AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:I403.2214774.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.01.2019, Zl. 1051204100/150124616, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger von Nigeria, stellte am 03.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Verlauf seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion am selben Tag gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass seine Eltern von Boko Haram getötet worden seien und er deswegen geflüchtet sei. An seinen Reiseweg könne er sich nicht mehr erinnern, ein katholischer Priester habe ihm geholfen.
3. Am 22.02.2017 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich durch die belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), einvernommen. Der Beschwerdeführer wiederholte, dass er vor Boko Haram geflüchtet sei und gesund sei. Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme am 19.12.2017 erklärte der Beschwerdeführer im Beisein einer Vertrauensperson erstmals, an psychischen Problemen zu leiden. Am 15.11.2018 wurde er nochmals, wiederum im Beisein einer Vertrauensperson, von der belangten Behörde befragt; mit ihm wurden Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zur Behandelbarkeit posttraumatischer Belastungsstörungen in Nigeria vom 30.07.2017 und vom 31.07.2018 erörtert. Der Beschwerdeführer wies darauf hin, dass man in Nigeria eine medizinische Behandlung und Medikamente im Vorfeld bezahlen müsse. Am 15.11.2018 wurde der Beschwerdeführer nochmals durch die belangte Behörde befragt.
4. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 21.01.2019, zugestellt am 24.01.2019, wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Antrag wurde gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
5. Dagegen wurde am 18.02.2019 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für die Vertretung durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und die Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH vorgelegt. Der Bescheid wurde seinem vollen Umfang nach angefochten und die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens beantragt.
6. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 20.02.2019 vorgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht beauftragte einen Facharzt für Psychiatrie mit der Erstellung eines Gutachtens unter Heranziehung der vorhandenen medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers. Das Gutachten wurde den Verfahrensparteien zum Parteiengehör übermittelt. Den darin getroffenen Feststellungen wurde nicht entgegengetreten, auch nicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 06.08.2019. In dieser wiederholte der Beschwerdeführer, von Boko Haram verfolgt zu werden; eine als Zeugin befragte Freundin wies auf die Integration des Beschwerdeführers hin. Das BFA entschuldigte sich für die Verhandlung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsbürger; seine Identität steht nicht fest. Er ist aktuell 24 Jahre alt, strafrechtlich unbescholten und hält sich seit viereinhalb Jahren in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer gehört zur Volksgruppe der I(g)bo, stammt aus Nsukka, Enugu State und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er hat in Nigeria Familie. Der Beschwerdeführer besuchte in Nigeria mindestens sechs Jahre die Schule und arbeitete in der Landwirtschaft.
In Österreich singt der Beschwerdeführer in einem Chor, engagiert sich in einer Kirchengemeinde und arbeitet ehrenamtlich. Er hat zahlreiche Freundschaften geschlossen und begonnen Deutsch zu lernen. Der Beschwerdeführer verkauft regelmäßig eine Straßenzeitung an verschiedenen Orten XXXX.
1.2. Zu den Fluchtmotiven und zu einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat nicht in Jos gelebt. Er wurde nicht durch Boko Haram entführt und seine Eltern wurden nicht durch Boko Haram getötet. Es droht ihm keine Verfolgung, wenn er nach Enugu State zurückkehrt.
Der Beschwerdeführer ist in seiner Erwerbsfähigkeit nicht maßgeblich eingeschränkt. Der Beschwerdeführer verließ Nigeria Anfang 2015 und damit vor etwa viereinhalb Jahren; er hat Kontakt zu Personen in Nigeria, so dass eine Reintegration in seinem Herkunftsstaat zumutbar ist. Im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria besteht keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
1.3. Zur gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers und zu Behandlungsmöglichkeiten in Nigeria:
Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung und besucht regelmäßig eine Psychotherapie. Eine medikamentöse Behandlung ist nicht notwendig, doch wurde ihm aktuell ein Medikament gegen generalisierte Angststörungen verschrieben. Vorrangig wird eine psychotherapeutische Behandlung empfohlen. Bei einem Abbruch der psychotherapeutischen Behandlung wäre eine Zunahme der psychischen Instabilität und der posttraumatischen Belastungssymptome zu erwarten; es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Suizidimpulse zunehmen und depressive Symptome verstärkt auftreten. Im Falle einer Rückkehr nach Nigeria ist ein Fortbestand der posttraumatischen Belastungssymptomatik möglich, ebenso ohne Behandlung eine neuerliche Verschlechterung der Symptome. Gegenwärtig kann eine akute und erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung ausgeschlossen werden; eine unmittelbare Zunahme der Eigen- oder Fremdgefährdung ist auch im Falle der Abschiebung nach Nigeria nicht zu erwarten.
Insgesamt muss die Gesundheitsversorgung in Nigeria als mangelhaft bezeichnet werden; auf dem Land sind die Verhältnisse schlechter als in der Stadt und im Norden des Landes ist die Gesundheitsversorgung besonders prekär. Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und Großstädten sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert. Es gibt unterschiedliche Angaben zur Anzahl der Psychiater, doch ist diese unzureichend und werden Personen, die an schweren psychischen Erkrankungen leiden, in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen "aufbewahrt". Von der Notwendigkeit stationärer Aufenthalte ist beim Beschwerdeführer allerdings nicht auszugehen. Die Behandlung psychischer Erkrankungen in öffentlichen Krankenhäusern ist in Nigeria jedenfalls möglich. Auch die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung ist in Nigeria möglich. Verschiedene Psychopharmaka sind erhältlich. Stationäre und ambulante Behandlung durch Psychiater ist verfügbar. Es besteht die Möglichkeit einer Psychotherapie und einer kognitiven Verhaltenstherapie.
1.4. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:
Auf Basis des Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 12.04.2019 wird festgestellt:
1.4.1. Sicherheitslage
Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 10.12.2018). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 10.12.2018; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten, (EASO 11.2018a; vgl. AA 10.12.2018), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Die 2017 deutlich angespannte Lage im Südosten des Landes ("Biafra") hat sich mit dem Eingriff des Militärs und der mutmaßlichen Flucht des Anführers der stärksten separatistischen Gruppe IPOB derzeit wieder beruhigt (AA 10.12.2018).
In den nordöstlichen Bundesstaaten Adamawa, Borno, Gombe und Yobe kommt es häufig zu Selbstmordanschlägen (BMEIA 12.4.2019). Außenministerien warnen vor Reisen dorthin sowie in den Bundesstaat Bauchi (BMEIA 12.4.2019; vgl. AA 12.4.2019; UKFCO 12.4.2019). Vom deutschen Auswärtige Amt wird darüber hinaus von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten (AA 12.4.2019).
Zu Entführungen und Raubüberfällen kommt es im Nigerdelta und einigen nördlichen Bundesstaaten. Betroffen sind: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bauchi, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Enugu, Imo, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kogi, Nasarawa, Plateau, Rivers und Zamfara. Für die erwähnten nordöstlichen und nördlichen Bundesstaaten sowie jenen im Nigerdelta gelegenen gilt seitens des österreichischen Außenministeriums eine partielle Reisewarnung; Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) in den übrigen Landesteilen (BMEIA 12.4.2019).
Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in die Bundesstaaten Kaduna (insbesondere Süd- Kaduna), Plateau, Nasarawa, Benue, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insbesondere die Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom ab (AA 12.4.2019). Das britische Außenministerium warnt (neben den oben erwähnten nördlichen Staaten) vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zum Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers (UKFCO 29.11.2018).
In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist dauern diese Auseinandersetzungen nur wenige Tage und sind auf einzelne Orte bzw. einzelne Stadtteile begrenzt. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, das Sokoto (Nordteil) und Plateau (Südteil) sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen (AA 12.4.2019).
