AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W258.2147070.1.00
Spruch:
Schriftliche Ausfertigung des am 04.10.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerold PAWELKA-SCHMIDT über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.10.2019 in einer asylrechtlichen Angelegenheit zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Wesentlicher Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (in Folge kurz "BF") stellte am 17.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
In seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der BF im Wesentlichen an, er sei Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan (in Folge kurz "Afghanistan") und am XXXX in der Islamischen Republik Iran (in Folge kurz "Iran") geboren. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an, sei schiitischen Bekenntnisses und habe sieben Jahre die Grundschule besucht. Als Wohnanschrift gab der BF Mashhad, Iran an. Seine Eltern, sein Bruder sowie seine drei Schwestern seien weiterhin im Iran aufhältig. Ihre finanzielle Situation bezeichnete der BF als "gut". Er habe als Schuhmacher gearbeitet und den Iran vor ungefähr vier Monaten verlassen. Seine Flucht begründete der BF damit, dass er mit der Tochter seines Arbeitgebers geschlafen habe. Bei einer Rückkehr befürchte der BF vom Vater des Mädchens getötet zu werden. Warum seine Eltern damals Afghanistan verlassen hätten, könne der BF nicht angeben. Abschließend gab der BF auf Vorhalt an, er habe bereits in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und sei XXXX Jahre alt.
In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 17.01.2017 führte der BF über seine bereits in der Erstbefragung getätigten Angaben hinausgehend aus, seine Eltern hätten aus dem BF unbekannten Gründen Afghanistan vor ungefähr 30 Jahren verlassen. Sie würden ursprünglich aus der Provinz Kandahar stammen und seien aufgrund von Problemen zwischen Schiiten und Sunniten nach Mazar-e Sharif gezogen. Der BF habe keine Angehörigen in Afghanistan. Die Mutter des Mädchens, mit welchem der BF Geschlechtsverkehr gehabt habe, sei eines Tages unerwartet früher nach Hause gekommen und habe den BF und ihre Tochter beim Geschlechtsverkehr erwischt. Sie habe sofort ihren Ehemann vom Vorfall in Kenntnis gesetzt, welcher noch in derselben Nacht zur Familie des BF nach Hause gekommen sei, sodass der BF auch vor seinen Angehörigen sein Gesicht verloren habe. Anschließend sei gegen den BF Anzeige erhoben worden. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte der BF, von einem in Mazar-e Sharif aufhältigen Verwandten der Familie des Mädchens verfolgt zu werden. Am Ende der Befragung gab der BF an, vor drei bis vier Jahren in Afghanistan von zwei Männern vergewaltigt worden zu sein.
Mit Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten ab, sprach aus, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen fest. Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, der BF habe in Bezug auf Afghanistan keine individuellen Fluchtgründe vorgebracht; sein Versuch, eine Verfolgung in Afghanistan darzulegen, stelle ein nachgeschobenes Vorbringen dar, das dem BF nicht geglaubt werden könne. Auch die Eltern des BF hätten keine individuellen Fluchtgründe gehabt, als sie Afghanistan verlassen hätten. Der BF könne im Fall der Rückkehr in Mazar-e Sharif seinen Lebensunterhalt bestreiten, da er gesund, jung und arbeitsfähig sei und darüber hinaus über mehrjährige Berufserfahrung verfüge. Außerdem seien keine Ansatzpunkte hervorgetreten, die die Vermutung einer besonderen Integration des BF in Österreich rechtfertigen würden.
Gegen den abweisenden Bescheid wendet sich die gegenständliche Beschwerde des BF vom 03.02.2017, in der er im Wesentlichen die inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere der Verletzung des Rechts auf Beigabe eines gleichgeschlechtlichen Dolmetschers, geltend macht und im Wesentlichen ausführt, wie die Länderberichte zeigen würden, drohe dem BF in Afghanistan die Todesstrafe. Als Rückkehrer aus dem westlichen Ausland sei der BF zudem als besonders vulnerabel anzusehen.
In der am 04.10.2019 hg durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde der BF zu seinen Fluchtgründen befragt und die Beschwerde des BF durch mündliche Verkündung abgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 14.10.2019 beantragte der BF die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.
Beweise wurden aufgenommen durch Einvernahme des BF als Partei, der Zeugin XXXX und des Zeugen XXXX sowie Einsicht in den Akt des Verwaltungsverfahrens (OZ 1) und in die folgenden Urkunden:
* UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in Folge kurz als "UNHCR 30.08.2018" bezeichnet; Beilage ./I),
* Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatdokumentation vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation vom 04.06.2019 (in Folge kurz als "LIB" bezeichnet; Beilage ./II),
* EASO - European Asylum Support Office: Country Guidance:
Afghanistan; Guidance note and common analysis, Juni 2019 (in Folge kurz als "EASO" bezeichnet; Beilage ./III),
* die vom BF in der Beschwerde verwiesene ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 12.06.2015: Situation für AfghanInnen (insbesondere Hazara), die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben und dann nach Afghanistan kommen (ua mögliche Ausgrenzung oder Belästigungen); Verhalten der Taliban gegenüber Hazara, die aus dem Iran zurückkehren [a-9219] (in Folge kurz als "ACCORD 12.06.2015" bezeichnet),
* die vorgelegten Urkunden des BF,
* Strafregisterauszug des BF vom 03.10.2019;
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Der folgende Sachverhalt steht fest:
1.1. Zur individuellen Situation des BF:
1.1.1. Allgemeines:
Der männliche, volljährige und ledige BF ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Er geht in Österreich nicht in die Moschee und bezeichnet sich selbst als nicht religiös. Der BF spricht sowohl Farsi als auch Dari mit einem iranischen Akzent und wurde am XXXX in Mashhad, im Iran geboren. Der BF hat im Iran sieben Jahre die Schule besucht und etwa vier Jahre als Schuhmacher sowie Fleischer gearbeitet.
Die Kernfamilie des BF besteht aus seinen Eltern, seinem Bruder und seinen drei Schwestern, die - abgesehen von einer Schwester, die in Österreich lebt - nach wie vor im Iran aufhältig sind; ihnen geht es finanziell gut. Der Vater des BF ist ebenfalls Fleischer.
Die Eltern des BF stammen ursprünglich aus der Provinz Kandahar. Sie haben vor ungefähr 30 Jahren Afghanistan verlassen, wobei dem BF die Gründe hierfür nicht bekannt sind. Als der BF vor ungefähr sieben oder acht Jahren das erste Mal versucht hat nach Europa zu gelangen, wurde er in der Türkei inhaftiert und in die Hauptstadt Afghanistans abgeschoben. Daraufhin hielt er sich ungefähr 20 Tage beim Cousin seines Vaters in Mazar-e Sharif auf, ehe er wieder in den Iran gereist ist.
Ungefähr im August 2015 ist der BF schleppergestützt erneut aus dem Iran ausgereist. Er ist unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet Österreichs eingereist und hat am 17.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Der BF befindet sich in einem allgemein guten Gesundheitszustand. Er litt unter Kinderlähmung wodurch ein Bein einen Zentimeter kürzer als das andere Bein ist. Er hat dadurch in diesem Bein im Winter, beim längeren Gehen oder Stehen und beim Laufen Schmerzen. Er hat gelegentlich Kopfschmerzen und Schwindel. Seine Arbeitsfähigkeit wird dadurch nicht eingeschränkt. Der BF nimmt keine Medikamente.
