft junge Mädchen, arbeiten in der Sexindustrie. In Bischkek sind mehr als 20% der Prostituierten junge Mädchen. Die meisten dieser Prostitutionsringe werden von weiblichen Zuhältern kontrolliert. Auch immer mehr Jungen im Alter von zwölf bis 16 Jahren werden ausgebeutet. Die Kunden, vor allem Geschäftsleute, kennen die Orte, an denen sie sexuelle Dienstleistungen von Schülerinnen für weniger als einen Dollar bekommen können. Viele Begleitservices sind in den großen Städten entstanden. Außerdem ist eine neue Praxis im Land aufgekommen: Junge Mädchen, meist zwischen elf und zwölf Jahren, fahren auf den Hauptbahnstrecken, um sich zu prostituieren. Sobald sie an der Endstation angekommen sind, werden diese Mädchen von ihren Kunden verlassen und bleiben ein oder zwei Tage auf der Straße, während sie auf einen neuen Reisenden warten (Humanium o.D.).
Quellen:
• Humanium (o.D.): Children of Kyrgyzstan - Realizing Children’s Rights in Kyrgyzstan, https://www.humanium.org/en/kyrgyzstan/ , Zugriff 4.5.2018
• UNICEF (o.D.): Children in Kyrgyzstan, https://www.unicef.org/kyrgyzstan/children- kyrgyzstan , Zugriff 4.5.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 4.5.2018
18.3. sexuelle Minderheiten
Die sexuelle Orientierung ist ein weiteres Merkmal, bei dem Diskriminierung oder die Nichtgarantie der Bürgerrechte systematisch ist. In letzter Zeit, und nach den Debatten über Verfassungsänderungen Ende 2016 war es normal geworden, sexuelle Minderheiten zu brandmarken und gleichzeitig "traditionelle" sexuelle und familiäre Werte hervorzuheben (BTI 1.2018).
Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle (LGBT) erlebten weiterhin Misshandlungen, Erpressungen und Diskriminierung durch staatliche und nichtstaatliche Akteure. Es gibt eine weit verbreitete Straflosigkeit für diese Missbräuche. Einige Tage vor einer für den 23.9.2017 geplanten, friedlichen und öffentlichen Versammlung trafen fünf Polizeibeamte unangemeldet bei Labrys, einer in Bischkek ansässigen LGBT-NGO, ein und drohten den Mitgliedern, damit diese die Versammlung nicht abhalten. Labrys hat die Veranstaltung daraufhin abgesagt (HRW 18.1.2018).
Die kirgisische LGBT-Gemeinschaft lebt im Schatten, seit die Regierung 2014 diskriminierende Gesetze entwarf, die die Popularisierung homosexueller Beziehungen und die Förderung eines homosexuellen Lebensstils verbieten sollten, und das vorgeschlagene Gesetz, das noch auf seine letzte Lesung im Parlament wartet [Stand April 2018], eine Kampagne der Gewalt und Einschüchterung auslöste, die bis heute andauert. Vor diesem Hintergrund der gewalttätigen Transphobie ziehen viele Mitglieder der Gemeinschaft freiwillig nach Russland - ein Land, das für seine feindliche Haltung gegenüber LGBT-Personen bekannt ist (BBC 10.4.2018).
LGBTI-Personen, deren sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität öffentlich bekannt ist, riskieren physische und verbale Angriffe, den möglichen Verlust des Arbeitsplatzes und unerwünschte Aufmerksamkeit seitens der Polizei und anderer Behörden. Häftlinge und Beamte schikanierten oft eingesperrte schwule Männer. Zwangsverheiratungen von Lesben und bisexuellen Frauen mit Männern fanden ebenfalls statt. Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichteten weiterhin über Versuche, Schwule, Lesben und Transsexuelle gewaltsam in sozialen Medien zu outen. Insbesondere wurden heimlich aufgezeichnete LGBTI-Hochzeitszeremonien und LGBTI- Teilnehmer auf Social Media-Seiten veröffentlicht, was unerwünschte Aufmerksamkeit und negative Kommentare hervorrief (USDOS 20.4.2018).
Die NGOs berichteten von der anhaltenden Praxis der "korrektiven Vergewaltigung" von Lesben zur "Heilung" ihrer Homosexualität (USDOS 204.2018, vgl. BBC 10.4.2018).
Quellen:
• BBC News (10.4.2018): Transgender Kyrgyz seek unlikely refuge in Russia, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-41437866 , Zugriff 4.5.2018
• BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Kyrgyzstan Country Report, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kyrgyzstan.pdf , Zu- griff 4.5.2018
• HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/1422484.html , Zugriff 4.5.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 4.5.2018
19. Bewegungsfreiheit
Gemäß dem Gesetz zur internen Migration wird die Bewegungsfreiheit garantiert. Die Regierung respektierte das Gesetz gemeinhin, und die Bürger konnten sich innerhalb des Landes frei bewegen. Jedoch beschränken bestimmte Richtlinien die interne Migration, Wiederansiedlung und Auslandsreisen. Bürger die Zugang zu vertraulichen Staatsgeheimnissen hatten, dürfen nicht ins Ausland reisen, solange die Informationen nicht freigegeben werden (USDOS 20.4.2018).
Zwischen Kirgisistan und Tadschikistan bzw. zwischen Kirgisistan und Usbekistan bestehen Differenzen über den genauen Grenzverlauf. In den Grenzgebieten der Region (Oblast) Batken ist es deshalb wiederholt zu Demonstrationen gekommen sowie zu Schusswechseln zwischen kirgisischen und tadschikischen bzw. usbekischen Sicherheitskräften. Die Grenzübergänge zwischen Kirgisistan und Usbekistan resp. Tadschikistan sind zeitweise geschlossen (SDA 7.5.2018).
Quellen:
• SDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (24.4.2018): Reise- hinweise für Kirgisistan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-informa- tion/kirgisistan/reisehinweise-kirgisistan.html , Zugriff 24.4.2018 USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 7.5.2018
20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge
Die Regierung arbeitete mit dem UN-Flüchtlingshochkommissariat und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, Asylsuchenden, staatenlosen Personen und anderen hilfsbedürftigen Menschen Schutz und Hilfe zu gewähren. Im Oktober 2017 berichtete das UNHCR von 343 Flüchtlingen im Land. Es gab weiterhin Berichte über usbekische Flüchtlinge, die aus Angst vor Verfolgung durch die usbekische Regierung den Flüchtlingsstatus anstreben. UN-mandatierte Flüchtlinge und Asylsuchende ohne offiziellen Status hatten keinen Anspruch auf staatliche Sozialleistungen. Flüchtlinge mit offiziellem Status im Land haben Zugang zur Grundversorgung (USDOS 20.4.2018).
Die Bereitstellung von Hilfe für Binnenvertriebene, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Wohnraum, ist ein wichtiger Faktor für die Stabilisierung der Lage im Land. Im Jahr 2015 hat das Ministerium für Arbeit und soziale Entwicklung in der Provinz Jalalabad 5.735 Personen Arbeit gegeben. In der Provinz Osch wurden im gleichen Zeitraum 6.839 Personen in die Arbeitswelt eingegliedert. Im Rahmen des Programms für die Rehabilitation und Entwicklung der Städte Osch und Jalalabad wurden 251 Wohnungen gebaut und den Familien der bei Massenunruhen im Juni 2010 Getöteten und jenen, die zu Invaliden oder schwer verletzten wurden, in der Provinz Osch zugewiesen (GoK 20.1.2017).
Quellen:
• Government of Kyrgyzstan (Author), published by CERD – UN Committee on the Elimination of Racial Discrimination (20.1.2017): Consideration of reports submitted by States parties under article 9 of the Convention; Combined eighth to tenth periodic reports of States parties due in 2016; Kyrgyzstan [16 December 2016] [CERD/C/KGZ/8-10], https://www.ecoi.net/en/file/local/1406420/1930_1504783235_g1701093.pdf , Zugriff 7.5.2018
• USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html , Zugriff 7.5.2018
21. Wirtschaft/ Grundversorgung
Kirgisistan rangiert im Doing Business 2017-Index der Weltbank auf Platz 75 von 190 Ländern und schneidet bei allen Kriterien für eine einfache Geschäftsabwicklung im Mittelfeld ab. Die Regierung verfolgt eine Politik zur Verbesserung der Marktbedingungen, wie z.B. den Abbau der zahlreichen bürokratischen Kontrollen. Einige systematische Herausforderungen wie Korruption und illegale Angriffe auf Eigentumsrechte bleiben jedoch bestehen, während einige Herausforderungen durch die Wirtschaftskrise in der Region noch verschärft werden. Die Währungsstabilität ist nach wie vor weitgehend gegeben. Es soll immer noch eine große informelle Wirtschaft geben, der die Regierung durch Erleichterung von Regulierung und Inspektionen beizukommen versucht. Es gibt keine verlässliche Schätzung der Größe der informellen Wirtschaft, obwohl verschiedene Quellen vermuten lassen, dass sie etwa 25% des BIP betragen könnte (BTI 1.2018).
