AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W208.2232517.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörigkeit IRAN, gegen den Bescheid des BUNDESAMTES FÜR FREMDENWESEN UND ASYL, Regionaldirektion TIROL, vom 25.05.2020, Zl 14-1031467900/181103678, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat nach legaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet Ende 2013 und zwischenzeitlichem Aufenthalt bei seiner Schwester in Dänemark nach einer Überstellung nach Österreich hier am 15.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 23) gestellt.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) vom 28.07.2016, Zl 14-1031467900, (AS 159) wurde dem Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 stattgegeben und ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
Darin führte das BFA begründend aus, dass der BF damals – insbesondere aufgrund seiner in Dänemark am 18.05.2014 stattgefundenen Taufe (AS 405) – glaubhaft gemacht habe, dass er zum Christentum konvertiert sei und deshalb bei einer Rückkehr einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt wäre. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
3. Am 11.11.2018 erstellte die Landespolizeidirektion TIROL einen Abschlussbericht wegen des Verdachts auf eine vom BF begangene Körperverletzung (AS 3).
4. Am 19.05.2019 stellte die Staatsanwaltschaft XXXX einen Strafantrag gegen den BF, wonach er am 02.09.2018 in XXXX im Lokal „ XXXX “ das Opfer durch Faustschläge in dessen Gesicht, die einen unverschobenen Nasenbeinbruch, Blutergüsse an beiden Augen und eine Rissquetschwunde an der Oberlippe zur Folge gehabt hätten, am Körper verletzt habe und dadurch das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 Strafgesetzbuch (StGB) begangen habe (AS 39). Dafür wurde eine Hauptverhandlung beim Bezirksgericht (BG) XXXX für den 19.09.2019 angesetzt (AS 37).
5. Am 27.11.2019 wurde die belangte Behörde vom Landesgericht XXXX (in der Folge: LG) von der Verhängung der Untersuchungshaft gegen den BF wegen §§ 28a Abs 1 Suchtmittelgesetz (SMG) ab 27.11.2019 verständigt (AS 53).
6. Mit Schreiben vom 22.12.2019 wurde an die Staatsanwaltschaft (StA) XXXX ein Abschlussbericht der Landespolizeidirektion (LPD) TIROL übermittelt, wonach der BF des Verbrechens der schweren Körperverletzung verdächtigt werde (AS 147).
7. Mit weiterem Schreiben vom 15.01.2020 wurde an die StA XXXX ein erneuter Abschlussbericht der LPD TIROL übermittelt, wonach der BF wegen § 28a Abs 1 SMG, § 50 Waffengesetz, § 22 a Abs 5 Antidopinggesetz, Fundunterschlagung, sowie falscher Beweisaussage vor der Kriminalpolizei und Vortäuschen einer mit Strafe bedrohten Handlung verdächtigt werde (AS 159).
8. Mit rechtskräftigem Urteil des LG XXXX vom 19.02.2020 zu XXXX (AS 191- 203) wurde der BF, des Verbrechens der schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 4 StGB), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel (§ 28 Abs 1 2. Satz SMG), des Verbrechens des Suchtgifthandels (§ 28a Abs 1 5. Fall SMG), des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§ 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs 2 SMG), des Vergehens des unerlaubten Waffenbesitzes (§ 50 Abs 1 Z 2 WaffG), sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs 1 StGB) schuldig erkannt und rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.
Der BF habe
I. in XXXX am 09.11.2019 das namentlich näher genannte Opfer am Körper verletzt, indem er ihm mit der Faust ins Gesicht schlug, wodurch dieser eine mehrfragmentare, gering dislozierte Nasenbeinfraktur, somit eine schwere Körperverletzung, erlitt.
II. zwischen Sommer 2019 und seiner Festnahme am 25.11.2019
1. vorschriftswidrig
a) 113 Gramm Kokain mit Reinsubstanzen zwischen 41% und 60% reinem Cocain, somit 57, 36 Gramm reines Cocain (3,8 Grenzmengen) und damit Suchtgift in einer die Grenzmenge nach § 28b SMG übersteigenden Menge erworben und mit dem Vorsatz besessen, dass davon zumindest eine Grenzmenge (16 Gramm reines Cocain) übersteigende Menge in Verkehr gesetzt werde;
b) zumindest 200 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 41 % reinem Cocain (82 Gramm reines Cocain – 5,4 Grenzmengen), damit Suchtgift in einer die Grenzmenge nach § 28b SMG mehrfach übersteigenden Menge, anderen überlassen, und zwar namentlich näher genannten Personen sowie Unbekannten;
c) unbekannte Mengen Kokain zum Eigenkonsum erworben und besessen;
2. verbotene Waffen (§17 WaffG), und zwar eine Stahlrute (§17 Abs 1 Z 6 WaffG unbefugt besessen.
3. eine Urkunde, und zwar den Führerschein einer namentlich genannten Person, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückt, dies mit dem Vorsatz, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr gebraucht werde, indem er diese in seiner Wohnung verwahrte und nicht dem Berechtigten oder dem Fundbüro übergab.
Der BF hat hierdurch das Verbrechen der schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 4 StGB), das Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel (§ 28 Abs 1 2. Satz SMG), das Verbrechen des Suchtgifthandels (§ 28a Abs 1 5. Fall SMG), das Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§ 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs 2 SMG), das Vergehen des unerlaubten Waffenbesitzes (§ 50 Abs 1 Z 2 WaffG), sowie das Vergehen der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs 1 StGB) in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen.
Den Feststellungen des Gerichtes ist zu entnehmen, dass mildernd die Unbescholtenheit, erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit mehreren Vergehen, die Begehung einer strafbaren Handlung (Körperverletzung) trotz eines anhängigen Strafverfahrens, bei der Strafbemessung zu berücksichtigen waren.
9. Mit Aktenvermerk der belangten Behörde vom 24.02.2020 (AS 251) wurde im gegenständlichen Fall ein Verfahren zur Aberkennung des Flüchtlingsstatus eingeleitet.
10. Mit Parteiengehör vom 24.02.2020 (AS 253) wurde dem BF von der belangten Behörde mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihm aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens den Status des Asylberechtigten abzuerkennen und der BF über die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die zulässige Rückkehrentscheidung und Verhängung eines Einreisverbotes in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurde ihm ein Fragebogen über seine persönlichen Lebensumstände, sein Privat- und Familienleben sowie Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat übermittelt. Dazu wurde dem BF eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt.
11. Daraufhin brachte der damals bevollmächtigte Rechtsvertreter des BF – nach gewährter Fristerstreckung – fristgerecht am 06.04.2020 eine Stellungnahme ein, in welcher er im Wesentlichen Folgendes ausführte:
Es würden sich keine Verwandten des BF mehr im Herkunftsstaat aufhalten, insbesondere die Schwester des BF lebe in Dänemark. Der BF spreche sehr gut Deutsch und sei bereits seit dem Jahr 2014 in Österreich regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er sei bis zu seiner Inhaftierung Mitglied eines Kraftsportvereins gewesen und habe in diesem Rahmen bei den Tiroler Meisterschaften mitgewirkt, wo er XXXX aufgestellt habe. Bei seiner Verurteilung des LG XXXX zu XXXX handle es sich um seine erste Verurteilung und er sei noch nie mit einem Aufenthaltsverbot oder einer Ausweisung belegt worden. Aufgrund seiner guten Deutschkenntnisse, aber auch wegen seines Engagements im Kraftsport habe sich der BF in Österreich nicht nur beruflich, sondern auch sozial integriert. Er sei vom Islam zum Christentum konvertiert und am 18.05.20214 in Dänemark getauft worden. Er habe seinen christlichen Glauben vor der Inhaftierung durch die Teilnahme an Gottesdiensten ausgelebt, aber auch in der Justizanstalt XXXX nehme der BF regelmäßig an den dort stattfindenden Gottesdiensten teil. Der BF würde seinen Glauben auch in seinem Herkunftsstaat weiterhin ausleben und nicht zum Islam zurückkehren. Es sei ihm nicht zuzumuten, dass er seine Konversion zum Christentum zur Todestrafe, jedenfalls aber zu einer langen Haftstrafe führen würde, wobei in den iranischen Haftanstalten Folter und unmenschliche Behandlung an der Tagesordnung stehen würden und solche Praktiken insbesondere gegenüber Konvertiten an den Tag gelegt würden. Die Aberkennung des Asylstatus samt Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot stehe sohin einerseits die soziale und berufliche Integration des BF in Österreich, andererseits vor allem die reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 und 3 EMRK entgegen, weil dem BF aufgrund seiner Konversion zum Christentum im Iran die Todesstrafe zumindest aber jahrelange Haft und damit einhergehende Folter und unmenschliche Behandlung drohen würden. Aus eben diesem Grunde sei dem BF auch nicht der Status des Asylberechtigten abzuerkennen bzw ihm zumindest des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.
Dazu wurden folgende Unterlagen vorgelegt:
- Konvolut an Lohnzetteln von August 2016 bis November 2019 (AS 343 – 397),
- Teilnahmebestätigungen Tiroler Meisterschaften (AS 399 – 403),
- Taufurkunde vom 18.05.2014 samt Presseartikel (AS 405 – 409).
12. Die belangte Behörde hat mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 25.05.2020 dem BF den mit Bescheid vom 28.07.2016 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs 1 Z 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aberkannt und gemäß § 7 Abs 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Absatz 1 Z 2 AsylG dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den IRAN zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wurde ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Tragende Begründung war, dass der BF wegen mehren Vergehen und zwei Verbrechen rechtskräftig verurteilt sei, wobei das vom BF begangene Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall SMG ein besonders schweres Verbrechen darstelle. Die Straftat des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall SMG stelle eine Gefahr für die Sicherheit der Allgemeinheit oder das friedliche Zusammengeben der Bevölkerung und im Sinne der von der belangten Behörde zitierten Rechtsprechung typischerweise ein besonders schweres Verbrechen iSd § 6 Abs 1 Z 4 AsylG dar, zumal sich in der Suchtmittelkriminalität eine besondere Gefährlichkeit manifestiere. Mit ihr würden üblicherweise eine hohe Begleitkriminalität und eine große Wiederholungsgefahr einhergehen. Der BF sei daher in höchstem Maße sozialschädlich, da durch seine Handlungen eine Gesundheitsgefährdung im großem Ausmaß entstehen könne, wobei zu bemerken sei, dass besonders schutzwürdige Jugendliche gefährdet seien. Durch die gewerbsmäßige Mitwirkung des BF am Suchtmittelhandel habe er dazu beigetragen, diese Gefahren zu verwirklichen. Sein Fehlverhalten sei daher außerordentlich gravierend und gefährde massiv öffentliche Interessen wie die öffentliche Ordnung und Sicherheit.
Es habe nicht festgestellt werden können, dass bei einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den IRAN für den BF eine reale Gefahr von einer Verletzung nach Art 2, Art 3 EMRK oder der Zusatzprotokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Ebenso wenig habe festgestellt werden können, dass der BF im Fall einer Rückkehr in seinem Recht auf Leben gefährdet wäre, der realen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder der Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Dass der BF im Falle einer Rückkehr einer staatlichen oder privaten Verfolgung aus Konventionsgründen ausgesetzt wäre, sei nicht festzustellen gewesen.
Es stehe zwar fest, dass dem BF zum damaligen Entscheidungszeitpunkt der Status des Asylberechtigten aufgrund seiner Konversion zum evangelischen Glauben zuerkannt worden sei. Es habe jedoch weder festgestellt werden können, dass der BF den christlichen Glauben verinnerlicht habe, noch, dass er tatsächlich noch den christlichen Glauben leben würde. Er habe keine exponierte Stellung in der christlichen Kirche und sei auch nicht bezüglich einer missionarischen Tätigkeit aufgefallen. Die behauptete Teilnahme an christlichen Messen sei dafür in keiner Weise ausreichend. Ebensowenig sei sein Verhalten in Österreich – insbesondere seine strafrechtlichen Verurteilungen und die damit verbundene kriminelle Energie, mit einem Leben nach christlichem Glauben und Werten zu vereinbaren. Daher stehe fest, dass eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsland aktuell nicht mehr bestehe und dem BF die Rückkehr aktuell zuzumuten sei.
Hinsichtlich des auf fünf Jahre befristeten Einreiseverbots stellte die belangte Behörde fest, dass der BF die Voraussetzungen des § 53 Abs 3 Z 1 FPG durch die Verurteilung zu einer unbedingten 18-monatigen Freiheitsstrafe erfüllt habe. Aufgrund des Zusammentreffens von mehreren Vergehen und zwei Verbrechen sowie die Begehung einer strafbaren Handlung trotz eines anhängigen Strafverfahrens, bestehe eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass der BF durch sein Verhalten eine Gefahr für die Gemeinschaft darstelle. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der BF in Zukunft keine weiteren derartigen strafbaren Handlungen bzw. Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung begehen werde.
13. Gegen diesen Bescheid brachte der BF durch seine zum damaligen Zeitpunkt bevollmächtigten Rechtsvertreter fristgerecht Beschwerde (eingelangt am 24.06.2020) ein. Darin wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde übersehen habe, dass der BF im Tatzeitraum selbst Suchtgift konsumiert habe, suchtgiftgewöhnt gewesen sei und sich seinen Konsum durch die entgeltliche Weitergabe von Suchtgift finanziert habe. Des Weiteren wurde auf die bereits in der Stellungnahme vom 01.04.2020 getroffenen Ausführungen verwiesen.
In rechtlicher Hinsicht wurde vorgebracht, dass die Voraussetzungen für die Aberkennung des Asylstatus nicht vorliegen würden, zumal kein besonders schweres Verbrechen iSd § 7 Abs 1 Z 1 AsylG iVm § 6 Abs 1 Z 1 AslyG vorliege bzw selbst für den Fall, die belangte Behörde eine Güterabwägung hätte treffen müssen. Die Behörde habe es überdies unterlassen, zu ermitteln, ob der BF aufgrund seiner Konversion zum Christentum die reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, Art 3 EMRK drohe. Weder der BF noch dessen Schwester seien dazu einvernommen worden, was auch für die Frage der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wesentlich gewesen wäre. Ebensowenig habe sich die belangte Behörde in diesem Zusammenhang mit der Frage, ob dem BF im Iran aufgrund der Verurteilung in Österreich ein „real risk“ einer unmenschlichen Behandlung drohe, auseinandergesetzt. Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde nicht darauf eingegangen sei, dass die Schwester des BF in Dänemark lebe und keine Verwandten des BF mehr im IRAN leben würden und daher den Bescheid mangels Würdigung dieser Informationen bei der Gesamtabwägung mit Rechtswidrigkeit durch Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet habe.
Schließlich wandte sich der BF gegen die Abschiebung in den IRAN nach § 46 FPG mangels Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit notwendig sei, und monierte die Frist für die freiwillige Ausreise insbesondere aufgrund der Auflösung seines Haushaltes seiner Mietwohnung und sprach sich gegen die Verhängung des Einreiseverbots in der Dauer von 5 Jahren aus, zumal ein Ausschöpfen der Höchstfrist ohne Bezugnahme der Umstände des Einzelfalls unzulässig sei.
14. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 24.06.2020 (beim BVwG eingelangt am 29.06.2020) von der belangten Behörde vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Aufgrund COVID bedingter Einschränkungen und der Haftdauer des BF wurde der Akt erst in Jänner 2021 in Bearbeitung genommen und der Rechtsvertreter des BF am 22.01.2021 aufgefordert, fünf Zeugen für die christliche Lebensweise des BF zur Einvernahme in einer anzuberaumenden Verhandlung namhaft zu machen (ON 2). Der Rechtsvertreter teilte daraufhin mit, dass das Vollmachtsverhältnis aufgelöst worden sei.
15. Ebenfalls am 22.01.2021 ersuchte das BVwG die zuständige Justizvollzugsanstalt (in der Folge: JA) um Übermittlung eines Auszuges aus der Haft- bzw Vollzugs-Information und eines Führungszeugnisses, sowie um Übermittlung eines aktuellen Vollzugsberichtes zum Verhalten des BF, insbesondere im Hinblick auf religiöse/christliche Aktivitäten. Daraufhin teilte die JA per E-Mail am selben Tag mit, dass der BF bereits am 25.11.2020 bedingt entlassen worden sei und übermittelte einen Auszug aus der Vollzugs-Information, ging jedoch nicht auf das Verhalten des BF während der Haft und auf dessen religiöse Aktivitäten ein (ON 3).
16. Mit Auskunftsersuchen des BVwG vom 02.02.2021 (ON 6) wurde die JA sodann ersucht mitzuteilen, 1.) ob es während der Haft disziplinäre Probleme gegeben habe, 2.) ob der BF während der Haft Kontakt zu einem Seelsorger gesucht habe und wenn ja, wie oft und welcher Religion dieser angehöre, 3.) ob der BF in der Haft gearbeitet habe und wenn ja was, sowie 4.) von wem der BF in der Haft Besuch bekommen habe?
17. Mit daraufhin am 10.02.2021 übermitteltem E-Mail teilte die JA Folgendes mit (ON 8):
Der BF sei insgesamt drei Mal negativ in Erscheinung getreten, dazu wurden vorgelegt:
- Meldung von Ordnungswidrigkeiten vom 27.01.2020 nach § 107 Abs 1 Z 5 (Besitz von nicht ordnungsgemäß überlassenen Gegenständen) und Z 10 (Pflichtverletzung) Strafvollzugsgesetz (StGV), wonach beim ihm gehortete Tabletten und ein USB-Stick in Socken gefunden wurden.
- Meldung von Ordnungswidrigkeiten vom 22.07.2020, wonach der BF und andere Insassen von der Arbeit in der Anstaltsküche aufgrund mehrerer Meldungen bezüglich Mobiltelefone und Tabletten und ihrer mangelnden Arbeitsleistung abgelöst wurden.