1.1.2. Zu den Fluchtgründen:
Der BF wurde während seines kurzen Aufenthaltes in Mazar-e Sharif von zwei Männern vergewaltigt und dabei gefilmt; ihm wurde angedroht, den Film zu veröffentlichen, sollte er die Vergewaltiger anzeigen. Seit dem Vorfall hatte der BF keinen Kontakt zu den Vergewaltigern.
Im Jahr 2015 hatte der BF im Iran mit der Tochter seines damaligen Arbeitgebers außerehelichen Geschlechtsverkehr. Dabei wurde er von der Frau seines Arbeitsgebers entdeckt und ist deswegen aus dem Iran geflohen. Sein Arbeitgeber habe gegenüber dem Vater des BF erklärt, dass er den BF deswegen töten wolle. In Mazar-e Sharif lebt ein Verwandter des Vaters seiner Geliebten, der den BF persönlich nicht kennt.
Der BF hatte in Afghanistan weder Schwierigkeiten oder Nachteile, weil er der Volksgruppe der Hazara angehört oder schiitischer Moslem ist.
1.1.3. Zum (Privat- und Familien‑) Leben des BF in Österreich:
Der BF ist seit seiner Antragsstellung aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 2005 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
Eine Schwester des BF lebt gemeinsam mit ihrem Ehemann in Österreich. Zu ihnen besteht kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis.
Der BF verfügt über einen engen Freund in XXXX ( XXXX ) und kennt einige Personen, die ihn unterstützen ( XXXX und XXXX ). Außerdem pflegt er einen guten Kontakt zu den Mitbewohnern in seiner Unterkunft und geht in seiner Freizeit schwimmen und spielt Karten.
Der BF spricht Deutsch zumindest auf dem Sprachniveau A2, wobei er ein deutlich besseres Sprachverständnis aufweist, und hat das ÖSD Deutsch-Zertifikat auf dem Sprachniveau A2 gut bestanden. Er hat verschiedene integrationsfördernde Kurse besucht, leistet seit August 2018 am Bauhof der Marktgemeinde XXXX Remunerantentätigkeiten und andere gemeinnützige Aktivitäten für die Gemeinde, bietet seine Hilfe in dem Grundversorgungsquartier, in welchem er wohnt, an, nimmt am Brückenkurs des XXXX im Rahmen der Bildungsinitiative XXXX , der neben dem Unterricht in Deutsch auch Unterrichtseinheiten in Mathematik, Englisch und Informations- und Kommunikationstheorie umfasst, teil und ist regelmäßiger Teilnehmer des wöchentlich stattfindenden Integrationsangebots " XXXX ". Er ist kein Mitglied in einem Verein.
Der BF bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Er ist mit der afghanischen Tradition und Lebensweise vertraut. Der BF hat keine "verwestlichte Lebenseinstellung" angenommen, die einen substanziellen Bruch mit den gesellschaftlichen Normen in Afghanistan erkennen ließe.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:
Die Eltern des BF können ihn im Falle einer Rückkehr - zumindest im Notfall - finanziell unterstützen.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat des BF:
1.2.1. Zur Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen (LIB Kapitel 1. und 3.):
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil.
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil.
Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.08.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5 % zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63 %) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37 % zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25 %. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. Bis Oktober 2018 fanden die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe.
Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis. Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung.
Die Regierung kontrolliert bzw beeinflusst mit Stand 22.10.2018 53,8 % der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9 % der Distrikte sind umkämpft und 12,3 % befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca 63,5 % der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8 % in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6 % leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand.
Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus.
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (01.01.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5 % sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11 % gegenüber dem Vorjahreswert. 42 % der zivilen Opfer (4.627 Opfer;
1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22 % und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26 % aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16 % der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen.
Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31 % der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3 % im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48 % gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren ua Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61 % und die Zahl der Todesopfer erreichte 82 %. 9 % aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009.
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (01.01.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63 % der gesamten zivilen Opfer. 37 % davon werden den Taliban, 20 % dem ISKP und 6 % unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten.
Ungefähr 24 % der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14 % den afghanischen Sicherheitskräften, 6 % den internationalen Streitkräften und 4 % unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4 % gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück.
Die verbleibenden 13 % der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10 %), durch Beschuss aus Pakistan (1 %) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht.
UNAMA registrierte im ersten Quartal 2019 (01.01.2019 - 31.03.2019)
1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23 % gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist. Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde. Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden. Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen. Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge).
1.2.2. Zur Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Herat, der Hauptstadt der Provinz Herat (LIB Kapitel 3.13.):
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken.
Die Provinz ist ua ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern.
Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben ua tausende afghanische Binnenflüchtlinge.
Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.04.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Dabei handelte es sich um folgende Art von Vorfällen: 6 Entführungen, Verschleppungen; 1 Brandstiftung, Feuer; 1 Flughäfen, Flugverkehr; 1 Angriff auf Logistik, Häfen, Fracht, Wasserstraßen; 1 Attentat, Attentatsversuche, 44 Bomben, Explosivstoffe, Attrappen; 13 Schießereien, Scharfschützen; 60 Verhaftungen, Tötungen; 12 Sonstige, undefiniert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37 % im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt; dabei wurden Taliban getötet. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen.
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren. Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden. ACLED registrierte für den Zeitraum 01.01.2017 - 15.07.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat.
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden. Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet. Die Safran-Produktion garantierte zB auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es
6.5 Tonnen. Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten.
Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat.
Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen. Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen. Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden.
Die Situation in der Stadt Herat ist wegen der Zahl der Binnenvertriebenen und einer Dürre im Jahr 2018 (UNHCR-Richtlinien 30.08.2018, Seite 35 f) angespannt. Die Lebensmittelversorgung wird mit Stufe 3 "crisis" (die vom Famine Early Warning System Network, FEWS NET, verwendete Skala zur Messung der Nahrungsmittelunsicherheit umfasst fünf Stufen; von "minimal" bis "famine") bewertet. Demnach verfügt einer von fünf Haushalten trotz humanitärer Hilfe über eine Lücke im Nahrungsmittelverbrauch, der über der üblichen Unterernährung liegt, oder war gerade noch in der Lage, den Mindestbedarf an Nahrungsmitteln zu decken, wovon insbesondere Vertriebene betroffen sind (EASO Country Guidance, Juni 2019, Seite 132). 80 % der Einwohner in der Stadt Herat haben Zugang zu Netzstrom, 70 % zu Wasser und 30 % zu Abwasserdienstleistungen. Von der städtischen Bevölkerung in Herat haben 81,2 % Zugang zu verbesserten Wasserquellen und 92,1 % zu einer verbesserten Sanitäranlage (EASO Country Guidance, Juni 2019, Seite 133).
1.2.3. Zur Lage der Hazara in Afghanistan:
1.2.3.1. Allgemeines (LIB Kapitel 15.1. und 16.2.):
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15 % geschätzt. Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara. Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10 % der Bevölkerung aus. Sie besiedeln traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak.