Laut einer Umfrage aus 2017 sehen 52% der Kirgisen und Kirgisinnen Arbeitslosigkeit als das größte wirtschaftliche Problem des Landes an. Demgegenüber wirkt die offizielle Arbeitslosenzahl nicht sonderlich hoch. 2016 betrug der Anteil der arbeitslosen Menschen in Kirgisistan 8% der arbeitsfähigen Bevölkerung. Trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Lande hat das Nationale Statistik-Büro im Februar 2018 ein stabiles Wirtschaftswachstum festgestellt. Inflation trübt die Freude über positiven Entwicklungen für 2018, denn die Preise für Lebensmittel in Kirgisistan wachsen ständig. Zwei Drittel der Bevölkerung Kirgisistan leben in ländlichen Gebieten und betreiben vor allem landwirtschaftliche Subsistenzwirtschaft, produzieren also nur für den Eigenbedarf. Die Viehzucht, die schon in sowjetischer Zeit die Versorgung der Familie sicherte, nimmt auch heute noch einen hohen Stellenwert ein. Viele Familien haben ihr Leben zwischen Dorf und Stadt arrangiert. Ein Teil der Familie lebt auf dem Dorf, ein Teil in der Stadt. Oft hat die städtische Verwandtschaft dabei einen Teil ihres Besitzes in Vieh angelegt. Die Verwandten auf dem Dorf kümmern sich um die Herden der Verwandten und dürfen dafür in der Regel die Produkte der Tiere nutzen (GIZ 7.2017b).
Die kirgisische Wirtschaft hat sich von den externen Schocks 2014-15 erholt. Das Wachstum beschleunigte sich von 3,8% 2016 auf 4,5% im Jahr 2017, unterstützt durch weitere Verbesserungen in der russischen und kasachischen Wirtschaft und durch eine expansive makro-ökonomische Politik. Die Armutsquote (unter 3,2 US$ pro Tag im Jahr 2011) wird auf 19% im Jahr 2016 geschätzt. Niedriges Verbraucherpreiswachstum und höhere Überweisungszuflüsse stützten den Konsum der Haushalte. Gleichzeitig dämpfte das moderate Wachstum im Dienstleistungssektor und in der Landwirtschaft, in der etwa 50% der unteren 40% beschäftigt sind, das reale Arbeitseinkommenswachstum für die Armen (WB 2018).
Kirgisistan ist ein Wohlfahrtsstaat im Sinne der Verfassung und verfügt über ein System sozialer Sicherheitsgarantien, was weitgehend ein sowjetisches Erbe ist, einschließlich Kinderbetreuungsgeld, Mutterschaftsurlaub (oder Vaterschaft, selten genutzt, aber verfügbar), Arbeitslosengeld und Invaliditätsleistungen. Alle diese Zahlungen sind jedoch extrem niedrig und werden von den anspruchsberechtigten Bürgern häufig abgelehnt. Die meisten Ausgaben für diese Leistungen werden durch Steuereinnahmen gedeckt oder oder durch private Arbeitgeber, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben sind (BTI 1.2018).
Quellen:
• BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Kyrgyzstan Country Report, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kyrgyzstan.pdf , Zu- griff 7.5.2018 GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017b): Kirgisistan
– Wirtschaft -Entwicklung, https://www.liportal.de/kirgisistan/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 7.5.2018
• WB – World Bank (2018): Kyrgyz Republic – Economy/ Recent Economic Developments, http://www.worldbank.org/en/country/kyrgyzrepublic/overview#3 , Zugriff 7.5.2018
21.1. Sozialbeihilfen
Arbeitslosengeld:
Voraussetzungen:
Man muss bei einem Arbeitsamt angemeldet sein, arbeitsfähig und arbeitswillig sein. Die Leistung kann gekürzt, ausgesetzt oder beendet werden, wenn der Arbeitnehmer wegen Verstoßes gegen die Arbeitsdisziplin entlassen wird, das Arbeitsverhältnis ohne triftigen Grund verlässt, die Bedingungen für eine Arbeitsvermittlung oder Berufsausbildung verletzt oder betrügerische Absichten festgestellt werden. Auch an Studierende, die sich in den zwölf Monaten nach Abschluss des Studiums als arbeitslos melden, haben einen Anspruch.
Arbeitslosengeld:
250 bis 500 Som werden monatlich für bis zu sechs Kalendermonate ausbezahlt. Ergänzung: 10% des Arbeitslosengeldes werden für jeden Angehörigen gezahlt.
Familienzulagen:
Voraussetzungen: Kinder von Alleinerziehenden oder unverheirateten Müttern; Schüler unter 18 Jahren mit behinderten oder arbeitslosen Eltern.
Familienzulagen (Einkommensprüfung): 100% des garantierten Mindestlebensstandards (GM) werden monatlich für eine Mutter gezahlt, die ein Kind unter 18 Monaten oder zwei Kinder unter drei Jahren betreut; 150% des GM, wenn drei Kinder unter 16 Jahren betreut werden. Die GM ist 900 Som pro Monat (Oktober 2016).
Sozialhilfe: 810 Som wird jährlich gezahlt (Oktober 2016). Geburtsbeihilfe:
Für jedes Neugeborene wird ein Pauschalbetrag von 300% des GM gezahlt.
Alterspension (Sozialversicherung, fiktive Beitragszusage [NDC] und obligatorisches Einzelkonto): Alter 63 mit mindestens 25 Beschäftigungsjahren bei Männer bzw. Alter 58 mit mindestens 20 Beschäftigungsjahren bei Frauen. Als Beschäftigungsjahre gelten Studienzeiten, Mutterschaftsurlaub, Betreuung von Menschen mit Behinderungen, registrierte Arbeitslosigkeit und andere durch Sonderverordnung genehmigte Urlaubszeiten. Die Anspruchsvoraussetzungen werden für Vollzeitarbeit unter Tage, Vollzeitarbeit unter gefährlichen Bedingungen, Arbeit im Zusammenhang mit der Tschernobyl-Katastrophe, für Mütter mit fünf oder mehr Kindern oder mindestens einem Kind mit einer Behinderung und für kleine Menschen reduziert.
Teilpension: Ausbezahlt bei weniger als den erforderlichen Beitragsjahren für eine volle Alterspension.
Zuschlag zur Altersrente: Ausbezahlt an Personen ab 80 Jahren, Veteranen des Zweiten Weltkriegs, Katastrophenhelfer von Tschernobyl, Personen mit einer Behinderung der Gruppe I (erfordert ständige Anwesenheit), Betreuer von Personen mit einer Behinderung der Gruppe II (vollständig behindert mit einem Mobilitätsverlust von 80%) und Einzelpersonen mit einer Behinderung der Gruppe II. Die Altersrente wird auch in der Russischen Föderation im Rahmen eines bilateralen Abkommens ausgezahlt.
Soziale Alterspension (Sozialhilfe): Auszahlung im normalen Pensionsalter an Personen, die keinen Anspruch auf eine Alterspension haben. Es gibt keinen Einkommenstest.
Invalidenpension (Sozialversicherung und NDC): Je nach Alter der versicherten Person sind ein bis fünf Jahre Versicherungszeiten notwendig, um mit einer Behinderung der Gruppe I (Vollinvalidität und ständige Anwesenheit erforderlich), der Gruppe II (Vollinvalidität mit 80% Mobilitätsverlust) oder der Gruppe III (Teilinvalidität mit Verlust der Erwerbsfähigkeit) bewertet zu werden. Eine Expertenkommission des Ministeriums für Arbeit, Migration und Jugend bewertet den Grad der Behinderung. Einen Zuschlag für durchgehende Anwesenheit wird bezahlt, wenn der Versicherte die ständige Anwesenheit von anderen zur Erfüllung seiner täglichen Aufgaben benötigt.
Eine Teilinvaliditätspension besteht für Personen, welche nicht die notwendigen Beitragsjahre für eine Vollinvaliditätspension zusammenbekommen. Schlussendlich besteht noch eine Invaliditätspension in Form der Sozialhilfe für Personen mit einer Behinderung, die keinen Anspruch auf eine Invalidenpension haben (SSA 2016).
Quellen:
• SSA – Social Security Administration (2016): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2016, Kyrgyzstan, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2016-2017/asia/kyrgyzstan.html , Zugriff 7.5.2018
22. Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgung in Kirgisistan entspricht nicht europäischen Verhältnissen. Es wird empfohlen, wichtige Medikamente sowie Verbandsmaterial und Einwegspritzen mitzuführen, da diese auch bei Behandlung in Krankenhäusern selbst beschafft werden müssen. Ein etwa mit Deutschland vergleichbares Rettungssystem mit intensivmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten ist nicht vorhanden. Selbst in der Hauptstadt können Notfälle meist nur unzureichend behandelt werden (AA 7.5.2018).