In der Zeitspanne April 2018 bis April 2019 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.333), Zamfara (1.116), Kaduna (662), Benue (412), Adamawa (402), Plateau (391). Folgende Bundesstaaten stechen mit
einer niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (2), Kebbi (3) und Osun (8) (CFR 2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/ 205788#content_6, Zugriff 12.4.2019
- BMEIA - Österreichisches Außenministerium (12.4.2019): Reiseinformationen - Nigeria, https:// www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nigeria/ , Zugriff 12.4.2019
- CFR - Council on Foreign Relations (2019): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/ nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 12.4.2019
- EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_COI_Nigeria_SecuritySituation.pdf , Zugriff 12.4.2019
- UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (12.4.2019): Foreign Travel Advice - Nigeria - summary, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria , Zugriff 12.4.2019
1.4.2. Middle-Belt inkl. Jos/Plateau
Seit Jahrzehnten kommt es in Nigeria - vorwiegend im Middle-Belt - zu religiös motivierter Gewalt zwischen christlichen ansässigen Bauern und nomadisch lebenden muslimischen Viehhirten (USCIRF 4.2018; vgl. EASO 2.2019). Ursprünglich ein Konflikt um natürliche Ressourcen wie Wasser und Land, hat der Konflikt zunehmend eine ethnisch-religiöse Dimension bekommen (EASO 2.2019). Der Konflikt lädt sich immer stärker ideologisch auf und verstärkt den Antagonismus zwischen Christen und Muslimen bzw. verschiedenen Ethnien (AA 10.12.2018). Eine Polarisierung erfolgt anhand religiöser Linien, da Angriffe oft als religiös motiviert wahrgenommen werden. Im Jahr 2017 setzte sich der Konflikt fort und war Ursache für Todesfälle, Zerstörung und Vertreibung. Desertifikation und Konflikte im Norden führen dazu, dass Viehhirten Richtung Süden ziehen. Der Konflikt um die Landnutzung wird oft gewaltsam ausgetragen. Beide Seiten fühlen sich durch die Sicherheitskräfte nicht ausreichend geschützt, Angreifer bleiben ungestraft. Es wird auch von ethnische Säuberungen im Rahmen des Konflikts berichtet (USCIRF 4.2018).
Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen, insbesondere zwischen Hirten und Bauern in Zentralnigeria (AA 9 .2018a). Dort flammten im Verlauf des Jahres 2017 die Konflikte zwischen muslimischen Hausa-Fulani Hirten und einheimischen christlichen Bauern wieder stärker auf, besonders in den Bundesstaaten Kaduna, Plateau, Taraba, Nasarawa und Benue. In einzelnen Fällen forderten diese Auseinandersetzungen mehrere hundert Tote (AA 9 .2018a; vgl. FH 1.2018; EASO 2.2019). Auch Adamawa ist betroffen (EASO 2.2019). Der Konflikt um Land und Ressourcen nimmt durch die fortschreitende Wüstenbildung in Nordnigeria, das Bevölkerungswachstum und die allgemein angespannte wirtschaftliche Lage zu (AA 9 .2018a). Nach einer Eskalation im Jänner 2018 waren in der ersten Jahreshälfte 2018 mehr als 1.300 Todesopfer zu verzeichnen, 300.000 Personen wurden vertrieben. Beide Seiten begingen schwere Menschenrechtsverletzungen wie Morde, Zerstörung von Häusern und anderem Eigentum (EASO 2.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844 , Zugriff 7.11.2018
- EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance: Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf , Zugriff 12.4.2019
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1443869.html , Zugriff 7.11.2018
- USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (4.2018): Annual Report 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/1435651/1226_1529393816_tier1- nigeria.pdf, Zugriff 29.11.2018
1.4.3. Nordnigeria - Boko Haram
"Boko Haram" ist seit Mitte 2010 für zahlreiche schwere Anschläge mit Tausenden von Todesopfern verantwortlich (AA 9 .2018a). Dem Konflikt fielen unterschiedlichen unabhängigen Schätzungen zufolge zwischen 20.000 und 30.000 Menschen zum Opfer (AA 9 .2018a; vgl. HRW 18.1.2018; EASO 11.2018a). Im August 2016 spaltete sich Boko Haram als Folge eines Führungsstreits in Islamic State West Africa (ISIS-WA) und Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati wal- Jihad (JAS) auf (EASO 11.2018a). Diese Gruppen waren weiterhin für Tötungen, Bombenanschläge und Angriffe auf militärische und zivile Ziele in Nordnigeria verantwortlich. Diese Aktivitäten forderten tausende Todesopfer und Verletzte und verursachten bedeutende Zerstörung von Eigentum (USDOS 19.9.2018).
In den ersten eineinhalb Jahren Amtszeit hatte es Präsident Buhari geschafft, die Bedrohung durch Boko Haram weitgehend einzudämmen (AA 9 .2018a). Die von Boko Haram betroffenen Staaten haben sich im Februar 2015 auf die Aufstellung einer 8.700 Mann starken Multinational Joint Task Force (MNJTF) zur gemeinsamen Bekämpfung von Boko Haram verständigt (AA 9 .2018a). Im Vorfeld der Wahlen 2015 wurde die Militärkampagne gegen die Islamisten auf Druck und unter Beteiligung der Nachbarstaaten Kamerun, Niger und Tschad intensiviert und hat nach dem Amtsantritt von Staatspräsident Buhari zu einem von der Regierung behaupteten "technischen Sieg" geführt (ÖB 10.2018). Bis Oktober 2015 konnte Boko Haram aus allen von ihr kontrollierten Städten und aus fast allen Landkreisen im Nordosten Nigerias vertrieben werden, ohne das es den nigerianischen Sicherheitsbehörden bisher gelungen ist, diese Gebiete dann auch abzusichern und vor weiteren Angriffen der Islamisten zu schützen (AA 9 .2018a; vgl. AA 1.12.2018). Nach dem Rückzug in unwegsames Gelände und dem Treueeid einer Splittergruppe gegenüber dem sogenannten "Islamischen Staat" ist Boko Haram mittlerweile zu seiner ursprünglichen Guerillataktik von Überfällen auf entlegenere Dörfer und Selbstmordanschlägen - oft auch durch Attentäterinnen - zurückgekehrt (ÖB 10.2018). Mit Selbstmordanschlägen auf Streitkräfte, Vertriebenenlager, Moscheen in ländlichen Bereich oder in Einzugsgebieten von größeren Städten im Nordosten, besonders Maiduguri, sowie Entführungen bleiben die Islamisten weiterhin regional aktiv (AA 9 .2018a). Die seit 2015 erzielten Fortschritte im Kampf gegen Boko Haram nutzen sich langsam ab (erhöhte Anschlagsaktivitäten, insbesondere auf nigerianische Streitkräfte). Die nigerianischen Streitkräfte beschränken sich auf das Verteidigen einiger urbaner Zentren im Bundesstaat Borno (AA 10.12.2018). Die Zahl und Qualität der Anschläge, insbesondere auf nigerianische Streitkräfte und Polizei, hat 2018 wieder zugenommen (AA 9 .2018a). Boko Haram verübte 2017 mindestens 65 Angriffe, bei denen insgesamt 411 Zivilpersonen getötet wurden. Außerdem entführte die Gruppe mindestens 73 Menschen (AI 22.2.2018). Im Jahr 2018 kamen zumindest 1.200 Personen durch Boko Haram ums Leben, knapp 200.000 Personen wurden intern vertrieben (HRW 17.1.2019).
Auch wenn die zivile Bürgerwehr Civilian Joint Task Force stellenweise recht effektiv gegen Boko Haram vorging, begeht diese Gruppe häufig selbst Menschenrechtsverletzungen oder denunziert willkürlich persönliche Feinde bei den Sicherheitsorganen (AA 10.12.2018).
In Lagos gibt es keine Fälle von Tötungen durch Boko Haram. Die Terroristen sind nicht in der Lage, eine Person überall in Nigeria aufzuspüren. Wenn sich Menschen von Boko Haram bedroht fühlen, dann können sie im Land umsiedeln (VA1 16.11.2015). Zwar gibt es im Süden Schläferzellen der Boko Haram. Trotzdem können z.B. Deserteure der Boko Haram in den Süden umsiedeln, wo sie sicher sind (VA2 16.11.2015).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844 , Zugriff 7.11.2018
- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425079.html , Zugriff 8.11.2018
- EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_COI_Nigeria_SecuritySituation.pdf , Zugriff 12.4.2019
- HRW - Human Rigths Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/ dokument/1422531.html, Zugriff 28.11.2018
- HRW - Human Rigths Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/ document/2002184.html, Zugriff 11.4.2019
- USDOS - U.S. Department of State (19.9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Nigeria, https://www.refworld.org/docid/5bcf1f8e13.html , Zugriff 30.11.2018
- VA1 - Vertrauensanwalt 1 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission
- VA2 - Vertrauensanwalt 2 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission
1.4.4. Allgemeine Menschenrechtslage
Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur "Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei" ihr Leben verloren hat. In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der zahlreich eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen weiterhin deutlich hinter internationalen Standards zurück. Zudem wurden völkerrechtliche Verpflichtungen zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Bundesstaaten, welche grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist die Durchsetzung garantierter Rechte häufig nicht gewährleistet (AA 10.12.2018).