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich gebessert, insbesondere durch Bildung auch ökonomisch und politisch. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert.
1.2.3.2. Umgang des Afghanischen Staates mit Hazara:
Die Verfassung garantiert die "Gleichheit aller ethnischen Gruppen und Stämme" (UNHCR 30.08.2018 S 104). Nichtsdestotrotz sind Hazara von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist. So existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben, und beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind (LIB Kapitel 16.2.).
Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit (LIB Kapitel 15.1.).
Hazara haben sich in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert. Sie sind im nationalen Durchschnitt mit einem Anteil von etwa 10 Prozent in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (LIB Kapitel 16.2.).
1.2.3.3. Umgang anderer ethnischer Gruppen mit Hazara:
Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (LIB Kapitel 15.1.).
Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (LIB Kapitel 15.1. und 16.2.).
1.2.3.4. Umgang von Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte mit Hazara:
Seit den letzten Jahren mehren sich Berichten zufolge die Fälle von Schikanen, Einschüchterung, Entführung und Tötung durch die Taliban, den Islamischen Staat und andere regierungsfeindliche Kräfte (UNHCR 30.08.2018 S 107).
In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen ua der Taliban und des IS (LIB Kapitel 15.1.).
1.2.4. Zur Lage von Schiiten in Afghanistan (LIB Kapitel 15.1.):
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15 % geschätzt. Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara. Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen. Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran.
Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen ua der Taliban und des IS.
1.2.5. Apostasie:
Unter dem Einfluss der Scharia droht die Todesstrafe bei Apostasie (LIB Kapitel 14. S 308). Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie (LIB Kapitel 15. S 209).
1.2.6. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge (LIB Kapitel 20.):
Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs). Im Zeitraum 2012 bis 2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen. Zwischen 01.01.2018 und 15.05.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23 % davon sind erwachsene Männer, 21 % erwachsene Frauen und 55 % minderjährige Kinder.
Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30 % der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.03.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt. Mit Stand Dezember 2017 lebten 54 % der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung.
Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern. Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw.
1.2.7. Grundversorgung und Wirtschaft (LIB Kapitel 21.):
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu. Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich sechs Prozent prognostiziert. Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1,4 % aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3,4 bzw 1,8 %. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3 % zurückgingen und die Importe um 8 % stiegen.
Es existiert ein Bankensystem; die Afghanistan International Bank bietet zB alle Varianten des Bankwesens inklusive Online Banking an. Neben der Afghanistan International Bank sind mit der New Kabul Bank auch weitere Banken in Afghanistan tätig und Geldüberweisungen aus dem Ausland und innerhalb von Afghanistan möglich (https://www.aib.af/ ; abgerufen am 04.10.2019).
1.2.8. Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit (LIB Kapitel 21. / EASO):
In den Jahren 2016 und 2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013 bis 2014 bei 22,6 % gelegen hatte, um 1 %. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40 % der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80 % davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner).
In Herat Stadt gibt es Arbeitsmöglichkeiten im Handel, Import und Export von Gütern, Mienenarbeit und Produktion. Etwa die Hälfte der Bevölkerung in Herat arbeitet als Taglöhner.
1.2.9. Projekte der afghanischen Regierung (LIB Kapitel 21.):
Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern. Darunter fällt ua der fünfjährige (2017 bis 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind ua der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien. Das "Citizens' Charter National Priority Program" zB hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen.
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.
1.2.10. Medizinische Versorgung (LIB Kapitel 22.):
Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen. Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (va Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund zehn Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung.
In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen. Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht. Gründe dafür waren ua eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. Einer Umfrage der Asia Foundation zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert.
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011 bis 2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012 bis 2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren.
Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsversorgung wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren liegen die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin unter dem Durchschnitt der einkommensschwachen Länder. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41 % der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel. In den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen: Während die Müttersterblichkeit früher bei 1.600 Todesfällen pro 100.000 Geburten lag, belief sie sich im Jahr 2015 auf 324 Todesfälle pro 100.000 Geburten. Allerdings wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer berichtet. Bei Säuglingen liegt die Sterblichkeitsrate mittlerweile bei 45 Kindern pro 100.000 Geburten und bei Kindern unter fünf Jahren sank die Rate im Zeitraum 1990 bis 2016 von 177 auf 55 Sterbefälle pro 1.000 Kindern. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen weiterhin kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt. Weltweit sind Afghanistan und Pakistan die einzigen Länder, die im Jahr 2017 Poliomyelitis-Fälle zu verzeichnen hatten; nichtsdestotrotz ist deren Anzahl bedeutend gesunken. Impfärzte können Impfkampagnen sogar in Gegenden umsetzen, die von den Taliban kontrolliert werden. In jenen neun Provinzen, in denen UNICEF aktiv ist, sind jährlich vier Polio-Impfkampagnen angesetzt. In besonders von Polio gefährdeten Provinzen wie Kunduz, Faryab und Baghlan wurden zusätzliche Kampagnen durchgeführt.
1.2.10.1. Krankenkassen und Gesundheitsversicherung (LIB Kapitel 22.):
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden. Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken. Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden.
Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen. 90 % der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen.
1.2.10.2. Krankenhäuser in Afghanistan (LIB Kapitel 22.1. / EASO):
Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw schnellere medizinische Versorgung zu bekommen. Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw der Tazkira erforderlich. In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Beeinträchtigungen wie Herz-, Nieren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, die eine komplexe, fortgeschrittene Behandlung erfordern, wegen mangelnder technischer bzw fachlicher Expertise nicht behandelt werden können. Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung.
In Herat Stadt gibt es ein öffentliches Krankenhaus, das nach Verfügbarkeit auch kostenlose Medikamente zur Verfügung stellt. Die medizinische Erst- und Zweitversorgung ist in Herat Stadt aber inzwischen unzureichend geworden, mit den der großen Anzahl an Binnenflüchtlingen umzugehen (EASO S 133).
1.2.11. Meldewesen (LIB Kapitel 19.1.):
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen. Dennoch gibt es Mittel und Wege, um Familienmitglieder ausfindig zu machen. Das Dorf, aus dem jemand stammt, ist der naheliegende Ort, um eine Suche zu starten. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick.
1.2.12. Zur Lage von Personen, die längere Zeit im Iran oder im Ausland verbracht haben:
1.2.12.1. Umgang des Staates Afghanistan und internationaler Organisationen mit Rückkehrern:
Die afghanische Regierung hat im Jahr 2001 ein Dekret erlassen, das die Diskriminierung von Rückkehrern verbietet. Dennoch werden Rückkehrer mit iranischem Akzent zum Teil durch staatliche Einrichtungen, wie Bildungseinrichtungen, diskriminiert und erniedrigt. In manchen Fällen werden sie ihrer Rechte beraubt (ACCORD 12.06.2015 S 9).