- Meldung von Ordnungswidrigkeiten vom 22.07.2020 nach § 107 Abs 1 Z 2 (unerlaubter Verkehr), § 107 Abs 1 Z 5 (nicht ordnungsgemäß überlassene Gegenstände), § 107 Abs 1 Z 10 (Pflichtverletzung), wonach bei dem BF ein Mobiltelefon samt Netzwerkstecker und USB-Ladekabel gefunden wurde.
Des Weiteren wurde ein Dokument vorgelegt, wonach der BF während seiner Inhaftierung von 10.03.2020 bis 08.07.2020 und vom 09.07.2020 bis 22.07.2020 in der Anstaltsküche und von 01.09.2020 bis 25.11.2020 als Hausarbeiter beschäftigt war.
Aus der ebenfalls vorgelegten Besucherliste, waren insgesamt 27 Besuche vermerkt, die der BF während seiner Haft bekommen hat, darunter u.a. neben seinem Rechtsvertreter die vom BF als Zeugin bekannt gegebene XXXX (in der Folge: BK).
Darüber hinaus wurde mitgeteilt, dass die Kontakte mit dem Seelsorger nicht aufgezeichnet würden.
18. Mit direkt an den BF adressiertem Schreiben vom 02.02.2021 forderte das BVwG den BF auf innerhalb einer Frist von 3 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens 5 Zeugen namhaft zu machen, die über seine christlichen Aktivitäten in den letzten zwei Jahren Auskunft geben können (ON 7). Aufgrund des erfolglos gebliebenen Zustellversuches ersuchte das BVwG die PI XXXX um persönliche und eigenhändige Zustellung an den BF an seiner gemeldeten Wohnadresse sowie die Unterfertigung einer entsprechenden Übernahmebestätigung. Diese Zustellung erfolgte sodann nachweislich am 06.03.2021 (ON 9).
19. Daraufhin gab der BF fristgerecht am 20.03.2021 – von der E-Mail Adresse des XXXX (in der Folge: MF) – fünf namentlich genannte Zeugen inkl. Ladungsadresse bekannt (ON 10): MF, BK, Lara B XXXX , Hannes N XXXX , Robert N XXXX .
20. Mit Schreiben vom 12.05.2021 wurde der BF, das BFA sowie der Zeuge MF und die Zeugin BK für eine Verhandlung vor dem BVwG am 02.07.2021 an der Außenstelle XXXX geladen (ON 12) und wurden der BF und das BFA in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das BVwG beabsichtigt das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran, in der neuesten Version (COI-CMS https://staatendokumentation.at bzw. https://ecoi.net ) als Feststellungen zur Situation im Iran seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Des Weiteren wurde der BF darüber informiert, dass die Möglichkeit bestehe, sich durch einen Rechtsberater der Bundesagentur- für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU) vertreten zu lassen und dazu ein entsprechendes Beiblatt übermittelt.
Die Zustellung an den BF musste neuerlich durch die Polizei erfolgen (da die davor hinterlegte Ladung nicht behoben wurde) und erfolgte laut übermittelter Übernahmebestätigung nachweislich am 18.06.2021 (ON 15).
21. Das BVwG führte am 02.07.2021 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der unvertretene BF eine Stunde zu spät erschien (Er gab an keine Vertretung zu brauchen [VHS 4] und zuerst irrtümlich beim falschen Gericht gewesen zu sein [VHS 6]). Die geladene Zeugin BK erschien und wurde einvernommen. Der weitere ordnungsgemäß geladene Zeuge MF erschien mit der Begründung, dass er Nachttaxifahrer sei und verschlafen habe, nicht, obwohl der BF angab diesen noch am Vortag getroffen und über die Verhandlung gesprochen zu haben (VHS 12).
Der BF wurde ausführlich zu seiner Person, seiner Strafhaft, seinem Glauben, sowie Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alles umfassend darzulegen und zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten, dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (COI) – Iran, vom 02.07.2021, Version 3, Stellung zu nehmen.
Dabei legte der BF folgende Unterlagen vor:
- zwei Ausdrucke über Reservierungsbestätigungen zur Teilnahme an Gottesdiensten am 20.06.2021 und am 27.06.2021 um 10 Uhr in der freien evangelischen Gemeinde XXXX (Beilage A./ und B./).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen
1.1. Zur Person und ihrem Netzwerk
Der BF führt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in TEHERAN geboren. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Iran und Angehöriger der Volksgruppe der Perser. Er ist mit dem muslimischen Glauben aufgewachsen und hat sich nach seiner Flucht nach Europa Ende 2013 in Dänemark am 18.05.2014 einer christlichen (evangelischen) Taufe unterzogen (AS 405). Er ist ledig und kinderlos.
Seine Muttersprache ist Farsi, außerdem spricht er noch Englisch, und verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2.
Der BF reiste Ende 2013 legal mit einem Touristenvisum in das österreichische Bundesgebiet ein. Danach flog er weiter nach Dänemark zu seiner Schwester, wo er zuerst einen Asylantrag stellte. Aufgrund des österreichischen Visums wurde er am 15.09.2014 von Dänemark nach Österreich überstellt und stellte am 15.09.2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 29, 152). Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.07.2016, Zl 14-1031467900, (AS 159) wurde dem BF der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Der BF hat bis zu seiner Ausreise in TEHERAN gelebt und hat dort zwölf Jahre lang die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen (AS 150). Anschließend hat er von ca 2006 bis 2014 im Iran sowohl selbstständig auf dem Bazar als auch angestellt in einem Fitnessstudio als Verkäufer für Ernährungsmittel für Sportler und Bodybuilder-Trainer gearbeitet (AS 151).
Der BF hat folgende Angehörige im Iran (seine diesbezüglichen Angaben in der Beschwerde und schriftlichen Stellungnahme seines damaligen Rechtsvertreters, wonach er keine Verwandten im Iran mehr habe, waren falsch):
Seine Mutter lebt noch in TEHERAN (dzt rund 8,5 Mio Einwohner). Mit seiner Mutter steht der BF in regelmäßigem Kontakt. Er telefoniert jeden Tag mit ihr und sie kommt ihn zweimal im Jahr in Österreich besuchen (VHS 8).
Sein Vater lebt in XXXX (dzt rund 300.000 Einwohner) und besitzt dort Grundstücke. Zusätzlich besitzt die Familie des BF nördlich von TEHERAN 12 ha Obstgarten. Sein Bruder lebt ebenfalls in XXXX . Mit seinem Bruder und seinem Vater steht er ebenfalls in regelmäßigem telefonischen in Kontakt (AS 150, VHS 8).
Zudem hat er eine Schwester in Dänemark, zu welcher er ein gutes Verhältnis pflegt und die ihn immer wieder finanziell unterstützt hat. Er telefoniert jeden Tag mit ihr und er fährt sie öfters in Dänemark besuchen (VHS 8, 14).
1.2. Zum Leben in Österreich:
Der BF hat anfangs von Oktober 2014 bis Juli 2016 in Österreich gemeinnützig in einem Asylheim als Koch gearbeitet und stand zunächst in der Grundversorgung (AS 154, AS 340). Danach bestritt er seinen Lebensunterhalt von August 2016 bis Juli 2018 als Koch in einer Berufsschule (AS 340). Vor seiner Strafhaft war der BF für einen Zeitraum von ca. 2 Jahren als Security-Mitarbeiter – darunter in XXXX in dem Nachtlokal („ XXXX “) als Türsteher und als Security bei XXXX – beschäftigt (AS 340, VHS 5) (vgl Lohnzettel AS 343 – 397).
Der BF arbeitet seit ca. drei Monaten bei einer Leasingfirma und ist darüber bei einer anderen Firma ( XXXX ) angestellt. Er arbeitet dort als Schichtarbeiter. Laut Lohnzettel von Mai 2021 hat er 1.297,15 € verdient (VHS 4).
Der BF ist arbeits- und selbsterhaltungsfähig.
Der BF hat Deutschkurse besucht und sich Deutschkenntnisse – nachweislich bis zu A2 – angeeignet, spricht aber deutlich über diesem Niveau Deutsch.
Der BF ist gesund, nicht immungeschwächt und leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Er trainiert regelmäßig Kraftsport und hat in der Vergangenheit damit auch an Wettbewerben teilgenommen (VHS 5).
Der BF war bis zu seiner Inhaftierung Mitglied in einem Kraftsportverein und hat immer wieder bei Wettbewerben mitgewirkt und dabei auch vordere Platzierungen erreicht. Er hat den XXXX aufgestellt (AS 340, AS 399 – 403). Der BF betreibt immer noch regelmäßig Sport (VHS 5).
Abgesehen davon ist der BF kein Mitglied eines Vereines oder einer anderen Organisation in Österreich. Insbesondere ist er kein aktives Mitglied einer Kirchengemeinde.
Am 19.05.2019 wurde ein Strafantrag gegen den BF gestellt, wonach er am 02.09.2018 in XXXX im Lokal „ XXXX “ jemanden durch Faustschläge in dessen Gesicht, am Körper verletzt habe (AS 39).
Am 09.11.2019 hat der BF vor demselben Lokal einem Gast mit einem Faustschlag ins Gesicht verletzt.
Am 27.11.2019 wurde über den BF die Untersuchungshaft wegen §§ 28a Abs 1 SMG verhängt (AS 47, 53).
Es wird festgestellt, dass vom BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
Der BF hat sich vom 25.11.2019 bis zu seiner vorzeitigen bedingten Entlassung am 25.11.2020 in Haft befunden. Während der Haft war der BF der JA XXXX zugeteilt und ist dort insgesamt drei Mal negativ in Erscheinung getreten:
- Ordnungswidrigkeiten nach § 107 Abs 1 Z 5 Strafvollzugsgesetz (StGV) (Besitz von nicht ordnungsgemäß überlassenen Gegenständen) und Z 10 leg. cit. (Pflichtverletzung), wonach am 27.01.2020 beim im BF gehortete Tabletten und ein USB-Stick in Socken gefunden wurden.
- Ordnungswidrigkeit, wonach der BF und andere Insassen am 22.07.2020 von der Arbeit in der Anstaltsküche aufgrund mehrerer Meldungen bezüglich Mobiltelefone und Tabletten und ihrer mangelnden Arbeitsleistung abgelöst wurden.
- Ordnungswidrigkeiten nach § 107 Abs 1 Z 2 (unerlaubter Verkehr), § 107 Abs 1 Z 5 (nicht ordnungsgemäß überlassene Gegenstände), § 107 Abs 1 Z 10 (Pflichtverletzung), wonach am 22.07.2020 bei dem BF ein Mobiltelefon samt Netzwerkstecker und USB-Ladekabel gefunden wurde.
Das o.a. Verhalten des BF wurde in der Justizanstalt gemeldet und wurde der BF in allen Fällen abgemahnt.
Von 10.03.2020 bis 08.07.2020 und vom 09.07.2020 bis 22.07.2020 war der BF zur Arbeit in der Anstaltsküche zugeteilt. Aufgrund seiner mangelnden Arbeitsleistung war er danach von 01.09.2020 bis 25.11.2020 als Hausarbeiter beschäftigt.
Der BF wurde laut Besucherliste (ON 8) 27-mal im Gefängnis besucht. Darunter befanden sich – neben seinem Rechtsvertreter, der Staatsanwaltschaft, Polizei etc. – bei den persönlichen Kontakten einmal am 05.03.2020 seine Schwester, im Februar 2020 zweimal ein Bekannter, und 8 Mal BK, die Ex-Freundin des BF, die ihn zwischen 18.05.2020 und 05.10.2020 regelmäßig besucht hat.
In Österreich leben keine Verwandten des BF. Der BF lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft.
Der BF hat in Österreich vereinzelte Bekannte und freundschaftliche Beziehungen, insbesondere zu den vom ihm namhaft gemachten Zeugen, darunter einen Nachbarn, einen Ex-Arbeitskollegen, MF und BK. MF hat den BF jedoch nie im Gefängnis besucht. BK ist eine Ex-Freundin des BF, zu der dieser noch eine freundschaftliche Beziehung pflegt (VHS 9), und die ihn regelmäßig im Gefängnis besucht hat. Es liegt jedoch kein besonderes Abhängigkeits- oder Naheverhältnis von bzw. zu diesen oder anderen Personen in Österreich vor.
Der BF gehört im Hinblick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe hinsichtlich COVID 19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der BF bei einer Rückkehr nach Iran eine COVID 19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.
1.3. Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten:
Mit rechtskräftigem Urteil des LG XXXX vom 19.02.2020 zu XXXX wurde der BF, des Verbrechens der schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 4 StGB), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel (§ 28 Abs 1 2. Satz SMG), des Verbrechens des Suchtgifthandels (§ 28a Abs 1 5. Fall SMG), des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§ 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs 2 SMG), des Vergehens des unerlaubten Waffenbesitzes (§ 50 Abs 1 Z 2 WaffG), sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs 1 StGB) schuldig erkannt und rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.
Der BF habe
I. in XXXX am 09.11.2019 das namentlich näher genannte Oper am Körper verletzt, indem er ihm mit der Faust ins Gesicht schlug, wodurch dieser eine mehrfragmentare, gering dislozierte Nasenbeinfraktur, somit eine schwere Körperverletzung, erlitt.
II. zwischen Sommer 2019 und seiner Festnahme am 25.11.2019
1. vorschriftswidrig
a) 113 Gramm Kokain mit Reinsubstanzen zwischen 41% und 60% reinem Cocain, somit 57, 36 Gramm reines Cocain (3,8 Grenzmengen) und damit Suchtgift in einer die Grenzmenge nach § 28b SMG übersteigenden Menge erworben und mit dem Vorsatz besessen, dass davon zumindest eine Grenzmenge (16 Gramm reines Cocain) übersteigende Menge in Verkehr gesetzt werde;
b) zumindest 200 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 41 % reinem Cocain (82 Gramm reines Cocain – 5,4 Grenzmengen), damit Suchtgift in einer die Grenzmenge nach § 28b SMG mehrfach übersteigenden Menge, anderen überlassen, und zwar namentlich näher genannten Personen sowie Unbekannten;
c) unbekannte Mengen Kokain zum Eigenkonsum erworben und besessen
2. verbotene Waffen (§17 WaffG), und zwar eine Stahlrute (§17 Abs 1 Z 6 WaffG unbefugt besessen.
3. eine Urkunde, und zwar den Führerschein einer namentlich genannten Person, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückt, dies mit dem Vorsatz, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr gebracht werde, indem er diese in seiner Wohnung verwahrte und nicht dem Berechtigten oder dem Fundbüro übergab.
Der BF hat hierdurch das Verbrechen der schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 4 StGB), das Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel (§ 28 Abs 1 2. Satz SMG), das Verbrechen des Suchtgifthandels (§ 28a Abs 1 5. Fall SMG), das Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§ 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs 2 SMG), das Vergehen des unerlaubten Waffenbesitzes (§ 50 Abs 1 Z 2 WaffG), sowie das Vergehen der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs 1 StGB) in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen.
Das LG XXXX stellte als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit mehreren Vergehen und die Begehung einer strafbaren Handlung (Körperverletzung) trotz eines anhängigen Strafverfahrens, fest. Als mildernd wurde seine bisherige Unbescholtenheit, gewertet.
Das vom BF begangene Verbrechen des Suchtgifthandels (§ 28a Abs 1 5. Fall SMG), stellt ein besonders schweres Verbrechen dar.
Das schwerwiegende Fehlverhalten des BF und des sich daraus ableitbaren Persönlichkeitsbildes lässt auf eine sozialschädliche Neigung zur Missachtung der österreichischen Rechtsvorschriften schließen.
Der BF ist aufgrund der Schwere seiner Straftat und seines Persönlichkeitsbildes als Gefahr für die Gemeinschaft einzuschätzen.
Ein weiterer Aufenthalt seiner Person würde eine erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen an der Verhinderung von Straftaten darstellen, zumal auf Grundlage seines bisher gesetzten Verhaltens die Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit zu prognostizieren ist.
1.4. Zur behaupteten Konversion des BF
Im Bescheid des BFA vom 28.07.2016 wurde dem BF der Staus des Asylberechtigten aufgrund der damals glaubhaft gemachten Konversion zum Christentum zuerkannt und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der BF sich am 18.05.2014 in Dänemark einer christlichen (evangelischen) Taufe unterzogen hat (AS 405).
Der BF hat seit dem Zeitpunkt der Asylzuerkennung seinen christlichen Glauben jedoch weder nach außen getragen und offen gelebt noch sich entsprechend einer inneren Überzeugung und eines christlichen Wertverständnisses verhalten, wie in Folge näher dargestellt:
Der BF hat nur mehr bis zur Zuerkennung seine Asylstatus im Jahr 2016 regelmäßig Gottesdienste besucht (VHS 5). Er hat sich nunmehr lediglich für zwei Gottesdienste kurz vor der mündlichen Verhandlung (am 20.06.2021 und am 27.06.2021) in der freien evangelischen Gemeinde XXXX angemeldet (Beilage A./ und B./). Davor gab er an, keine Zeit dafür gehabt zu haben, weil er gearbeitet habe (VHS 5).
Während der Haft hat der BF zwar zweimal von einem dortigen evangelischen Pfarrer Besuch bekommen, und hat nach seinen eigenen (mangels Aufzeichnungen unüberprüfbaren Angaben) an den montäglichen Gottesdiensten teilgenommen, jedoch hat er sich während dieser Zeit nicht aktiv darum bemüht Unterstützung von einem geistlichen Seelsorger zu bekommen, was angesichts seiner Situation aber zu erwarten gewesen wäre (VHS 7). Er wurde auch (mit Ausnahme seiner Schwester aus Dänemark) von keinem Mitglied der evangelischen Kirche besucht oder hat ein solches als Zeugen oder Zeugin für das Verfahren beim BVwG namhaft gemacht (VHS 9).
Der BF verfügt über nur rudimentäre Grundkenntnisse zum Christentum und zum evangelischen Glauben. So konnte er nur einen Bruchteil der zehn Gebote und kirchlichen Feiertage nennen (VHS 12).