Die Menschenrechtssituation hat sich seit Amtsantritt einer zivilen Regierung 1999 zum Teil erheblich verbessert (AA 9 .2018a; vgl. GIZ 4.2019a), vor allem im Hinblick auf die Freilassung politischer Gefangener und die Presse- und Meinungsfreiheit (GIZ 4.2019a). Allerdings kritisieren Menschenrechtsorganisationen den Umgang der Streitkräfte mit Boko Haram-Verdächtigen, der schiitischen Minderheit, Biafra-Aktivisten und Militanten im Nigerdelta. Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetismus, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst werden (AA 9 .2018a). Es gibt viele Fragezeichen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte, wie z.B. die Praxis des Scharia-Rechts (Tod durch Steinigung), Entführungen und Geiselnahmen im Nigerdelta, Misshandlungen und Verletzungen durch Polizisten und Soldaten sowie Verhaftungen von Angehörigen militanter ethnischer Organisationen (GIZ 4.2019a).
Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia haben zu keinem starken Anstieg von Menschenrechtsverletzungen geführt, die wenigen Steinigungsurteile wurden jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben, auch Amputationsstrafen wurden in den letzten Jahren nicht vollstreckt (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019).
Es setzten sich nigerianische Organisationen wie z.B. CEHRD (Centre for Environment, Human Rights and Development), CURE-NIGERIA (Citizens United for the Rehabilitation of Errants) und HURILAWS (Human Rights Law Services) für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrem Land ein. Auch die Gewerkschaftsbewegung Nigeria Labour Congress (NLC) ist im Bereich von Menschenrechtsfragen aktiv (GIZ 4.2019a).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844 , Zugriff 7.11.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html , Zugriff 11.4.2019
- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html , Zugriff 20.3.2019
1.4.5. Religionsfreiheit
Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (GIZ 4.2019b; vgl. ÖB 10.2018; AA 10.12.2018) und Freiheit der Religionsausübung (ÖB 10.2018). Laut Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen, ist religiöse Diskriminierung verboten und hat jeder die Freiheit seine Religion zu wählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern (USDOS 20.5.2018). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, z.B. bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious- Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 10.12.2018).
Die Regierung achtet Religionsfreiheit in der Praxis, obwohl von lokalen politischen Akteuren geschürte Gewalt in der Regel straflos bleibt. Die Verfassung verbietet es, ethnischen oder religiösen Gruppen Vorrechte einzuräumen. In der Praxis bevorzugen Bundesstaaten jedoch die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion (ÖB 10.2018). Manche Gesetze der Landes- und Lokalregierung diskriminieren Mitglieder religiöser Minderheiten (USDOS 20.5.2018). Außerdem gestaltet sich die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit in der Praxis aufgrund religiöser Spannungen schwierig (GIZ 4.2019b).
Die Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und religiösen Gruppen ist auf lokaler Ebene und in der Bevölkerung teilweise nur unzureichend ausgeprägt. Eine Ausnahme sind die Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen seit Generationen auch Mischehen zwischen Moslems und Christen verbreitet sind. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit dagegen problematisch, insbesondere im Middle-Belt, wo der Kampf um Land und Lebensraum zunehmend religiös aufgeladen wird (AA 10.12.2018). Es gibt Berichte über Gewalt bis hin zu Tötungen bei Konflikten zwischen religiösen Gruppen, namentlich zwischen christlichen Bauern und muslimischen Nomaden und vorwiegend im Middle- Belt (USDOS 20.5.2018).
Auch die Lage zwischen den Moslems der sunnitischen Mehrheit und der schiitischen Minderheit ist teilweise stark angespannt. Versammlungen und Märsche der schiitischen Minderheit gelten als Provokation, in einigen Landesteilen kam es sogar zu einem Verbot der schiitischen Gruppe Islamic Movement of Nigeria (IMN). Diesbezüglich kam es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen (AA 10.12.2018). Die islamistisch-terroristischen Organisationen Boko Haram und Islamischer Staat in Westafrika sind weiterhin aktiv und führen zahlreiche Angriffe durch [Anm. Siehe Abschnitt 3. Sicherheitslage] (USDOS 20.5.2018).
Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 8.2016b).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 10.4.2019
- UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance, Nigeria: Background information, including actors of protection and internal relocation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august- 2016.pdf, Zugriff 13.11.2018
- USDOS - U.S. Department of State (29.5.2018): 2017 International Religious Freedom Report - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436835.html , Zugriff 13.11.2018
1.4.6. Religiöse Gruppen
Nigeria ist von drei unterschiedlichen Religionen geprägt: dem Islam, dem Christentum, und den indigenen Religionen (GIZ 4.2019b). 51,6 Prozent sind Moslems, 36,9 Prozent Christen und der Rest der Bevölkerung gehört den indigenen Glaubensrichtungen an bzw. liegen keine Angaben zur Religionszugehörigkeit vor (CIA 21.3.2019). Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich (AA 10.12.2018; vgl. GIZ 4.2019b; USDOS 20.5.2018). Allerdings gibt es im Norden, wo die muslimischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante christliche Bevölkerungsteile. In Zentralnigeria, Abuja und den südwestlichen Yoruba-Bundesstaaten halten sich die Anteile an Muslimen und Christen die Waage (USDOS 20.5.2018; vgl. GIZ 4.2019b).
2010 gaben 38 Prozent der Muslime an, Sunniten zu sein, 12 Prozent Schiiten; der Rest sah sich als "etwas anderes" oder einfach als "Muslime". Unter den Sunniten finden sich mehrere Sufi- Strömungen (USDOS 20.5.2018), im Norden des Landes v.a. die Bruderschaften der Qadiriyya und der Tijaniyya. Beide sind Varianten des sunnitischen Islam. Seit der nigerianischen Unabhängigkeit sind viele islamische Gemeinschaften entstanden, d.h. wie bei den Christen auch, passte sich der Islam den afrikanischen Traditionen u.a. mit der Entstehung neuer islamischer Sekten an (GIZ 4.2019b).
Das Christentum unterteilt sich in Katholiken, Protestanten und synkretistische afrikanische Kirchengemeinschaften. Bei letzteren handelt es sich um eine Vermischung von traditionellen Religionen mit Freievangelisten - meist Mitglieder evangelikaler und pentekostaler Kirchen. Es gibt im Land bereits über tausend dieser - meist stark profitorientierten - neuen afrikanischen Kirchengemeinden mit mehreren Millionen Mitgliedern, Tendenz steigend (GIZ 4.2019b).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- CIA - Central Intelligence Agency (21.3.2019): The World Fact Book, Nigeria, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ni.html , Zugriff 29.3.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 10.4.2019
- USDOS - U.S. Department of State (20.5.2018): 2017 International Religious Freedom Report - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436835.html , Zugriff 13.11.2018
1.4.7. Spannungen zwischen Muslimen und Christen
Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein auch nur annähernd in Verbindung gebrachter Vorfall im christlichen Süden gegen Muslime wird sofort Reaktionen im Norden hervorrufen, die immer wieder zum Tod von sogenannten Nichtgläubigen führen. Pogrome gehören mittlerweile zum politischen Alltagsgeschehen in Nigeria. Seit 2000 sprechen die offiziellen Zahlen von über 11.500 Toten aufgrund religiöser Unruhen. Die tatsächlichen Zahlen dürften um ein Vielfaches höher liegen. Mit der Einführung der Scharia in den zwölf nördlichen Bundesstaaten und dem Terrorismus durch Boko Haram in den drei nordöstlichen Bundesstaaten haben sich die Spannungen weiter verschärft (GIZ 4.2019b). Trotz des relativen Rückgangs der Gewalt gegen Christen durch Boko Haram hält die Gewalt gegen Christen in den zentralen Landesteilen an, ausgeübt von muslimischen Nomaden der Hausa-Fulani (OD 1.2019).
