BVwG I412 2194244-1

BVwGI412 2194244-120.8.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:I412.2194244.1.00

 

Spruch:

I412 2194244-1/10E

 

I412 2121523-1/19E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX, geb. am XXXX und XXXX, geb. XXXX, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, beide StA. NIGERIA, gegen die Bescheide des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich vom 03.02.2016 und vom 25.04.2018, Zl. XXXX und Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.08.2018 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Verfahren der am XXXX geborenen Erstbeschwerdeführerin sowie ihrer minderjährigen Tochter, der am XXXX geborenen Zeitbeschwerdeführerin sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

 

Die Beschwerdeführerin stellte am 8.8.2013 nach illegaler Einreise nach Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Bei ihrer ersten Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihrem Fluchtgrund befragt an, ihre Eltern hätten sich Geld von einem Mann geliehen. Da sie es nicht zurückzahlen hätten können, habe der Mann vorgeschlagen, sie anstelle des Geldes zu heiraten. Der Mann sei etwa 40 Jahre alt gewesen und zu alt für sie. Außerdem sei ein böser Mensch. Er habe ihr gedroht, solle sie ihn nicht freiwillig heiraten, dann würde er sie mit Gewalt dazu bringen. Ihre Eltern hätten den Mann gebeten, ihnen Zeit zu geben, sie würden den Betrag schon zahlen, er solle sie aber in Ruhe lassen. Da sie keinen Ausweg gewusst habe, und der Mann auf sie bestanden habe, sei sie nach Lagos geflüchtet. In Lagos habe sie eine Frau getroffen, die ihr helfen habe wollen und sei mit ihr gegangen. Danach habe sich herausgestellt, dass diese Frau lesbisch sei und habe sie diese bedrängt. Sie habe dies aber nicht gewollt und sei wieder geflüchtet. In Nigeria sei dies von der Polizei nicht toleriert und deshalb habe sie Angst.

 

Auf die Frage nach ihren Rückkehrbefürchtungen gab sie schließlich an, sie habe Angst vor der Polizei. Fremde Leute hätten sie mit der Frau, welche lesbisch sei, gesehen, wie diese sie umarmt habe und die Polizei gerufen. Sie seien beide festgenommen worden. Der Vater dieser Frau habe sie ausgelöst. Wenn sie jetzt zurückkehre und ein zweites Mal von der Polizei erwischt würde, dann würde sie für 14 Jahre ins Gefängnis kommen. Außerdem habe sie Angst vor ihren Eltern, da sie unfolgsam gewesen sei und diesen Mann nicht geheiratet habe, weshalb ihre Eltern sie verstoßen hätten.

 

2. In einer niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 21.4.2015 gab die Erstbeschwerdeführerin an, ihre Eltern hätten sich Geld von dem Mann geborgt, der ihnen sein Land zur Verfügung gestellt habe. Dieser habe sie heiraten wollen, weil sie ein schönes Mädchen sei. Ihre Familie habe angeboten, ihm das Geld zu bezahlen. Der Mann habe das abgelehnt und darauf bestanden, sie zu heiraten. Da ihre Familie das Geld nicht gehabt habe, wollte sie sie schließlich für diesen Geldbetrag austauschen, der Mann habe dies jedoch abgelehnt. Sie habe die Heirat mit diesem Mann abgelehnt, die Familie habe dann gemeint, dass sie ihnen nicht gehorche, daher würden sie sie verstoßen. In der Folge sei sie nach Lagos gegangen. Dort habe sie niemanden gekannt, ein Mädchen habe dann gemeint, sie könne zu ihr nach Hause kommen und bei ihr wohnen. Sie sei zu dem Haus des Mädchens gegangen. Diese habe ihr dann die Bedingung gestellt, mit ihr zu schlafen; da sie sonst niemanden gekannt habe, habe sie dem zugestimmt und mit ihr Liebe gemacht. Das sei für sie das erste Mal gewesen. Nachdem sie es das erste Mal gemacht habe, habe sie es richtig gemocht, also hätten sie es weiter getan. Einmal hätten sie sich auf der Straße geküsst und umarmt. Nachbarn hätten sie gesehen und sie aufgefordert, dies nicht mehr zu tun, das wäre nicht gut. Die gleichen Nachbarn hätten sie schließlich noch einmal dabei erwischt, als sie sich umarmt und geküsst hätten, diesmal hätten sie die Polizei geholt. Sie seien zur Polizeistation gebracht worden, der Vater des Mädchens sei hergekommen und habe für seine Tochter die Kaution bezahlt. Sie habe dort keine Familie gehabt, niemand der für sie zahlen hätte können, also habe das Mädchen den Vater gebeten, auch für sie die Kaution zu bezahlen, was er auch getan habe. Weil die Beschwerdeführerin danach Angst gehabt habe, es noch mal zu tun, und Angst vor einer möglichen Steinigung oder irgendeinem anderen körperlichen Angriff ihrerseits gehabt habe, habe sie beschlossen das Land zu verlassen. Gegenwärtig habe sie Probleme mit ihrer Familie, da sie nicht wisse ob diese ihren neuen Lebensstil akzeptieren würden. Im Weiteren gab die Erstbeschwerdeführerin an, sich dem gleichen Geschlecht hingezogen zu fühlen.