Die christliche Glaubensüberzeugung ist aktuell nicht derart ernsthaft, dass sie Bestandteil der Identität und inneren Überzeugung des BF ist. Es ist daher nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass sich der BF im Falle einer Rückkehr nach Iran privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen oder darunter leiden wird, weil er nicht als Christ leben kann. Der BF tritt nicht spezifisch gegen den Islam oder die Politik im Iran generell auf. Er hat diesbezüglich keine Verhaltensweisen verinnerlicht, die in der Anonymität der iranischen Großstädte bei einer Rückkehr nach Iran als Glaubensabfall gewertet werden würden.
Der BF ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht, dies in Zukunft zu tun. Aufgrund seine geringen Kenntnisse vom Christentum wäre ihm das auch nicht möglich. Die Verwandten / Freunde des BF im Iran wissen von den oben festgestellten christlichen Aktivitäten des BF in Österreich Bescheid (VHS 8). Von ihnen geht jedoch keine Bedrohung aus. Seine Facebook-Aktivitäten sind sehr eingeschränkt und zeigen Familienfotos. Der BF hat auch selbst angegeben, dass er kein politischer Mensch ist (VHS 9). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der iranische Staat von den Verurteilungen des BF in Österreich erfahren würde.
Eine grundlegende und verfestigte Änderung der Lebensführung des BF, in der die Anerkennung oder die Ausübung der christlichen Glaubensprinzipien zum Ausdruck kommt, und dass diese zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Identität geworden sind, liegt zusammengefasst nicht vor.
Der BF brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.
1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat
Das BVwG trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
1.5.1. Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (COI) zu Iran, Stand 01.07.2021, Version 3, ergibt sich:
COVID-19
Iran gilt als eines der am stärksten von Corona betroffenen Länder (DW 18.11.2020) und ist als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko (Hochinzidenzgebiet) eingestuft, da das Land von einer erneuten COVID-19-Infektionswelle stark betroffen ist. Aktuelle Informationen und detaillierte Zahlen bieten das iranische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation WHO (AA 16.6.2021). Nach dem persischen Neujahrsfest Norouz Ende März hatten viele Iraner trotz Warnungen von Präsident Hassan Rohani Verwandte besucht. Danach stiegen die Infektionszahlen stark an. Die Regierung reagierte darauf mit einem Teil-Lockdown (SZ 1.5.2021). Mittlerweile scheint sich die Zahl der Infektionen einigermaßen stabilisiert zu haben, deshalb wurden einige der bisherigen Beschränkungen aufgehoben bzw. gelockert. Neben den Geschäften und Institutionen der Kategorie 1, also essentiell notwendigen, dürfen auch solche der Kategorie 2, also ein Großteil des Einzelhandels, auch in Einkaufszentren und Basaren, öffnen. Obwohl die Zahl der Neuinfektionen mittlerweile leicht im Abnehmen begriffen ist, ist sie allerdings immer noch hoch (WKO 10.5.2021). Auch die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist weiterhin sehr hoch (WKO 10.5.2021; vgl. DW 23.4.2021), verschiedentlich gibt es noch Engpässe bei der Versorgung mit Schutzausrüstung und Medikamenten. Der Großraum Teheran und zahlreiche andere Städte wurden von der höchsten, 'roten' Gefahrenstufe auf 'orange' zurückgestuft (WKO 10.5.2021).
Personen, die nach Iran auf dem Luftweg einreisen wollen, haben einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 aus dem Abreisestaat in englischer Sprache mit sich zu führen und vorzuweisen. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als 72 Stunden sein. Kann das Gesundheitszeugnis nicht vorgelegt werden, wird ausländischen Staatsangehörigen die Einreise nach Iran verwehrt. Iranische Staatsangehörige (Doppelstaatsbürger reisen in der Regel mit ihrem iranischen Reisepass ein) werden unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums in ein Flughafenhotel eingewiesen, dessen Kosten selbst zu tragen sind. Mit eigenhändiger Unterschrift ist zu bestätigen, dass das Hotel nicht verlassen werden darf. Die 14-tägige Quarantäne kann durch einen negativen molekularbiologischen Test beendet werden (BMeiA 16.6.2021). Reisende können bei Einreise zusätzlich zu ihrem gesundheitlichen Befinden befragt und bei COVID-19-Symptomen ärztlich untersucht werden. Ein erneuter COVID-19-Test kann von den iranischen Behörden angeordnet und durchgeführt werden. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses wird Selbstisolation angeordnet. Bei positivem Testergebnis erfolgt eine rigorose Kontrolle der Kontaktpersonen, und es ergehen weitere verpflichtende Anweisungen der iranischen Behörden. Alle entstehenden Kosten sind von den Reisenden zu tragen. Die Verfahren können sich kurzfristig ändern. Abweichende Handhabungen sind jederzeit möglich (AA 16.6.2021).
In Teheran gilt von 21 Uhr bis 3 Uhr ein Fahrverbot für Privatfahrzeuge. Es kommt, abgesehen vom Lebensmittelhandel und systemrelevanten Einrichtungen, abhängig vom örtlichen Infektionsgeschehen, ebenfalls zu landesweiten Betriebsschließungen (BMeiA 16.6.2021). Private Personenkraftwagen dürfen den auf den Kennzeichen angeführten Zulassungsbezirk nicht verlassen. Eine Ausnahme besteht für die Bezirke Teheran und Karaj, da täglich mehrere Millionen Berufspendler zwischen den beiden Orten verkehren. Die Beschränkungen gelten nicht für den öffentlichen Verkehr, Taxis und Internettaxis. In Behörden ist die Anwesenheit der Beschäftigten reduziert. In Orten der Warnstufe 'rot' müssen Handelsunternehmen, die nicht wie Apotheken oder Lebensmittelhändler dringende Bedürfnisse abdecken, schließen (WKO 10.5.2021). Auch Touristen- und Ausflugsziele bleiben teilweise geschlossen. Camping in öffentlichen Parks ist grundsätzlich untersagt (AA 16.6.2021). In allen Schulen und Universitäten wird auf teilweise Fernunterricht umgestellt. Religiöse und kulturelle Veranstaltungen dürfen nur in reduzierter Form stattfinden. Die Maßnahmen gelten auf unbestimmte Zeit (WKO 10.5.2021).
Die iranischen Behörden rufen weiterhin dazu auf, möglichst soziale Kontakte und Reisen zu vermeiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen und den Öffentlichen Personennahverkehr zu meiden. Es gilt eine generelle Maskenpflicht an allen öffentlichen Orten, in geschlossenen Räumlichkeiten sowie im öffentlichen Nahverkehr. Künftig soll die Polizei stärker gegen Verstöße vorgehen, Strafen für Verstöße gegen die Auflagen wurden angekündigt (AA 16.6.2021).
Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd. USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62 bzw. 124 USD erhalten (WKO 10.5.2021).
Nach wiederholten Ankündigungen über die baldige Produktion iranischer Corona-Impfstoffe gab Präsident Hassan Rohani im April 2021 zu, dass im Land produzierte Impfdosen im besten Fall ab Ende des Sommers 2021 zur Verfügung gestellt werden könnten. Rohani lud Firmen und Geschäftsleute ein, im Auftrag der Regierung Corona-Impfstoffe aus dem Ausland zu importieren. Die Regierung selbst könne keine Corona-Impfdosen importieren, weil die US-Sanktionen deren Einfuhr behindere. Die Tatsache, dass die Regierung sich erst sehr spät für den Kauf ausländischer Impfstoffe entschieden hat, erwähnte der Präsident nicht. Laut iranischen Medien gibt es schon jetzt einen florierenden Schwarzmarkt für illegal importierte Corona-Impfdosen in Teheran. Viele verzweifelte und schwerkranke Menschen suchen auf dem Schwarzmarkt nach preiswerten Impfdosen. Je nach Hersteller werde die Einzeldosis Impfstoff für bis zu 2.000 Euro verkauft (DW 23.4.2021). Laut iranischen Behörden, wurde am 13.6.2021 eine Notfallgenehmigung für einen im Inland entwickelten Impfstoff (COVIran Barekat) gegen COVID-19 erteilt. Der Schritt kommt aufgrund der erwähnten Probleme mit dem Import von genügend Impfstoffen (RFE/RL 14.6.2021).
[…]
Rechtsschutz / Justizwesen
Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2020). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Dieser ist laut Artikel 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vgl. BS 2020). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer (Iranian Bar Association; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt (AA 26.2.2020). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 3.3.2021).
Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (USDOS 30.3.2021). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 13.1.2021; vgl. AA 26.2.2020, HRC 11.1.2021). Die Behörden setzen sich ständig über Bestimmungen hinweg, wie z.B. das Recht auf einen Rechtsbeistand (AI 7.4.2021; vgl. HRW 13.1.2021). In einigen Fällen wurde in Abwesenheit der Angeklagten verhandelt, weil man sie nicht über ihre Verhandlungstermine informiert oder sie nicht vom Gefängnis zum Gericht transportiert hatte (AI 7.4.2021).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
Wenn sich Gesetze nicht mit einer spezifischen Rechtssituation befassen, dann dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen 'göttlichen Wissens' [divine knowledge] für schuldig befinden (USDOS 30.3.2021).
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die 'Sondergerichte für die Geistlichkeit' sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015; vgl. BS 2018).
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:
- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere 'Feindschaft zu Gott' und 'Korruption auf Erden';
- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;
- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;
- Spionage für fremde Mächte;
- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;
- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).
Viele Gerichtsverfahren finden hinter verschlossenen Türen statt. Bei Verfahren vor Revolutionsgerichten herrscht offene Feindseligkeit gegenüber den Angeklagten, und Anschuldigungen von Sicherheits- und Geheimdiensten werden als Tatsachen behandelt, die bereits feststehen. Erzwungene 'Geständnisse', die unter Folter und anderen Misshandlungen zustande kommen, werden vor Beginn der Prozesse im Staatsfernsehen ausgestrahlt. Gerichte nutzen sie durchweg als Beweismittel und begründen damit Schuldsprüche, selbst wenn die Angeklagten ihre Aussagen widerrufen. In vielen Fällen bestätigen Berufungsgerichte Schuldsprüche und Strafen, ohne eine Anhörung abzuhalten. Häufig weigern sich Gerichte, Angeklagten, die wegen Straftaten in Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit verurteilt wurden, das Urteil in schriftlicher Form zukommen zu lassen (AI 7.4.2021).
Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020). Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden (AA 26.2.2020). Die Amputation z.B. eines Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen (Qisas), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann (ÖB Teheran 10.2020). Bei derartigen Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes (Diya) auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 26.2.2020). Durch Erhalt einer Kompensationszahlung (Diya) kann der ursprünglich Verletzte auch auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom 'Geschädigten' gegen Diya verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2020). Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden (AA 26.2.2020).
Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten – wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit – dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab-Pflicht (AA 26.2.2020).
Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).
Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen (AA 26.2.2020).
Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 26.2.2020).
Sicherheitsbehörden
Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enqhelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Die Revolutionsgarde und die nationale Armee (Artesh) sorgen für die externe Verteidigung. Die zivilen Behörden behalten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Trotzdem können Angehörige der Sicherheitskräfte Misshandlungen begehen, ohne befürchten zu müssen, bestraft zu werden (USDOS 30.3.2021). Organisatorisch sind die Basij den Revolutionsgarden unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut macht. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 10.2020).
Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst (AA 26.2.2020). Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden und den Basij Milizen unterstützt. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BS 2020).
Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den Revolutionsgarden (BS 2020). Letztere nehmen eine Sonderrolle ein, ihr Auftrag ist formell der Schutz der Islamischen Revolution. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben die Revolutionsgarden neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 3.3.2021). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der Revolutionsgarden Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist also aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Präsident Hassan Rohani versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vgl. BS 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben – nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).
Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).
Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem 'Hohen Rat für den Cyberspace' beschäftigt sich die iranische Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).
Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete (BS 2020). Der Oberste Führer hat die höchste Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen, darunter Folter, Verschwindenlassen und Gewaltakte gegen Demonstranten und Umstehende bei öffentlichen Demonstrationen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (USDOS 30.3.2021). In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).
Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2020).
Folter und unmenschliche Behandlung
Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Dennoch sind psychische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung bei Verhören und in Haft, insbesondere in politischen Fällen, durchaus üblich (AA 26.2.2020; vgl. USDOS 30.3.2021, DIS 7.2.2020). Folter betrifft vorrangig eben diese nicht registrierten, aber auch offizielle Gefängnisse - insbesondere den berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 26.2.2020). Folter und andere Misshandlungen sind nach wie vor weit verbreitet und werden systematisch angewendet, vor allem während Verhören (AI 7.4.2021). Zudem wurden 2020 mindestens 160 Personen zu Peitschen- bzw. Stockhieben verurteilt sowohl wegen Diebstahls oder Überfällen als auch wegen Handlungen, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z.B. Beteiligung an friedlichen Protesten, außereheliche oder einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen sowie Teilnahme an Feiern, bei denen sowohl Männer als auch Frauen anwesend waren. In vielen Fällen wurden die Auspeitschungen vollstreckt (AI 7.4.2021). Berichten zufolge unterhalten Behörden abseits des nationalen Gefängnissystems auch noch inoffizielle, geheime Gefängnisse und Haftanstalten, in denen Missbrauch stattfindet (USDOS 30.3.2021).
Bei Delikten, die im Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischt-geschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 10.2020). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser sowie die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021).
Folter und andere Misshandlungen geschehen häufig in der Ermittlungsphase (HRC 8.2.2019; vgl. DIS 7.2.2020), um dadurch Geständnisse zu erzwingen (HRC 8.2.2019; vgl. HRW 13.1.2021). Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidigern und jugendlichen Straftätern (HRC 8.2.2019). Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen (HRC 8.2.2019; vgl. HRC 28.1.2020). Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019; vgl. HRC 28.1.2020). Ehemalige Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 3.3.2021).
Korruption
Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Bereich vor, aber die Regierung implementiert dieses Gesetz nur willkürlich. Manchmal werden Korruptionsfälle gegen Beamte rechtmäßig verfolgt, gleichzeitig werden politisch motivierte Anklagen gegen Regimekritiker oder politische Opponenten vorgebracht. Beamte betätigen sich weiterhin korrupt und können mit Straffreiheit rechnen. Religiöse Wohltätigkeitsorganisationen, sogenannte 'Bonyads', leisten zwischen einem Viertel und einem Drittel der wirtschaftlichen Leistung des Landes. Bonyads erhalten Begünstigungen durch die Regierung, ihr Finanzgebaren wird jedoch nicht kontrolliert. Oppositionspolitiker und internationale Organisationen bezichtigen diese Bonyads regelmäßig der Korruption. Geleitet werden diese steuerbefreiten Organisationen von Personen, die der Regierung nahe stehen, wie z.B. Angehörige des Militärs oder der Geistlichkeit. Zahlreiche Firmen, die in Verbindung mit den Revolutionsgarden stehen, betätigen sich teils rechtswidrig in Handel und Gewerbe, einschließlich der Bereiche Telekommunikation, Bergbau und Bauwesen. Andere Unternehmen der Revolutionsgarden betätigen sich im Schmuggel von Medikamenten, Drogen und Rohstoffen. Von allen Regierungsmitgliedern (einschließlich Mitglieder des Minister-, Wächter- und Schlichtungsrats und der Expertenversammlung) wird ein jährlicher Bericht über die Vermögenslage verlangt. Es gibt keine Information, ob diese Personen sich an die Gesetze halten (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021).
Auch das Justizwesen ist nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vgl. BS 2020). Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit (AA 26.2.2020). Auch in der Polizei, bei sozialen Organisationen, im Öffentlichen Dienst und bei staatlichen Behörden ist Korruption weit verbreitet. Korruption und Gesetzesverstöße sind auch in der politischen Elite weit verbreitet. Nur selten werden Täter strafrechtlich verfolgt und wenn, dann ist dies hauptsächlich auf politische Rivalitäten zurückzuführen (BS 2020). Die Justiz setzt eine Antikorruptionskampagne fort, deren Motivation laut Beobachtern u.a. politische Auseinandersetzungen und das Ersetzen von Einnahmeverlusten aufgrund wirtschaftlicher Herausforderungen sind. Der oberste Führer genehmigte 2018 einen Antrag des Justizchefs, spezielle Revolutionsgerichte einzurichten, um Einzelpersonen wegen Wirtschaftsverbrechen vor Gericht zu stellen. Gleichzeitig forderte er Höchststrafen für diejenigen, welche die Wirtschaft 'gestört und korrumpiert' haben. Er wurde zitiert, wonach Strafen für diejenigen, die der wirtschaftlichen Korruption beschuldigt werden, einschließlich Beamter der Regierung und des Militärs, schnell durchgeführt werden sollten. Amnesty International kritisiert diesbezüglich das Fehlen eines fairen und ordnungsgemäßen Verfahrens durch die Gerichte (USDOS 30.3.2021).
Transparency International führt Iran in seinem Korruptionswahrnehmungsindex von 2020 mit 25 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 149 von 180 [2019: Platz 146 von 180] untersuchten Ländern (TI 2021) [2019: Platz 146 von 180]. Es konnte sich in Iran kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln, dieses Problem wird durch die weit verbreitete Korruption noch verschärft (GIZ 12.2020b).
Allgemeine Menschenrechtslage
Die iranische Verfassung (IRV) vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene 'Hohe Rat für Menschenrechte' untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten 'Pariser Prinzipien' (AA 26.2.2020).
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung
Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischem Recht)
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes
UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen
Konvention über die Rechte behinderter Menschen
UN-Apartheid-Konvention
Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 26.2.2020)
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:
Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention
Zweites Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (AA 26.2.2020).
Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 10.2020). Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition, jedoch auch immer wieder gegen die islamisch definierten (GIZ 12.2020a). Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören: Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der 'schwersten Verbrechen' entsprechen und ohne einen fairen Prozess; rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; systematische Inhaftierungen, einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 7.4.2021, FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021). Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere der Revolutionsgerichte; Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets - einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit; Einschränkungen der Religionsfreiheit; Beschränkungen der politischen Beteiligung durch willkürliche Kandidatenprüfung; weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen; rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien; Menschenhandel; Gewalt gegen ethnische Minderheiten; strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten; Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten sowie Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen Angehörige sexueller Minderheiten beinhalten; und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021). Die Regierung unternimmt kaum Schritte, um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (USDOS 30.3.2021).
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB) sowie Staatsschutzdelikte (insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, laufen Gefahr, der Spionage beschuldigt zu werden (AA 26.2.2020). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2020). Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (BS 2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020).
Meinungs- und Pressefreiheit, Internet
Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht 'schädlich' für die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die 'Rechte der Öffentlichkeit' sind (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). In der Praxis sehen sich Meinungs- und Pressefreiheit mit starken Einschränkungen konfrontiert (AA 26.2.2020; vgl. BS 2020, AI 7.4.2021, USDOS 30.3.2021). Die Justiz- und Sicherheitsbehörden verwenden weiterhin vage definierte Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, um Aktivisten, Dissidenten und Menschenrechtsverteidiger wegen freier Meinungsäußerung zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen (HRW 13.1.2021), bzw. nutzen Behörden Gesetze, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen. Die Behörden dulden es nicht, das Regierungssystem, den Obersten Führer oder die Staatsreligion öffentlich zu kritisieren. Sicherheitsbehörden bestrafen jene, die diese Einschränkungen verletzen oder den Präsidenten, das Kabinett oder das Parlament öffentlich kritisieren (USDOS 30.3.2021).
[…]
Internet ist weit verbreitet, die Zahl der Internetcafés (Cofee Net) nimmt stetig zu, chatten (und zunehmend auch bloggen) ist eine Art Volkssport unter jungen Iranern. Zudem ist die Zahl an Handys gerade unter jungen Iranern hoch, auch wenn SIM-Karten sehr teuer sind (GIZ 12.2020c). Etwa 70% der iranischen Bevölkerung sind aktive Internetnutzer. Seit 2009 haben die iranischen Behörden erhebliche Mittel für den Ausbau der Infrastruktur, aber auch für die Kontrolle ihrer Nutzung aufgewendet. Zensur und Überwachung sind umfangreich. Eine Cyberpolizei wurde eingerichtet, und auch mehrere andere Regierungsbehörden haben Aufgaben im Zusammenhang mit der Überwachung des Internets und der sozialen Medien übernommen. Darüber hinaus haben die iranischen Behörden ein lokales, staatlich kontrolliertes Netzwerk entwickelt, das National Information Network (NIN). Die regimekritische Debatte findet vor allem in den sozialen Medien statt. Für illegale Oppositionsparteien ist das Internet der bevorzugte Kanal für den Informationsaustausch. Die iranischen Behörden konzentrieren sich insbesondere auf Personen, die die öffentliche Meinung in Iran beeinflussen können, wie beispielsweise diejenigen, die viele Anhänger in den sozialen Medien haben. Dies gilt auch für im Ausland lebende Iraner. Iranische Journalisten, die für internationale Medienhäuser arbeiten, werden streng überwacht (Landinfo 31.5.2021).
Gegen Personen, die ihre Meinung oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wird massiv vorgegangen. Die elektronischen Medien und der Internet-Verkehr stehen unter intensiver staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten sind gesperrt. Regimefeindliche oder 'islamfeindliche' Äußerungen werden auch geahndet, wenn sie in elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken, getätigt werden. Vor allem junge Menschen, welche diese Kommunikationsmittel zum Meinungsaustausch nutzen, laufen Gefahr, wegen ihrer geäußerten regimekritischen Meinung verfolgt zu werden (ÖB Teheran 10.2020). Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausländischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Behörden geblockt (AA 26.2.2020; vgl. FH 3.3.2021, AI 7.4.2021). Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) möglich, wird aber 'gefiltert' bzw. mitgelesen und regelmäßig auch gestört. Das Vorgehen der Behörden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet äußert, läuft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen 'Cyber-Krieg' gegen das Land führen zu wollen. Die Überwachung persönlicher Daten ist ohne Gerichtsanordnung grundsätzlich verboten. Wenn die nationale Sicherheit bedroht zu sein scheint, wird hiervon jedoch abgesehen (AA 26.2.2020).
Todesstrafe
Iran ist auch weiterhin eines der Ländern, wo die Todesstrafe am häufigsten durchgeführt wird (HRW 13.1.2021; vgl. CSW 3.2021). Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, 'Moharebeh' (Waffenaufnahme gegen Gott) und homosexuelle bzw. außereheliche Handlungen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. HRW 13.1.2021, AA 26.2.2020). Des weiteren terroristische Aktivitäten, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin (AA 26.2.2020). Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). In den letzten 20 Jahren ist es jedoch zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 26.2.2020).
Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020) und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt (ÖB Teheran 10.2020) und auch (selten) gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020, HRW 13.1.2021, FH 3.3.2021, HRC 11.1.2021, AI 7.4.2021, CSW 3.2021). Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020) und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. Mehreren weiteren zur Tatzeit Minderjährigen droht aktuell die Hinrichtung (AA 26.2.2020). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 10.2020). Hinrichtungen erfolgen weiterhin regelmäßig ohne rechtlich vorgeschriebene vorherige Unterrichtung der Familienangehörigen, die Herausgabe des Leichnams wird teilweise verweigert oder verzögert (AA 26.2.2020).
Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilogramm Opium oder zwei Kilogramm industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 10.2020). Diese Gesetzesänderungen führten zu einer Überprüfung der Todesstrafe für Tausende von Häftlingen (FH 3.3.2021). Das neue Gesetz gilt rückwirkend, sodass dadurch etwa 2.000 bis 5.000 bereits zum Tode Verurteilte von der Todesstrafe verschont bleiben könnten (AA 26.2.2020). Ca. 9% aller Exekutionen stehen in Verbindung mit Drogenvergehen (AI 4.2021). In Bezug auf die Anzahl der jährlichen Hinrichtungen befindet sich Iran nach China weltweit an zweiter Stelle (FH 3.3.2021). Im Jahr 2020 wurden mindestens 233 Menschen hingerichtet (HRC 11.1.2021; vgl. AI 4.2021, HRW 13.1.2021). 18 der Hinrichtungen betrafen Drogenvergehen und 11 Moharebeh oder Korruption auf Erden (HRC 11.1.2021). Mindestens drei jugendliche Straftäter wurden hingerichtet (AI 4.2021; HRW 13.1.2021, HRC 11.1.2021).
Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AI 7.4.2021): Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet, insbesondere bei politischen oder die 'nationale Sicherheit' betreffenden Fällen. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom 'Geschädigten' gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen. Seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2020).
Religionsfreiheit
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten 'Buchreligionen' (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als 'mohareb' (Waffenaufnahme gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018). Religiöse Minderheiten werden mit Argwohn betrachtet und als Bedrohung für das theokratisches System gesehen (CSW 3.2021). Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Selbst anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden also diskriminiert. Vertreter dieser religiösen Minderheiten betonen aber immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2020). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA 23.5.2018; vgl. FH 3.3.2021, IRB 9.3.2021). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA 23.5.2018; vgl. FH 3.3.2021, BAMF 3.2019) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 3.3.2021). Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen (AI 7.4.2021).
Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Open Doors 2021). Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha'i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert (ÖB Teheran 10.2020).
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 7.4.2021).
Die Regierung überwacht weiterhin die Aussagen und Ansichten hochrangiger schiitischer religiöser Führer, die die Regierungspolitik oder die Ansichten des Obersten Führers Ali Khamenei nicht unterstützten. Diese werden durch Behörden weiterhin mit Festnahmen, Inhaftierungen, Mittelkürzungen, Verlust von geistlichen Berechtigungsnachweisen und Beschlagnahmungen von Eigentum unter Druck gesetzt (USDOS 12.5.2021). Die Inhaftierung von Angehörigen religiöser Minderheiten, welche ihre Kultur, ihre Sprache oder ihren Glauben praktizieren, ist weiterhin ein ernstes Problem (HRC 11.1.2021).
Personen, die sich zum Atheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 7.4.2021). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2020).
Christen
Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan (BFA 23.5.2018). Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt, allerdings werden evangelikale Freikirchen von der Regierung nicht als 'christlich' anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020); christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020, BAMF 3.2019, IRB 9.3.2021), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 26.2.2020).
Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben (BFA 23.5.2018; vgl. BAMF 3.2019, FH 3.3.2021). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam (ÖB Teheran 10.2020). Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (USDOS 12.5.2021; vgl. IRB 9.3.2021).
Grundrechtlich besteht 'Kultusfreiheit' innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen (ÖB Teheran 10.2020). Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BAMF 3.2019, BFA 23.5.2018, Open Doors 2021). Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA 23.5.2018; vgl. ÖB Teheran 10.2020), wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ('Hauskirchen') oft hart vorgegangen (u.a. Verhaftungen und Beschlagnahmungen). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen (ÖB Teheran 10.2020). Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht (BFA 23.5.2018; vgl. Open Doors 2021). Im Weltverfolgungsindex 2021 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem achten Platz (2020: Platz 9). Der Weltverfolgungsindex ist eine Rangliste der 50 Länder, in denen Christen der stärksten Verfolgung und Diskriminierung wegen ihres Glaubens ausgesetzt sind. Je niedriger die Zahl, desto höher die Verfolgung. Im Berichtszeitraum ist die Zahl der verhafteten Christen des Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr (169) gesunken. Es gab keine breitangelegte Verhaftungswelle, auch wenn es im Juni 2020 eine Razzia gab. Eine genaue Zahl wird im Bericht nicht genannt (Open Doors 2021). Christen werden weiterhin schikaniert, willkürlich inhaftiert und wegen der Ausübung ihres Glaubens verurteilt (AI 7.4.2021; vgl. CSW 3.2021). Dies betrifft auch Personen, die zum Christentum konvertiert waren (AI 7.4.2021; vgl. HRW 13.1.2021). Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).
Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben (BFA 23.5.2018). Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden (BFA 23.5.2018; vgl. IRB 9.3.2021). Es gehört zum Erscheinungsbild in den Großstädten, dass christliche Symbole im Modebereich als Accessoires Verwendung finden und auch in den entsprechenden Geschäften angeboten werden. Auch Dekorationen mit christlichen Motiven sind nicht ungewöhnlich. Eine solche kommerzielle Präsentation führte bisher nach Darstellung der in Teheran vertretenen westlichen Botschaften zu keinen Strafverfahren. Laut der Nachrichtenseite der iranischen Christen, Mohabat News, können Christen öffentlich im ganzen Land Weihnachtsgeschenke, Tannenbäume oder Schmuckwaren für ihre Feste kaufen. Vor einigen Kirchen in Teheran stehen anlässlich der Weihnachtsfeiertage, zu denen von staatlicher Seite immer wieder Glückwünsche übermittelt werden, Weihnachtsbäume (BAMF 3.2019).
Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist in Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2020). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel 'mohareb' ('Waffenaufnahme gegen Gott'), 'mofsid-fil-arz/fisad-al-arz' ('Verdorbenheit auf Erden'), 'Handlungen gegen die nationale Sicherheit' (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018), 'Organisation von Hauskirchen' und 'Beleidigung des Heiligen', wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen 'mohareb' (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2021; vgl. AA 26.2.2020). Quellen zufolge fand 1990 die einzige 'offizielle' Hinrichtung eines Christen wegen Apostasie in Iran statt (IRB 9.3.2021). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt (AA 12.1.2019).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020; vgl. Open Doors 2021). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf (ÖB Teheran 10.2020).
Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2020).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich 'konvertierte' Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2020).
Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden 'kontrolliert', de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet (ÖB Teheran 10.2020). Die Schließungen der 'Assembly of God'-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. IRB 9.3.2021). Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind (DIS/DRC 23.2.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018). Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Razzien gegen Hauskirchen werden weiterhin durchgeführt (AI 7.4.2021).
Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet (ÖB Teheran 10.2010; vgl. FH 3.3.2021, CSW 3.2021). Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen 'illegaler Kirchenaktivität' zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie 'Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen', 'Verbreitung vom zionistischen Christentum' und 'Gefährdung der inneren Sicherheit' zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet (ÖB Teheran 10.2010). Trotzdem ist die Zahl der verhafteten Christen laut Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr gesunken. Der Rückgang der Zahl der Verhaftungen ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die iranischen Sicherheitsdienste Ende 2019 alle Hände voll zu tun hatten, die Proteste im Land zum Schweigen zu bringen. Darauf folgte die Coronakrise, welche die Regierung auf andere Weise beschäftigte. Allerdings wurden im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2021 mehr Christen zu Gefängnisstrafen verurteilt als im Vorjahr. Die physische Eliminierung von Christen will und kann sich die pragmatische Regierung Irans politisch nicht leisten. Deshalb setzt sie auf langsame, schleichende und leise Beseitigung von Christen. Beispielsweise müssen inhaftierte Christen Hypotheken aufnehmen, um die hohen Kautionszahlungen für ihre Entlassung aufbringen zu können. Weil sie befürchten, dass ein Gerichtsurteil zu einer langen Gefängnisstrafe führt, fliehen viele iranische Christen nach ihrer vorläufigen Entlassung aus dem Land, wobei sie ihre Kaution und somit häufig auch ihren Grundbesitz verlieren (Open Doors 2021).
Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen 'Verbrechen gegen Gott' angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch 'low-profile' Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen ist, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019, UKHO 2.2020), vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019). Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden (ÖB Teheran 10.2020), bzw. um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2021). Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2020).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. Landinfo 16.10.2019).
Die Rückkehr von Konvertiten nach Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung (BAMF 3.2019). Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr nach Iran weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein 'high-profile'-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen (DIS/DRC 23.2.2018). Die iranischen Behörden sind in erster Linie daran interessiert, die Ausbreitung des Christentums zu stoppen, und verfügen allem Anschein nach nicht über die notwendigen Ressourcen, um alle christlichen Konvertiten zu überwachen (UKHO 2.2020).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2020).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein kann (DIS/DRC 23.2.2018). Open Doors gibt im Weltverfolgungsindex 2021 an, dass die Taufe als öffentliches Zeichen der Abwendung vom Islam gesehen wird und deshalb verboten ist (Open Doors 2021).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (USDOS 12.5.2021). Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens des Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der 'Katholischen Jerusalem Bibel' ins Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis in Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetzte noch im Jahr 2015 den 'Katechismus der Katholischen Kirche' ins Farsi. Beide Produkte sind heute noch ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (BAMF 3.2019).
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebewilligungen (USDOS 30.3.2021). Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern, Mitgliedern von religiösen Minderheiten und Wissenschaftern in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker, Künstler sowie Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021).
Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (4.400.000 IRR, ca. 28 bis 45 € je nach Wechselkurs). Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 26.2.2020).
Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 26.2.2020).
Grundversorgung
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020).
Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BS 2020). Sowohl auf Grund der 'Maximum Pressure'-Politik der USA als auch wegen der Zurückhaltung westlicher Unternehmen bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Iran aber auch wegen der Folgen der Corona-Pandemie steht die iranischen Wirtschaft schlechter da als jemals zuvor. Die Erdölexporte sind auf ein Minimum gesunken, auch die Devisenreserven sind erschöpft. Insofern sind die mittelfristigen Prognosen für die iranische Wirtschaft nicht gut (ÖB Teheran 10.2020).
Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund einer Million Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechende Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger 'brain drain', der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt (ÖB Teheran 10.2020).
Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 12.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht (BS 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 12.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BS 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 12.2020b). Soziale Unzufriedenheit war in den letzten Jahren mehrmals der Hintergrund von Unruhen in der Bevölkerung. Bei den gewalttätigen Unruhen im November 2019 starben Hunderte Menschen (Landinfo 12.8.2020) und Tausende wurden verletzt (FH 3.3.2021) [Bezüglich der Unruhen vgl. Sie bitte das Kapitel zur Versammlungsfreiheit].
Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 12.2020b; vgl. BS 2020). Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 12.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BS 2020).
Sozialbeihilfen
Dem Arbeitsministerium ist die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten 'Hohen Versicherungsrat' (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die 'Organisation für Sozialversicherung' (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in deren System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden (ÖB Teheran 10.2020). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 20 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3 Euro, sog. Yarane) (AA 26.2.2020). Selbstständige und Beamte sind nicht Teil der Arbeitslosenversicherung, da angenommen wird, dass ihre Arbeitsverträge nicht gekündigt werden können (Landinfo 12.8.2020).
Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Iranischen Bürgern und Bürgerinnen stehen zwei Arten von Versicherungsschutz zur Verfügung: 1. Bei der obligatorischen Versicherung wird der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber versichert. Dabei wird ein bestimmter Prozentsatz des monatlichen Gehalts abgezogen. 2. Eine freiwillige Abdeckung steht vor allem freiberuflichen Personen und Hausfrauen zur Verfügung. Es gibt drei Prämiensätze von 12%, 14% und 16% für die Versicherungspolizzen, bei denen die Regierung 2% der Prämie zahlen muss. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und Freiberuflichen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag bezahlen (IOM 2020). Die Mittel für die Altersrente werden durch gemeinsame Beiträge der versicherten Person, des Arbeitgebers und der Regierung gedeckt und variiert je nach Beitragsjahren. Die Altersrente wird über die Pensionskasse für Beamte, die Organisation für soziale Sicherheit sowie 16 weitere Pensionsfonds in Iran bereitgestellt. Die Hinterbliebenenrente wird an Angehörige einer versicherten verstorbenen Person gezahlt. Zu den Angehörigen zählen Witwe/Witwer, Kinder (das heißt Söhne bis zum Alter von 20 Jahren und Töchter bis zur Heirat) und Eltern. Die Rente des Ehepartners beträgt 50% der Alters- oder Invalidenrente der versicherten Person, während sie für Waisen 25% und für Eltern 20% beträgt. Die kombinierte Hinterbliebenenrente darf nicht unter dem gesetzlichen Mindestlohn oder über der Rente des Verstorbenen liegen. In Iran gibt es einen gesetzlichen monatlichen Mindestlohn für ungelernte Arbeitnehmer, der unter Berücksichtigung der Inflation jährlich neu berechnet wird. Im April 2020 lag der Mindestlohn bei 18,34 Millionen Rial (113 USD). Darüber hinaus zahlt der Staat (praktisch) jeder Familie eine Wohnungs- und Lebensmittelzulage in Form von monatlichen Geldtransfers (yaraneh-ye naqdi), wobei der Gesamtbetrag für einen unverheirateten Arbeitnehmer 25 Millionen Rial (155 USD) und 30 Millionen Rial (186 USD) für einen verheirateten Arbeiter pro Monat beträgt. Familienbeihilfe wird im Rahmen von Sozialversicherungssystemen für Eltern gewährt, die mindestens 720 Tage gearbeitet und Beiträge gezahlt haben. Die Familienbeihilfe wird gezahlt, bis das Kind 18 Jahre alt ist oder - wenn es studiert - bis das Studium abgeschlossen ist. Die Familienbeihilfe wird monatlich gezahlt und als das Dreifache des gesetzlichen täglichen Mindestlohns eines ungelernten Arbeitnehmers für jedes Kind berechnet. Die Leistungen werden jährlich angepasst (Landinfo 12.8.2020).
Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 26.2.2020). Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber und privaten Anbietern oder Organisationen angeboten werden (IOM 2020).
Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die 'sadeqe', die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 12.2020b). Die staatliche Wohlfahrtsorganisation betreibt Selbsthilfegruppen für Familien in schwierigen Situationen, die in Familienzentren organisiert sind. Einige erhalten Unterstützung bei der Arbeitssuche. Ein Projekt mit einem Mikrofinanzierungsansatz umfasst 50.000 Menschen - nicht nur Frauen, sondern auch Landbevölkerung und andere. Ziel ist es, die Armut zu verringern. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf weiblichen Ernährern. Es gibt ca. drei Millionen Familien, die von Frauen geführt werden. 180.000 von ihnen werden von der staatlichen Wohlfahrtsorganisation betreut. Das Budget ist begrenzt und nicht alle Bedürftigen erhalten Hilfe. Die Leistungen gehen nicht unbedingt an die Frauen, sondern könnten beispielsweise die Bildung für Kinder abdecken (Landinfo 12.8.2020).
Medizinische Versorgung
Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung (ÖB Teheran 10.2020). Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität, deren Rektor die Verantwortung für das Gesundheitswesen in der betroffenen Provinz trägt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. IOM 2020). Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 12.8.2020, IOM 2020) und NGOs (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 12.8.2020). Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2020). Darüber hinaus gibt es im ganzen Land viele NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen, die Gesundheitseinrichtungen betreiben, deren Zugang auf einer Bedarfsanalyse basiert, ohne dass auf einen vorherigen Versicherungsschutz Bezug genommen wird. Die Mahak-Gesellschaft zur Unterstützung krebskranker Kinder ist beispielsweise ein bekanntes gemeinnütziges Forschungs-, Krankenhaus- und Rehabilitationszentrum für Kinder mit Krebs. Die Patienten werden von Ärzten im ganzen Land an Mahak überwiesen. Laut einem Vertreter von Mahak wird jedes Kind, bei dem Krebs diagnostiziert wird, entweder im Mahak-Krankenhaus oder in anderen Krankenhäusern behandelt. Mahak deckt auch die Behandlung von Patienten in anderen Krankenhäusern in Iran ab. Die Behandlung ist kostenlos und die Patienten müssen nicht versichert sein, um eine Behandlung zu erhalten. Selbst Verwandte können bei der Begleitung ihrer kranken Kinder eine Finanzierung für die Unterkunft erhalten. Mahak empfängt Krebspatienten auch aus mehreren Nachbarländern (Landinfo 12.8.2020).
Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 10.2020). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2020).
Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung - die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2020c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 30.12.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2020).
Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen 'Behvarz' (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich ca. 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise 'nahversorgt' werden. In Städten übernehmen sogenannte 'Gesundheitsposten' in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2020). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2020). Weitere staatliche Institutionen wie die Iranian National Oil Corporation, die Justiz und Revolutionsgarden betreiben ihre eigenen Krankenhäuser. Die medizinische Belegschaft in Iran umfasst insgesamt mehr als 51.000 Allgemeinärzte, 32.000 Fachärzte, 115.000 Krankenschwestern, 33.000 Hebammen und 35.000 örtliche Gesundheitshelfer (behvarz) (Landinfo 12.8.2020). Im Jahr 2020 wurden 161 Projekte zum Bau ländlicher Gesundheitszentren abgeschlossen. Somit wurde der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen verbessert. Daneben hat das Überweisungssystem bei Hausärzten dazu beigetragen, dass Servicepakete für Prävention, Pflege und Behandlung auch in ländlichen Gebieten angeboten werden (IOM 2020).
Es ist anzuführen, dass der Anteil der Out-of-pocket-Zahlungen durch die Patienten in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen ist. Vor dem Health Transformation Plan im Jahr 2014 waren Out-of-pocket-Zahlungen die Hauptfinanzierungsquelle, und lagen über 50% der Kosten. 2010 erreichten die Zahlungen einen Höchststand von 58%, während sie bis 2016 auf 35,5% zurückgingen. Dies ist jedoch noch weit von dem erklärten Ziel entfernt, die Out-of-pocket-Zahlungen auf unter 30% zu senken. Dies bedeutet, dass das Zahlungssystem nach wie vor weitgehend auf Servicegebühren sowohl im öffentlichen als auch im privaten Gesundheitswesen basiert (Landinfo 12.8.2020). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2020c). Iran verwendet interne Referenzpreise für Arzneimittel, was bedeutet, dass Arzneimittel zum Preis des Referenz-Arzneimittels erstattet werden und die Patienten die Möglichkeit haben, teurere Arzneimittel zu kaufen und die zusätzlichen Kosten zu bezahlen. Der Erstattungspreis wird von der Regierung festgelegt, während Hersteller, Händler oder Einzelhändler ihren eigenen Arzneimittelpreis festlegen können (Landinfo 12.8.2020).
Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt zwei verschiedene Arten von Krankenversicherungen, jene über den Arbeitsplatz oder eine private Versicherung. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/ . Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt. Um eine Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig. Zusätzliche Dokumente können später gegebenenfalls angefordert werden (IOM 2020).
Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html. Die Registrierung erfordert eine geringe Geb ühr (IRR 20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die 'Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste' (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die 'Imam Khomeini Stiftung', um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2020).
Für schutzbedürftige Gruppen in Iran gibt es zwei Arten von Zentren: öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Menschen mit Behinderung (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Die Imam Khomeini Relief Foundation bietet Dienstleistungen für Frauenhaushalte, Waisen, Familien usw. an, um ihre Lebensumstände zu verbessern. Der Zugang zu öffentlichen Angeboten ist für alle Bürger gleich, aber wie bereits erwähnt, gibt es zusätzliche Unterstützung für schutzbedürftige Gruppen, die von den Gemeinden / Organisationen abgedeckt werden (IOM 2020).
Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2020; vgl. Landinfo 12.8.2020). Obwohl auf dem Papier Medikamente und Lebensmittel von den Sanktionen nicht betroffen sind, ist es seit 2020 u.a. wegen fehlenden Zahlungskanälen zu mehr Engpässen bei bestimmten Medikamenten wie z.B. Insuline gekommen. Das Gesundheitsministerium ist sehr bemüht, den Bedarf an Medikamenten zu decken. Aufgrund der mangelnden Devisen aber steigen die Preise der Medikamente die vom Ausland eingeführt werden sollen von Tag zu Tag, so dass schwache Gesellschaftsschichten sich diese nicht mehr leisten können. Diese Situation wird bei offiziellen Gesprächen von iranischen Funktionären immer wieder als Kritikpunkt gegenüber der Politik des Westens angesprochen (ÖB Teheran 10.2020). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2020).
Rückkehr
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus (AA 26.2.2020). In der iranischen Gesetzgebung gibt es kein Gesetz, das die Beantragung von Asyl im Ausland strafbar macht (Cedoca 30.3.2020). In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden (AA 26.2.2020). Allerdings gibt es zum Thema Rückkehrer nach wie vor kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2020).
Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).
[…]
In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird das Risiko für Repressionen eher gering ausfallen (DIS/DRC 23.2.2018).
Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regime-kritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein (AA 26.2.2020). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung vom 16.09.2014; EB, AS 23ff) und durch die belangte Behörde (Niederschrift vom 27.07.2016, AS 147 ff), Stellungnahme des BF im Aberkennungsverfahren vom 01.04.2020 (AS 339 ff)sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom 02.07.2021 (VHS), der Beschwerdeschriftsatz im Aberkennungsverfahren (AS 661), das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (COI) zu Iran, Stand 02.07.2021, Version 3, der Strafantrag der Staatsanwaltschaft XXXX vom 19.05.2019 und das Urteil des LG XXXX vom 19.02.2020 und der Strafregisterauszug vom 30.06.2021.
Zur COVID Situation erfolgen die Feststellungen auf Basis der aktuellen Länderinformation und wird nicht verkannt, dass die Situation sehr dynamisch ist. Entscheidend und konstant ist jedoch, dass der BF nicht zu einer Risikogruppe (nach den Informationen der österreichischen Gesundheitsbehörden [://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html ; https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/ ] gehört, sodass er auch im Falle einer Ansteckung nicht in eine existenzielle Notlage geraten würde, weil er jung und gesund ist sowie auf das vorhandene Netzwerk bzw finanzielle Unterstützung bauen kann, gehört der BF als junger und gesunder Mann nicht zur Risikogruppe.
Es besteht daher keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der BF bei einer Rückkehr nach Iran eine COVID 19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.
2.2. Die Feststellungen werden wie folgt begründet:
2.2.1. Zur Person des BF
Aufgrund der bei bereits im vorangegangenen Aslyverfahren bei der belangten Behörde vorgelegten unbedenklichen Personendokumente (iranischer Führerschein) steht die Identität des BF fest. Dies hat auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt. Dass der BF nun vor dem BVwG angibt, er habe seinen Vornamen auf „ XXXX “ „getauscht“ (VHS 4) ändert daran nichts, zumal keine behördliche Namensänderung stattgefunden hat.
Das BVwG erachtet die Aussagen des BF – betreffend Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Familienstand, Familienverhältnisse, Schulzeit sowie seiner Berufstätigkeit im Iran für glaubhaft, weil er im gesamten Verfahren im Wesentlichen dazu gleichbleibende Angaben machte.
Dass der BF wie noch in der Stellungnahme und Beschwerde behauptet, keine Angehörigen mehr im Herkunftsstaat habe, entspricht nicht den von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG getroffenen Angaben, wonach seine Mutter in TEHERAN und sein Vater und sein Bruder in XXXX leben würden und er insbesondere mit der Mutter regelmäßigen, mit Vater und Bruder gelegentlichen Kontakt hätte (VHS 8). Diese glaubhaften und aktuellen Angaben des BF wurden daher den Feststellungen zu Grunde gelegt.
Die Feststellungen zur Situation des BF in Österreich, insbesondere seiner sportlichen Betätigung sowie seiner beruflichen Tätigkeiten ergeben sich aus den im Akt befindlichen, unstrittigen Dokumenten, der Stellungnahme des BF im Rahmen des Parteiengehörs vom 01.04.2020 und den Angaben des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.
Hingegen überzeugen die Angaben des BF, wonach er keine Suchtmittel mehr konsumiere und einen durchwegs ordentlichen Lebenswandel pflege und diese „kurze Zeit“ bereue (VHS 8, 13), vor dem Hintergrund seines kontinuierlich von ihm über einen längeren Zeitraum hinweg gesetzten straf- und beanstandungswürdigen Verhaltens nicht. Er ist erst seit kurzem (rund ein halbes Jahr) wieder aus dem Gefängnis entlassen und befindet sich noch in der Probezeit.
Das Verhalten des BF in Haft geht aus dem E-Mail der JA vom 22.01.2021 (ON 3) sowie vom 10.02.2021 (ON 8) und der darin übermittelten Meldungen der Ordnungswidrigkeiten der JA vom 27.01.2020 und vom 22.07.2020 hervor. Die Besuche im Gefängnis entsprechen der mit Schreiben vom 10.02.2021, vorgelegten Besucherliste der JA (Beilage zu ON 8). Dass der BF während seiner Inhaftierung zunächst als Koch und nach einem gemeldeten Vorfall als Hausarbeiter gearbeitet habe, entspricht ebenfalls den Informationen aus dieser Auskunftserteilung vom 10.02.2021.
Bei Konfrontation seines Fehlverhaltens während der Haft (Handel/Fund von Tabletten, Handys und mangelnde Arbeitsleistung in der Anstaltsküche), versucht der BF seine Verfehlungen zu rechtfertigen, indem er insbesondere angab, dass er nicht derjenige gewesen sei, der die Tabletten genommen habe, sondern sie lediglich bei ihm gefunden worden seien. Das Handy habe er von einem Freund bekommen und damit lediglich seine Mutter angerufen. Es seien öfter in seinem 5-Personen Zimmer Handys gefunden worden. Daraufhin habe der Chef in der Küche gesagt, sie müssten alle separiert sein, weshalb der BF dann mit Hausarbeiten begonnen habe (VHS 13). Diese Aussagen des BF, negieren, dass er wiederum gegen Verbote verstoßen hat und erweisen sich als reine Schutzbehauptungen. Sie sind nicht geeignet um sein mehrmaliges Fehlverhalten in Haft zu zu rechtfertigen. Zu diesem Bild einer unzuverlässigen Person, die sich nicht sonderlich, um die Rechtsordnung kümmert, passt auch, dass der BF seine Ladungen mehrfach nicht abgeholt hat und zur Verhandlung zu spät erschien.
2.2.2. Zu den Gründen für die Aberkennung
Der belangten Behörde ist in ihrer Begründung zuzustimmen, dass der BF mit seinem mehrfachen strafgesetzwidrigen Verhalten und insbesondere mit seiner Verurteilung wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall SMG einen Aberkennungstatbestand verwirklicht hat.
Die gerichtliche Verurteilung ergibt sich aus dem im Akt befindlichen rechtskräftigen Urteil des LG XXXX vom 19.02.2020 zu XXXX (AS 191-203) und aus dem Strafregisterauszug vom 30.06.2021. Besonders hervorzuheben ist, dass der BF zwei als Verbrechen qualifizierte Delikte und mehrere Vergehen begangen hat sowie, dass er ein Verbrechen trotz eines anhängigen Strafverfahrens begangen hat.
Die Feststellung, dass der BF aufgrund der Schwere seiner Straftat und seines Persönlichkeitsbildes als Gefahr für die Allgemeinheit einzuschätzen ist, ergibt sich aus der Zusammenschau des Strafurteiles sowie aus dem Verwaltungsakt.
Der BF ist zu höchstem Maße gewaltbereit (Abschlussbericht über Körperverletzung AS 3 und Verurteilung über schwere Körperverletzung AS 191 - 203) und auch insgesamt spricht der Umstand, dass der BF wegen mehrerer verschiedenartiger Delikten verurteilt wurde, dafür dass der BF kriminelle Energien in gesteigertem Ausmaß aufweist.
Die Analyse seiner Taten zeigt, dass ihm insbesondere beim rechtskräftig verurteilten schweren Verbrechen des Suchtgifthandels das Unrechtsbewusstsein zur Gänze gefehlt hat, zumal er über einen längeren Zeitraum (mehrere Monate von Sommer 2019 bis zu seiner Festnahme am 25.11.2019) organisiert und bewusst gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen hat. Auch die Mengen der sichergestellten Substanzen seines wie es im Urteil heißt „schwunghaften“ Handels mit Kokain sind derart hoch und unterstreichen die kriminelle Energie des BF (113g Kokain, wovon er 300g davon bereits gewinnbringend veräußert und selbst konsumiert hatte) (AS 117). Ebenso wurde im entsprechenden Abschlussbericht noch der Besitz einer großen Menge Anabolika sichergestellt, welches letztlich zwar nicht zu einer Verurteilung geführt hat, aber dennoch auf das fehlende Unrechtbewusstsein des BF bezüglich den Umgang mit jeglicher Art von illegalen Substanzen hinweist (AS 129).
Die Straftat des Suchtgifthandels ist deshalb sehr schwerwiegend, da sich in der Suchtgiftkriminalität eine besondere Gefährlichkeit manifestiert und damit üblicherweise eine hohe Begleitkriminalität und eine große Wiederholungsgefahr einhergeht. Der BF ist daher im höchsten Maße sozialschädlich, zumal durch die Handlungen eine Gesundheitsgefährdung im großen Ausmaß entstehen kann und besonders schutzwürdige Jugendliche gefährdet sind.
Durch die gewerbsmäßige Mitwirkung am Suchtmittelhandel hat der BF dazu beigetragen, diese Gefahren zu verwirklichen. Sein Fehlverhalten ist daher außerordentlich gravierend und gefährdet massiv öffentliche Interessen wie die öffentliche Ordnung und Sicherheit.
Selbst wenn der BF bei seiner Einvernahme vor dem BVwG angibt, dass er seine Verurteilung akzeptiert habe, er hart arbeite, Kraftsport trainiere, ein normales Leben begonnen habe, versuche ein korrekter Mensch zu sein und falsche Menschen zu vermeiden (VHS 4, 5, 7,), vermag das an den Ausführungen über die Gefährlichkeit des BF für die Allgemeinheit und seinem hohen Maß an krimineller Energie und der Gefahr von Rückfällen (schon aufgrund der in anderen Bereichen gezeigten Unverlässlichkeit des BF) nichts zu ändern. Überdies erscheinen diese Aussagen auch größtenteils einstudiert und nicht glaubhaft.