Zurückkehrende Flüchtlinge haben Zugang zu einer Reihe internationaler Hilfsmaßnahmen, etwa Zuschüssen von rund 200 US-Dollar als Hilfe zur Deckung von Transport- und Reintegrationskosten, temporären Unterkünften, Unterweisungen in den Bereichen rechtliche Hilfe und (Aus‑)Bildung, sowie Impfungen für Kinder. Die afghanische Regierung hat zurückkehrenden Flüchtlingen und anderen vertriebenen Personen Land zugewiesen, allerdings ist die Fähigkeit der Regierung, andere Dienste wie (Aus‑)Bildung und Gesundheitsversorgung bereitzustellen, begrenzt (ACCORD 12.06.2015 S 3 f).
Heimkehrern wird von Staatsbeamten oft Misstrauen entgegengebracht, was zu Diskriminierung und Isolierung führt (UNHCR 30.08.2018 S 52 f).
1.2.12.2. Umgang der Gesellschaft Afghanistans mit Rückkehrern:
Es werden einige Rückkehrer durch Afghanen, die während der Konfliktjahre in Afghanistan geblieben sind, sozial abgelehnt und als Eindringlinge gesehen (ACCORD 12.06.2015 S 4 f).
Rückkehrer werden zum Teil gesellschaftlich diskriminiert und gering geschätzt. Sie müssen sich zum Teil mehr anstrengen um in der Arbeit und in anderen Lebensbereichen erfolgreich zu sein (ACCORD 12.06.2015 S 8). Qualifizierten Rückkehrern wird übel genommen, dass sie bessere Jobs bei Hilfsorganisationen und der afghanischen Regierung bekommen würden (ACCORD 12.06.2015 S 7). Heimkehrern wird von der örtlichen Gemeinschaft oft Misstrauen entgegengebracht, was zu Diskriminierung und Isolierung führt (UNHCR 30.08.2018 S 52 f).
Zumeist werden von der Gesellschaft aber nur Rückkehrer der zweiten Generation negativ wahrgenommen (ACCORD 12.06.2015 S 9).
1.2.12.3. Umgang regierungsfeindlicher Gruppen mit Rückkehrern:
Rückkehrer aus dem Iran werden von den Taliban grundsätzlich nicht im besonderen Maße bedroht. Einige ihrer Fraktionen legen allerdings gegenüber Hazara, von denen sie annehmen, dass sie eng mit dem Iran verbunden sind, ein extremistischeres und gewalttätigeres Verhalten an den Tag (ACCORD 12.06.2015 S 12 f). Auf Grund eines etwaigen Akzentes und etwaiger iranischer Kleidung stechen rückkehrende Hazara überdies besonders hervor und werden dadurch leichter zur Zielscheibe von Taliban (ACCORD 12.06.2015 S 12).
1.2.12.4. Zur wirtschaftlichen Situation von Rückkehrern:
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (zB IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (zB IPSO und Anzahl der Rückkehrer/innen aus dem Ausland nach Provinzen). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung (LIB Kapitel 23.). Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 allerdings keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten (LIB Kapitel 1.).
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (LIB Kapitel 23.).
1.2.13. Zur innerstaatlichen Fluchtalternative (Auszug UNHCR 30.08.2018):
"[...] Bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen Flucht- oder Neuansiedlungsalternative insbesondere auf Folgendes geachtet werden:
(i) Zugang zu einer Unterkunft im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet
(ii) Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur und Zugang zu grundlegender Versorgung im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet wie Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung
(iii) Lebensgrundlagen einschließlich des Zugangs zu Land für Afghanen, die aus ländlichen Gebieten stammen, oder im Fall von Antragstellern, von denen nicht erwartet werden kann, dass sie für ihren eigenen Unterhalt sorgen (zum Beispiel ältere Antragsteller), erwiesene und nachhaltige Unterstützung zur Erreichung eines angemessenen Lebensstandards.
[...] Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist ferner der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne die oben beschriebenen besonderen Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen. [...]"
2. Die Feststellungen ergeben sich aus der folgenden
Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF und zur allgemeinen
Lage:
Die Feststellungen zu den persönlichen Daten, zum Leben des BF, seiner Familie und seiner Ausreise nach Europa ergeben sich aus den im Wesentlichen gleichbleibenden und übereinstimmenden Aussagen des BF im behördlichen und gerichtlichen Verfahren. In Bezug auf das Geburtsdatum des BF ist festzuhalten, dass er in der Erstbefragung zunächst ein anderes Geburtsdatum angegeben hat, seine Angaben gegen Ende der Befragung allerdings richtigstellte. Es ist dabei nachvollziehbar, dass er aus Angst vor einer Rückkehr nach Ungarn zuerst unrichtige Angaben gemacht hat (OZ 1 S 27).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen diesbezüglichen im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Verfahren sowie der persönlichen Wahrnehmung des erkennenden Richters. So konnte sich der BF in der Beschwerdeverhandlung ohne Einschränkungen bewegen und artikulieren sowie auf Fragen antworten. Weiters gab er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, gesund zu sein (OZ 6 S 3). Den vorgelegten ärztlichen Unterlagen, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel bestehen, ist zwar zu entnehmen, dass der BF im XXXX 2017 und XXXX 2018 Schwindelepisoden hatte; dass er an einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung leiden würde, ist hingegen weder in den Einvernahmen des BF noch aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen hervorgekommen. Auch verneinte der BF in der hg Verhandlung die Frage nach der Einnahme von Medikamenten (OZ 6 S 3).
Seine Arbeitsfähigkeit ergibt sich aus seinem jungen Alter, seinem, abgesehen von gelegentlichen Schmerzen im Bein und Schwindelepisoden, allgemein guten Gesundheitszustand und der Tatsache, dass der BF in Österreich regelmäßig gemeinnützig gearbeitet hat.
Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan ergeben sich aus den bei den jeweiligen Feststellungen angeführten Quellen, die sich auf mehrere, im Wesentlichen übereinstimmende Berichte verschiedener, anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nicht staatlicher Institutionen und Personen gründen. Insoweit in den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zu Grunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuellen Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Der BF trat den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten nicht substantiiert entgegen.
2.2. Die Feststellungen zum Fluchtvorbringen, dh zur Vergewaltigung des BF in Mazar-e Sharif und seinem außerehelichen Geschlechtsverkehr im Iran mit der Tochter seines damaligen Arbeitgebers, ergeben sich aus seinen im Wesentlichen gleichbleibenden und chronologisch stringenten sowie lebensnah geschilderten Angaben in der Einvernahme durch die belangte Behörde sowie in der hg mündlichen Verhandlung.
2.3. Zu den Feststellungen zum Privat- und Familienleben des BF:
Die Feststellungen zu den familiären Bindungen, dem Privatleben, den geknüpften Freundschaften und zur weiteren Integration des BF in Österreich ergeben sich aus den gleichbleibenden Aussagen des BF im gesamten Verfahren, den vorgelegten Empfehlungsschreiben und der Einvernahme der Zeugen XXXX und XXXX in der hg mündlichen Verhandlung. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des BF ergeben sich aus der persönlichen Wahrnehmung des erkennenden Richters in der mündlichen Beschwerdeverhandlung (OZ 6 S 9) sowie dem vorgelegten ÖSD-Zertifikat.