 

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.02.2016 wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Staates der Asylberechtigten sowie des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Erstbeschwerdeführerin nicht erteilt und gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Als Frist für eine freiwillige Ausreise wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgestellt (Spruchpunkt IV.).

 

4. Mit Schriftsatz vom 12.2.2016 erhob die Erstbeschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig Beschwerde gegen den angeführten Bescheid, welche sich in erster Linie dagegen richtet, dass ihrer Homosexualität kein Glauben geschenkt wurde.

 

5. Am XXXX wurde die Zweitbeschwerdeführerin geboren und am 7.3.2018 durch die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin ein Asylantrag für diese eingebracht.

 

Aus dem Asylantrag der Zweitbeschwerdeführerin geht hervor, dass das Kind keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen habe, der Antrag beziehe sich ausschließlich auf die Gründe der Mutter.

 

6. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.4.2018 wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 7.3.2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Staates der Asylberichtigten als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Zweitbeschwerdeführerin nicht erteilt (Spruchpunkt III.), weiters wurde gegen diese eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Als Frist für eine freiwillige Ausreise wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgestellt (Spruchpunkt VI.)

 

7. Am 05.04.2018 wurde gegen diesen Bescheid rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben, welche sich ebenfalls auf die Fluchtgründe der Erstbeschwerdeführerin bezieht.

 

Am 16.5.2018 wurde eine Ergänzung der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin eingebracht, in welche zusammengefasst ausgeführt wird, dass dieser in Nigeria die Gefahr einer Genitalverstümmelung drohe. Die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertretung der Zweitbeschwerdeführerin sei selbst Opfer dieser, in Nigeria weit verbreiteten menschenrechtswidrigen Praxis geworden und lehne diese Praxis entschieden ab. Aus Länderberichten zu Nigeria gehe jedoch hervor, dass vor allem im Süden und Südosten Nigerias, woher die Mutter der Beschwerdeführerin stamme, zahlreiche Beschneidungen durchgeführt werden. Aus Länderberichten über FGM in Nigeria werden Gründe für die weit verbreitete Praxis der Genitalverstümmelung bei Frauen aufgezählt und beschrieben, welcher große gesellschaftliche Druck hinter der Entscheidung stehe, junge Mädchen und Frauen beschneiden zu lassen. Aus eine Anfragebeantwortung des Immigration and Refugee Boeard of Canada vom 30.10.2006 gehe hervor, dass die Weigerung der Beschneidung von Mädchen zum einen gesellschaftliche Konsequenzen haben könne, da eine unbeschnittene Frau weitaus geringere Chancen auf dem Heiratsmarkt habe. Zudem werde auch berichtet, dass es zu Zwangsbescheidungen im Zuge von Entführungen während einer Schwangerschaft kommen könne. Obgleich in vielen Teilen des Landes FGM gesetzlich verboten sei, sei der Staat nicht willens/nicht in der Lage Mädchen und Frauen vor Genitalverstümmelung zu schützen. Daraus lasse sich ableiten, dass nicht etwa nur der Wille der Mutter dafür ausschlaggebend sein werde, ob die Zweitbeschwerdeführerin von Genitalverstümmelung betroffen sein könne, sondern zu einem großen Teil das soziale Umfeld der Erstbeschwerdeführerin. Da davon ausgegangen werden müsse, dass die Erstbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Nigeria nicht in der Lage sein werde, selbständig für ihren Lebensunterhalt und den der Zweitbeschwerdeführerin sorgen zu können, werde sie sich entweder in die Abhängigkeit von ihrer Familie oder in die Abhängigkeit von ihrem Lebenspartner begeben müssen. Bezüglich des Lebensgefährten der Zweitbeschwerdeführerin sei fraglich, ob er als Rückkehrer aus Europa in Anbetracht der hohen Arbeitslosigkeit in Nigeria in der Lage sein werde, die Beschwerdeführerinnen zu erhalten.