Aufgrund der aktenkundigen Tatbegehung zur Aufbesserung seines Einkommens, wo sich der BF sogar mit beträchtlichen schweren Folgen für seine Opfer, wie körperlichen Schaden oder dem Tod, der mit Konsum von Suchtgift einhergehen kann, abgefunden hat, ist davon auszugehen, dass diese Taten keine Zufallstaten oder unüberlegte Dummheiten darstellen. Er hat sich jedenfalls aufgrund seiner Angaben keineswegs in einer wie immer gearteten massiven Notlage in Österreich befunden, sondern war berufstätig und hat den Drogenhandel als Nebenverdienst betrieben, (selbst wenn er diese getan haben will – wie in der Beschwerde ausgeführt – um seinen eigenen Suchtmittelkonsum zu finanzieren).
Deswegen ist zu befürchten, dass der BF weitere Straftaten zur Aufbesserung seines Einkommens bzw. zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes aufgrund seiner zu Tage gekommenen kriminellen Energie und seines relativ geringen Einkommens begehen wird.
Nach seiner Person, und nach der Art der Taten – insbesondere des Suchtmittelhandels nach § 28a Abs 1 5. Fall SMG – ist die Prognose des BF ungünstig. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der BF – der im Umgang mit Suchtgiften keine Skrupel kannte, selbst rückfällig werden oder durch seine nach wie vor bestehenden Kontakte zum Kraftsport (Anabolika) und der Verfügbarkeit von Nachtlokalen bzw Suchtmittel, jederzeit wieder in Berührung mit der einschlägigen Suchtmittelszene kommen kann – weitere zumindest gleich gelagerte strafbare Handlungen mit schweren Folgen für die Allgemeinheit und die öffentliche Sicherheit begehen wird.
2.2.3. Zur behaupteten Konversion des BF
Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl auch dazu etwa jüngst VwGH 12.6.2020, Ra 2019/18/0440, Rn. 28 bis 32, mwN; VwGH 06.08.2020, Ra 2020/18/0017).
Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den kaum vorhandenen christlich-religiösen Aktivitäten des BF in Österreich aus der von ihm vorgelegten Bestätigungen über die Reservierung zur Teilnahme an Gottesdiensten Ende Juni 2021 (Beilage A./ und B./ VHS), aus dem Taufschein vom 18.05.2014 (AS 405) sowie den Aussagen der Zeugin BK und des BF in Einvernahme in der mündlichen Verhandlung.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung prüfte das erkennende Gericht die vom BF vorgebrachte Konversion entsprechend den Vorgaben des VwGH und befragte den BF zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel, seinem Wissen in Bezug auf das Christentum, seinen Gottesdienstbesuchen und sonstigen religiösen Aktivitäten und einer allfälligen Verhaltens- und Einstellungsänderung. Die Befragung widmete sich der Glaubensüberzeugung des BF sowohl im Hinblick auf eine öffentliche Ausübung des Glaubens als auch auf die persönliche, innere Beziehung zum Christentum.
In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG wurde dem BF Gelegenheit geboten, einen Eindruck vom persönlichen Empfinden des BF zu seiner neuen Religion zu gewinnen. Gerade darin konnte der BF aber keinen emotionalen Bezug glaubhaft darlegen, wenngleich unstrittig ist, dass sich der BF am 18.05.2014 in Dänemark hat taufen lassen und bis zur Erteilung seines Asylstatus im Jahr 2016 die Kirche besucht hat (AS 405).
Der BF konnte vor dem BVwG nicht mehr nachvollziehbar darlegen, warum er konkret den evangelischen Glaubenszweig wählte und warum speziell die Glaubenslehren dieser Richtung für ihn persönlich wesentlich sind und ihn zum behaupteten Glaubenswechsel veranlassten.
Das beginnt bereits mit der – im Vergleich zu den Ausführungen vor der belangten Behörde im Jahr 2016 (AS 152) – wenig detailreich geschilderten Erzählung über den Erstkontakt mit dem Christentum, wonach es im Islam zwei Gruppen mit fünf Leuten gegeben habe und es eine Person gegeben habe, die ihm den „Weg gezeigt“ hätte. Er habe dort Jesus kennen gelernt. Der Name des Herrn sei Martin Luther gewesen. Sie seien dann im Iran müde geworden wegen der Gesetze, da diese alles erschwert hätten (VHS 7).
Über die Unterschiede zwischen Katholizismus und Protestantismus konnte der BF nur wenig sagen. Er gab zwar an, dass alle den Jesus anbeten würden. Der Unterschied sei, dass sie bei den Katholiken fasten und bei den Protestanten mit Liedern den Jesus anbeten würden. Dies habe ca. im Jahr 1965 begonnen (VHS 6, 7). Nicht verkannt wird, dass der BF wusste, dass in Tirol die Katholiken, die religiöse Mehrheit darstellen (VHS 6).
Mit seinem Vorbringen konnte der BF auch keine Wesensänderung nachvollziehbar darlegen, zumal er wie dargestellt seinen Glauben nachdem er seinen positiven Asylbescheid erhalten hat, nicht aktiv praktizierte. Er hat nach eigenen Angaben nach Erhalt des positiven Asylbescheids die Kirche nicht mehr besucht (VHS 5). Wenn der BF das Ende seiner Kirchenbesuche damit begründet, dass er ab Erhalt des Asylstatus zu arbeiten begonnen habe und keine Zeit mehr für die Kirchenbesuche gehabt habe, ist ihm selbst unter der Annahme, dass nachvollziehbarerweise weniger Zeit zur Verfügung war, die innere Überzeugung des BF abzusprechen, weil das Feiern der heiligen Messen zu den wesentlichen Sakramenten in in der evangelischen Kirche zählt (VHS 5).
Er gibt zwar an nunmehr ein guter Mensch zu sein und in die Kirche und arbeiten zu gehen und falsche Menschen zu vermeiden, jedoch gab er auf die Frage, was er außer in die Kirche zu gehen noch für das Christentum tun würde nichts an, was auf ein Engagement in der Kirchengemeinde oder eine sonstige missionarische Tätigkeit deuten und das Ausleben seines Glaubens zum Ausdruck bringen würde.
Auf die Frage, „Welche Bedeutung hat für Sie Ihr Glaube?“ antwortete der BF zunächst „Wie meinen Sie das?“. Nach Wiederholung der Frage und Erläuterung, ob es ihm wichtig sei Christ zu sein oder ob ihr Glaube ohnehin nicht so wichtig sei antworte der BF Folgendes: Als er vom Islam zum Christentum konvertiert sei, habe er gesehen, dass Muslime immer miteinander streiten würden. Sie würden lügen und sagen, dass es eine Notlüge sie, wenn es zu ihren Gunsten sei. Beim Christentum sei es so, dass das Christentum sage, dass man gute Taten tun soll und sie auch sagen würden, wenn das Leben in Gefahr sei, dann lüge nicht. Bei den 10 Geboten gehe es darum, zu den Eltern nett zu sein und soweit es möglich sei sich gegenseitig zu helfen. Die Muslime würden lügen und wegen der Muslime gebe es überall Krieg (VHS 12).
Der BF konnte daher sowohl zur gelebten Praxis in Österreich als auch zur inneren Überzeugung des Glaubens nur unzureichende Angaben machen.
Insbesondere führte die Zeugin BK, eine Ex Freundin des BF, die ihn mehrmals im Gefängnis besucht hat, in ihrer Befragung Folgendes aus (VHS 10,11):
Sie sei eine sehr gute und enge Freundin von ihm. Sie hätten sich ca. vor 5 Jahren kennen gelernt und Ende 2017 eine kurze Beziehung gehabt und seien immer noch gut befreundet. Sie hätten sich früher ca. dreimal pro Woche getroffen oder miteinander geredet. Jetzt ungefähr einmal die Woche, da sie arbeiten müsse. Der BF habe immer fleißig gearbeitet, als sie sich kennen gelernt hätten und hätte viel Sport gemacht. Er habe viel trainiert und sei viel beschäftigt gewesen.
Auf die Frage, welcher Religionsgemeinschaft er angehöre, gab sie an, dass er Christ sei. Nachgefragt woher sie das wisse, entgegnete sie, sie habe das sofort gewusst, zumal er eine Halskette mit einem Kreuz getragen habe. Sie habe ihn nicht gefragt, aber sie habe es dann gewusst.
Auf die Frage, ob der BF mit ihr über Religion gesprochen habe, gab sie an, „ja, aber nicht viel“, zumal sie selbst Buddhistin sei, habe sie das nicht interessiert. Auch auf die Frage, was sie über seine christliche Lebensweise erzählen könne, gab sie an, dass sie nicht viel über das Christentum wisse, aber sie wisse, dass der BF keinen Ramadan mache und Schweinefleisch esse. Außerdem würde er Alkohol trinken und ab und zu in die Kirche gehen.
Die Zeugin sagte widerspruchsfrei und lebensnah aus, sodass ihre Aussage glaubhaft ist. Sie hat lediglich bestätigt, dass der BF Christ sei, daraus ist aber nicht eine innere Zuwendung und eine Wesensänderung des BF zum Christentum aus religiösen Motiven nachvollziehbar geworden. Insgesamt konnte die Zeugin kein überzeugendes Bild über eine seitens des BF aktiv gelebte christliche Gesinnung vermitteln, selbst wenn sie schließlich angab er würde „ab und zu in die Kirche gehen“.
Ein intensiver Austausch mit der Glaubensgemeinschaft in religiösen, glaubensmäßigen Belangen wurde damit nicht dargelegt. Es ist somit nicht hervorgekommen, dass das Praktizieren des Glaubens innerhalb einer Gemeinschaft, was auch eine christliche Lebensweise kennzeichnet, für den BF zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Glaubensausübung wurde, weshalb auch nicht davon auszugehen ist, dass er diese Lebensweise im Iran pflegen wollen würde.
An seinen Verurteilungen, insbesondere an der schweren Körperverletzung und dem Suchtgifthandel zeigt sich, dass der BF seinen Lebenswandel nicht am Inhalt der Prinzipien christlicher Lehren ausgerichtet hat. Auch wenn er nunmehr beteuert sich geändert zu haben (VHS 7).
Des Weiteren ist anzumerken, dass sich die Zuwendung des BF zum Christentum während der Haft auch nicht gelebt hat und ihn lediglich der Seelsorger zweimal aufgesucht hat. Er ansonsten nur – nach seinen nicht belegten und damit unglaubhaften Angaben – an den regulären Gottesdiensten teilgenommen, wobei darüber keine Aufzeichnungen geführt wurden. Er kannte den Namen des Pfarrers nicht hat auch nicht versucht diesen als Zeugen zu nennen. Gerade in einer schwierigen Zeit, ist jedoch davon auszugehen, dass ein gläubiger Christ seine Kraft im Glauben sucht und wäre davon auszugehen, dass sich der Pfarrer bei den wenigen evangelischen Christen in der JA an ihn hätte erinnern können.
Das BVwG verkennt nicht, dass der BF über ein – sehr geringes – Grundwissen zum Christentum verfügt und beispielsweise das „Vater Unser“ aufsagen kann (VHS 13). Dieses Wissen ist jedoch nicht ausreichend, um von einem inneren Glaubenswandel sprechen zu können, zumal der BF als intelligenter Mann sich dieses theoretische Wissen leicht aneignen konnte, aber nicht in der Lage war, nachvollziehbar darzulegen, warum gerade die auf den genannten Eckpfeilern basierende Glaubenslehre für ihn persönlich entscheidend und in seiner Glaubensausübung relevant war bzw. ist.
Bei einem tatsächlichen Interesse und gelebten Christentum hätte der BF besser in der Lage sein müssen, einfache Fragen zum Christentum zu beantworten. So beantwortete er die Frage nach den 10 Geboten lediglich mit „Den Eltern etwas Gutes tun“, „nicht lügen“ „den Nachbarn keine Probleme bereiten“ und „was ihr von euch selber wollt, tut auch für die anderen.“ Auf die Frage nach christlichen Feiertagen, konnte er auf weitere Nachfrage hin, die Feste „wo Jesus in die Welt kommt“, den 24. Dezember und Ostern benennen (VHS 12).
Er lässt insbesondere jeglichen individuellen Bezug vermissen und legte keine emotionale Erzählweise an den Tag. Eine innere Motivation für das Christentum lässt sich nicht erkennen.
Im Ergebnis ist bei einer Gesamtbetrachtung aller Beweismittel und insbesondere aufgrund der Einvernahme des BF eine ernsthafte und innere Glaubensüberzeugung in Bezug auf das Christentum nicht ableitbar. Der BF hat sich im Zusammenhang mit der Ausübung seines Glaubens auf außenwirksame Akte (Taufe und fallweise Gottesdienstbesuche) bis zum Zeitpunkt der Erteilung des Asylstatus beschränkt, lässt aber eine tatsächliche, tiefergehende Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten im Sinne einer nachhaltigen, persönlichen Hinwendung vermissen, sodass in weiterer Folge auch nicht von der Weitergabe von Glaubensinhalten und dem Verbreiten der christlichen Glaubenslehre ausgegangen werden kann. Dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Iran missionieren würde, hat er selbst nicht behauptet und selbst in Österreich nicht getan. Eine solche Tätigkeit erscheint auch aufgrund des geringen Wissens und mangels persönlicher Identifikation mit dem christlichen Glauben ausgeschlossen.
Es bestehen daher keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF im Falle der Rückkehr einer Verfolgung seitens der iranischen Behörden ausgesetzt wäre, zumal aus den Länderberichten auch hervorgeht, dass diese nicht jeden ihrer Staatsangehörigen zu jeder Zeit überwachen können, sondern nur beim Vorliegen bestimmter Profile, die beim BF aber nicht gegeben sind. Er ist weder politisch engagiert noch agitiert er gegen den iranischen Staat.
Dass ihm von seiner Familie oder anderen Privatpersonen im Iran deswegen Gefahr droht ist nicht zu erwarten.
Dass – wie der BF in seinem Vorbringen vor der belangten Behörde behauptet – nach seiner Flucht aus dem IRAN dort bei einer Hausdurchsuchung des BF eine Bibel und andere christlichen Materialen gefunden worden sei und die Polizei den BF nun suche, weshalb die Mutter des BF deswegen dreimal umziehen habe müssen, ist nicht glaubhaft (AS 152). So gibt der BF auf die Frage in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, ob seine Mutter jemals umgezogen sei oder immer noch dort wohne, wo sie vor der Ausreise des BF gewohnt habe, gab er an, dass sie zweimal umgezogen sei (VHS 8). Er gab zwar auf Nachfrage an, dass sie zweimal umgezogen sei, weil die Polizei nach ihm gesucht und weil sie gewusst hätten, dass der BF konvertiert sei. Weiters führte er jedoch auch aus, dass sie (die Polizei) nach einem Jahr nicht mehr gekommen seien, weil sie das vergessen hätten. Die Mutter habe durch einen Umzug sodann ihren beschädigten Ruf in der Nachbarschaft sanieren wollen. Dieses Vorbringen ist demnach nicht geeignet eine konkrete Verfolgung des BF durch die iranischen Behörden glaubhaft zu machen (VHS 8).
Schließlich wurde der BF noch gefragt, was der nicht erschiene Zeuge MF sagen hätte können bzw ob dessen Vernehmung für den BF wichtig sei (VHS 14). Der BF führte dazu aus, dass der Zeuge MF ein Sportler sei und sie sich aus seinen Wettkampfzeiten kennen würden. Er wisse dass der BF nach seiner Haft keine Probleme mehr bereitet habe und würde den BF immer wieder fragen, ob er wieder arbeite und ihm sagen, den Kontakt mit den anderen abzubrechen (VHS 14). Damit hätte der Zeuge, keinen Beitrag zur Behauptung des BF leisten können, er sei ein überzeugter Christ und war dessen beschlussmäßige Ladung zu einer weiteren Verhandlung nicht notwendig. Auch zu den übrigen namhaft gemachten aber nicht einvernommenen Zeugen, konnte der BF nicht darlegen, was diese dazu hätten aussagen können. So gab er lediglich an Hannes N XXXX sei sein Nachbar, mit Robert N XXXX habe er drei oder vier Tage zusammengearbeitet und ihn schon lange nicht gesehen und Laura B XXXX sei eine Freundin die mittlerweile in England sei. Einen Bezug zum Christentum hat er zu keinem der genannten Zeugen hergestellt und wusste er beispielsweise die Religion seiner engsten Freundin BK nicht einmal (VHS 9).
Die Feststellung, wonach der BF keine weiteren Fluchtgründe vorbrachte, ergibt sich aus seiner Einvernahme vor dem BFA vom 27.07.2016, wo er von sich aus keine weiteren Gründe nannte, welche asylrelevant wären (AS 156). Die Fragen, ob er Probleme wegen seiner politischen Gesinnung, Rasse, ehemaligen Religion, Volksgruppe oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe habe, verneinte er (AS 153). Auch vor dem BVwG bracht er diesbezüglich nichts vor.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
3.1. Zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten und zur Feststellung, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 7 Abs 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status eines Asylberechtigten abzuerkennen, wenn
- ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;
- einer der in Art 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder
- der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
Gemäß Abs 4 leg cit ist die Aberkennung nach Abs 1 Z 1 und Z 2 AsylG 2005 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.
Gemäß dem – im gegenständlichen Fall in Betracht kommenden – § 7 Abs 1 Z 1 AsylG – welcher auch von der belangten Behörde bei der Erlassung des gegenständlichen Bescheides zur Anwendung gebracht wurde – ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG vorliegt.
Gemäß dem hier zu prüfenden § 6 Abs 1 Z 4 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellt.
Für den hier vorliegenden Fall der Entscheidung gemäß § 7 Abs 1 Z 1 iVm § 6 Abs 1 Z 4 AsylG müssen wegen der wörtlich gleichen Voraussetzungen die gleichen Maßstäbe gelten, auf die sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den bisherigen Vorerkenntnissen (VwGH 06.10.1999, 99/01/0288; 24.11.1999, 99/01/0314; 12.09.2002, 99/20/0532) zu § 13 Abs 2 zweiter Fall AsylG 1997 bezogen haben (vgl VwGH 03.12.2002, 99/01/0449).