Dass zur Schwester und deren Ehemann kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht, resultiert daraus, dass der BF in der hg Verhandlung dazu lediglich ausführte, er telefoniere oft mit ihnen, jedoch würden sie selbst auch arbeiten und weiter weg wohnen (OZ 6 S 10). Aus diesem Vorbringen ist keine besondere Abhängigkeit zu ebengenannten Verwandten erkennbar.
Dass der BF von Leistungen aus der Grundversorgung lebt, stützt sich auf den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem. Die Feststellung seiner Selbsterhaltungsunfähigkeit ergibt sich aus seinem Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung.
Die Feststellungen der strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF stützen sich auf seinem Strafregisterauszug.
Dass der BF mit der afghanischen Lebensweise und Tradition vertraut ist, ergibt sich daraus, dass er in einem engen afghanischen Familienverband aufgewachsen ist.
Die Feststellung, wonach der BF keine westlichen Werte übernommen hat, gründet sich auf seine hg Vernehmung. So ist alleine aus dem Vorbringen des BF in Bezug auf die Meinungsfreiheit, Gleichheit der Frauen und Sicherheitsaspekte kein substanzieller Bruch mit den gesellschaftlichen Normen eines Mannes in Afghanistan erkennbar.
2.4. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:
Die Feststellung, wonach der BF mit finanzieller Unterstützung seiner Eltern rechnen kann, ergibt sich daraus, dass der BF die finanzielle Situation der Familie mit "gut" beschrieb (OZ 1 S 23; vgl OZ 6 S 4) und sein Vater einem Beruf, Fleischer, nachgeht (OZ 1 S 99). Entgegen den Aussagen des BF, wonach er zu stolz wäre, eine solche Hilfe anzunehmen (OZ 6 S 11), ist dennoch davon auszugehen, dass er diese Hilfe im Notfall tatsächlich annehmen: so bezieht er auch Einkünfte aus der Grundversorgung, um sich das Leben in Österreich zu ermöglichen. Die Unterstützung kann dem BF auch über das Bankensystem Afghanistans zukommen.
3. Rechtlich folgt daraus:
Zu A):
3.1. Asyl nach § 3 AsylG 2005:
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (in Folge kurz als "GFK" bezeichnet) ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (vgl VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva).
Auch einer von Privatpersonen bzw privaten Gruppierungen ausgehender und auf einem Konventionsgrund beruhender Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 03.03.2017, Ra 2016/01/0293). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann aber nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der GFK genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl VwGH 06.07.2011, Zl 2008/19/0994; 24.02.2015, Ra 2014/18/0063; zum Erfordernis der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit siehe VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069).
Relevant kann dabei nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; zum Entscheidungszeitpunkt muss mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu rechnen sein (vgl ua VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212).
3.1.1. Zu den individuellen Fluchtgründen:
Der BF ist auf Grund außerehelichen Geschlechtsverkehr im Iran durch seinen damaligen Arbeitgeber verfolgt; diese Bedrohung bezieht sich grundsätzlich auf den Iran. Da sich die asylrelevante Bedrohung auf seinen Herkunftsstaat beziehen muss (vgl VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240), ist sie damit nicht weiter beachtlich. Soweit der BF eine Verfolgung in Afghanistan damit begründet, dass ein Verwandter des Vaters seiner Geliebten in Mazar-e Sharif wohne, ist ihm zu entgegnen, dass es nahezu ausgeschlossen ist, dass der Verwandte, der den BF - allenfalls auf einem Foto aber - noch niemals persönlich gesehen hat, in Afghanistan, insbesondere in einer in Großstadt wie Mazar-e Sahrif mit 420.000 Einwohnern, oder Herat mit 500.000 Einwohnern ausfindig machen kann oder zufällig trifft; insbesondere da es in Afghanistan kein Meldewesen gibt und der Verfolger keine Anhaltspunkte hätte, wann der Beschwerdeführer wieder in Afghanistan eintrifft. Die Verfolgung muss aber, soll sie Asylrelevanz haben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vorliegen; eine - wie hier - bloß entfernte Möglichkeit reicht nicht (so zB VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Auch auf Grund der Vergewaltigung ist der BF aktuell in Afghanistan nicht bedroht. So wurde das angefertigte Video wurde von den Angreifern nur dafür erstellt, um sich vor etwaigen Anzeigen durch den BF zu schützen. Der Vorfall liegt inzwischen mehrere Jahre zurück und der BF hatte mit den Angreifern seither nie mehr Kontakt. Ferner ist es nicht nachvollziehbar, welche Motivation die unbekannten Angreifer haben sollten, den BF zu verfolgen; auch der BF konnte hierfür keine Erklärung bieten. Insgesamt lässt sich aus diesem vor Jahren stattgefunden kriminellen Übergriff durch Privatpersonen keine dem BF drohende Gefährdung seiner Person ableiten.
Auch in Bezug auf seine Eigenschaft als Hazara bzw Schiit vermochte der BF das Bestehen einer individuellen und konkreten asylrelevanten Verfolgung nicht aufzuzeigen, bzw lässt sich ein solches ebenso wenig aus dem allgemein und unbestimmten seitens des BF erstatteten Vorbringen ableiten, welches darauf verweist, dass die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan nichts wert sei (OZ 6 S 16).
Letztlich bringt der BF - erstmals über Frage seines Vertreters am Ende der hg Beschwerdeverhandlung - vor, dass er keine Moschee besuche und sich nicht als religiös bezeichnen würde. Er bezeichnet sich aber nach wie vor als schiitischer Moslem. Damit zeigt der BF zwar ein Desinteresse am Islam auf, das für sich allein aber zu keiner Verfolgung in Afghanistan führen würde.
3.1.2. Zur Gefährdung auf Grund der Zugehörigkeit des BF zur Volkgruppe der Hazara bzw zum schiitischen Glauben:
Die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl zB VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089).
Die Feststellungen vermögen allerdings die vorgebrachte Gruppenverfolgung von Hazara bzw von Schiiten nicht zu tragen:
So stellen die (schiitischen) Hazara in Afghanistan zwar eine Minderheit dar, sie sind aber rechtlich den anderen Bevölkerungsgruppen gleichgestellt. Sie bekleiden politische Funktionen in Regierung und Parlament und können ihre Interessen aus eigener Kraft politisch wahren. Ihr Anteil in den Sicherheitskräften Afghanistans entspricht ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung. Sie dürfen als Schiiten ihre Religion ausüben. Zwar sind Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, (weiterhin) von Diskriminierung in Form von illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Festnahmen betroffen. Ebenso sind sie in der öffentlichen Verwaltung unterrepräsentiert und ist ihnen der Zugang zu Regierungsstellen erschwert. Allerdings ergibt sich aus einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials, dass diese Gefährdung insgesamt nicht jenes Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan als gegeben zu erachten. Somit ist nicht anzunehmen, dass die Zugehörigkeit einer Person zur ethnischen Minderheit der Hazara für sich alleine ausreicht, um davon ausgehen zu müssen, dass diese Person der Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe bzw einer bestimmten Glaubensgemeinschaft ausgesetzt wäre (so auch UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, Seite 106 oder EASO Country Guidance vom Juni 2019, die eine Verfolgung alleine aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit explizit verneinen (EASO Country Guidance, Juni 2019, Seite 70 im englischen Original: "Being a Hazara in itself would normally not lead to the level of risk required to establish well-founded fear of persecution.", EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande und VwGH 15.12.2016, Ra 201/18/0329)).