Das Gesundheitssystem in Kirgisistan ist nach wie vor mit Problemen konfrontiert, mit öffentlichen Einrichtungen, die durch eine Pflichtversicherung und symbolische Zuzahlungen, in der Regel unterfinanziert und mangelhaft ausgestattet sind. Neuere und hochwertigere private Einrichtungen sind teuer und sind meist nur in drei städtischen Gebieten konzentriert. Ein häufiges Phänomen in jüngster Zeit sind private Spendenaufrufe für Gesundheitsausgaben. Korruption im Bildungssystem, einschließlich der medizinischen Hochschulbildung, stellt eine Herausforderung dar, da sie neben der mangelnden technischen Ausstattung und Finanzierung auch die Qualität der Gesundheitsleistungen mindert (BTI 1.2018).
Krankengeld: Die monatliche Leistung beträgt 60% des durchschnittlichen Monatslohns des Versicherten für die ersten zehn Arbeitstage mit weniger als fünf Jahren Arbeit; 80% mit fünf bis acht Jahren; 100% mit acht oder mehr Jahren (100% mit drei oder mehr unterhaltspflichtigen Kindern, oder wenn jemand ein behinderter Veteran oder infolge der Tschernobyl-Katastrophe behindert ist). Nach zehn Tagen beträgt die monatliche Leistung das 50-fache des Basissatzes. Der Basissatz beträgt 100 Som pro Monat. Die Leistungen werden periodisch an die Entwicklung des nationalen Durchschnittslohns und des Verbraucherpreisindex angepasst (SSA 2016).
Mutterschaftsgeld: 100% des durchschnittlichen Monatslohns der Versicherten werden für die ersten zehn Arbeitstage ausgezahlt; das Zehnfache des Basissatzes vom 11. bis zu 126 Kalendertage vor und nach dem voraussichtlichen Geburtstermin (kann bei Komplikationen während der Geburt auf 140 Tage verlängert werden). Der Basissatz beträgt 100 Som pro Monat. Die Leistungen werden periodisch an die Entwicklung des nationalen Durchschnittslohns und des Verbraucherpreisindex angepasst (SSA 2016).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (7.5.2018): Kirgisistan – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/kirgisistansicherheit/206738#content_1 , Zugriff 7.5.2018
• BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Kyrgyzstan Country Report, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kyrgyzstan.pdf , Zu- griff 8.5.2018
• SSA – Social Security Administration (2016): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2016, Kyrgyzstan, https://www.ssa.gov/policy/docs/prog- desc/ssptw/2016-2017/asia/kyrgyzstan.html , Zugriff 8.5.2018
23. Rückkehr
Rückkehrer oder Personen, die wegen gescheiterter Asylanträge nach Kirgisistan zurückkehren, werden bei ihrer Ankunft individuell behandelt und beurteilt. Bei der Ankunft am Flughafen würde die Person wahrscheinlich zu einer ausführlichen Befragung herangezogen werden, wenn sie keine ordnungsgemäßen Reise- und Ausweispapiere vorlegt (insbesondere im Zusammenhang mit der Besorgnis der Regierung über die Teilnahme kirgisischer Bürger an den Kämpfen in Syrien). Die Person wird in eine Arrestzelle gesteckt und von Polizeibeamten befragt und/oder gemeinsam von Polizei und Geheimdiensten auf unbestimmte Zeit befragt. Rückkehrer, die ethnische Usbeken oder ethnische Uiguren sind, werden mit einem zusätzlichen Maß an Misstrauen behandelt, insbesondere Personen aus städtischen Regionen (Diese werden eher als islamistischen Gruppen zugetan angesehen). Außerdem werden junge Männer stärker unter die Lupe genommen. Die Behandlung der Person kann auch durch die Qualität des Beamten an der Grenze beeinflusst werden, und ob diese Person Bestechungsgelder annimmt oder nicht (IRB 12.2.2015).
Quellen:
• IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (12.2.2015): Kyrgyzstan: Treatment of returnees, including failed asylum seekers, by authorities and society (2012-January 2015), KGZ105072.E, http://www.refworld.org/docid/560b975b4.html , Zugriff 8.5.2018
2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Religionszugehörigkeit der BF gründen auf deren Angaben sowie auf den von ihnen im Verfahren vorgelegten Reisepässe (Akt des BF1: AS 107, 109, 131). Das Vorbringen des BF1 und der BF2 zu ihrer Religionszugehörigkeit bzw Konversion war aufgrund der Demonstration grundlegenden Wissens zum christlichen Glauben in der Einvernahme vor dem BFA in Zusammenhang mit der Vorlage von Unterlagen und Fotos, die ihre Taufe und die Teilnahme an christlichen Gottesdiensten im Rahmen des Verfahrens vor dem BFA belegen, sowie die Vorlage der Bestätigung der Freikirche „ XXXX “, dass der BF1 und BF2 seit 2019 assoziierte und aktive Mitglieder seien, glaubhaft. Die Feststellung, dass die BF2 zuvor muslimischen Glaubens war bzw einer muslimischen Familie angehört, beruht auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF1 und der BF2 in den Einvernahmen vor dem BFA. Auch aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit der BF2 ist die Zugehörigkeit zum Islam wahrscheinlich. Die Feststellungen zu der Muttersprache, dem letzten Wohnort sowie den Eigentumswohnungen ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Aussagen der BF2 und des BF1 in den Einvernahmen vor dem BFA (zB Akt der BF2: AS 143), wo die BF2 auch mittelgute Sprachkenntnisse in Kirgisisch angab, sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Dass die BF5 in Österreich geboren wurde, ergibt sich aus der im Verfahren vorgelegten Geburtsurkunde.
II.2.2. Dass der BF1, BF3, BF4 und die BF2 mittels Visum eingereist sind, ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie den vorgelegten Visa (zB Akt des BF1: AS 105ff, 131; Akt der BF2: AS 9) und den entsprechenden Angaben des BF1 und der BF2 in den Erstbefragungen sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
II.2.3. Die Feststellung, dass die BF gesund sind und an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten leiden, beruht auf den entsprechenden Angaben des BF1 und der BF2 zuletzt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Dass die BF2 eine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt, stützt sich auf eine entsprechende Bestätigung der Diakonie (OZ 10). Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF1 und der BF2 ergibt sich aus amtswegig eingeholten Strafregisterauszügen der Republik Österreich.
II.2.4. Die Feststellungen zur Schul- und Universitätsbildung sowie Berufserfahrung des BF1 und der BF2 ergibt sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen der beiden in den Einvernahmen vor dem BFA sowie aus den vorgelegten Zeugnissen (OZ 10).
II.2.5. Die Feststellungen zu den in Kirgistan und Österreich aufhältigen Familienangehörigen des BF1 und der BF2, stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der beiden in den Einvernahmen vor dem BFA sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
II.2.6. Die Feststellung, dass die Mitglieder der Familie der BF2 Angehörige des muslimischen Glaubens sind, beruht auf den glaubhaften, weil im Wesentlichen übereinstimmenden und konsistenten, Angaben des BF1 und der BF2, wobei der BF1 in der Einvernahme vor dem BFA von der Familie der BF2 als „radikalen Muslimen“ spricht, was jedoch durch die glaubhafte Aussage der BF2, ihre Familie sei nicht so religiös, in der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Beschwerdeverhandlung widerlegt ist, allerdings angesichts des trotzdem verübten Drucks der Familie auf die BF2, zum Islam zurückzukehren etc, nur von zweitrangiger Bedeutung ist. Die Feststellung, dass die Hochzeit sowie die Konversion der BF2 zu Konflikten mit der Familie geführt haben und insbesondere der Onkel und der Bruder der BF2 Druck auf die BF2 ausübten, beruht auf den Angaben des BF1 und der BF2 in den Einvernahmen vor dem BFA und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Die Feststellung, dass die BF2 zu zumindest einem Teil der Familie Kontakt hatte, stützt sich auf die Angaben der BF2 in der Einvernahme vor dem BFA (Akt der BF2: AS 147) sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Die Feststellung, dass es, in der Zeit, als der BF1 und die BF2 von etwa 2008 bis 2014 in XXXX gelebt haben, keine Probleme mit dem Onkel und dem Bruder der BF2, gab, stützt sich auf die Angaben des BF1 und der BF2 in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Der BF1 meinte, dies sei zurückzuführen darauf, dass sie weit weg gewesen seien. Angesichts der Tatsache, dass zwischen XXXX und XXXX aber nur eine Autoreise von etwa 2,5 Stunden liegt und der BF1, BF3 und die BF2 dort etwa 6 Jahre gelebt haben, ist anzunehmen, dass die BF sich dem Druck und Einfluss der Familie der BF2 durchaus durch Umziehen in eine andere Stadt entziehen können. Zwar haben sich der BF1 und die BF2 erst 2017 taufen lassen, was den Druck der Familie der BF2 sicherlich verstärkt hat, allerdings wusste die Familie von der Konversion der BF2 bereits früher, nämlich laut Angabe des BF1 in der Einvernahme vor dem BFA seit Geburt des ersten Kindes und laut Angabe der BF2 in der Einvernahme vor dem BFA seit 2014/2015, sodass diese durchaus auch während deren Zeit in XXXX Interesse an einer Rückkehr der BF2 zum islamischen Glauben gehabt haben könnten. Die Feststellung, dass der Bruder der BF2 den BF3 im Februar 2018 gegen den Willen des BF1 und der BF2 beschneiden ließ, beruht auf den glaubhaften, da konsistenten Angaben des BF1 und der BF2 in den Einvernahmen vor dem BFA und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