Gemäß Art 33 Abs 1 der GFK darf kein vertragsschließender Staat einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Nach Art 33 Z 2 GFK kann sich ein Flüchtling aber nicht auf diese Begünstigung beziehen, wenn er aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltslandes anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
Der VwGH führte erstmalig in seinem Erkenntnis vom 06.10.1999, 99/01/0288 aus, dass nach „internationaler Literatur und Judikatur" kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein müssen, dass ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht – bzw. ihm der Status eines Asylberechtigten aberkannt – werden darf. Er muss:
- ein besonders schweres Verbrechen verübt haben,
- dafür rechtskräftig verurteilt worden,
- sowie gemeingefährlich sein und
- es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (Güterabwägung).
3.1.1. Der BF wurde unbestritten rechtskräftig wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 4 StGB), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel (§ 28 Abs 1 2. Satz SMG), des Verbrechens des Suchtgifthandels (§ 28a Abs 1 5. Fall SMG), des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§ 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs 2 SMG), des Vergehens des unerlaubten Waffenbesitzes (§ 50 Abs 1 Z 2 WaffG), sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs 1 StGB) schuldig erkannt und rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.
Gemäß dem mit "Suchgifthandel" überschriebenen § 28a Abs 1 SMG ist, wer vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen anbietet, überlässt oder verschafft, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
§ 17 Abs 1 StGB legt fest, dass Verbrechen vorsätzliche Handlungen sind, die mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind.
Sohin ergibt sich zunächst, dass eine Tat nach § 28a Abs 1 5. Fall SMG aus strafrechtlicher Sicht als Verbrechen iSd § 17 StGB einzustufen ist.
Mit der Einteilung in Verbrechen und Vergehen trifft § 17 StGB eine grundsätzliche Unterscheidung der Straftaten, durch die das besondere Gewicht der als Verbrechen geltenden Straftaten ihrer Art nach betont werden soll. Über die Bezeichnung dieser Straftaten hinaus - mit "Verbrechen" wird schon rein sprachlich ein höherer Unwert konnotiert - bringt die Anknüpfung an ein Mindestmaß der Strafdrohung von mehr als dreijähriger oder lebenslanger Freiheitsstrafe sowie die Einschränkung auf Vorsatztaten zum Ausdruck, dass es sich um solche handelt, denen ein besonders hoher Unrechtsgehalt innewohnt (vgl VfGH 8.3.2016, G 440/2015 ua.).
3.1.2. Für die Anwendbarkeit des Ausschlussgrundes des § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 ist allerdings zudem gefordert, dass es sich um ein "besonders schweres" Verbrechen handeln muss.
Unter den Begriff des schweren Verbrechens iSd Art 1 Abschn F lit b GFK fallen nach herrschender Lehre nur Straftaten, die in objektiver und subjektiver Hinsicht besonders verwerflich sind und deren Verwerflichkeit in einer Güterabwägung gegenüber den Schutzinteressen der betroffenen Person diese eindeutig überwiegt. Dieser Standpunkt – Berücksichtigung subjektiver Faktoren, wie Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe oder Rechtfertigungsgründe – wird auch in der Rechtsprechung des VwGH vertreten (zB VwGH 06.10.1999, 99/01/0288). Es genügt nicht, dass der BF ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt hat. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Um ein schweres Verbrechen, das zum Ausschluss von der Anerkennung als Asylberechtigter – und im vorliegenden Fall somit zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten – führen kann, handelt es sich typischerweise bei Vergewaltigung, Tötung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffnetem Raub und schließlich auch Menschenhandel bzw. Schlepperei (vgl. Putzer, Asylrecht. Leitfaden zum Asylgesetz 2005, 2. Auflage, 2011, Rz 125).
In der Regierungsvorlage zum AsylG 2005, RV 952 BlgNR 22. GP , wird zu § 6 Abs 1 Z 4 AsylG, auf welchen § 7 Abs 1 Z 1 AsylG u.a. verweist, erläuternd – wenngleich nur demonstrativ – Folgendes ausgeführt:
„Die Z 3 und 4 des Abs. 1 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs. 2 AsylG. Unter den Begriff, besonders schweres Verbrechen‘ fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. Mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asylg (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), sowie nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl VwGH 10.06.1999, 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch - auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit - an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder während der es zu erheblichen, mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des ‚besonders schweren Verbrechens‘ des Art. 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist.“
3.1.3. Die Tat erweist sich mit Blick auf die konkreten Tatumstände und die Strafbemessungsgründe objektiv und subjektiv als besonders schwerwiegend:
Im vorliegenden Fall wurde der BF unter anderem wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall SMG rechtskräftig verurteilt. Er hat vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b StGB) übersteigenden Menge weitergegeben. Der BF hat dies über einen längeren Zeitraum (mehrere Monate von Sommer 2019 bis zu seiner Festnahme am 25.11.2019) hin begangen und systematisch organisiert, indem er große Mengen an Suchtgift daheim gesammelt, einzeln verpackt und sodann gewinnbringend weiterverkauft hat.
Die im Urteil vom 19.02.2020 als mildernd gewertete Unbescholtenheit des BF (im Sinne eines bisher ordentlichen Lebenswandels) ist in Anbetracht der fallgegenständlichen Tatumstände und des aufgezeigten gravierenden Fehlverhaltens nicht geeignet, in subjektiver Hinsicht ein "besonders schweres Verbrechen" zu verneinen.
Im vorliegenden Fall kommt die schwere des Verbrechens insbesondere auch dadurch zum Ausdruck, dass der BF während eines längeren Zeitraums ein wiederholtes Fehlverhalten gesetzt hat (zumindest mehrere Monate), was eine erhebliche Gefährdung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität darstellt, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt und bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (Hinweis E 17. Jänner 2006, 2006/18/0001). Im vorliegenden Fall liegt eine qualifizierte Suchtgiftdelinquenz vor, die im § 28a SMG unter Strafe gestellt wurde. An der Verhinderung des Suchtgifthandels besteht ein besonderes öffentliches Interesse (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155).
Zudem hat der BF jedenfalls eine die Grenzmenge überschreitende Menge an Kokain an zahlreiche Suchtgiftabnehmer weitergegeben. Entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur stellt die Suchtgiftdelinquenz, wenn sie sich auf eine Grenzmenge übersteigende Menge bezieht, ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, an dessen Verhinderung auch ein großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556, mwN.). Auch wenn in der Strafbemessung seine Unbescholtenheit berücksichtigt wurde, kam erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit mehreren Vergehen und die Begehung einer strafbaren Handlung (Körperverletzung) trotz eines anhängigen Strafverfahrens hinzu.
Der BF hat durch sein Verhalten gezeigt, dass er mit den rechtlichen Werten in Österreich absolut nicht verbunden war bzw. ist. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass er an zahlreiche Suchtgiftmittelabnehmer Drogen weitergegeben hat. In seiner Wohnung wurden bereits verkaufsfertig abgepackte 1g Packungen vorgefunden, was die organisierte Kriminalität des BF weiters unterstreicht. Außerdem gab er an, 300g an Kokain bereits selbst konsumiert oder gewinnbringend veräußert zu haben (Abschlussbericht, AS 123). Selbst im Gefängnis hat er ihm verschriebene Medikamente nicht eingenommen, sondern gehortet und versteckt, was nach der Lebenserfahrung nur den Schluss zulässt, dass er auch diese an suchtmittelabhängige Insassen weiterverkaufen wollte.
Wenn der BF in der Beschwerde – unter Verweis auf einen nicht vergleichbaren Fall einer Verurteilung nach § 28 Abs 4 SMG zu 20 Monaten Freiheitsstrafe aus dem Jahr 2002, bei der der Täter lediglich diese eine Verurteilung als Mitbeteiligter aufwies (VwGH 03.12.2002, 99/01/0449) – anführt, dass es sich hier erst recht nicht um ein besonders schweres Verbrechen handle, ist ihm unter Hinweis auf die oben getroffenen Ausführungen und die von der belangten Behörde angeführte und zitierte Rechtsprechung des VwGH zum Tatbestand von § 28a Abs 1 5. Fall nicht zuzustimmen.
Da sich die Straftat des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG massiv gegen das objektiv besonders wichtige Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung richtet, stellt die vom BF begangene Straftat daher typischerweise objektiv und im konkreten Fall aufgrund der oben beschriebenen konkreten Tathandlungen des BF auch subjektiv ein besonders schweres Verbrechen iSd § 6 Abs 1 Z 4 AsylG dar.
3.1.4. Auch hinsichtlich der Beurteilung der Gemeingefährlichkeit und der Zukunftsprognose ist der belangten Behörde zu folgen:
Die Gemeingefährlichkeit des BF, der in Haft genommen wurde und zu einer Haftstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt wurde und davon ein Jahr bis zur bedingten Entlassung verbüßt hat, ergibt sich evident aus seinem – bereits oben dargestellten – der Verurteilung zugrundeliegenden gravierenden Fehlverhalten, insbesondere aus der organisierten Begehungsweise, sowie einer weiteren Tatbegehung bereits während der gerichtlichen Anhängigkeit eines Strafverfahrens. Er hat es auch in Kauf genommen, dass diese Handlungen geeignet sind Gesundheitsgefährdung im großem Ausmaß herbeizuführen, wobei besonders schutzwürdige Jugendliche gefährdet sind. Selbst im Gefängnis hat er wieder Medikamente zum Zweck des Handelns damit gehortet.
Erst ein längeres Wohlverhalten und eine echtes Einsehen in seine Schuld könnte zu einer (maßgeblichen) Minderung bzw. zu einem Wegfall der Gefährdung führen. Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. B 22. Mai 2014, Ra 2014/21/0014). Das gilt auch im Fall einer (erfolgreich) absolvierten Therapie (vgl. E 22. September 2011, 2009/18/0147; B 22. Mai 2014, Ro 2014/21/0007; B 15. September 2016, Ra 2016/21/0262; VwGH 05.12.2017, Ra 2016/01/0166). Der BF ist er knapp über ein halbes Jahr in Freiheit und auf Bewährung, sodass diese kurze Zeit des Wohlverhaltens nicht ausreicht.
Eine positive Zukunftsprognose kann auch nicht getroffen werden, da der BF bereits während des anhängigen Strafverfahrens eine weitere strafbare Handlung (Körperverletzung) begangen hat. Daraus kann nur geschlossen werden, dass der BF ein hohes kriminelles Potential hat und er nicht gewillt ist, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten.
Somit lässt sich sowohl aus der Schwere der Verurteilung als auch im Hinblick auf die Persönlichkeitsstruktur des BF keine positive Prognose ableiten.
Aus diesem Grund ist daher der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie annimmt, dass der BF nicht den Eindruck erwecken konnte zukünftig sein delinquentes Verhalten und die Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einzudämmen.
Das BVwG verkennt nicht, dass der BF in den Einvernahmen sowie in der Beschwerdeschrift anführt, dass er damals Drogen genommen, Alkohol getrunken und Fehler gemacht habe, die er sehr bereue (VHS 13, AS 661). Das vermag jedoch – genauso wenig wie der Umstand, dass der BF angibt, er habe zum damaligen Zeitpunkt selbst Suchtgift konsumiert und seinen Suchtgiftkonsum durch die entgeltliche Weitergabe finanziert zu haben (AS 663) – an der Vertretbarkeit der Gefährdungsprognose der belangten Behörde etwas zu ändern.
Dazu kommt, dass sich der BF nicht einmal während seiner Strafhaft wohlverhalten hat, sondern mehrmals (dreimal) wegen Ordnungswidrigkeiten (Handel mit Tabletten, Handybesitz) negativ in Erscheinung getreten ist, wie oben unter 1.2. genauer festgestellt (vgl. ON 8) und seine diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG getroffenen Rechtfertigungsversuche nicht überzeugen (VHS 13).
Aus den dargelegten Umständen ergibt sich, dass vom weiteren Aufenthalt des BF im Bundesgebiet eine aktuelle gravierende Gefahr für die Gemeinschaft und Allgemeinheit, die die Grundinteressen der Gesellschaft berührt, ausgeht. Der BF stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, dar. Die Ansicht der belangten Behörde, dass für den BF nur eine negative Zukunftsprognose erstellt werden kann und er als gemeingefährlich einzustufen ist, ist daher nicht entgegen zu treten.
3.3.4. Darüber hinaus ist bei der oben angeführten Rechtsprechung als vierte Voraussetzung der aufgezählten Güterabwägung auch eine Rückkehrgefährdung des Asylberechtigten, dh. das Ausmaß und die Art der ihm drohenden Maßnahmen (VwGH 06.10.1999, 99/01/0288; 22.10.2003, 2001/20/0148), zu prüfen (VwGH 27.04.2006, 2003/20/0050; 05.10.2007, 2007/20/0416).
Dahingehend ist die Frage zu klären, ob der BF wegen eines nachlassenden oder nicht mehr bestehenden Interesses am Christentum nunmehr nur pro forma Christ sei und daran anknüpfend, ob aus diesem Grunde im Iran die Verfolgungsgefahr weggefallen ist.
Im Zuge seines Asylverfahrens brachte der BF ursprünglich vor, dem evangelischen Glauben anzugehören (AS 31) und wurde ihm infolge dessen auch der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Infolge der Einleitung des Aberkennungsverfahrens aufgrund der Straffälligkeit des BF erklärte dieser in seiner schriftlichen Stellungnahme, dass er Christ sei und sowohl vor seiner Inhaftierung als auch während der Haft in der JA regelmäßig Gottesdienste besuche. (AS 341).
In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 02.07.2021 wurde der BF weitergehend, insbesondere zur aktuellen Praktizierung und inneren Überzeugung seines Glaubens befragt.
Wie in der Beweiswürdigung unter 2.2.3. bereits eingehend ausgeführt, kann beim BF nicht davon ausgegangen werden, dass er nach wie vor aus innerer Überzeugung und ernsthaft am christlichen Glauben interessiert ist. Der BF hat den christlichen Glauben sohin nicht nachhaltig verinnerlicht und fehlt die innere Überzeugung, welche bei der Zuerkennung des Asylstatus vorgeherrscht hatte.
Zur vom BF geäußerten Befürchtung, im Iran der Gefahr einer neuerlichen Verurteilung wegen der letzten strafgerichtlichen Verurteilung in Österreich ausgesetzt zu sein, ist festzuhalten, dass sich das Verbot der Doppelverfolgung und -bestrafung nach Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK nur auf eine doppelte Verfolgung bzw. Bestrafung durch denselben Staat bezieht. Es gibt jedoch im gegenständlichen Fall keine Hinweise darauf, dass der BF wegen der Delikte für die er in Österreich bereits verurteilt wurde, in seinem Herkunftsstaat neuerlich strafrechtlich verfolgt werden würde, weil von einer behaupteten Kenntniserlangung der iranischen Behörden in Bezug auf die gegenständliche Verurteilung des BF, wegen der diesbezüglich in Österreich bestehenden Verschwiegenheitspflichten bzw des Datenschutzes nicht ausgegangen werden kann. Dass die Freunde des BF diesen an die iranischen Behörden verraten würden, ist ebenso wenig anzunehmen und wurde auch nicht behauptet.
Im Ergebnis ist die Beschwerde sohin hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen, da der BF durch die Schwere der Tat ein besonders schweres Verbrechen verwirklicht hat und als eine aktuelle Gefahr für die Gesellschaft und als Gefahr für die Allgemeinheit angesehen werden muss. Zusammengefasst sind die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten beim BF somit gegeben.
3.2. Zur Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs 1 Z 2 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist und wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht.
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr („a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl VwGH jeweils vom 31.03.2005, 2002/20/0582, 2005/20/0095).
Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3).
3.2.1. Die belangte Behörde hat festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in den Iran keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde, sodass der Status des subsidiären Schutzstatus schon mangels Erfüllung der Voraussetzungen gemäß Art 8 Abs 1 AsylG nicht zuzuerkennen war.
Diese Ansicht ist aus den folgenden Erwägungen zu teilen:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.
Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird zudem festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Bei dem BF handelt es sich um einen gesunden, mobilen, jungen, arbeitsfähigen Erwachsenen, bei welchem die Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und hat Erfahrung sowohl als Angestellter als auch als Selbstständiger ua als Fitness-Trainer. Er lebte bis zu seinem 30. Lebensjahr im Iran, besuchte dort die Schule und war länger berufstätig. Der BF hat somit den Großteil seines Lebens im Heimatland verbracht. Überdies leben im Iran noch Mitglieder seiner Kernfamilie, insbesondere seine Mutter, sein Vater und sein Bruder.
Es kann davon ausgegangen werden, dass der BF im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein wird, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Hinzu kommt, dass der BF aus einem Staat stammt, auf dessen Territorium einerseits die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist. Andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt, als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Es steht dem BF auch frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das – wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus kann auch davon ausgegangen werden, dass der BF durch seine Schwester aus Dänemark – wie während seiner Zeit in Österreich – Unterstützung aus der Ferne erhalten wird. Überdies ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
Die derzeitige COVID-19 (sog. Corona-) Pandemie, ausgelöst durch das SARS-CoV-2-Virus, führt zu keiner Änderung der oben angeführten Erläuterungen zum Iran.
Im Hinblick auf die Gefahr, dass sich der BF im Iran mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert bzw. auf dort wegen der Krise herrschende Einschränkungen des Wirtschaftslebens und die daraus resultierende Versorgungslage betroffen ist, kann ein Rückkehrhindernis nur dann vorliegen, wenn der BF aufgrund der Bedingungen mit maßgeblichen Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, von einem unter § 8 Abs 1 AsylG 2005 subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein. Bei der Beurteilung, ob dem BF im Fall seiner Rückführung die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe, sind die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien (vgl. VwGH 14.8.2019, Ra 2019/20/0347, mwN) zu beachten.
Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 12.6.2018, Ra 2018/20/0250, mwN).