In den zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Religionsfreiheit von Nicht-Muslimen in der Praxis teilweise beschränkt, da viele Verwaltungsvorschriften ohne Rücksicht auf die jeweilige Religionszugehörigkeit erlassen und durchgesetzt werden (z.B. Verbot des gemischten Schulunterrichts, Verbot des Alkoholgenusses, Geschlechtertrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln, Neubau von Kirchen etc.). Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia haben jedoch zu keinem starken Anstieg von Menschenrechtsverletzungen geführt (AA 10.12.2018). Allerdings leiden Christen im Norden und im Middle-Belt unter der Gewalt militanter islamischer Gruppen. Durch diese Gewalt kommen Menschen ums Leben, erleiden körperliche Verletzungen und verlieren Eigentum. Damit geht oft auch der Verlust von Grundbesitz und folglich von Erwerbsquellen einher. Das Verfolgungsmuster ist insgesamt jedoch viel komplexer und darf nicht auf Ermordungen von Christen seitens militanter islamistischer Gruppen reduziert werden. Das trifft besonders auf die zwölf nördlichen Scharia-Bundesstaaten zu, in denen lokale Behörden und die Gesellschaft Christen kaum Raum für das Leben ihres Glaubens lassen. Gewalt geht zudem von muslimischen Hausa-Fulani-Viehhirten aus, die im Middle-Belt Überfälle auf christliche Häuser durchführen. Alle Christen sind betroffen, am stärksten jedoch Christen muslimischer Herkunft. Letztere erleben zudem die Zurückweisung durch ihre Familien und Druck, ihren christlichen Glauben aufzugeben. Es kann sehr gefährlich sein, als Christ im Norden Nigerias zu leben. Die Scharia-Gesetzgebung wird in zwölf mehrheitlich muslimischen Staaten angewandt. Dort ist es illegal, vom Islam zu einem anderen Glauben zu wechseln und Christen wird häufig deutlich gezeigt, dass sie nicht willkommen sind. Dort werden Christen diskriminiert und wie Bürger zweiter Klasse behandelt. Die Feindschaft gegenüber Christen wird häufig durch extremistische islamische Lehren und deren Ausübung geschürt. Die Rivalität zwischen ethnischen Gruppen im Süden und Norden ist eine weitere Ursache, die zur Verfolgung von Christen beiträgt (OD 1.2019).
Die meisten Christen im südlichen Teil des Landes leben in einem Umfeld, wo ihre Glaubensfreiheit respektiert wird (OD 1.2019). Viele religiösen Führer sprechen sich öffentlich für Toleranz und Mäßigung aus. So verurteilte etwa der Sultan von Sokoto offiziell das Phänomen der Hasspredigten (USDOS 20.5.2018). Jene Personen, die sich vor einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure fürchten, können in der Regel Schutz bei Behörden suchen oder eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 8.2016b).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 10.4.2019
- OD - Open Doors (1.2019): Länderprofil Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/ weltverfolgungsindex/laenderprofile/2018/nigeria, Zugriff 29.3.2019
- UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance, Nigeria: Background information, including actors of protection and internal relocation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august- 2016.pdf, Zugriff 13.11.2018
- USDOS - U.S. Department of State (20.5.2018): 2017 International Religious Freedom Report - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436835.html , Zugriff 13.11.2018
1.4.8. Bewegungsfreiheit
Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Dies betrifft aufgrund der Operationen gegen Boko Haram v.a. die Bundesstaaten Adamawa, Borno und Yobe. Auch in anderen Bundesstaaten kommt es in Reaktion auf gewaltsame Auseinandersetzungen in ländlichen Regionen mitunter zu Ausgangssperren. Bei Operationen von Sicherheitskräften in Städten und an Hauptverkehrsstraßen werden gelegentlich Checkpoints eingerichtet. Zahlreiche von Militär und Polizei betriebene Checkpoints bleiben aufrecht (USDOS 13.3.2019).
Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 13.3.2019). Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen (AA 10.12.2018). Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden (UKHO 8.2016b).
In den vergangenen Jahrzehnten hat durch Wanderungsbewegungen und interethnische Ehen eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der "Kern"-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa-Fulani, Yoruba, Igbo) stattgefunden. So ist insbesondere eine starke Nord- Süd-Wanderung feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen (ÖB 10.2018). Ein innerstaatlicher Umzug kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem keine Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der Gesellschaft ist es für viele Menschen schwer, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 10.12.2018).
Bundesstaats- und Lokalregierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt, obwohl sie dort über keine familiäre Bindung mehr verfügen (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
- UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance, Nigeria: Background information, including actors of protection and internal relocation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august- 2016.pdf, Zugriff 13.11.2018
- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html , Zugriff 20.3.2019
1.4.9. Grundversorgung
Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 4.2019c).
Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 10.12.2018). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat - gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 4.2019c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 10.12.2018). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 4.2019c).
Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent (AA 9 .2018c). Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 4.2019c; vgl. AA 9 .2018c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 9 .2018c) und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe - v.a. von Reis - angewiesen (ÖB 10.2018; vgl. AA 9 .2018c). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben (AA 9 .2018c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt (ÖB 10.2018).
Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2018; vgl. GIZ 4.2019b). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2018; vgl. ÖB 10.2018), fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze (GIZ 4.2019b).
Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt (GIZ 4.2019b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden (ÖB 10.2018). Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2018). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 4.2019b).
Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2018). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2018). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).
Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Nur eine geringe Anzahl von Nigerianern (2016 ca. fünf Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2018).
Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 4.2019c).
Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- AA - Auswärtiges Amt (9.2018c): Nigeria - Wirtschaft,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205790 , Zugriff 22.11.2018
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf , Zugriff 19.11.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 10.4.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Nigeria - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 11.4.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
1.4.10. Medizinische Versorgung
Insgesamt kann die Gesundheitsversorgung in Nigeria als mangelhaft bezeichnet werden (GIZ 4.2019b). Zwischen Arm und Reich sowie zwischen Nord und Süd besteht ein erhebliches Gefälle: Auf dem Land sind die Verhältnisse schlechter als in der Stadt (GIZ 4.2019b); und im Norden des Landes ist die Gesundheitsversorgung besonders prekär (GIZ 4.2019b; vgl. ÖB 10.2018). Die medizinische Versorgung ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 12.4.2019). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor (AA 10.12.2018).
Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser (AA 10.12.2018). Krankenhäuser sind bezüglich Ausstattung, Qualifikation des Personals und Hygiene nur in städtischen Zentren vereinzelt mit europäischem Standard vergleichbar. In größeren Städten ist ein Großteil der staatlichen Krankenhäuser mit Röntgengeräten ausgestattet, in ländlichen Gebieten verfügen nur einige wenige Krankenhäuser über moderne Ausstattung. Religiöse Wohltätigkeitseinrichtungen und NGOs bieten kostenfrei medizinische Versorgung (ÖB 10.2018).
In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten allerdings sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine gute medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Es sind zunehmend Privatpraxen und -kliniken entstanden, die um zahlungskräftige Kunden konkurrieren. Die Ärzte haben oft langjährige Ausbildungen in Europa und Amerika absolviert und den medizinischen Standard angehoben. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 10.12.2018).
Die Gesundheitsdaten Nigerias gehören zu den schlechtesten in Afrika südlich der Sahara und der Welt (ÖB 10.2018). Mit 29 Todesfällen pro 1.000 Neugeborenen hat Nigeria weltweit die elfthöchste Todesrate bei Neugeborenen (GIZ 2.2019). Die aktuelle Sterberate für Kinder unter fünf Jahren beträgt 109 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die Prozentsätze der Unterernährung (Global Acute Malnutrition) liegen in den nördlichen Staaten konstant über der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen mehr als 1,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2018).
Psychische bzw. psychiatrische Erkrankungen werden in der großen Mehrheit der Bevölkerung immer noch als spiritueller Natur entspringend angesehen. Dementsprechend werden die entsprechenden Patienten besonders im ländlichen Bereich spirituellen Heilern zugeführt. Betreut werden sie in der Regel in der Familie, wenn vorhanden. Viele psychisch Kranke leben auf der Straße, in abgelegenen Regionen werden als gefährlich angesehene Personen in den Dörfern auch gelegentlich noch angekettet. Für die stationäre Unterbringung gibt es in ganz Nigeria acht staatliche psychiatrische Kliniken, die einen Langzeitbereich haben, außerdem sind zahlreiche psychisch Langzeitkranke in gesonderten Bereichen in Gefängnissen untergebracht. Im Wesentlichen findet dort eine reine Verwahrung unter ausgesprochen ärmlichen Bedingungen statt (WPA o.D.). Es existiert also kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, können aber nicht adäquat behandelt werden (AA 10.12.2018).
Insgesamt gibt es für die inzwischen annähernd 200 Millionen Einwohner 100 Hospitäler mit psychiatrischer Abteilung (VAÖB 23.1.2019). Laut anderen Angaben gibt es psychiatrische Abteilungen in 15 Universitätskliniken, acht staatlichen psychiatrischen Spitälern und sechs Allgemeinen Spitälern sowie 15 psychiatrischen Privatkrankenhäusern (WPA o.D.). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für einen Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000 Naira (ca. 570 Euro). Zudem ist an diesem Krankenhaus auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 10.12.2018).