II.2.7. Der BF1 brachte im Verfahren drei im Folgenden dargestellte Vorfälle mit staatlichen Organen vor, welche nach eigener Ansicht Verfolgungshandlungen staatlicher Organe aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit bzw Religion darstellen sollen. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts stehen diese aber nicht im Zusammenhang mit der Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion des BF1:
Der erste Vorfall habe sich im Jahre 2011 in XXXX ereignet, wo er aufgrund des Verdachts des Autodiebstahls unberechtigt angehalten worden und am Kommissariat einen Tag lang befragt worden sei, wobei der BF1 weder ein genaues Datum nennen, noch – im Gegensatz zu den anderen Vorfällen – Dokumente vorlegen konnte. Es sei schließlich zu einer Gerichtsverhandlung gekommen, wo er als Zeuge aussagen habe müssen. Sein Auto habe er nicht mehr zurückbekommen, obwohl er Besitzer des Autos gewesen sei. Dieses Vorbringen ist zum einen nicht glaubhaft, weil der BF1 sich bei der Beschreibung des Vorfalls – mag dieser auch lange zurückliegen – auf Allgemeinplätze beschränkt und nicht auch nur ansatzweise erklären kann, mit welcher Begründung das Gericht die Beschlagnahmung seines Autos angeordnet hat bzw warum er (nur) als Zeuge geladen wurde. Wenn man sich den Bildungsstand des BF1 vor Augen hält und berücksichtigt, dass es dabei um – angeblich – sein eigenes Auto ging, ist nicht erklärbar, warum der BF1 dem damaligen Verfahrensverlauf nicht folgen konnte. Außerdem konnte sich der BF1 bei den weiteren vorgebrachten Vorfällen an relativ genaue Daten erinnern und für diese auch Unterlagen vorlegen. Der BF1 hat diesen Vorfall zudem im Gegensatz zu den anderen Vorfällen in seinem Schreiben an die XXXX nicht erwähnt. Jedenfalls kann aber – unter hypothetischer Annahme, dass dieser Vorfall (wie vorgebracht) stattgefunden hat - aufgrund der Einleitung eines Gerichtsverfahrens nach der Anhaltung durch die Polizisten und der Gewährung von Parteiengehör sowie dem Umstand, dass es bis 2017 keinen weiteren Vorfall mit der Polizei gegeben hat, nicht erkannt werden, dass dieser Vorfall in Zusammenhang mit der Volksgruppenzugehörigkeit oder Religionsangehörigkeit des BF1 stand. Der BF1 hat einen solchen Zusammenhang über eine bloße Behauptung hinaus auch nicht näher ausgeführt. Er selbst gab weiters an, nach dem Abschluss des Gerichtsverfahrens keine weiteren (rechtlichen) Maßnahmen gesetzt zu haben. Auffallend ist schließlich, dass der BF1 diesen Vorfall in XXXX lokalisiert, obwohl er im Jahre 2011 eigentlich in XXXX gelebt und gearbeitet hat.
Der zweite Vorfall mit der Polizei habe im Mai XXXX in XXXX stattgefunden und ist aufgrund der detaillierten Beschreibung, welche sich mit dem Inhalt des vorgelegten Sachverständigengutachtens und den Angaben der BF2 im Wesentlichen deckt, in seinen wesentlichen Zügen, dh Anhaltung und Misshandlung durch Polizisten, glaubhaft. Er sei damals unberechtigt von der Polizei des Drogenhandels bezichtigt, auf das Kommissariat gebracht und von den Beamten misshandelt worden, nämlich sei er mit Plastikflaschen am Kopf und mit einem Gummistock, sowie an den Fersen geschlagen worden, habe er einen Plastiksack über den Kopf gezogen bekommen und sei er mit Handschellen an den Tisch gefesselt worden, damit er ein Schreiben unterzeichne, dass er mit Drogen gehandelt habe. Er sei dort drei Tage festgehalten und schließlich nach Unterzeichnung einer Erklärung, keine rechtlichen Schritte gegen die Beamten zu unternehmen, freigelassen worden. Dazu legte der BF1 ein Sachverständigengutachten vor, wonach er Verletzungen aufwies, die den vorgebrachten Folterungen entsprechen. Eine Anklage gegen ihn sei in dieser Sache nicht erhoben wurde. Er habe nach dem Vorfall eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattet, welche seine Anzeige gar nicht habe aufnehmen wollen. Der BF1 brachte aber andererseits in der mündlichen Beschwerdeverhandlung selbst vor, dass er zum amtsärztlichen Gutachten hingeschickt worden sei, damit die Misshandlung dokumentiert werde. Daraus ist ersichtlich, dass die Staatsanwaltschaft seine Anzeige durchaus ernst genommen hat und Beweise gesammelt hat. Er sei danach amtsärztlich untersucht worden, was sich im vorgelegten Sachverständigengutachten widerspiegelt. Es sei in weiterer Folge kein Strafverfahren gegen die Polizisten eingeleitet worden, weshalb sich der BF1 an die XXXX und den kirgisischen Präsidenten wandte. Laut dem Antwortschreiben der XXXX vom XXXX , werden die verantwortlichen Polizisten disziplinarisch belangt, sollten sich die Foltervorwürfe bestätigen.
Das erkennende Gericht sieht aber auch bei diesem Vorfall keinen Zusammenhang mit der Volksgruppenzugehörigkeit oder Religionsangehörigkeit des BF1. Der BF1 hat einen solchen Zusammenhang über eine bloße Behauptung hinaus auch nicht näher ausgeführt. Aus den Länderberichten geht hervor, dass die GKNB und Strafverfolgungsbehörden in weit verbreitete willkürliche Verhaftungen verwickelt sind, darunter einige, die angeblich politisch motiviert sind, sowie in Misshandlung von Häftlingen und Erpressung. Der Umstand ist mit der Korruption und der Politisierung der öffentlichen Verwaltung verbunden. Die Korruptionspyramide im Polizeidienst hat zu einer institutionellen Stagnation geführt, und das Fortbestehen der alten Strukturen und Muster bewirkt (BTI 1.2018). Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist der BF1 vielmehr Opfer einer solchen willkürlichen Verhaftung und Misshandlung geworden, welche allerdings unabhängig von Eigenschaften, die ihm persönlich anhaften - wie etwa Volksgruppenzugehörigkeit, Religionsangehörigkeit – passieren. Aus den Länderberichten ist eine besondere Betroffenheit von bestimmten Volksgruppen oder Religionsangehörigen von diesen Vorfällen nicht ersichtlich. Aus den Länderfeststellungen ergeben sich also – im Gegensatz zu Diskriminierungen und Feindlichkeit gegenüber den Usbeken und Uiguren – keine Diskriminierungen und Feindlichkeit gegenüber oder eine Verfolgung der Volksgruppe der Koreaner. Den Länderfeststellungen lässt sich auch keine Verfolgung von Christen bzw Protestanten oder multiethnischen Ehepaaren entnehmen. Es ist laut Länderberichten vielmehr festzuhalten, dass der Glaubensübertritt in Kirgisistan erlaubt ist. Die einzige Problematik, die dort in diesem Zusammenhang genannt wird, liegt darin, dass es in ländlichen Gemeinden Konflikte gibt, ob verstorbene Konvertiten auf dem Dorffriedhof bestattet werden dürfen.
Dafür spricht auch, dass die Anzeige des BF1 von der Staatsanwaltschaft aufgenommen, er auf Beschluss dieser amtsärztlich untersucht wurde (S. 1 der Übersetzung des Sachverständigengutachtens) und die XXXX versicherte, disziplinarische Folgen für die an seiner Misshandlung beteiligten Polizeiorgane vorzusehen, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Die XXXX ging in ihrem Antwortschreiben auch auf die Befürchtungen des BF1 ein, wonach seine Volksgruppenzugehörigkeit bzw Religion ausschlaggebend für die Folterung durch die Polizisten gewesen sei, und entgegnete ihm, dass Kirgistan ein multinationaler Staat sei und die vom BF1 geschilderten Tatsachen können keine Verfolgung von ihm und seiner Familie wegen deren religiösen Überzeugungen und wegen seiner multiethnischen Ehe sein (S.7 der Übersetzung der Antwort). Auch die im Folgenden erwähnten Ladungen und Befragungen durch Polizisten, lassen keine andersartige Behandlung des BF1 als Koreaner bzw als Christ/ Protestant erkennen.
Der Vollständigkeit halber ist noch festzuhalten, dass die Aussage der BF2 in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, dass es nach Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Drohungen seitens der Polizei gegeben habe, nämlich, dass er festgenommen und sowieso „sitzen“ würde, sind nicht glaubhaft ist, da der BF1 solche Drohungen weder in der Einvernahme vor dem BFA, noch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung erwähnt.