Der BF war in Afghanistan auf Grund seiner jahrelangen Abwesenheit auch weder in Arbeit, Beruf, Religionsausübung oder etwaigem politischem Aktivismus exponiert, wodurch sich für ihn ein besonderes Risiko für Entführungen oder Tötungen ergeben könnte.
Da somit auch keine Feststellungen darauf schließen lassen, dass der BF schlechter gestellt sei als andere Hazara bzw Schiiten, kann eine asylrelevante Gefährdung des BF aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw der Glaubensgemeinschaft der schiitischen Muslime nicht abgeleitet werden.
3.1.3. Zur vorgebrachten Gefährdung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Rückkehrer:
Der BF bringt weiters vor, er wäre im Falle seiner Rückkehr Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der "Rückkehrer" asylrelevant verfolgt. Die Feststellungen vermögen die vorgebrachte Gruppenverfolgung aber nicht zu tragen.
So gründen die wirtschaftlichen Benachteiligungen von Rückkehrern im Wesentlichen auf den - nicht asylrelevanten - Mangel an sozialen Netzen und Beziehungen. Die Diskriminierung von Rückkehrern ist rechtlich verboten und sie haben Zugang zu diversen Hilfsmaßnahmen. Rückkehrer aus dem Iran werden von den Taliban nicht im besonderen Maße bedroht. Zwar herrscht gegen Rückkehrer in Afghanistan eine negative Einstellung vor, wodurch es zu sozialen Ausgrenzungen und (auch staatlichen) Diskriminierungen kommt und können Rückkehrer - die auf Grund ihres Auftretens als solche erkennbar sind - leichter Opfer von Anschlägen werden. Das notwendige Ausmaß wird aber nicht erreicht, um eine spezifische Verfolgung afghanischen Staatsangehörigen, die einen wesentlichen Teil ihres Lebens oder ihr ganzes Leben im Iran und in Europa verbracht und allenfalls eine "westliche Wertehaltung" angenommen haben, bei einer Rückkehr für gegeben zu erachten. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (zB VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
3.1.4. Zur "westlichen Orientierung" des BF:
Wenn der BF vorbringt, er sei in Afghanistan auf Grund seiner "westlichen Orientierung" gefährdet, ist ihm entgegen zu halten, dass sein Vorbringen zur Meinungsfreiheit, Gleichheit der Frauen und zu den Sicherheitsaspekten keinen derartigen Bruch mit der afghanischen Gesellschaft darzulegen vermag. Dem BF ist es zudem zumutbar, sich in Afghanistan traditionell zu kleiden. Im Übrigen ist aus den vorhandenen Länderberichten nicht ableitbar, dass alleine ein Aufenthalt in Europa und eine westliche Geisteshaltung bei Männern bei einer Rückkehr nach Afghanistan bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würde; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so zB VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Insbesondere verneint der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur auch eine Vergleichbarkeit solcher Sachverhalte mit seiner Judikatur zum "selbstbestimmten westlichen Lebensstil" von Frauen (vgl VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0329).
3.1.5. Gesamtschau:
Es ist auch in einer Gesamtschau - im Sinne einer Kumulation von Asylgründen - nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten haben wird, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
3.2. Subsidiärer Schutz nach § 8 AsylG 2005:
3.2.1. Allgemeines:
3.2.1.1. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach § 8 Abs 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 leg cit mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg cit zu verbinden.
3.2.1.2. Die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art 2 oder 3 EMRK setzt dabei eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).
Für den Herkunftsstaat Afghanistan ist derzeit die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl dazu VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, 18.03.2016, Ra 2015/01/0255, 13.09.2016, Ra 2016/01/0096, jeweils mit zahlreichen Hinweisen auf die seit 2013 bestehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte).
Es obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61204/09; siehe dazu auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255).
3.2.2. Zum örtlichen Anknüpfungspunkt / innerstaatliche Fluchtalternative:
Der BF wurde im Iran geboren und hat noch nie eine längere Zeit in Afghanistan gelebt, sodass er über keine Herkunftsprovinz verfügt, auf die er verwiesen werden könnte. Aus diesem Grund stellt für den BF jeder Ort, der für eine Rückführung geprüft wird, eine innerstaatliche Fluchtalternative dar.
3.2.2.1. Zur innerstaatlichen Fluchtalternative Herat:
Der mit "Innerstaatliche Fluchtalternative" bezeichnete § 11 AsylG 2005 lautet:
"§ 11. (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."
Das bedeutet, dass selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, seine Rückführung dennoch möglich ist, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005; vgl hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden zumutbar sein, dh es muss ihm möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härte zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (VwGH 23.01.2018, Ra2018/18/0001).
Laut den oben auszugsweise wiedergegebenen Richtlinien des UNHCR (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl ua VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103; 03.04.2019, Ra 2019/18/0032) müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist. Nach Auffassung von UNHCR stellen alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf Ausnahmen von der Anforderung eines Zugangs zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet dar; diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen.
Der BF kann auf eine innerstaatliche Fluchtalternative, nämlich Herat, verwiesen werden, weil auch in Bezug auf Herat für den BF keine wohlbegründete Furcht nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention besteht (siehe dazu die Ausführungen unter II.3.1.) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind:
3.2.2.1.1. Zur Sicherheitslage in der Stadt Herat:
Die Stadt Herat ist die Hauptstadt der Provinz Herat, welche nach den getroffenen Länderfeststellungen zu einer der relativ friedlichen Provinzen Afghanistans zählt. Darüber hinaus ist Herat über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens sicher erreichbar. Die Stadt Herat steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung und die allgemeine Lage ist als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen. Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, sind zwar nicht auszuschließen, jedoch vermag die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet aber noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Art 3 EMRK verstoßen würde bzw für den Betroffenen unzumutbar wäre. Allein der Umstand, dass ein Bombenanschlag terroristischer Gruppierungen erfolgen könnte, begründet bei der derzeitigen Gefahrenlage für den BF noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw liegt deshalb noch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts vor (vgl VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137).
Auch der EASO geht in seiner Country Guidance vom Juni 2019 unter Bezugnahme auf eine aktuell anzusehende Länderberichtslage grundsätzlich davon aus, dass das Ausmaß der willkürlichen Gewalt in der Stadt Herat auf einem so niedrigen Niveau stattfindet (EASO Country Guidance, Juni 2019, Seite 100 im englischen Original: "In the provincial capital of Herat City, indiscriminate violence is taking place at such a low level [...]";), dass im Allgemeinen kein tatsächliches Risiko besteht, dass ein Zivilist allein aufgrund seiner Anwesenheit dort einem tatsächlichen Risiko eines ernsthaften Schadens durch willkürliche Gewalt iSv Art 15 lit c der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in Folge kurz "Statusrichtlinie") ausgesetzt wäre.
Insgesamt ist die Sicherheitslage in der Stadt Herat als ausreichend sicher zu bewerten.