 

Aus den Länderberichten gehe zudem hervor, dass die Polizei nicht gewillt sei, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt sei niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen würden. Im Allgemeinen seien die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz von nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert seien als Männer. In Anbetracht dessen, dass Fälle geschlechtsspezifische Gewalt, worunter auch Beschneidung falle, von der nigerianischen Polizei nicht entsprechend geahndet werde, Opfer in vielen Fällen keine Unterstützung erhalten würden und die nigerianischen Sicherheitskräfte selbst in den letzten Jahren zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen hätten, könne nicht von einer Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit nigerianischen Behörden im Fall der Zweitbeschwerdeführerin ausgegangen werden. Die Beschwerdeführerin wäre somit bei einer Rückkehr nach Nigeria asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt. Bei korrekter Würdigung der Situation hätte die belangte Behörde feststellen müssen, dass die Zweitbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Nigeria in eine existenzbedrohende, unzumutbare Notlage geraten werde. Diese weise als Kleinkind einen erhöhten ganztägigen Betreuungsbedarf auf, wobei es für ihre Mutter bei einer Rückkehr äußerst schwierig wäre, einer Beschäftigung nachzugehen, mit welcher sie für ihren und für den Lebensunterhalt der Zweitbeschwerdeführerin aufkommen könne. Die Mutter der Beschwerdeführerin verfüge über keine Berufsausbildung. Darüber hinaus müsste die Zweitbeschwerdeführerin während der Arbeitszeit der Mutter fremdbetreut werden. Ob der Vater der Zweitbeschwerdeführerin in der Lage und gewillt wäre, mit den Beschwerdeführerinnen nach Nigeria zurückzukehren und dort für sie zu sorgen, sei ungeklärt.

 

Der Erstbeschwerdeführerin sei nicht zumutbar, sich dem Schutz ihre Familie zu unterstellen bzw. mit Unterstützung einer Rückkehr zu rechnen. Diese habe sich aufgrund der Erfahrungen in jeder Familie von dieser losgesagt. Zudem sei unklar, mit welchen familiären und vielmehr gesellschaftlichen Konsequenzen in Mutter der die Erstbeschwerdeführerin rechnen müsse, da es sich bei der Zweitbeschwerdeführerin um ein uneheliches Kind handle. Die Beschwerdeführer seien besonders vulnerabel, was von der langen belangte Behörde entsprechend zu berücksichtigen gewesen wäre.

 

8. Am 01.10.2017 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I412 neu zugeteilt und am 14.08.2018 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zu den Personen und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerinnen:

 

Die BF sind Staatsangehörige Nigerias und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 20b AsylG. Die Identität der Erstbeschwerdeführerin steht nicht fest, jene der Zweitbeschwerdeführerin steht fest.

 

Die Erstbeschwerdeführerin hält sich seit spätestens 8.8.2013 in Österreich auf. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 24.02.2018 in Österreich geboren.