Das erkennende Gericht sieht ein, dass der BF1 großes Interesse an der Verfolgung seiner Täter, insbesondere, wenn es sich dabei um Polizisten handelt, hat, und, dass lange sowie vor allem schleppende Ermittlungen dem Vertrauen in die staatlichen Behörden nicht unbedingt zuträglich sind. Ein rein disziplinarisches Belangen anstatt eines strafrechtlichen, mag für den BF1 auch nicht sehr zufriedenstellend sein, dennoch kann aus dem Sachverhalt und besonders den vorgelegten Unterlagen nicht abgeleitet werden, dass dieser Vorfall in Zusammenhang mit der Volksgruppenzugehörigkeit oder Religionsangehörigkeit des BF1 in Zusammenhang steht und stellt dieser nach Ansicht des erkennenden Gerichts (lediglich) einen - aufs Schärfste zu verurteilenden - Übergriff von staatlichen Organen dar.
Verwunderlich ist zudem, warum der BF1 und die BF2 angesichts der behauptenden Bedrohung durch staatliche Behörden sich unmittelbar vor der Ausreise noch um neue Reisepässe für ihre Kinder sowie Visa bemüht haben und dann den Herkunftsstaat legal, somit unter Absolvierung einer Grenzkontrolle verlassen haben. Gerade auch angesichts der behaupteten Bedrohung, erscheint eine solche legale Ausreise höchst seltsam, würden doch die Verfolger im Staatsapparat bei der Ausstellung von Dokumenten und bei der legalen Ausreise dann sofort erkennen, dass ein mögliches "Opfer" sich einem weiteren Zugriff entziehen will. Der BF1 selbst gab in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, keine Probleme bei der Ausreise gehabt zu haben.
Den dritten, vom BF1 vorgebrachten, Vorfall stellen drei Ladungen dar, welche der BF1 Ende 2017, im Februar und April 2018 erhalten habe. Der ersten Anzeige sei eine Anzeige einer fremden Frau zugrunde gelegen, wonach der BF1 und die BF2 Broschüren über das Christentum an Leute verteilen und evangelisieren würden. Der BF1 habe der Ladung Folge geleistet und sei zur Polizei des Bezirks XXXX gegangen, wo er eine Erklärung unterschrieben habe, dass sie dies nicht machen würden; die BF2 sei nicht dabei gewesen. Der zweiten Ladung sei eine Anzeige der Familie der BF2 zugrunde gelegen, wonach der BF1 die BF2 zum Kirchenbesuch zwinge und sie zuhause einsperre. Der BF1 sowie die BF2 hätten dann bei der Polizei des Bezirks XXXX eine Erklärung unterschrieben, dass dies nicht stimme. Dieses Vorbringen ist aufgrund der detaillierten Beschreibung des BF1, welche mit jener der BF2 im Wesentlichen übereinstimmt, sowie den vorgelegten Ladungen glaubhaft. Der Ladung vom April 2018 habe der BF1 aus Angst wieder wie im Mai XXXX gefoltert zu werden nicht Folge geleistet.
Bei diesem vorgebrachten Sachverhalt, kann schon einmal keine ungerechtfertigte Behandlung des BF1 oder der BF2 erkannt werden, da die Polizei berechtigterweise den Vorwürfen in den Anzeigen (Evangelisierung/ Belästigung, Verdacht auf Freiheitsentziehung und Misshandlung) nachgegangen ist, durch Befragung des BF1 und der BF2 Beweise gesammelt hat, die Ermittlungen damit abgeschlossen hat und keine weiteren Maßnahmen gegen den BF1 bzw die BF2 gesetzt hat. Zum anderen war die Religionszugehörigkeit bzw Volksgruppenzugehörigkeit des BF1 und der BF2 im Zuge dieser Befragungen (Identitätsfeststellung) offenkundig und wurden die Beiden dennoch nicht außergewöhnlich oder sogar ungerecht behandelt, was die Annahme, dass der BF1 und die BF2 nicht wegen ihrer Religionszugehörigkeit bzw Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt werden, zusätzlich stützt.
Die Angabe der BF2 in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, dass der BF1 in der zweiten Befragung durch die Polizei „vorgewarnt“ wurde, stimmt nicht mit den diesbezüglichen Angaben des BF1, der darüber berichtet, dass sie nach 20 Minuten wieder gehen hätten dürfen, ansonsten sei dort nichts vorgefallen, überein und ist somit als Übertreibung der Geschichte durch die BF2 zu werten. Ebenfalls nicht glaubhaft ist, dass der BF1 und die BF2 aus Angst vor einer weiteren Misshandlung des BF1 beschlossen hätten, der dritten Ladung nicht Folge zu leisten, da die beiden übereinstimmend angeben, dass die Beschneidung ihres Sohnes ausschlaggebend für ihre Flucht gewesen sei, welche allerdings bereits im Februar 2019 stattgefunden hat. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts haben die beiden sich vielmehr zu dieser Zeit bereits vor der Familie der BF2 versteckt, was sich auch mit den zeitlichen Angaben des BF1 und der BF2 zu ihrem Wohnungswechsel deckt.
Hinsichtlich der vorgelegten Berichte betreffend Gewalt einzelner Personen gegen den Protestanten, Eldos Sattar uuy, ist schließlich noch anzumerken, dass eine Häufung solcher Einzelfälle in den Länderberichten enthalten wäre, was allerdings nicht der Fall ist. Außerdem vermag der bloße Verweis auf diese Berichte sowie auf die Berichte betreffend Polizeigewalt eine Asylrelevanz der vom BF1 bzw der BF2 geschilderten Vorfälle nicht hinreichend darlegen.
Der BF1 brachte außerdem einen Vorfall vom Dezember 2016 vor, wonach er und die BF2 etwa eine halbe Stunde nach dem Ende einer christlichen Kirchenmesse von muslimischen Männern angesprochen worden seien, die den BF1, weil er seine Frau in eine Kirche gebracht habe, ins Gesicht, am Hinterkopf und Oberkörper geschlagen hätten. Er habe das Bewusstsein verloren und die BF2 habe ihn nach Hause gefahren. Er sei anschließend zum Bezirkskommissariat gefahren, um eine Anzeige zu machen, anschließend habe er sich für das Gericht ärztlich untersuchen lassen und sei am nächsten Tag ins Spital gefahren. Es sei dann ein Strafverfahren eröffnet worden, welches nach einiger Zeit eingestellt worden sei. Dieses Vorbringen ist in seinen wesentlichen Zügen aufgrund der detaillierten Beschreibung des BF1, welche mit jener der BF2 im Wesentlichen übereinstimmt, sowie dem vorgelegten Gutachten glaubhaft, wobei sich zum Beispiel der BF1 und die BF2 in Einzelheiten widersprechen. Der BF1 gab nämlich an, die Männer hätten mit der BF2 in Kirgisisch gesprochen (Akt des BF1: AS 231), während die BF2 angab, der BF1 habe mit ihnen geredet (Akt der BF2: A 169). Der BF1 erwähnte diesen Vorfall allerdings auch in seiner Beschwerde an die XXXX , weshalb dieser in wesentlichen Zügen glaubhaft ist.
Wenn der BF1 allerdings behauptet, dass ihm bezüglich dieses Vorfalls kein staatlicher Schutz gewährt wurde, wird diese Einschätzung vom erkennenden Gericht nicht geteilt. Laut Schreiben der XXXX wurden nämlich operative Ermittlungsmaßnahmen zur Identifizierung der Täter durchgeführt, die jedoch fehlschlugen, da die meisten Bewohner des zuständigen Rayons auf die Beschreibung der Angreifer passen. Der Fall wurde aus Mangel an objektiven Beschreibungen und Zeugen eingestellt. Aus diesem Grund kann aber nicht behauptet werden, dass es keinen staatlichen Schutz gegeben hat, vielmehr scheiterte die Verfolgung der Täter an faktischen Gegebenheiten, nämlich mangelnden Zeugen, Dunkelheit und Täterbeschreibung. Weder kann aufgrund der Länderberichte davon ausgegangen werden, dass die kirgisischen Behörden generell bei Übergriffen und Bedrohungen durch Privatpersonen schutzunfähig oder schutzunwillig wären, noch haben sich im konkreten Fall des BF1 (glaubhafte) Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Behörden untätig geblieben wäre und ihn nicht schützen könnten bzw. würden.
Hinsichtlich der Konflikte mit der Familie der BF2 sowie insbesondere der Beschneidung des BF3 ohne die Einwilligung des BF1 und der BF2 kann ebenfalls nicht von einem fehlenden staatlichen Schutz ausgegangen werden, da sich der BF1 und die BF2 gar nicht an die Behörden gewendet haben. Sie hätten das aus Furcht vor den Verwandten der BF2 nicht getan.