Nigeria verfügt über 110 registrierte Psychiater (WPA o.D.); nach anderen Angaben sind es derzeit 130 für 200 Millionen Einwohner (Österreich 2011: 20 Psychiater/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Aufgrund dieser personellen Situation ist eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen "aufbewahrt". Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt (VAÖB 23.1.2019).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 10.12.2018). Nur weniger als sieben Millionen der 180 Millionen Einwohner Nigerias sind beim National Health Insurance Scheme leistungsberechtigt (Punch 22.12.2017). Eine Minderheit der erwerbstätigen Bevölkerung ist über das jeweils beschäftigende Unternehmen mittels einer Krankenversicherung abgesichert, die jedoch nicht alle Krankheitsrisiken abdeckt (VAÖB 27.3.2019).
Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 4.2019b). Selbst in staatlichen Krankenhäusern muss für Behandlungen bezahlt werden (AA 10.12.2018). Die Kosten medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden. Die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, sofern vorhanden (ÖB 10.2018). Eine basale Versorgung wird über die Ambulanzen der staatlichen Krankenhäuser aufrechterhalten, jedoch ist auch dies nicht völlig kostenlos, in jedem Fall sind Kosten für Medikamente und Heil- und Hilfsmittel von den Patienten zu tragen, von wenigen Ausnahmen abgesehen (VAÖB 27.3.2019).
Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 10.12.2018). In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 10.12.2018). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. Schutzimpfaktionen werden von internationalen Organisationen finanziert, stoßen aber auf religiös und kulturell bedingten Widerstand, überwiegend im muslimischen Norden (ÖB 10.2018).
Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist jedoch zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente). Diese wirken aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt. Es gibt zudem wenig zuverlässige Kontrollen hinsichtlich der Qualität der auf dem Markt erhältlichen Produkte (AA 10.12.2018). Gegen den grassierenden Schwarzmarkt mit Medikamenten gehen staatliche Stellen kaum vor (ÖB 10.2018).
Der Glaube an die Heilkräfte der traditionellen Medizin ist nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher traditionelle Heiler als Schulmediziner konsultiert (GIZ 4.2019b). Gerade im ländlichen Bereich werden "herbalists" und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 10.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/ 205788#content_6, Zugriff 12.4.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 10.4.2019
- Punch (22.12.2017): NHIS: Health insurance still elusive for many Nigerians, https://punchng.com/nhis-health-insurance-still-elusive-for-many-nigerians/ , Zugriff 3.4.2019
- VAÖB - Vertrauensarzt der ÖB Abuja (23.1.2019): medizinische Stellungnahme
- VAÖB - Vertrauensarzt der ÖB Abuja (27.3.2019): medizinische Stellungnahme
- WPA - World Psychiatric Association (o.D.): Association of Psychiatrists in Nigeria (APN), http:// www.wpanet.org/detail.php?section_id=5&content_id=238 , Zugriff 3.4.2019
1.4.11. Rückkehr
Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).
Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 10.12.2018). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation" (ÖB 10.2018). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 10.12.2018).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 10.12.2018). Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2018). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 10.12.2018) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2018) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2018).
Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 10.12.2018). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2018).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 10.12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.
Die Feststellung über die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung, sowie den folgenden vorgelegten Dokumenten:
* Bestätigung über ehrenamtliche Tätigkeit in einem Flüchtlingsheim vom 30.01.2017
* Bestätigung über den Verkauf einer Straßenzeitung auf selbständiger Basis vom 02.02.2017
* Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs A0 vom Oktober 2015 bis Oktober 2016
* Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs A1 vom Jänner bis Dezember 2016
* Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs im Juli 2017
* Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs seit Februar 2019
* Unterstützungsschreiben verschiedener österreichischer Staatsbürger
* Empfehlungsschreiben der Afrikanisch-katholischen Gemeinschaft vom 05.02.2017
* Bestätigung der ehrenamtlichen Tätigkeit bei den Sozialen Diensten XXXX vom 12.11.2018
* Bestätigung über die Teilnahme an einem Chor vom 16.12.2017
Die Feststellung betreffend die Religionszugehörigkeit und der Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen zur Schulausbildung und zur Familie des Beschwerdeführers in Nigeria ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA, im Rahmen der Erstbefragung und in der mündlichen Verhandlung. Allerdings hatte der Beschwerdeführer in der Erstbefragung davon gesprochen, dass er 12 Jahre lang die Schule (Grundschule und weiterführende Schule) besucht habe (entsprechend wurde auch in einer schriftlichen Stellungnahme einer Vertrauensperson vom 30.12.2017 davon gesprochen, dass er Abgänger einer Haupt- oder Mittelschule sei), während er in den folgenden Befragungen angab, dass er nur sechs Jahre die Grundschule besucht habe. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher von einem mindestens sechsjährigen Schulbesuch aus, schließt aber nicht aus, dass der Beschwerdeführer tatsächlich eine längere Ausbildung vorzuweisen hat.
Auch in Bezug auf die familiären Verhältnisse in Nigeria gibt es Unstimmigkeiten. Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren vor, dass seine Eltern durch Boko Haram getötet worden seien. Dies ist, wie unter Punkt 2.3. dargelegt werden wird, nicht glaubhaft. Auch in Bezug auf seinen Bruder gibt es Widersprüche, meinte er doch gegenüber dem BFA, dieser sei ebenfalls von Boko Haram entführt worden, während er dem Bundesverwaltungsgericht erklärte, sein Bruder sei der Entführung durch Boko Haram entkommen, weil er sich auf dem Markt aufgehalten habe. Zusammengefasst kommt die erkennende Richterin zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer bezüglich seiner Kernfamilie nicht die Wahrheit gesagt hat. Es erscheint auch nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer in Nigeria über keine weitreichendere Verwandtschaft verfügen sollte. Laut im Akt einliegenden Stellungnahmen einer Vertrauensperson des Beschwerdeführers vom 20.12.2017 und vom 30.12.2017 würden seine Eltern keinen Kontakt zu ihren jeweiligen Familien gehabt haben, da diese der gemischt christlich-moslemischen Ehe der Eltern ablehnend gegenüber gestanden seien. Dies wurde vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung allerdings nicht erwähnt; auf die Frage der erkennenden Richterin nach Verwandten in Nigeria meinte er nur, dass er die Familie seines Vaters nie kennengelernt habe, was verwunderlich ist, da sein Vater angeblich aus Nsukka stammen sollte und der Beschwerdeführer dort seine Kindheit verbracht haben will. Der Beschwerdeführer weigerte sich in der mündlichen Verhandlung zudem, die auf seinem Mobiltelefon gespeicherten Kontakte offenzulegen. In einer Gesamtschau dieser Umstände kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer seine tatsächlichen familiären Verhältnisse in Nigeria zu verschleiern versucht und dass er in Nigeria über Verwandte verfügt.
Die Feststellung zu seinem Bezug der Grundversorgung ergibt sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.
2.3. Zum Fluchtgrund des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren vor, dass seine Familie von Enugu State nach Jos (Plateau State) gezogen und dort von Boko Haram überfallen worden sei. Seine Eltern seien von Boko Haram getötet worden, ihn habe man überreden wollen, sich ihnen anzuschließen, doch sei ihm die Flucht gelungen.