 

Betreffend die Erstbeschwerdeführerin scheint im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilung auf.

 

Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin, XXXX, geb. XXXX, ist ebenfalls nigerianischer Staatsangehöriger. Dessen zweiter Asylantrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 09.06.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen, sowie festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.09.2017, Zl. I416 2163403, bestätigt.

 

Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist arbeitsfähig.

 

Die Erstbeschwerdeführerin lebt nicht mit dem Vater der Zweitbeschwerdeführerin in gemeinsamen Haushalt; ob die beiden eine Beziehung führen, kann nicht festgestellt werden.

 

Die Erstbeschwerdeführerin leidet an keinen die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigenden Krankheiten, die Zweitbeschwerdeführerin ist gesund.

 

Die Familie der Erstbeschwerdeführerin ist in Nigeria aufhältig. Es ist davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr auf Unterstützung zurückgreifen könnte.

 

Die Erstbeschwerdeführerin stammt aus Agbor und hat einige Jahre die Schule besucht sowie zu ihrem Lebensunterhalt durch den Verkauf von Eis beigetragen.

 

Die Erstbeschwerdeführerin verfügt in Österreich über keine familiären und über keine maßgeblichen privaten Anknüpfungspunkte.

 

Die Erstbeschwerdeführerin besuchte Deutschkurse auf A2 Niveau und kann sich in geringem Maße auf Deutsch verständigen, eine überdurchschnittliche Integration darüber hinaus in Österreich ist nicht gegeben, ohne ihre diesbezüglichen Bemühungen in Form von Freiwilligenarbeit, den Besuch von Veranstaltungen und Kursen, zu verkennen.

 

1.2. Zu den Fluchtgründen:

 

Es ist nicht glaubhaft, dass die Erstbeschwerdeführerin auf Grund homosexueller Neigungen oder der Gefahr einer Zwangsheirat in Nigeria der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist.

 

Im Fall der Zweitbeschwerdeführerin ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese bei einer Rückkehr nicht Opfer von Genitalverstümmelung wird.

 

1.3. Zur Situation in Nigeria:

 

Die wesentlichen Feststellungen lauten:

 

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Wahlen von Präsident und Nationalversammlung 2015 und die seitdem stattgefundenen Wahlen der Gouverneur- und Landesparlamente in 31 von 36 Bundesstaaten haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im All Progressives' Congress (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments und regiert nun auch in 23 der 36 Bundesstaaten. Die seit 1999 dominierende People-s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung stark geschwächt. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungs-partei behaupten (AA 21.11.2016). Bei den Präsidentschaftswahlen am 28.3.2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, den bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jonathan mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der internationalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel (GIZ 7.2017a).

 

Im Länderbericht ergibt die geschilderte allgemeine Sicherheitslage keine konkrete gegen die Person der Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgungsgefahr, die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land, sodass sich Bürger in jedem Teil des Landes niederlassen können. Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Darüberhinaus sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen. Prinzipiell sollte es einer Person, die von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen.

 

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden (USDOS 13.4.2016). Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein. Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016b).

 

In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen (CIA 7.6.2017; vgl. GIZ 7.2017b). Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch" (AA 21.11.2016). Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein Teil des Landes ist von starker Verfolgung betroffen (der Teil, der überwiegend von Muslimen bewohnt wird), wohingegen der andere, überwiegend von Christen bewohnte, Landesteil überhaupt nicht beeinträchtigt ist.

 

Zur wirtschaftlichen Lage ist allgemein auszuführen, dass Nigeria seit 2014 als die größte Volkswirtschaft Afrikas gilt, im Jahr 2014 wurde sogar das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika übertroffen (GIZ 6.2016c; vgl. AA 5 .2016), neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 3.12.2015).

 

Selbst wenn man davon ausgeht, dass in Nigeria beschäftigungslose Angehörige von der Großfamilie unterstützt werden und die Beschwerdeführerin diese Unterstützung nicht erhält, ist davon auszugehen, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 7.2014).