Hinzu kommt, dass der BF1 und BF2 nach eigenen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung Ruhe von ihren Verwandten gehabt hätten und keine Übergriffe zu befürchten gehabt hätten, wenn sie zurück nach XXXX gegangen wären, wo sie auch in den Jahren 2008-2014 lebten. Auf die Frage des erkennenden Gerichts, warum sie das nicht getan hätten, konnten der BF1 und die BF2 in der mündlichen Verhandlung nur ausweichend antworten und keinen konkreten dagegensprechenden Grund angeben. Dass der Bruder der BF2, wie diese in der mündlichen Beschwerdeverhandlung angibt, alles machen kann, weil er Beziehungen zur Polizei hat, ist nicht glaubwürdig, da die BF2 nicht einmal den Beruf ihres Bruders nennen kann und diese Äußerung daher eine bloße Behauptung darstellt.
II.2.8. Die Feststellungen hinsichtlich der verneinten Gefährdungswahrscheinlichkeit sowie der gesicherten Versorgung der BF im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem in der Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebrachten Länderbericht. Aus den getroffenen Länderfeststellungen lässt sich keine derartig angespannte wirtschaftliche Situation erkennen, die eine Gefahr für die BF, in eine ausweglose Lage zu geraten, wahrscheinlich erscheinen lassen würde. Zudem verfügen der BF1 über eine langjährige und die BF2 über eine Berufserfahrung und beide über gute Ausbildungen. Der BF1 verfügt außerdem über seine Familie im Herkunftsstaat, zu welchen er eine gute Beziehung hat. Ferner ergibt sich aus den Länderfeststellungen, denen die BF im Übrigen nicht substantiiert entgegengetreten sind, dass die Verhältnisse in Kirgistan nicht das Ausmaß erreichen, um von einer Gefährdung ausgehen zu können, die in den Nahebereich des Art. 3 EMRK gelangen könnte. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die vorherrschende Korruption in Kirgistan problematisch ist und dass weiterhin Bedrohungsszenarien bestehen und Menschenrechtsverletzungen geschehen können. Aus den Länderfeststellungen lässt sich jedoch auch keine derartige Situation im Herkunftsland ableiten, wonach die BF allein aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ohne Hinzutreten individueller Faktoren in Kirgistan aktuell und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ihrer Person drohen würde oder dass ihnen im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Wäre eine Situation einer systematischen Verfolgung weiter Bevölkerungsschichten derzeit gegeben, wäre jedenfalls anzunehmen, das vor Ort tätige Organisationen, wie jene der Vereinten Nationen, diesbezügliche Informationen an die Öffentlichkeit gegeben hätten. Eine allgemeine Gefährdung von allen kirgisischen Rückkehrern wegen des Faktums ihrer Rückkehr lässt sich aus den Quellen ebenso wenig folgern.
Auch unter Berücksichtigung der Covid-19 Pandemie ergibt sich hierzu keine andere Beurteilung. Es hat sich bei den BF keine besondere Immunschwächeerkrankung oder sonstige lebensbedrohliche Erkrankung ergeben. Sie sind jung und gesund. Es wurde auch nicht vorgebracht, dass einer der BF derzeit an COVID-19 leiden würde. Die BF fallen weder in die Risikogruppe der älteren Personen noch in jene der Personen mit spezifischen physischen Vorerkrankungen, sodass auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die BF bei einer Rückkehr nach Kirgisistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegenden oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus zu gewärtigen hätten (siehe dazu die allgemein zugänglichen, wissenschaftsbasierten Informationen von WHO und CDC, der Covid-19-Risikogruppe-Verordnung (BGBl. 203. Verordnung, Jahrgang 2020, ausgegeben am 07.05.2020, Teil II), die aktuelle Überwachung der weltweiten Lage durch diese Organisationen sowie die unbedenklichen tagesaktuellen Berichte https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html ; https://covid19.who.int/ ).
Die Posttraumatische Belastungsstörung der BF2, welche aufgrund der Angst, mit der sie nach Österreich gekommen sei und dem Verlust ihres ungeborenen Kindes, eingetreten sei, stellt keine lebensbedrohliche Krankheit dar und kann bei Bedarf auch im Herkunftsstaat weiter in Form einer Therapie behandelt werden.
II.2.9. Die Feststellungen zum Schul- bzw Kindergartenbesuch sowie zu den integrativen Aspekten ergeben sich aus den Angaben des BF1 und der BF2 in den Einvernahmen vor dem BFA sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung und aus den vorgelegten Unterlagen (OZ 10).
II.2.10. Die Feststellungen zur Situation in Kirgistan beruhen auf den angeführten Quellen und wurden den BF in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht. Die BF sind ihnen nicht substantiiert entgegengetreten. Bei den herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Kirgistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich das erkennende Gericht auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.
3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das BVwG, wenn es in der Sache selbst entscheidet, die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. etwa VwGH 6.10.2020, Ra 2019/19/0332).
Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt anhängigen Verfahren, sohin auch auf das vorliegende seit 2018 anhängige Aberkennungsverfahren, anzuwenden.
Zu A)
II.3.2. Stellt gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 ein Familienangehöriger von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist (Z 1), einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist (Z 2) oder einem Asylwerber (Z 3) einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Gemäß § 34 Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (Z 1) und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status (§ 7) anhängig ist (Z 3).
Gemäß § 2 Abs 1 Z 22 lit c leg. cit. ist Familienangehöriger ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten.
BF3, BF4 und BF5 sind minderjährige Kinder des BF1 und der BF2, deren Anträge auf Gewährung desselben Schutzes gelten.
II.3.3. Asyl:
II.3.3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH v. 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH v. 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; VwGH v. 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH v. 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vgl. auch VwGH v. 16.02.2000, Zl. 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH v. 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH v. 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH v. 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; VwGH v. 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; VwGH v. 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).
Eine Verfolgung, dh. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH vom 27.01.2000, 99/20/0519, VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256, VwGH vom 04.05.2000, 99/20/0177, VwGH vom 08.06.2000, 99/20/0203, VwGH vom 21.09.2000, 2000/20/0291, VwGH vom 07.09.2000, 2000/01/0153, u.a.).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Eine Bürgerkriegssituation (bzw. die eines sonstigen bewaffneten Konfliktes) in der Heimat des Antragstellers schließt eine aus asylrechtlich relevanten Gründen drohende Verfolgung zwar nicht generell aus. Der Antragsteller muss in diesem Zusammenhang jedoch behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen (VwGH 8.7.2000, 99/20/0203).
Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 zB VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539, 17.03.2009, 2007/19/0459).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177, 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).
Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120, 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256, 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793).
II.3.3.2. Es ist, wie in der Beweiswürdigung dargelegt, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gelungen, eine asylrelevante Verfolgung des BF1 oder der BF2 bzw des BF3 aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind glaubhaft zu machen. Es sind im Verfahren jedenfalls keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass sie tatsächlich einer nachhaltigen Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt gewesen wäre, oder dass ihnen im Falle seiner Rückkehr eine solche mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen könnte.
Der BF1 bzw die BF2 machten einerseits die Verfolgung staatlicher Behörden, sowie die Verfolgung Privater geltend. Hinsichtlich jener Vorfälle im Zusammenhang mit staatlichen Agieren, ist festzuhalten, dass polizeiliche Befragungen allein nicht die geforderte erhebliche Intensität der Verfolgung erreichen (VwGH 25. 1. 2001, 2001/20/0011), kommt es im Zuge dieser aber zu Folter oder Misshandlungen, ist jedenfalls von einer aslyrelevanten Verfolgung auszugehen (VwGH 19. 12. 2001, 98/20/0330). Der BF1 wurde zwar von Polizisten misshandelt, wie in der Beweiswürdigung festgehalten, ist aber nicht erkennbar geworden, dass der BF1 wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Koreaner bzw seiner Religionsangehörigkeit Opfer dieser Misshandlungen geworden ist. Auch wenn nach den Berichten in Einzelfällen Korruption nicht auszuschließen sind, ergeben sich aus dem vorliegenden Länderbericht keine Anhaltspunkte, dass die sicherheitsbehördlichen Tätigkeiten oder die Strafrechtspflege in Kirgistan nach Grundsätzen erfolgt, die einem Verfolgungstatbestand im Sinne der GFK zuordenbar wären.
Hinsichtlich dem Vorbringen der Verfolgung durch Private, nämlich durch muslimische Männer, ist festzuhalten, dass allein der Umstand, dass ein Polizeiorgan im Herkunftsstaat nicht bereit sei, einem Schutzsuchenden vor den Auswirkungen von Kriminalität zu schützen, nicht bedeutet, dass der Herkunftsstaat generell nicht schutzfähig und schutzwillig ist. Fehlleistungen einzelner Sicherheitsorgane sind nicht auszuschließen und berühren die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit eines Staates solange nicht, als es Möglichkeiten gibt, sich dagegen zur Wehr zu setzen und auf diese Art und Weise wirksamen Schutz zu erlangen (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119). Ausgehend davon kommt es entscheidungsrelevant darauf an, ob effektiver staatlicher Schutz gewährt würde. Den einschlägigen Länderfeststellungen über Kirgisistan ist jedoch zum einen nicht zu entnehmen, dass der BF1 von den kirgisischen Sicherheitsbehörden wirksamen staatlichen Schutz gegen Straftäter nicht hätte erwarten dürfen, zum anderen wurde seinem Anbringen von der XXXX tatsächlich nachgegangen, der BF1 amtsärztlich untersucht und das Strafverfahren aufgrund faktischer Schwierigkeiten eingestellt.