Dieses Vorbringen ist aufgrund der folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:
Bereits der angebliche Umzug nach Jos konnte vom Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar geschildert werden: Er war nicht in der Lage zu erklären, warum seine Familie nach Jos zog; auch wenn seine Mutter, wie von ihm behauptet, Muslima gewesen sei und ursprünglich aus Jos stamme, ist es mangels einer Verwandtschaft in Jos doch überraschend, dass die ganze Familie umgezogen sein soll. In der Verhandlung meinte er, dass die Familie aufgrund eines Familienproblems umgezogen sei; er war aber nicht in der Lage zu erklären, wie es zu einem Problem mit der Familie kommen hatte können, wenn es doch keinen Kontakt zu Verwandten gegeben habe. Während er vor dem BFA am 22.02.2017 erklärte, der Umzug habe im Februar 2014 stattgefunden, meinte er in der Verhandlung zunächst, er könne sich nicht erinnern, wann dies geschehen sei, dann dass er etwa 12 oder 13 Jahre alt gewesen sei (womit der Umzug bereits viele Jahre früher als 2014 erfolgt wäre). Dem Beschwerdeführer wurden durch die belangte Behörde bei der Einvernahme am 22.02.2017 zahlreiche Fragen zu Jos gestellt, doch konnte er keinerlei Angaben dazu machen. In der mündlichen Verhandlung meinte er dann, als er wiederum nach Jos gefragt wurde, dass er tatsächlich nie in Jos selbst gewesen sei, sondern nur in einem Dorf am Rande von Jos gelebt habe. Als er von der erkennenden Richterin danach gefragt wurde, in welcher Sprache er sich in Plateau State, etwa am Markt, unterhalten habe, wich der Beschwerdeführer aus und meinte, er sei gewöhnlich nicht zum Markt gegangen. Auch die am 22.02.2017 gegenüber dem BFA getätigte Aussage, dass er keine genauere Adresse als "Jos" gehabt habe und dass es reichen würde, seinen Namen und den Namen der Stadt anzugeben, damit man ihm einen Brief schicken könne, erscheint angesichts einer Einwohnerzahl von rund 900.000 nicht plausibel. Insgesamt kommt die erkennende Richterin zum Schluss, dass sich der Beschwerdeführer nicht in Plateau State aufhielt, sondern sich dieses Wohnortes nur bediente, um seine - wie im Folgenden gezeigt wird - nicht glaubhafte Geschichte rund um einen Überfall durch Boko Haram zu konstruieren. Es scheint, dass der Umzug in den Norden behauptet wurde, da Boko Haram in Enugu State nicht aktiv ist.
Bezüglich der Ereignisse rund um den behaupteten Überfall durch Boko Haram weicht die in der mündlichen Verhandlung erstattete Version vollkommen von jener ab, welche der Beschwerdeführer der belangten Behörde schilderte. So meinte der Beschwerdeführer am 22.02.2017 gegenüber dem BFA, dass im Jahr 2014 Mitglieder der Boko Haram das Haus der Familie umstellt und seinen Vater und seinen Bruder mitgenommen hätten. Drei Tage später seien sie zurückgekommen und hätten den Beschwerdeführer selbst und seine Mutter entführt. In der mündlichen Verhandlung erklärte er dagegen, dass eines Abends (Monat und Jahr seien ihm nicht erinnerlich) Mitglieder von Boko Haram ihn und seine Eltern aus ihrem Haus in Jos entführt hätten. Sein Bruder sei gerade auf dem Rückweg vom Markt und daher nicht zuhause gewesen, als der Überfall stattgefunden habe. Während also in der dem BFA dargebotenen Version das Haus zweimal überfallen wurde (und beim ersten Mal Vater und Bruder, beim zweiten Mal Mutter und Beschwerdeführer entführt wurden), sprach der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung von einem einzigen Vorfall, bei dem der Beschwerdeführer und seine Eltern, nicht aber sein Bruder verschleppt worden seien. Zudem war der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, irgendwelche Details zu erzählen, etwa wie viele Personen das Haus überfallen hätten.
Auch der weitere Verlauf des Geschehens wurde vom Beschwerdeführer widersprüchlich geschildert. Vor dem BFA erklärte er, dass er im Lager bedrängt worden sei, Boko Haram beizutreten. Nach seiner Weigerung würden sie seinen Vater getötet und den Bruder an einen anderen Ort gebracht haben. Fünf Tage danach würden sie seine Mutter weggebracht haben, dann nach zwei Tagen aber wieder vorgeführt und ermordet haben. Danach sei er mit dem Messer verletzt worden. Im weiteren Verlauf der Einvernahme meinte er dann allerdings, seine Mutter sei am dritten Tag im Lager getötet und er davor mit dem Messer verletzt worden; er widersprach sich daher bereits in der Einvernahme durch das BFA am 22.02.2017. Dagegen legte er in der mündlichen Verhandlung dar, dass er am zweiten Tag im Lager der Boko Haram zuerst mit dem Messer verletzt und dann seine Eltern vor seinen Augen getötet worden seien, weil er sich nicht zum Beitritt zu Boko Haram habe überreden lassen (wobei auch der behauptete Rekrutierungsversuch eines Christen durch Boko Haram nicht nachvollziehbar erscheint). Jedenfalls nicht aufklärbar scheint der Widerspruch, dass er einmal von unterschiedlichen Tagen spricht, an denen seine Eltern ermordet wurden, dann von einem einzigen Tag.
Ebenso ist das Vorbringen rund um die Ereignisse nach seiner Flucht aus dem Lager der Boko Haram widersprüchlich: Vor dem BFA behauptete der Beschwerdeführer, dass er in sein Elternhaus in Jos zurückgekehrt sei, aber festgestellt habe, dass dieses niedergebrannt worden sei. Er sei dann zum Priester (zunächst erklärte er, es sei der Priester seiner Kirchengemeinde gewesen, dann es sei ein ihm unbekannter Priester gewesen) geflüchtet, der ihm geholfen habe. Dagegen erzählte er in der mündlichen Verhandlung, dass er zu einer ihm unbekannten Kirche gelangt sei, die weit von seinem Elternhaus entfernt gewesen sei. Er wisse gar nicht, an welchem Ort diese Kirche gewesen sei (obwohl er seinen Angaben nach einige Monate dort blieb). Zudem antwortete der Beschwerdeführer auf eine Frage der erkennenden Richterin, dass er nie mehr zu seinem Elternhaus zurückgegangen sei. Auch in diesem Themenbereich gibt es daher eklatante Unterschiede in den Versionen.
In diesem Zusammenhang verweist das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass es sich bewusst ist, dass bei der Beurteilung des Aussageverhaltens die dem Beschwerdeführer diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung zu berücksichtigen ist. So wird etwa in dem Artikel "Aussageverhalten von traumatisierten Flüchtlingen: Eine Untersuchung zum Vorbringen des eigenen Verfolgungsschicksals im Rahmen des Asylverfahrens" von Michael Odenwald, Tobias Schmitt, Frank Neuner, Martina Ruf, Maggie Schauer, erschienen in Zeitschrift für Politische Psychologie, Jg. 14, 2006 (abrufbar unter: http://kops.uni-konstanz.de/handle/123456789/10206 ) ausgeführt, dass psychisch traumatisierte Asylwerber aus störungsspezifischen Gründen in Einvernahmen nicht oder unzureichend über ihr Verfolgungsschicksal berichten können. Auch sonstige Quellen berichten davon, dass bei einer posttraumatischen Belastungsstörung manchmal wichtige Aspekte des traumatischen Erlebnisses nicht mehr (vollständig) erinnert werden können (z.B. http://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/erkrankungen/posttraumatische-belastungsstoerung-ptbs/was-ist-eine-posttraumatische-belastungsstoerung-ptbs/ ). UNHCR (Vulnerabilität und Flucht, Juni 2017) beschreibt als Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung das Wiedererleben des Traumas (zB durch Flashbacks oder Alpträume), vegetative Übererregtheit (zB Schlafstörungen, Aggressivität) und auch Vermeidungssymptome (zB Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit).
Auch unter Berücksichtigung einer posttraumatischen Belastungsstörung bleibt aber keine andere Schlussfolgerung übrig, als dass es sich um eine konstruierte Fluchtgeschichte handelt. Mit Vermeidungsverhalten könnte beispielsweise noch der Umstand erklärt werden, dass sich der Beschwerdeführer an keine Daten erinnern und den Überfall durch Boko Haram nicht genau beschreiben kann. Im gegenständlichen Fall verhält es sich aber nicht nur so, dass der Beschwerdeführer sich an gewisse Dinge nicht oder nicht vollständig erinnert, sondern er erzählt vollkommen unterschiedliche Versionen der Fluchtgründe. Wenn er etwa einmal von zwei Überfällen, dann wieder von einem Überfall oder auch einmal von einer Entführung seines Bruders, dann davon, dass dieser der Entführung entkommen sei, spricht, liegen Widersprüche vor, die sich auch nicht durch eine posttraumatische Belastungsstörung erklären lassen. Darüber hinaus erstreckt sich die Widersprüchlichkeit des Vorbringens auch auf allgemeine Fragen seiner Biographie wie die Frage, ob er nach Jos umgezogen ist oder nicht.
Auch unter Berücksichtigung etwaiger Erinnerungslücken durch eine posttraumatische Belastungsstörung kann das Vorbringen von der erkennenden Richterin nicht als glaubhaft befunden werden. Wenn in der Beschwerde die bereits im angefochtenen Bescheid aufgezeigten Unstimmigkeiten damit erklärt werden, dass die fluchtauslösenden Ereignisse bereits einige Zeit zurückliegen und der Beschwerdeführer nur die Grundschule besucht hat, so kann dies derart fundamentale Widersprüche, wie etwa rund um die Frage, ob sein Bruder auch von Boko Haram entführt wurde oder nicht, nicht erklären. Es steht daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes fest, dass der Beschwerdeführer nicht von Boko Haram verschleppt wurde und dass seine Eltern nicht von Boko Haram ermordet wurden.