 

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014).

 

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 7.2014).

 

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik. (IOM 8.2014). Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 4.7.2017). Laut dem Gesundheitsministerium gibt es weniger als 150 Psychiater in Nigeria (IRIN 13.7.2017). Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 21.11.2016). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 21.11.2016). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 3.3.2017). In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten An-tibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 21.11.2016).

 

Es besteht auch wie im Länderbericht ausgeführt, keine Gefahr dahingehend, dass ein ob eines abgelehnten Asylantrages rückgeführter Asylwerber bei seiner Rückkehr nach Nigeria mit staatlichen Repressionen zu rechnen habe. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt außerdem darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 7.2014).

 

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.4. Zur Situation von Frauen in Nigeria:

 

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).

 

Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering - nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4 .2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).

 

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).

 

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).

 

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).

 

Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).

 

Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 3.3.2017).

 

Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).

 

Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent (IRB 13.9.2016) Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 21.11.2016).

 

Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen (UKHO 2.2017). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO .2.2017). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: The National Association of Nigerian Nurses and Midwives (NHW 10.5.2016), Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association (AllAfrica 3.9.2014). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, und UNICEF starteten in Zusammenarbeit mit dem Office of the First Lady, und den Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und soziale Entwicklung am 9.2.2016 ein gemeinsames Projekt gegen FGM (UNFPA 9.2.2016).

 

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.5. (Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel

 

Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).

 

Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).

 

Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).

 

Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.

Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).

 

Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).

 

Eine Auswahl spezifischer Organisationen:

 

• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email:

info@awegng.org , aweg95@yahoo.com , nosaaladeselu@yahoo.co.uk (AWEG o. d.a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).

 

• The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).

 

• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA),19 , Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja;, Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com , wrapa399@yahoo.com , (WRAPA o.D.a). Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung zehn landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013; vgl. WRAPA o. D.b).

 

• Women Aid Collective (WACOL), Email: wacolenugu@wacolnigeria.org , wacolnig@gmail.com , wacolnig@yahoo.com , wacolenugu@yahoo.com ; Women House, No. 12 Mathias Iloh Avenue, Newton Enugu;, Tel.:

+234-0909-561-9586 +234-0806-609-2184, Fax: +234-42-256831, (WACOL o. D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).

 

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerinnen in Nigeria nicht in eine existenzbedrohende Lage oder eine sonstige unmenschliche Situation geraten werden.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zum Sachverhalt:

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in die bekämpften Bescheide und Beschwerdeschriftsätze sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Darüber hinaus wurde am 14.08.2018 im Beisein der Beschwerdeführerinnen vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

 

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerinnen:

 

Die Feststellungen hinsichtlich der Lebensumstände, des Gesundheitszustandes, der Arbeitsfähigkeit, der Herkunft, sowie der Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerinnen gründen sich auf zum einen auf die glaubhaften Angaben vor der belangten Behörde (Protokoll vom 21.04.2015) sowie den vorgelegten Unterlagen (XXXX der XXXX vom 15.02.2017, 20.03. 2017, 22.03.2017 sowie 13.09.2017) und ihren Angaben vor dem erkennenden Gericht. Aus dem letzten vorgelegten Befund (bereits zum Zeitpunkt der Schwangerschaft) geht als Diagnose eine posttraumatische Belastungsstörung und mittelgradige depressive Episode, sowie chronische Enzephalea und chronische Gastritis hervor. Zudem wird darin ausgeführt, dass die Stimmung der Beschwerdeführerin wieder besser sei. Aktuellere Befunde, die eine neuerliche Verschlechterung des Zustandes belegen würden, wurden nicht vorgelegt, die Beschwerdeführerin gab in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, seit sie in XXXX sei, keinen Arzt mehr zu haben. An Medikamenten nehme sie derzeit nur Schlafmittel ein. Zudem gab die Beschwerdeführerin an, dass sie derzeit jeden Samstag in der Kirche putze, dies mit ihrer Tochter auf dem Rücken. All dies berücksichtigend wird daher von der Arbeitsfähigkeit der Erstbeschwerdeführerin ausgegangen. Diese gab an, dass ihre Tochter, die Zweitbeschwerdeführerin gesund sei.