3.2.2.1.2. Zur Versorgungslage in der Stadt Herat:
Hinsichtlich der bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur eingeschränkt möglich. Die Situation in der Stadt Herat ist wegen der Zahl der Binnenvertriebenen und einer Dürre im Jahr 2018 (UNHCR-Richtlinien 30.08.2018, Seite 35 f; vgl auch EASO) angespannt. Auch wenn es insbesondere bei Vetriebenen in der Stadt Herat dazu kommen kann, dass kurzfristig Lücken im Nahrungsmittelverbrauch entstehen, die über der üblichen Unterernährung liegt, ist die Nahrungsmittel- und Wasserversorgung in der Stadt Herat grundsätzliche gegeben. Auch der Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung sowie Erwerbsmöglichkeiten in der Stadt Herat allerdings grundsätzlich gegeben.
Die wirtschaftliche Situation in Afghanistan insgesamt und insbesondere in der Stadt Herat erreicht jedenfalls nicht das Prüfungskalkül des Art 3 EMRK, das für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert (vgl VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).
In einer Gesamtbetrachtung ist daher nicht ersichtlich, dass die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in der Stadt Herat nicht als zumindest grundlegend vorhanden anzusehen wäre.
3.2.2.1.3. Zur individuellen Situation des BF:
Der BF ist ein grundsätzlich gesunder und arbeitsfähiger Mann im erwerbsfähigen Alter, der sieben Jahre die Schule im Iran besucht hat und über mehrjährige Berufserfahrung als Schuhmacher und Fleischer verfügt, weshalb bei ihm die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara hat er dabei weder besondere Vor- noch Nachteile zu erwarten.
Zwar leidet er unter gelegentlichen Schmerzen im Bein und Schwindel, seine Arbeitsfähigkeit ist dadurch aber nicht eingeschränkt. Die Behandlung, Schmerzmittel für sein Bein, Behandlung der Schwindelepisoden, wäre in Herat Stadt auch grundsätzlich möglich; zwar ist die Primär- und Sekundärversorgung in Hinblick auf die große Anzahl an Binnenvertriebenen im Herat Stadt nicht mehr ausreichend, sie ist daher aber nicht zusammengebrochen und steht daher eingeschränkt aber nach wie vor grundsätzlich zur Verfügung.
Darüber hinaus hat er während seines Aufenthaltes in Österreich mittlerweile weitere Bildungsschritte gesetzt. Er ist mit einer in Afghanistan gesprochenen Sprache (Dari/Farsi), wenngleich er mit iranischem Akzent spricht, vertraut. Auch wenn der BF den Großteil seines Lebens im Iran verbracht hat, wuchs er im Kreise seiner afghanischen Familie auf. Er wurde somit entsprechend sozialisiert und ist mit den gesellschaftlichen Gepflogenheiten und Bräuchen seines Herkunftsstaates Afghanistan grundsätzlich vertraut. Der BF ist nicht verheiratet und kinderlos, weshalb er bei einer Rückkehr nur für seinen eigenen Lebensunterhalt aufkommen müsste. Er kann im Notfall mit einer finanziellen Unterstützung durch seine Eltern rechnen. Außerdem kann der BF durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Herat das Auslangen finden. Es ist daher nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seine Existenz könnte er dort mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei ihm jedenfalls seine mehrjährige Berufserfahrung zu Gute kommt. Es gibt somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der BF in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (zB Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw existenzbedrohender Situation ausgesetzt wäre.
Zwar verfügt der BF über kein soziales Netzwerk in Herat Stadt die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten lässt sich aber nicht schon allein daraus ableiten, ob familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte in Afghanistan vorhanden seien oder nicht (siehe insb das Erkenntnis des VwGH vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; VfGH 13.09.2013, U 370/2012). Allein die fehlenden tragfähigen Beziehungen und Ortskenntnisse in afghanischen Großstädten vermögen die Gefahr einer individuellen Bedrohung des Lebens des BF nicht darzutun (vgl VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095), sie machen die innerstaatliche Fluchtalternative auch nicht unzumutbar (vgl VfGH 12.12.2017, E 2068/2017). Die wohl schwierige Lebenssituation des BF bei einer Neuansiedlung in Herat bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche und in wirtschaftlicher Hinsicht stellt für sich ebenfalls keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und damit keine Verletzung von Art 3 EMRK dar (vgl VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).
Auch der Umstand, dass der BF im Iran aufgewachsen ist und noch nie eine längere Zeit in Afghanistan gelebt hat, kann an dieser Beurteilung nichts ändern:
Nach der EASO-Country Guidance vom Juni 2019 ist in einem solchen Fall auf die Kriterien eines Unterstützungsnetzwerkes, Kenntnisse der afghanischen Kultur und den sozialen und ökonomischen Hintergrund Bedacht zu nehmen (EASO Country Guidance, Juni 2019, Seite 139).
Es ist auch die ständiger Rechtsprechung zu berücksichtigen, wonach einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden kann, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren worden ist, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen ist (vgl. VwGH 18.07.2019, Ra 2019/19/0197, mwN; in Bezug auf Kabul siehe VfGH 12.12.2017, E 2068/2017-17).
Ebenso wird nach der Rechtsprechung mit dem bloßen Hinweis, dass der Asylwerber seine Heimatregion als Kind verlassen und seither nicht mehr dort aufhältig war, - unter dem Blickwinkel einer angenommenen allgemeinen prekären Sicherheitslage - auch kein in der persönlichen Lebenssituation des Asylwerbers begründetes besonderes Gefährdungsmoment bzw kein relevantes Unterscheidungsmerkmal, aufgrund dessen sich seine Situation kritischer darstellen sollte als für die sonstige Bevölkerung im Herkunftsstaat, dargelegt (VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068-6).
Wendet man diese Grundsätze auf die individuelle Situation des BF an, verfügt er zwar in der Stadt Herat selbst kein Unterstützungsnetzwerk, in Hinblick auf seine zuvor beschriebene individuelle Situation, ist aber nicht erkennbar, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der BF nach einer Eingewöhnungsphase in der Lage wäre, sich in Herat ein Leben aufzubauen, das vergleichbar ist mit dem Leben, das seine Landsleute in dieser Stadt führen. Derart exzeptionelle Umstände, die die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.
3.2.2.2. Gesamtbetrachtung:
Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des BF ist daher in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und einer Neuansiedelung in der Stadt Herat Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Es ist davon auszugehen, dass es ihm nach einer Eingewöhnungszeit möglich sein wird, in Herat Stadt ein Leben zu führen, das mit dem Leben, das seine Landsleute führen, vergleichbar ist. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem BF eine Ansiedlung in der Stadt Herat möglich und auch zumutbar ist.
3.3. Zur (Nicht‑)Erteilung eines Aufenthaltstitels und zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung:
3.3.1. Allgemeines:
Wird der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, sofern kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt wird (§ 10 Abs 1 AsylG 2005). Dies ist von Amts wegen zu prüfen (§ 58 Abs 1 Z 2 AsylG 2005).
3.3.2. Zur (Nicht‑)Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005:
Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der BF ein Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.