Der Beschwerdeführer verwies wiederholt darauf, dass eine Narbe am rechten Unterarm durch den Angriff der Boko Haram entstanden sei. Der Hintergrund der Entstehung dieser Narbe kann vom Bundesverwaltungsgericht nicht festgestellt werden, doch steht aufgrund der soeben dargelegten Unstimmigkeiten im Vorbringen fest, dass die Narbe nicht auf einen Messerangriff in einem Lager der Boko Haram zurückzuführen ist.
2.4. Zu einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Wie bereits festgestellt wurde, ist das Vorbringen rund um Boko Haram nicht glaubhaft. Eine Verfolgung durch Boko Haram ist daher nicht gegeben. Soweit daher in der Beschwerde auf Anschläge der Boko Haram und Auseinandersetzungen in Plateau State bzw. Middle Belt und Niger Delta verwiesen wird und entsprechende Berichte zitiert werden, ergibt sich keine Relevanz für den aus Enugu State stammenden Beschwerdeführer.
Zu seiner gesundheitlichen Situation, siehe Punkt 2.5.; eine umfassende Minderung seiner Erwerbsfähigkeit durch seine psychischen Probleme ergibt sich weder aus dem Gutachten vom 25.04.2019 (in dem von einer mäßigen Einschränkung aufgrund der eingeschränkten Stresstoleranz, generell aber von einer Arbeitsfähigkeit, die zur Selbsterhaltung geeignet ist, ausgegangen wird) noch aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wonach er beinahe täglich an verschiedenen Orten XXXX eine Straßenzeitung verkaufe. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher von seiner Erwerbsfähigkeit aus.
Der Beschwerdeführer ist jung, arbeitsfähig, verfügt über eine zumindest rudimentäre Schulbildung und sollte im Falle seiner Rückkehr durch die Aufnahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Dabei ist auch nicht zu vergessen, dass das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass er in Nigeria noch über Familie verfügt. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht. Die Gefahr, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten, besteht daher im Falle einer Rückkehr nach Nigeria nicht.
2.5. Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und der medizinischen Versorgung bzw. allgemeinen Situation in Nigeria:
Bei seinen ersten Befragungen gab der Beschwerdeführer noch an, gesund zu sein, so erklärte er bei der Einvernahme am 22.02.2017 explizit, dass es ihm gut gehe; auch ein von ihm vorgelegtes ärztliches Karteiblatt (AS111-129) zeigt, dass er zwar zwischen 18.02.2015 und 01.02.2017 wiederholt wegen verschiedener Beschwerden (Schnupfen, Kopfschmerz, Husten, Hypercholesterinämie, grippaler Infekt, Knieschmerz, Vorsorgeuntersuchung) einen Arzt aufsuchte, doch zeigten sich keine Hinweise auf ernstere Erkrankungen oder psychische Beschwerden.
Erstmals wurde in der Einvernahme vom 19.12.2017 von psychischen Beschwerden gesprochen. Der Beschwerdeführer legte in der Folge Befundberichte der XXXX Kliniken vom 07.12.2017, vom 12.11.2018, vom 21.11.2018 und vom 05.02.2019 vor und beantragte die Durchführung eines psychiatrischen Gutachtens. Dem Beschwerdeführer wurde in diesen Befunden eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und wurde ihm eine ambulante traumafokussierte Psychotherapie empfohlen. Diese Befunde waren ebenso wie eine persönliche Untersuchung Grundlage des am 29.05.2019 erstellten psychiatrischen Gutachtens, das in der mündlichen Verhandlung erörtert und dem nicht entgegengetreten wurde. Dieses Gutachten bildet daher die Grundlage der Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers.
In einem aktuell vorgelegten Befund vom 23.07.2019 wurde erstmals eine medikamentöse Unterstützung in Form von Lyrica (zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen, bei Epilepsie und bei generalisierten Angststörungen) empfohlen. Eine Rückfrage bei den XXXX Kliniken ergab, dass der Beschwerdeführer dort regelmäßig eine Psychotherapie besucht.
In einer schriftlichen Stellungnahme vom 25.11.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, in Nigeria kein soziales Netz zu haben und dass er die Kosten für die Medikamente nicht tragen könne. Zudem sei der Gedanke an eine Rückkehr nach Nigeria und die damit verbundene Konfrontation mit den Gräueltaten von Boko Haram derart entsetzlich für den Beschwerdeführer, dass er sich vorher umbringen werde. Auch in einem Befundbericht der XXXX Kliniken vom 21.11.2018 ist die Rede davon, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers "zu einer unkontrollierbaren Konfrontation mit den ursprünglichen traumatisierenden Situationen führen" würde, so dass bereits eine drohende Abschiebung bei ihm zu einer suizidalen Handlung führen könne. Demgegenüber wurde im Gutachten vom 29.05.2019 festgestellt, dass von einer unmittelbaren Eigen- oder Fremdgefährdung nicht auszugehen sei, auch wenn eine mittel- bzw. langfristige Prognose nicht gestellt werden könne. Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass, wie bereits festgestellt wurde, die Behauptung des Beschwerdeführers, dass er die Ermordung seiner Eltern durch Boko Haram und seine eigene Verschleppung durch die Terrormiliz habe erdulden müssen, nicht der Wahrheit entspricht und daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht von einer automatischen "Retraumatisierung" bei einer Rückkehr nach Nigeria ausgegangen werden kann (wobei sich im Übrigen der Aktionsradius von Boko Haram auch nicht auf alle Landesteile erstreckt).
Die Feststellungen zur medizinischen Versorgung ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom April 2019 und dem Bericht des UK Home Office zu "Nigeria: Medical and Healthcare Issues" vom 28.08.2018. Beide Berichte wurden im Vorfeld zum Parteiengehör übermittelt und - soweit entscheidungsrelevant - in der Verhandlung erörtert; den Feststellungen wurde nicht entgegengetreten wurde. Die konkret zur Behandlung psychischer Erkrankungen (posttraumatische Belastungsstörung) getroffenen Feststellungen basieren auf einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu "Nigeria: Schizophrene Störung und posttraumatische Belastungsstörung" vom 30.06.2017 und einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu "Nigeria: Psychische Probleme" vom 31.07.2018. Diese Anfragebeantwortungen wurden im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 15.11.2018 mit dem Beschwerdeführer erörtert; er trat den Feststellungen nicht entgegen, verwies aber darauf, dass Behandlung und Medikamente in Nigeria im Voraus zu bezahlen seien. Die Anfragebeantwortungen finden sich auch im angefochtenen Bescheid und wurde ihnen in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten. Soweit in der Beschwerde ein Bericht zitiert wird, wonach in den von Boko Haram umkämpften Gebieten die Gesundheitseinrichtungen fundamentalen Schaden erlitten hätten, erweist sich das für den konkreten Fall als irrelevant, da der Beschwerdeführer nicht aus dem Norden des Landes stammt und auch nicht dort gelebt hat.
In einer Zusammenschau der im Gutachten getroffenen Feststellungen und der vorliegenden Informationen zur Gesundheitsversorgung in Nigeria und der Behandelbarkeit einer posttraumatischen Belastungsstörung kommt das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leidet und er nicht notwendigerweise auf eine medikamentöse Behandlung angewiesen ist. Auch aufgrund des Umstandes, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht davon ausgeht, dass er über keinerlei Kontakte bzw. Familie in Nigeria mehr verfügt, ist ihm eine Rückkehr nach Nigeria auch unter Berücksichtigung seiner psychischen Probleme zumutbar und ist nicht davon auszugehen, dass er aufgrund seiner psychischen Erkrankung in die reale Gefahr gerät, sein Leben zu verlieren oder in eine unmenschliche Lage zu geraten.
2.6. Zu den Länderfeststellungen:
Die Feststellungen zur allgemeinen Situation in Nigeria ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom April 2019, dem in der Verhandlung auch nicht entgegengetreten wurde. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention Verfolgung droht. Sein Vorbringen, dass er von Boko Haram entführt worden sei und nun verfolgt würde, ist zur Gänze nicht glaubhaft.