 

Da die Erstbeschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest, für die Zweitbeschwerdeführerin wurde eine Geburtsurkunde vorgelegt.

 

Die Feststellungen zum Vater der Zweitbeschwerdeführerin ergeben sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin zum Asylantrag ihrer Tochter. Vorgelegt wurde ein Meldezettel des Vaters sowie dessen Vaterschaftsanerkenntnis. Die weiteren Feststellungen zu dessen Person sowie dessen Asylverfahren ergeben sich aus dem Amtswissen des erkennenden Gerichts.

 

Nicht festgestellt werden konnte, ob die Erstbeschwerdeführerin mit dem Vater ihrer Tochter eine Beziehung führt bzw. eine solche geführt hat. Diese gab in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, zu keinem Zeitpunkt eine Beziehung mit dem Vater ihrer Tochter geführt zu haben. In der Beschwerdeergänzung der Zweitbeschwerdeführerin wird demgegenüber widersprüchlich ausgeführt, die Zweitbeschwerdeführerin sei gezwungen "sich bei einer Rückkehr nach Nigeria in die Abhängigkeit von ihrem Lebenspartner zu begeben" und es sei zumindest "fraglich, ob der Vater der Zweitbeschwerdeführerin in der Lage und gewillt wäre, mit den Beschwerdeführerinnen nach Nigeria zurückzukehren und für sie zu sorgen." An weiterer Stelle wird ausgeführt, es sei zu bezweifeln, ob der "Lebensgefährte der Erstbeschwerdeführerin als Rückkehrer aus Europa in der Lage sein werde, die Beschwerdeführerinnen zu erhalten".

 

Angesichts dieser widersprüchlichen Aussagen konnten keine abschließenden Feststellungen zu einer Beziehung getroffen werden.

 

Fest steht, dass gegenüber dem Vater der Zweitbeschwerdeführern eine Rückkehrentscheidung vorliegt, dieser ebenfalls aus dem Süden Nigerias stammt und es den Beschwerdeführerinnen möglich und zumutbar ist, gemeinsam mit diesem nach Nigeria zurückzukehren.

 

Es ist davon auszugehen, dass der Vater der Zweitbeschwerdeführerin zumindest zu deren Lebensunterhalt beitragen wird, auch wenn er mit der Erstbeschwerdeführerin keine aufrechte Beziehung führt.

 

Die Feststellungen zur Integration der Erstbeschwerdeführerin gründen sich auf die vorgelegten Unterlagen. Diese legte Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen (bis zu A2 - Niveau) vor, und konnte sich die erkennende Richterin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung davon überzeugen, dass sich die Erstbeschwerdeführerin in relativ geringem Maße auf Deutsch verständigen kann. Zeugnisse über abgelegte Deutschprüfungen wurden von dieser jedoch nicht vorgelegt.

 

Ebenfalls vorgelegt wurden Referenzen und Bestätigungen der Erstbeschwerdeführerin bezüglich deren ehrenamtlicher Tätigkeit für den Verein "Soma - Verein für Menschen" vom 20.07.2016, die Kopie eines Freiwillligenpasses, ein Unterstützungsschreiben der Baptistengemeinde XXXX vom 20.08.2016, sowie ein Zeugnis über die ehrenamtliche Tätigkeit in einem Seniorenzentrum vom 18.05.2016. Des Weiteren legte sie eine Liste mit Unterschriften auf einer Unterstützungserklärung vor.

 

Insgesamt sind der Beschwerdeführerin zwar ihre Integrationsbemühungen zu Gute zu halten, es ist jedoch nicht von einer überdurchschnittlichen Integration in Österreich auszugehen.