Bei der Frage, ob im Fall der Rückführung eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK besteht, kommt es somit nicht darauf an, ob infolge von zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus gesetzten Maßnahmen sich die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, solange die Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse weiterhin als gegeben anzunehmen ist (vgl. VwGH 11.11.2020, Ra 2020/14/0390; VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0314; VwGh 20.01.2021, Ra 2020/19/0334 jeweils mwN).
Eine derartige Extremgefahr kann für den BF im Falle seiner Rückkehr in den Iran nicht angenommen werden. Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass der BF als arbeitsfähiger Mann ohne bestehende schwerwiegenden Erkrankungen im Iran gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. Selbst bei Zugrundlegen der vom iranischen Staat getroffenen Maßnahmen zur medizinischen Versorgung besteht keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, welcher der BF angehört.
Des Weiteren ist die Versorgungslage für die Bevölkerung im Iran auch unter Berücksichtigung gewisser Einschränkungen nicht derart desolat, dass auch nur annähernd von einer allgemeinen Gefahrenlage gesprochen werden könnte.
Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden. Insbesondere ist auf die Ausführungen oben zu verwiesen, wonach – auch unter Berücksichtigung der strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Österreich und seiner anfänglichen und nunmehr nur mehr oberflächlichen Zuwendung zum Christentum – keine ernsthafte Gefahr einer Inhaftnahme im Iran besteht.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist daher im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und er nicht in eine - allfällige, Anfangsschwierigkeiten überschreitende - dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
3.2.2. Im Übrigen ist fallbezogen noch Folgendes auszuführen:
Gemäß § 8 Abs 3a AsylG 2005 hat, wenn ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs 1 oder aus den Gründen des Abs 3 oder 6 abzuweisen ist, eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs 2 vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 9 Abs 2 Z 3 AsylG 2005). Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
Die belangte Behörde hat sich auf § 9 Abs 2 Z 2 und 3 AsylG 2005 gestützt, sodass zu prüfen ist, ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt bzw. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) verurteilt wurde. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.
Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, erfordert ebenfalls eine Gefährdungsprognose, wobei das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (vgl. VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0155).
3.2.3.1. Im konkreten Fall ist der Tatbestand der Z 2 erfüllt, weil der BF - wie bereits oben unter Pkt. 3.1. erläutert wurde - als Gefahr für die Gesellschaft und damit als gemeingefährlich einzustufen war. Der BF stellt damit eine Gefahr für die Allgemeinheit dar.
3.2.3.2. Darüber hinaus wird lediglich der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass auch der Tatbestand des § 9 Abs 2 Z 3 AsylG 2005 erfüllt ist.
Gemäß § 9 Abs 2 Z 3 AsylG 2005 hat eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, so diese nicht schon aus den Gründen des Abs 1 zu erfolgen hat, dann zu erfolgen, wenn der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist, wobei auf § 17 StGB verwiesen wird.
Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang mit Urteil vom 13.9.2018, Rs C-369/17 , Ahmed, ausgesprochen, dass Art. 17 Abs 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, dahin auszulegen ist, dass er einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ausschließlich anhand des Strafmaßes, das für eine bestimmte Straftat nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist, davon ausgegangen wird, dass die Person, die einen Antrag auf subsidiären Schutz gestellt hat, "eine schwere Straftat" im Sinne dieser Bestimmung begangen hat, derentwegen sie von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen werden kann. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörde bzw. des zuständigen nationalen Gerichts, die oder das über den Antrag auf subsidiären Schutz entscheidet, die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen, wobei eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen ist.
Im gegenständlichen Fall liegt nicht nur ein schweres Verbrechen, sondern sogar ein besonders schweres Verbrechen vor, bei dem keine positive Zukunftsprognose möglich ist.
Dadurch, dass der BF in Österreich wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels rechtkräftig verurteilt wurde, liegen die rechtlichen Voraussetzungen zur Aberkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 9 Abs 2 Z 2 und 3 AsylG vor.
3.2.4. Die Beschwerde erweist sich vor dem Hintergrund der oben getroffenen Ausführungen auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet.
3.3. Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 57 Abs 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn
(1) der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr 100/2005 in der Fassung BGBl I Nr 56/2018 (in Folge: FPG), seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
(2) zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
(3) der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e Exekutionsordnung, BGBl Nr 79/1896 in der Fassung BGBl I Nr 32/2018, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Wie von der belangten Behörde ausgeführt wurde, sind die in § 57 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt. Für die Anwendbarkeit der Z 2 und 3 finden sich keinerlei Hinweise, die Z 1 ist schon aus dem Grund nicht anwendbar, da der BF von einem Gericht wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde (und überdies auch noch eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt). Daher war die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen rechtmäßig.
3.4. Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 10 Abs 1 Z 4 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden, wenn einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.
3.4.1. Die belangte Behörde hat sich zutreffend auf § 52 Abs 2 Z 3 FPG gestützt, da dem BF der Status des Asylberechtigten aberkannt wurde, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kam.
§ 9 Abs 1 BFA-VG normiert, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1-9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.
Gemäß § 52 Abs 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
Stellt die Maßnahme der Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art 8 EMRK geschützten Rechte dar, ist zu unterscheiden, ob daraus gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung auf Dauer resultiert (wovon dann aus-zugehen ist, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- oder Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind) oder ob dabei Umstände vorliegen, welche die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung wegen einer drohenden Verletzung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK nur vorübergehend befürchten lassen, in welchem Fall die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorübergehend für unzulässig zu erklären ist, wodurch der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet „geduldet" (§ 46a Abs 1c FPG) wird (vgl. VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146).
Stellt eine aufenthaltsbeendende Maßnahme keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art 8 EMRK geschützten Rechte dar, dann folgt daraus nicht nur deren Zulässigkeit im Grunde des § 9 BFA-VG, sondern auch, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels (oder die Duldung) zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK nicht geboten ist (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweis auf die zur früheren Rechtslage ergangenen Erkenntnisse VwGH 22.10.2009, 2009/21/0293 und VwGH 27.05.2010, 2010/21/0142).
Der VwGH erkennt in seiner ständigen Rechtsprechung, dass bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt (VwGH 28.04.2014, Ra 2014/18/0146-0149, mwN). Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (VwGH 22.07.2011, 2009/22/0183).
Das persönliche Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl VwGH 22.01.2013, 2011/18/0036; VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001, mwN; zur Übertragbarkeit der zu früher geltenden Rechtslagen des FPG ergangenen Rechtsprechung zur Interessenabwägung bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auf die seit 01.01.2014 geltende Rechtslage nach dem BFA-VG, VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig ist und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme.
3.4.2. Dass die hier zu beurteilende Rückkehrentscheidung unter Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels nicht als rechtswidrig angesehen werden kann, ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
Die Erlassung der Rückkehrentscheidung liegt zur Durchsetzung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften im öffentlichen Interesse, das im Lichte von Art 8 Abs 2 EMRK als Interesse „an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung" und am „wirtschaftlichen Wohl des Landes“ eingestuft werden kann. Gegen die genannten Regeln verstoßen Fremde, die nach dem negativen Ausgang des Asylverfahrens über kein weiteres (vorläufiges) Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben. Dem genannten öffentlichen Interesse kommt ein hoher Stellenwert zu (vgl VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 mwN; zur Gewichtung des öffentlichen Interesses an der nach Abschluss eines Asylverfahrens zu verfügenden Ausweisung bzw. Rückkehrentscheidung und zur Zuordenbarkeit auch zum Eingriffstatbestand des „Schutzes der öffentlichen Ordnung" iS Art. 8 Abs 2 EMRK s auch VfSlg. 19.086/2010 und VfSlg. 19.752/2012).
Der BF war zunächst (beginnend mit 15.09.2014) als Asylwerber in Österreich aufhältig. Zunächst ist hierbei zu beachten, dass er in der Phase seines Asylverfahrens nicht von einem gesicherten Aufenthalt in Österreich ausgehen durfte (§ 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG). Erst mit Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten am 28.07.2016 konnte er nach der Rechtslage von einem gesicherten Aufenthalt ausgehen.
Der BF verfügt über keine nahen Familienangehörigen im Bundesgebiet und lebt alleine. Seine Schwester lebt in Dänemark. Das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts, eines Abhängigkeitsverhältnisses – dabei wird nicht verkannt, dass die Schwester den BF teilweise finanziell unterstützt – oder einer sonstigen intensiven Beziehung konnte jedoch nicht festgestellt werde, sodass die aufenthaltsbeendende Maßnahme allenfalls in das Privatleben des BF eingreifen könnte.
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60.654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541
Der BF hält sich im seit seiner Antragstellung im September 2014 und somit seit noch nicht ganz sieben Jahren im Bundesgebiet auf. Er hat in dieser Zeit - mit Ausnahme der Erweiterung seiner Deutschkenntnisse - und trotz des Umstandes, dass er den Status des Asylberechtigten genoss, keine maßgeblichen Schritte zur Integration geleistet. Er war in diesen Jahren zwar immer wieder beruflich tätig (als Koch und Security) und Mitglied eines Kraftsportvereins. Dennoch überwiegt, dass er mehrmals straffällig wurde und schließlich ein Jahr in Strafhaft verbrachte.
Der BF hat nur vereinzelte österreichische Freunde und Ex-Freundinnen und war in einem Kraftsportverein, mit dem er auch an den Tiroler Meisterschaften teilnahm. Dennoch hat er sich nicht um die weitere Verbesserung seine Deutschkenntnisse (Sprachzertifikate) bemüht, oder auch sonst nicht, etwa durch ehrenamtliche Tätigkeiten, in die österreichische Gemeinschaft eingebracht. Insbesondere hat er auch keinerlei Engagement in seiner Kirchengemeinde gezeigt. Die Tätigkeit im Kraftsportverein, kann als Hobby betrachtet werden, dem er bereits im Iran nachgegangen ist und das er hier engagierter fortgesetzt hat. Eine besondere Integration liegt trotz seines längeren Aufenthaltes in Österreich nicht vor, weil ihn bei seinem einjährigen Gefängnisaufenthalt selbst sein mit ihm befreundetes Vereinsmitglied MF nur einmal im Gefängnis besucht hat und auch sonst nur seine Ex-Freundin, die aber in keiner Beziehung mit ihm leben will, und eine weitere Person zweimal zu ihm kam (OZ 8).
Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die für die Integration eines Fremden wesentliche soziale Komponente auch durch vom Fremden begangene Straftaten erheblich beeinträchtigt (vgl. etwa VwGH 19.11.2003, 2002/21/0181 mwN). Im vorliegenden Fall muss sich der BF im Rahmen der ihn betreffenden Interessensabwägung entgegenhalten lassen, dass er im Laufe seines rund siebenjährigen Aufenthaltes in Österreich - wie festgestellt - wegen eines besonders schweren Verbrechens strafgerichtlich verurteilt wurde, wobei hinsichtlich der Tatbegehung und Strafbemessungsgründe auf das in den Feststellungen zitierte strafgerichtliche Urteil zu verweisen und von einer Gefährlichkeit seiner Person auszugehen ist.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung iSd § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt, und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG im Spruchpunkt IV. stellt sohin keine Verletzung des Rechts des BF auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG iVm Art 8 EMRK dar. Daher ist die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 hat zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig ist (§ 58 Abs 2 AsylG 2005).
3.5. Zur Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach IRAN (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):
3.5.1. §§ 52 Abs 9 und 50 FPG lauten auszugsweise wie folgt:
"Rückkehrentscheidung
§ 52 (1) …
…
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
...
Verbot der Abschiebung
§ 50 (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
..."
3.5.2. Wie bereits oben mehrfach festgestellt und ausgeführt droht dem BF im Falle seiner Rückkehr in den Iran keine oben zitierte Gefahr für sein Leben oder seine Unversehrtheit.
Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs 9 iVm § 50 FPG getroffenen Feststellungen auch sonst keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Iran unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.
Im Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wurde somit zu Recht die Zulässigkeit einer Abschiebung in den Iran festgestellt.
3.6. Zur Ausreisefrist (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):
Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Diesbezüglich wurde vom BF ins Treffen geführt, er müsse seine Wohnung bzw seinen Hausrat räumen/auflösen, was jedoch nicht als „besonderer Umstand" iSd § 55 Abs 2 FPG gewertet werden kann, weil er damit auch eine Vertrauensperson beauftragen kann. Einschlägige „besondere Umstände“ wurden nicht geltend und sind auch im Verfahren vor dem BVwG nicht hervorgekommen.
3.7. Zur Verhängung des Einreiseverbotes (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides)
3.7.1. Der mit „Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet auszugsweise:
„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(2) […]
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
[…]
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
[…]“
Bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (ErläutRV, 1078 BlGNR 24. GP 29 ff. und Art 11 Abs 2 Rückführungsrichtlinie). Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der weitere Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in den Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. In Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrundeliegende Verhalten abzustellen. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das sich daraus ergebene Persönlichkeitsbild (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237; 19.02.2013, 2012/18/0230). Bei der Festlegung der Dauer eines Einreiseverbotes ist eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose erforderlich (VwGH 24.05.2013, Ra 2015/21/0187).
Die belangte Behörde hat die verhängte Dauer des ausgesprochenen Einreiseverbots nicht (nur) auf die Tatsache der Verurteilungen beziehungsweise der daraus resultierenden Strafhöhen, abzustützen, sondern unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist (VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603; VwGH 22.11.2012, 2012/23/0030) sowie unter Würdigung des individuellen, vom BF durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose zu treffen.
3.7.2. Der BF wurde mit Urteil des LG XXXX vom 19.02.2020 zu XXXX , des Verbrechens der schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 4 StGB), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel (§ 28 Abs 1 2. Satz SMG), des Verbrechens des Suchtgifthandels (§ 28a Abs 1 5. Fall SMG), des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§ 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs 2 SMG), des Vergehens des unerlaubten Waffenbesitzes (§ 50 Abs 1 Z 2 WaffG), sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung ( § 229 Abs 1 StGB) schuldig erkannt und rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.
Damit ist jedenfalls die in § 53 Abs 3 Z 1 FPG angeführte Schwelle überstiegen, weshalb die belangte Behörde das Einreiseverbot zu Recht auf jene Bestimmung stützte. Der VwGH hat wiederholt ausgesprochen, dass bei schweren Verbrechen im Zusammenhang mit Suchtmitteln weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Einreiseverbot entgegenstehen (vgl etwa VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0050, mit dem Hinweis auf VwGH 25.2.2016, Ra 2016/21/0022, mwN; VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0066, mwN; VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0081).
Vom BF wurden während des gesamten Verfahrens - insbesondere in den Einvernahmen vor der belangten Behörde - keine Umstände geltend gemacht, die überzeugend eine Änderung in seiner persönlichen Entwicklung erkennen ließen. Der Umstand, dass er nunmehr Schicht arbeitet und versichert hat, dass er nicht mehr als Türsteher arbeiten will, ändert daran nichts, da er sich nach wie vor in der Kraftsport- bzw Bodybuilderszene bewegt und der Weg von legalen leistungssteigernden Mitteln zu verbotenen Anabolika (die Aggressivität erzeugen) und von dort zu Suchtmitteln, ein kurzer ist. Der BF hat nach wie vor die gleichen Freunde aus dieser Szene (und nicht etwa auch seiner Kirchengemeinde) und ist auch erst ein gutes halbes Jahr aus dem Gefängnis entlassen und auf Bewährung. Aus diesem Grund ist das Vorbringen in der Beschwerde, er sei gewillt sein Leben in eine positive Richtung zu lenken, nicht ausreichend um eine positive Zukunftsprognose zu erstellen.
Wie beweiswürdigend aufgezeigt, ist weiterhin davon auszugehen, dass vom BF eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht.
Durch sein Österreich gesetztes strafbares Verhalten hat der BF in hohem Maße den Unwillen zur Befolgung der österreichischen Gesetze zum Ausdruck gebracht.
Dabei waren insbesondere die Deliktsqualifikationen der begangenen Delikte, die kontinuierlichen Tatbegehungen und die Vielzahl der dem BF angelasteten Straftaten hervorzuheben. Durch sein Verhalten hat der BF das Grundinteresse der Gesellschaft an Ruhe, Sicherheit für Person und an sozialem Frieden schwerwiegend beeinträchtigt. Die Delikte haben sowohl der Art als auch der Schwere nach massiv in das geschützte Rechtsgut Gesundheit, Leib und Leben eingegriffen, was sich auch im Strafausmaß von 18 Monaten niedergeschlagen hat.
Wie unter Punkt 3.4.2. ausführlich dargestellt, schlägt die Abwägung der persönlichen Interessen des BF mit dem öffentlichen Interesse an seiner Ausreise aufgrund seines mehrfachen Fehlverhaltens, seiner mangelnden Rechtstreue sowie seiner Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich und der EU rechtlich geschützten Werten zuungunsten des BF und zugunsten des öffentlichen Interesses aus.
Im gegenständlichen Fall wurde - wie oben ausgeführt - eine Gefährdungsprognose durchgeführt und war aus den genannte Gründen die Abgabe einer positiven Zukunftsprognose nicht möglich.
Es besteht kein Zweifel, dass vom BF ausgehende Gefährdung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von weiteren schwerwiegenden bzw zu befürchtenden Straftaten insbesondere im Bereich des Suchtmittelhandels, den Eingriff in das Privatleben des BF durch die Erlassung eines Einreiseverbotes, sowohl dem Grunde nach als auch von der Dauer (hier: 5 Jahre) her überwiegen und daher verhältnismäßig im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK sind.
Den Erwägungen der belangten Behörde bezüglich der Erlassung des Einreiseverbots wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten.
Die belangte Behörde hat den vorliegenden Sachverhalt in richtiger Weise subsumiert und ihre Entscheidung in weiterer Folge im ausreichenden Maße begründet.
Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines Einreiseverbotes in der festgesetzten Dauer vorliegen, ist die Beschwerde gegen den Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG idgF auch in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auf die oa Judikatur der Höchstgerichte wird hingewiesen.
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