Hinsichtlich den Konflikten mit der Familie der BF2 und der Beschneidung des BF3 ohne Zustimmung des BF1 und der BF2, ist festzuhalten, dass nichtstaatliche Akteure nur dann unter den Begriff des Verfolgers zu subsumieren sind, wenn die zuvor genannten staatlichen Akteure erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden iSd Art 7 StatusRL zu gewähren. Es darf allerdings darauf verwiesen werden, dass erst dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor Übergriffen bei staatlichen Stellen gesucht hat und ihm dieser nicht zu Teil geworden ist, davon ausgegangen werden kann, dass die ihm drohenden Übergriffe Dritter von staatlichen Stellen geduldet wurden (VwGH vom 17. 2. 1994, 94/19/0043; AsylGH 29. 1. 2009, B9 316.508–1/2008). Der BF1 und die BF2 haben solch einen Schutz vor Übergriffen bei staatlichen Stellen gar nicht gesucht. Schließlich könnten sich die BF weiteren Übergriffen der Familie der BF2 schlicht durch Umzug nach XXXX oder in eine andere Region Kirgistans entziehen.
II.3.3.3. Daher waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide abzuweisen.
II.3.4. Subsidiärer Schutz:
II.3.4.1. Wird einem Fremden der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt, hat die Behörde von Amts wegen zu prüfen, ob dem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist.
§ 8 Abs. 3 iVm. § 11 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Teil des Herkunftsstaates des Antragstellers, in dem für den Antragsteller keine begründete Furcht vor Verfolgung und keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht. Gemäß § 1 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter dem Herkunftsstaat der Staat zu verstehen, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.
Wird der Antrag auf internationalen Schutz eines Fremden in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ordnet § 8 Abs. 1 AsylG 2005 an, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine mögliche Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung in seinem Recht auf Leben (Art. 2 EMRK iVm den Protokollen Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe) oder eine Verletzung in seinem Recht auf Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) oder für den Fremden als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes mit sich bringen würde.
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.
Nach der Judikatur des EGMR obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behauptet, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (vgl. EGMR vom 05.07.2005 in Said gg. die Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, hat die betroffene Person auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (vgl. EGMR vom 26.07.2005 N. gg. Finnland).
Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist von der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen (vgl. EGMR vom 15.11.1996 in Chahal gg. Vereinigtes Königsreich).
Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk“, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Ob die Verwirklichung der im Zielstaat drohenden Gefahren eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch den Zielstaat bedeuten würde, ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht entscheidend.
Das Bundesverwaltungsgericht hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Asylwerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.
Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.
Den Fremden trifft somit eine Mitwirkungspflicht, von sich aus das für eine Beurteilung der allfälligen Unzulässigkeit der Abschiebung wesentliche Tatsachenvorbringen zu erstatten und dieses zumindest glaubhaft zu machen. Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer derartigen Gefahr ist es erforderlich, dass der Fremde die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert und, dass diese Gründe objektivierbar sind.
II.3.4.2. Es sind ausweislich der Länderfeststellungen keine Umstände amtsbekannt, dass in Kirgistan aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist die Situation in Kirgistan auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr der BF für diese als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.
Weder aus den Angaben der BF zu den Gründen, die für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat maßgeblich gewesen sein sollen, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.8.2001, Zl. 2000/01/0443).
Die BF leiden an keinen schwerwiegenden Erkrankungen, welche sie im Alltag oder hinsichtlich des BF1 und der BF2 in der generellen Möglichkeit, am Erwerbsleben teilzunehmen, maßgeblich einschränken würden. Weiters ist zu bedenken, dass der BF1, BF3, BF4 und die BF2 die meiste Zeit ihres Lebens in Kirgistan gelebt haben, dort die Schule/ den Kindergarten besucht/absolviert haben, mit der Sprache, den örtlichen Gegebenheiten und den Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates vertraut sind.
II.3.2.2.3. Zu der Posttraumatischen Belastungsstörung der BF2 ist auszuführen, dass es sich hierbei nicht um dermaßen akute und schwerwiegende Erkrankungen handelt, welche im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat allenfalls zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten.
Nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, wäre eine Überstellung nach Kirgisistan dann nicht zulässig, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohte.
In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 06.03.2008, B 2400/07-9, zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).
Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).
Im Folgenden soll kurz die Haltung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur Frage von krankheitsbedingten Abschiebehindernissen und einer ausreichenden medizinischen Versorgung in den Zielstaaten unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3 EMRK im Rahmen seiner authentischen Interpretation dieser Konventionsbestimmung dargestellt werden:
Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.
In der Entscheidung RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande vom 10.11.2005, Rs 35989/03 wurde die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Mazedonien für zulässig erklärt, da Psychotherapie eine gängige Behandlungsform in Mazedonien ist und auch verschiedene therapeutische Medizin verfügbar ist, auch wenn sie nicht dem Standard in den Niederlanden entsprechen möge.
Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".
Auch Abschiebungen psychisch kranker Personen nach mehreren Jahren des Aufenthalts im Aufenthaltsstaat können in Einzelfällen aus öffentlichen Interessen zulässig sein (vgl. PARAMSOTHY gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 14492/05; mit diesem Judikat des EGMR wurde präzisiert, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach neunjährigem Aufenthalt in den Niederlanden, welcher unter posttraumatischem Stresssyndrom leidet und bereits einen Selbstmordversuch hinter sich hat, zulässig ist, da spezielle Programme für Behandlungen von traumatisierten Personen und verschiedene therapeutische Medizin in Sri Lanka verfügbar sind, auch wenn sie nicht denselben Standard haben sollten wie in den Niederlanden).
In der Beschwerdesache AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04, stellte der EGMR fest, dass in Togo eine grundsätzliche adäquate Behandlung der noch nicht ausgebrochenen AIDS-Erkrankung gegeben ist und erklärte die Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig.
In der Beschwerdesache NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03, sprach der EGMR aus, dass in Tansania Behandlungsmöglichkeiten auch unter erheblichen Kosten für die in 1-2 Jahren ausbrechende AIDS-Erkrankung des Beschwerdeführers gegeben seien; es lagen auch familiäre Bezüge vor, weshalb die Abschiebung für zulässig erklärt wurde.
Die beiden letztgenannten Entscheidungen beinhalten somit, dass bei körperlichen Erkrankungen im Allgemeinen (sofern grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten bestehen; bejaht zB für AIDS in Tansania sowie Togo und für Down-Syndrom in Bosnien-Herzegowina) nur Krankheiten im lebensbedrohlichen Zustand relevant sind.
Schwere psychische Erkrankungen erreichen solange nicht die erforderliche Gravität, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist. Sollte diese allerdings schon länger als ein Jahr zurückliegen und in der Zwischenzeit nichts Nennenswertes passiert sein, dürfte von keiner akuten Gefährdung mehr auszugehen sein. Die lediglich fallweise oder auch regelmäßige Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen einschließlich freiwilliger Aufenthalte in offenen Bereichen psychiatrischer Kliniken indizieren eine fehlende Gravität der Erkrankung. Auch wenn eine akute Suizidalität besteht, ist ein Vertragsstaat nicht dazu verpflichtet, von der Durchführung der Abschiebung Abstand zu nehmen, wenn konkrete risikominimierende Maßnahmen getroffen werden, um einen Selbstmord zu verhindern. Die Zusicherung von Garantien, welche von der die Abschiebung durchführenden Polizei zu beachten sind (zB die Charterung eines eigenen, mit einem ärztlichen Team ausgestatteten Flugzeuges), reichen hierzu aus (vgl. EGMR 3.5.2007, Appl. 31.246/06; VfGH v. 6. März 2008, B 2400/07; Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren").
Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab:
In Kirgistan ist eine medizinische Grundversorgung gewährleistet. Dass die diesbezüglichen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland allenfalls schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise größere Kosten verursachen, ist gemäß der EGMR-Judikatur nicht ausschlaggebend.
Eine akute lebensbedrohende Krankheit der BF2, welche eine Überstellung in den Herkunftsstaat gemäß der dargestellten Judikatur des EGMR verbieten würde, liegt im konkreten Fall nicht vor. Auch konnte nicht konkret dargelegt werden, dass sich der Gesundheitszustand der BF2 im Falle einer Überstellung in den Herkunftsstaat verschlechtern würde.
Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich im Bedarfsfalle in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und ebenso Erk. des AsylGH vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E).
Durch eine Abschiebung der BF2 wird Art. 3 EMRK nicht verletzt und reicht es jedenfalls aus, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung verfügbar sind. Dass die Behandlung Kirgistan nicht den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder unter Umständen auch kostenintensiver ist, ist nicht relevant (vgl. insbesondere auch Urteil des EGMR vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599, Case of Bensaid v. The United Kingdom oder auch VwGH v. 7.10.2003, 2002/01/0379).