Soweit in der Beschwerde auf die Frage der Schutzfähigkeit/-willigkeit des nigerianischen Staates und eine innerstaatliche Fluchtalternative eingegangen wird, erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung damit, da keine Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht werden konnte.
Daher ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Nigeria keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen ist.
3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106, des Näheren dargelegt hat, dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die unionsrechtlichen Vorgaben der StatusRL zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinn der Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b iVm Art. 3 StatusRL entgegen der Rechtsprechung des EuGH und somit fehlerhaft umgesetzt hat (siehe Rn. 45 der Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis auch darauf verwiesen, dass zur Erfüllung dieser Verpflichtung es der Grundsatz der unionskonformen Auslegung von den mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichten verlangt, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht. Allerdings findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (Rn. 47 ff. der Entscheidungsgründe).
Zwischenzeitig hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit dieser Frage in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2019, Ro 2019/19/0006, beschäftigt. Er ist dort zum Ergebnis gelangt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der StatusRL in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Damit würde der StatusRL zu Unrecht eine ihr im gegebenen Zusammenhang nicht zukommende unmittelbare Wirkung zugeschrieben. Infolge dessen sei an der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann, festzuhalten.
Die Gewährung eines Status als subsidiär Schutzberechtigter ist daher weiterhin an den Vorgaben des § 8 Abs. 1 AsylG zu prüfen (zuletzt etwa auch VwGH, 27.05.2019, Ra 2019/14/0153). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei dieser Beurteilung eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 29.04.2019, Ra 2019/20/0175; VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0404; 12.06.2018, Ra 2018/20/0284, jeweils mwN).
Hinweise auf eine allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse liegen für Nigeria, bzw. konkret für Enugu State, nicht vor.
Eine existenzbedrohende Notlage aufgrund der individuellen Situation des Beschwerdeführers ist ebenfalls nicht anzunehmen bzw. wurde diese nicht substantiiert aufgezeigt. Es ist daher davon auszugehen, dass er für sich - auch ohne nennenswertes Vermögen, abgeschlossene qualifizierte Berufsausbildung und familiäre Unterstützung - zumindest durch Gelegenheitsarbeiten ein (geringes) Einkommen erzielen kann, Er wird voraussichtlich in einer der größeren Städten eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und somit zumindest - notfalls auch durch wenig attraktive Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist - das für seinen Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Die von ihm vorgebrachte Bedrohung durch Boko Haram ist nicht glaubhaft, weshalb auch aus diesem Blickwinkel kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Allerdings leidet der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung und ist daher zu prüfen, ob aus dieser Perspektive die reale Gefahr für ihn besteht, bei einer Rückkehr nach Nigeria sein Leben zu verlieren bzw. eine unmenschliche Behandlung erdulden zu müssen, wodurch er in den Schutzbereich des Art. 2 oder 3 EMRK geraten würde und ihm Schutz zu gewähren wäre.
Im Allgemeinen hat kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland (einer Abschiebung oder Überstellung) nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente ebenso zu berücksichtigen sind wie das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung (VwGH, 10.09.2018, Ra 2018/19/0272). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK (VwGH, 30.06.2017, Ra 2017/18/0086). Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 183).
Im Fall des Beschwerdeführers ist zunächst darauf zu verweisen, dass im psychiatrischen Gutachten, dem vom Beschwerdeführer nicht entgegengetreten wurde, eine unmittelbare Eigengefährdung nicht angenommen wurde. Auch wenn die Erkrankung an einer posttraumatischen Belastungsstörung keineswegs verharmlost werden soll, muss doch darauf verwiesen werden, dass es sich beim Beschwerdeführer um keine schwerkranke Person handelt und aus Sicht des Gutachters (und bis unmittelbar vor der Verhandlung offensichtlich auch aus Sicht der ihn behandelnden Ärzte) eine medikamentöse Behandlung nicht notwendig war. Der Beschwerdeführer war bislang auch noch nie auf eine stationäre Behandlung angewiesen gewesen. Die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung ist in Nigeria generell möglich und wird dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er in Nigeria über keine Familie verfüge, nicht gefolgt.
Zur Prüfung der Relevanz einer psychischen Erkrankung bei Abschiebung sind laut Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer - wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren -medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung von Bedeutung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands zumeist außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.
Im Fall Ayegh (EGMR 7.11.2006, Appl. 4701/05) drohte einem Beschwerdeführer, dem in zwei Gutachten eine schwere Traumatisierung, Depressionen, Angstzustände und die Gefahr, Selbstmord zu begehen, attestiert wurden, die Abschiebung in den Iran. Der EGMR begründete seine Unzulässigkeitsentscheidung damit, dass schlechtere Behandlungsmöglichkeiten im Iran kein Abschiebehindernis seien und dass auch die Selbstmorddrohung für den Fall der Ausweisung den Staat nicht daran hindere, die Abschiebung zu vollziehen, vorausgesetzt, dass konkrete Maßnahmen zur Verhinderung des angedrohten Selbstmordes vom Staat ergriffen werden.
Auch die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Russland im Fall Goncharova & Alekseytsev (EGMR 3.5.2007, Appl. 31.246/06) erkannte der EGMR nicht als Verletzung in Art. 3 EMRK, obwohl der Zweitbeschwerdeführer schwer psychisch krank war, bereits zwei Selbstmordversuche hinter sich und gedroht hatte, sich im Falle der Abschiebung umzubringen. Der EGMR begründete seine Entscheidung erneut - unter Zitierung der Entscheidung D. v. United Kingdom - damit, dass nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände Art. 3 EMRK verletzt sein könnte. Der Zweitbeschwerdeführer sei jedoch nicht in einer geschlossenen Anstalt gewesen und habe auch nicht ständigen Kontakt mit einem Psychiater gehabt. Auch die Drohung, im Falle der Abschiebung Selbstmord zu begehen, hindere den Vertragsstaat nicht daran, die Abschiebung zu veranlassen.
Der Beschwerdeführer besucht regelmäßig eine Psychotherapie, doch sind weder Suizidversuche noch stationäre Aufenthalte bekannt. Im konkreten Fall hat der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt, dass die vorgebrachte Krankheit jene Schwere und Intensität aufweist, die vom EGMR in der Rs Paposhvili gegen Belgien beschrieben wurde und dazu führen könnte, dass bei einer Abschiebung die hohe Schwelle des Art 3 EMRK überschritten würde (vgl dazu VwGH 19. 12. 2017, Ra 2017/18/0325, mwN).
Die österreichischen Behörden gestalten eine Abschiebung generell in der Form, dass zur Vorbeugung gegen allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen darauf geachtet wird, in Hinblick auf ein allfälliges Suizidrisiko durch entsprechende medizinische Unterstützung besondere Sorge zu tragen, doch liegt, wie bereits dargelegt, laut Gutachten kein unmittelbares Risiko einer Eigengefährdung beim Beschwerdeführer vor.
Es besteht daher durch die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Nigeria keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bzw. bringt diese für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.
3.3. Zum Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides)
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein Familienleben in Österreich.
Zu prüfen ist auch ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH, 05.06.2019, Ra 2019/18/0078; 25.04.2018, Ra 2018/18/0187; 06.09.2017, Ra 2017/20/0209; 30.08.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072; 20.06.2017, Ra 2017/22/0037).
Es kann jedoch auch nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen "kann" und somit schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen wäre (vgl. etwa VwGH 28.01.2016, Ra 2015/21/0191, mwN).
Im gegenständlichen Fall liegt eine derart "außergewöhnliche Konstellation" nicht vor. Der Beschwerdeführer hält sich seit etwa viereinhalb Jahren im Bundesgebiet auf. Selbst unter Berücksichtigung der umfassenden - der Art. 8 EMRK-Abwägung zugrunde gelegten - Integrationsbemühungen des Mitbeteiligten besteht allein dadurch noch keine derartige Verdichtung seiner persönlichen Interessen, dass bereits von "außergewöhnlichen Umständen" gesprochen werden kann und ihm schon deshalb unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste. Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH, 05.06.2019, Ra 2019/18/0078; 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).
Eine besondere Aufenthaltsverfestigung wurde vom Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht, auch wenn nicht verkannt wird, dass der Beschwerdeführer begonnen hat, Deutsch zu lernen, dass er gemeinnützig arbeitet und Bekanntschaften geschlossen hat.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):
Mit angefochtenem Bescheid wurde außerdem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass bereits unter Punkt 3.2. festgestellt wurde, dass seine Abschiebung nach Nigeria keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.6. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):
Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Dass besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
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