3.3.3. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG:
Die relevante Rechtsnorm für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach dem 8. Hauptstück des FPG ist § 52 FPG. Gemäß § 52 Abs 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Würde durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
3.3.3.1. Zum Eingriff in das Privat- und Familienleben:
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann ua Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die folgenden Kriterien zu berücksichtigen (vgl VfSlg 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423): Erstens die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, zweitens das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, drittens die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, viertens der Grad der Integration, fünftens die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, sechstens die strafgerichtliche Unbescholtenheit, siebentens Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, achtens die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und schließlich neuntens die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern sind zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; vgl. auch VfGH 12.03.2014, U 1904/2013) mitumfasst. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen und von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, aktuell ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235).
Zum Eingriff in das Familienleben des BF:
Eine Schwester des BF und deren Ehemann leben in Österreich, zu ihnen besteht allerdings kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis. Ein Eingriff in das Recht auf Familienleben des BF iSd Art 8 EMRK ist daher auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte allenfalls in sein Privatleben eingreifen.
Zum Eingriff in das Privatleben des BF:
Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua gegen Lettland, Appl 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Im vorliegenden Fall hält sich der BF seit seiner Antragstellung am 17.12.2015 im Bundesgebiet auf, wo er nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren verfügt hat. Der BF ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und stellte in weiterer Folge seinen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF hat in der Zeit seines Aufenthalts im Bundesgebiet durchaus gute Integrationsschritte gesetzt, indem er Deutschkenntnisse zumindest auf dem Sprachniveau A2 erlangt hat, das ÖSD-Zertifikat auf ebengenanntem Sprachniveau gut bestanden hat, an verschiedenen integrationsfördernden Kursen teilgenommen hat, seit August 2018 am Bauhof der Marktgemeinde XXXX Remunerantentätigkeiten und andere gemeinnützige Aktivitäten für die Gemeinde leistet, am Brückenkurs des XXXX im Rahmen der Bildungsinitiative XXXX teilnimmt und Freundschaften in Österreich geknüpft und eine Schwester in Österreich hat. Er ist kein Mitglied in Vereinen. Er lebt von Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Relativierend ist festzuhalten, dass der Zeitraum des Aufenthalts des BF, in dem er die angeführten Integrationsschritte setzte, mit weniger als vier Jahren als kurz zu werten ist (vgl VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; vgl auch VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, wonach einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt). Für diesen Zeitraum hat der BF jedenfalls nicht solch außergewöhnliche Integrationsleistungen erbracht, die für seinen Verbleib in Österreich ausschlagen würden.
Da der BF in einem engen afghanischen Familienverband aufgewachsen ist und entsprechend sozialisiert wurde, ist - obwohl er im Iran, bei dem es sich aber wie bei Afghanistan um ein durch den Islam geprägtes Land handelt - geboren und aufgewachsen ist - davon auszugehen, dass er sich auch in die dortige Gesellschaft eingliedern können wird.
Dass der BF strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).
Das Interesse des BF an der Aufrechterhaltung privater Kontakte in Österreich ist noch zusätzlich dadurch geschwächt, dass er sich bei seinem Aufenthalt im Bundesgebiet stets seines unsicheren bzw unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus bewusst sein musste: Er durfte sich hier bisher nur aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der als unbegründet abzuweisen war (vgl zB VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347, 26.02.2004, 2004/21/0027, 27.04.2004, 2000/18/0257; 17.12.2007, 2006/01/0216; vgl auch EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Appl 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen; vgl auch VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).
Betreffend die vorgebrachten gesundheitlichen Beschwerden des BF ist festzuhalten, dass es nicht entscheidend ins Gewicht fällt, wenn die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielland gibt. In diesem Zusammenhang obliegt es dem Asylwerber, substantiiert darzulegen, auf Grund welcher Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig sei und dass diese nur in Österreich erfolgen könnte. Denn nur dann wäre ein sich daraus ergebendes privates Interesse iSd Art 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich beurteilbar (vgl VwGH vom 30.07.2015, Ra 2014/22/0003). Der BF ist in der Lage, gemeinnützige Tätigkeiten zu verrichten, und gab in der hg mündlichen Verhandlung selbst an, gesund zu sein (OZ 6 S 3). Ein derartiges privates Interesse iSd Art 8 EMRK vermögen die Feststellungen nicht zu tragen.
Diesen schwach ausgeprägten privaten Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).
Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrages verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des BF am Verbleib in Österreich.
Die Dauer des Verfahrens von weniger als vier Jahren übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl VfSlg 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Butt gegen Norwegen, Appl 47017/09).
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Rechts des BF auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG iVm Art 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs 1 Asylgesetz 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.
3.3.3.2. Zu einem etwaigen sonstigen Aufenthaltsrecht:
§ 52 Abs 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass dem BF kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Diese Voraussetzung liegt vor.
Die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 wurde somit zu Recht erlassen.
3.3.4. Zur Zulässigkeit einer Abschiebung:
Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg cit in einen bestimmten Staat zulässig ist. Die in § 50 Abs 1 FPG genannten Abschiebehindernisse entsprechen dabei den Tatbeständen der §§ 3 und 8 Abs 1 AsylG 2005, deren Erfüllung bereits zu den Punkten 3.1. und 3.2. verneint worden ist.
Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.
Die Abschiebung des BF nach Afghanistan ist daher zulässig.
3.3.5. Zur Frist zur freiwilligen Ausreise:
Gemäß § 55 Abs 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 leg cit zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs 2 leg cit 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, jene Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist zur freiwilligen Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden (§ 55 Abs 3 leg cit).
Da derartige Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.
Da somit alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid auch in diesem Spruchpunkt als unbegründet abzuweisen.
3.4. Auch die sonstigen Einwände des BF können an diesem Ergebnis nichts ändern:
3.4.1. Soweit der BF in der Beschwerde eine Verletzung des § 20 AsylG geltend macht, weil er einen Eingriff in seine geschlechtliche Selbstbestimmung geltend gemacht hat, die belangte Behörde habe aber dennoch sein Recht auf Beigabe eines gleichgeschlechtlichen Dolmetschers verletzt habe (Beschwerde, S 16), ist ihm entgegenzuhalten, dass dieser Mangel durch das im Sinne des § 20 Asylg 2005 geführte gerichtliche Verfahren, so waren der erkennende Richter und der zur Verhandlung beigezogene Dolmetscher männlich, geheilt worden ist (VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0191).
3.4.2. Der BF führt in seiner Beschwerde in weiterer Folge aus, auf Seite 51 des gegenständlich angefochtenen Bescheides würden dem BF Widersprüche bzw Unstimmigkeiten in seinem Fluchtvorbringen vorgehalten werden, wobei ihm diese jedenfalls schon im Rahmen der Einvernahme bzw schriftlich zur Kenntnis zu bringen gewesen wären und ihm Gelegenheit zur Stellungnahem zu geben gewesen wäre. Dabei übersieht er, dass die Beweiswürdigung gerade nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens zählt, zu denen im Rahmen des Parteiengehörs zwingend eine Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen wäre (VwGH 10.09.2018, Ra 2018/19/0390, mwN).
3.5. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der (jeweils zitierten) bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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