Auch unter Berücksichtigung der Covid-19 Pandemie ergibt sich hierzu keine andere Beurteilung. Es hat sich bei den BF keine besondere Immunschwächeerkrankung oder sonstige lebensbedrohliche Erkrankung ergeben. Sie sind jung und gesund. Es wurde auch nicht vorgebracht, dass einer der BF derzeit an COVID-19 leiden würde. Die BF fallen weder in die Risikogruppe der älteren Personen noch in jene der Personen mit spezifischen physischen Vorerkrankungen, sodass auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die BF bei einer Rückkehr nach Kirgisistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegenden oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus zu gewärtigen hätten (siehe dazu die allgemein zugänglichen, wissenschaftsbasierten Informationen von WHO und CDC, der Covid-19-Risikogruppe-Verordnung (BGBl. 203. Verordnung, Jahrgang 2020, ausgegeben am 07.05.2020, Teil II), die aktuelle Überwachung der weltweiten Lage durch diese Organisationen sowie die unbedenklichen tagesaktuellen Berichte https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html ; https://covid19.who.int/ ).
II.3.4.3. Daher waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide abzuweisen.
II.3.5. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und den damit verbundenen Absprüchen:
II.3.5.1. Das Bundesamt erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die BF Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG und erteilte ihnen keinen Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005.
II.3.5.2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt und von Amts wegen gemäß § 58 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).
Die BF halten sich seit 2018 bzw 2020 als Asylwerber im Bundesgebiet auf, ihr Aufenthalt war nicht iSd § 46 FPG geduldet.
Dass der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel erforderlich ist (vgl. RV 88 BlgNR 24. GP 13), haben die BF nicht behauptet und ist auch von amtswegen nicht ersichtlich.
Dass die BF Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 wurden, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist, haben die BF nicht behauptet und ist auch von amtswegen nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor.
II.3.5.3. Gemäß § 57 Abs. 2 Z 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Die BF sind keine begünstigten Drittstaatsangehörigen und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.
II.3.5.4. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).
Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind entsprechend der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfSlg. 18.224/2007, 18.135/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Vom Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z. B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, Appl. 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, Appl. 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR 20.3.1991, Cruz Varas).
Die BF führen als Familie unzweifelhaft ein Familienleben im Bundesgebiet, wobei aber alle im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sind, weswegen im Falle einer gemeinsamen Rückkehr in den Herkunftsstaat diesbezüglich kein Eingriff in das Familienleben vorliegt.
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Fall Sisojeva ua., Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Bei der Beurteilung der Frage, ob der BF in Österreich über schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031; 23.06.2015, Ra 2015/22/0026). Ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt kann den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet – unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände – ein großes Gewicht verleihen bzw. eine auf einen unrechtmäßigen Aufenthalt gegründete aufenthaltsbeendende Maßnahme als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, können solche aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ausnahmsweise auch nach einem mehr als zehn Jahre dauernden Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (s. VwGH 22.01.2013, 2011/18/0036). Zuweilen wurde – ausgehend von den zugunsten eines Fremden festgestellten Umständen – diese Rechtsprechung auch auf einen knapp zehn Jahre noch nicht erreichenden Aufenthalt angewendet (vgl. zu einem Aufenthalt von mehr als neuneinhalb Jahren VwGH 09.09.2014, 2013/22/0247). Diese Rechtsprechung betraf allerdings nur Konstellationen, in denen sich aus dem Verhalten des Fremden – abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich – sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab (s. VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0054). Umgekehrt kann auch ein langjähriger Aufenthalt des Fremden in Österreich durch sein massives strafrechtliches Fehlverhalten relativiert sein (VwGH 01.03.2016, Ra 2015/18/0247).
Die BF sind 2018 ins Bundesgebiet eingereist und seither als Asylwerber aufhältig. Das Gewicht ihres Aufenthaltes in Österreich ist auch dadurch abgeschwächt, dass sie diesen durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchten. Schon deshalb konnten sie nicht in begründeter Weise von einer zukünftigen dauerhaften Legalisierung ihres Aufenthalts ausgehen. Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ohne Hinzutritt weiterer maßgeblicher Umstände noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH vom 15.03.2016, Ra 2016/19/0031 mwN).
Die BF2 und der BF1 haben bereits in ihrer Heimat eine universitäre Ausbildung abgeschlossen und Berufserfahrung gesammelt. Es ist beiden möglich, sich wieder dort anzusiedeln. Anderweitige maßgebliche wirtschaftliche Interessen bestehen nicht. Die BF beziehen zur Sicherstellung ihres Auskommens Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber.
Die BF haben zwar Sprachkenntnisse erworben, sich ehrenamtlich betätigt, doch sind weitere, die soziale Integration verdeutlichende und vertiefende Aktivitäten bei ihnen nicht aktenkundig. Insoweit ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, als selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht, sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/18/0720 und vom 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029).
Der BF1 und die BF2 sind zwar strafgerichtlich unbescholten, doch hat dieser Umstand allein nicht das für die Annahme einer sozialen Integration zukommende Gewicht.
Der BF1, BF3, BF4 und die BF2 verbrachten den weitaus überwiegenden Teil ihres Lebens in ihrem Herkunftsstaat, besuchten dort Kindergärten, Schulen und Universitäten, waren dort bereits erwerbstätig und wurden dort sozialisiert und haben dort noch wichtige familiäre Anknüpfungspunkte. Die BF sprechen die Sprache des Herkunftslandes und deutet nichts darauf hin, dass es ihnen im Falle der Rückkehr nicht möglich sein sollte, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.
Es ist die grundsätzliche Intention des Gesetzgebers, Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bloß aufgrund der Asylantragstellung im Bundesgebiet aufhalten, zu verhindern (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479). Ihnen musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle einer Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist. Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.
Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß aufgrund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VwGH 17.3.2005, G 78/04).
In Anbetracht der erst kurzen Zeit ihres Aufenthaltes in Österreich überwiegt das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Hinblick auf die Einhaltung eines geordneten Vollzuges des Aufenthalts- und Fremdenrechts, das private Interesse der BF an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet.
Nach Maßgabe der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG begegnet es daher keinen Bedenken, dass die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes der BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Dass durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK vorläge, ist nicht ersichtlich.
Basierend auf der kurzen Dauer Ihres Aufenthaltes in Österreich und Ihrer dargelegten privaten und familiären Situation, kann nicht von einer nachhaltigen Integration, die schwerer als das öffentliche Interesse an der Effektuierung der negativen Asylentscheidung wiegen würde, ausgegangen werden. Außergewöhnliche Umstände, die dennoch im Einzelfall eine andere Beurteilung angezeigt erscheinen ließen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Soweit Kinder von einer Rückkehrentscheidung betroffen sind, sind nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (vgl. EGMR 18.10.2006, Fall Üner, Appl. 46.410/99, Z 58; 6.7.2010, Fall Neulinger ua., Appl. 1615/07, Z 146). Maßgebliche Bedeutung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter ("adaptable age"; vgl. EGMR 31.7.2008, Fall Darren Omoregie ua., Appl. 265/07, Z 66; EGMR 17.2.2009, Fall Onur, Appl. 27.319/07, Z 60; 24.11.2009, Fall Omojudi, Appl. 1820/08, Z 46; siehe dazu auch VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 bis 0219) befinden.
Die BF5 befindet sich – ebenso wie BF3 und BF4 - in einem anpassungsfähigen Alter (vgl. die vom VfGH zitierte Entscheidung des EGMR Sarumi gegen United Kingdom vom 26.01.1999, Nr. 43.279/98; VfGH 12.06.2010, U614/10) und kehrt sie in Begleitung ihrer Eltern und Geschwister in ihren Herkunftsstaat zurück, wodurch ihr die neuerliche Eingliederung in den Herkunftsstaat erleichtert wird und ihr eine Rückkehr möglich und zumutbar ist (vgl. EGMR vom 26.01.1999, Nr. 43.279/98; Dr. Peter Chvosta „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74).
II.3.5.5. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung in einen bestimmten Staat zulässig ist.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005.
Aus den in Punkt II.3.3. dargelegten Gründen droht den BF im Falle der Rückkehr keine Gefahr iSd § 3 AsylG 2005, § 50 Abs. 2 FPG.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005.
Aus den dargelegten Gründen droht den BF bei der Ansiedelung in Kirgistan keine Gefahr iSd § 8 AsylG 2005, § 50 Abs. 1 FPG.
Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Eine derartige Empfehlung besteht für Kirgistan nicht.
Die Abschiebung des BF nach Kirgisistan ist daher zulässig.
II.3.5.6. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Gemäß § 55 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
Das Bundesamt hat der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt und den BF eine zweiwöchige für die freiwillige Ausreise eingeräumt. Die BF brachten keine besonderen Umstände iSd § 55 Abs. 3 FPG vor, die sie bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen haben und sind solche auch von Amts wegen nicht zu erkennen.
II.3.5.7. Die Beschwerden sind daher, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte III. bis VI. der angefochtenen Bescheide richten, abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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