 

2.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerinnen:

 

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Erstbefragung am 08.08.2013 vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes insofern widersprüchliche Angaben machte, als sie zunächst angab, ihre Eltern hätten sich Geld von einem Mann geliehen, der sie, nachdem sie dieses nicht zurückzahlen konnten, anstelle des Geldes heiraten habe wollen. Die Eltern hätten den Mann gebeten ihnen Zeit zu geben, er solle sie aber in Ruhe lassen. Da der Mann auf sie bestanden habe, sei sie nach Lagos geflüchtet, wo sie eine lesbische Frau getroffen habe, die sie bedrängt habe. Da sie dies nicht gewollt habe, habe sie wieder flüchten müssen.

 

Noch in derselben Einvernahme änderte sie ihr Vorbringen insofern ab, indem sie auf die Frage, was sie bei einer Rückkehr in die Heimat befürchte, angab, Angst vor der Polizei zu haben. Nachdem fremde Leute gesehen hätten, wie diese sie umarmt habe, hätten sie die Polizei gerufen, die sie beide festgenommen habe. Der Vater der Frau habe sie ausgelöst. Außerdem habe sie Angst vor ihren Eltern, da sie unfolgsam gewesen sei und den Mann nicht geheiratet habe, ihre Eltern hätten sie verstoßen.

 

In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 21.03.2015 gab die Erstbeschwerdeführerin schließlich an, die Familie habe sie verstoßen, woraufhin sie durch den Eiscreme - Verkauf Geld gespart habe, für die Fahrt von Agbor nach Lagos, wo sie eine lesbische Frau getroffen habe. Sie seien zweimal von Nachbarn erwischt worden, wie sie sich geküsst und umarmt hätten, diese hätten beim zweiten Mal die Polizei geholt. Sie seien zur Polizeistation gebracht worden, der Vater des Mädchens sei gekommen und habe die Kaution bezahlt.

 

Im angefochtenen Bescheid kam die belangte Behörde zum Schluss, dass es nicht glaubwürdig sei, dass die Erstbeschwerdeführerin zur Ehe mit diesem Mann gezwungen worden wäre, da diese nicht zumindest Grundantworten zu dessen Person geben konnte bzw. widersprüchliche Angaben zu der geplanten Zwangsheirat bzw. dem Verstoß durch ihre Eltern gemacht hat, auch die Schilderungen betreffend die Vorfälle in Lagos wurden von der belangten Behörde als unglaubwürdig betrachtet.

 

Nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung schließt sich das Bundesverwaltungsgericht diesen Feststellungen der belangten Behörde an.

 

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass die Beschwerdeführerin in ihren ersten beiden Einvernahmen zwar gleichbleibend von Zwangsheirat bzw. einer polizeilichen Festnahme sprach, jedoch fällt auf, dass sie bereits in diesen Einvernahmen teils widersprüchliche Angaben machte, bzw. zudem ihren Angaben keine selbständigen Schilderungen zu entnehmen sind. Dies verdeutlichte sich auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung: Die Erstbeschwerdeführerin gab lediglich nahezu wortgleiche Antworten, was die angegebenen Vorfälle in Lagos betrifft, die aus wenigen gleichlautenden Sätzen bestanden, die zudem sehr allgemein gehalten waren, und sprach hauptsächlich allgemein davon, was in Nigeria passieren kann, wenn man derartiges macht. Persönliche Schilderungen oder detaillierte Ausführungen konnte die Erstbeschwerdeführerin auch auf mehrmalige Nachfrage der erkennenden Richterin und der Aufforderung, die Vorfälle detailliert zu schildern, nicht tätigen.

 

Besonders deutlich wird dies in ihren Schilderungen betreffend den Vorfall, der ihren Angaben zu Folge zu ihrer Inhaftierung in Nigeria geführt haben soll. Auf die Frage, was (konkret) passiert ist, als sie von den fremden Leuten erwischt wurden, antwortete die Beschwerdeführerin: "Sie rufen einfach die Polizei an oder bringen einen auf die Polizeistation". Nach nochmaliger Nachfrage, ob die Leute die Polizei angerufen hätten oder die Leute sie auf die Polizeistation gebracht hätten, gab sie an, diese hätten sie bis zur Polizeistation geprügelt.

 

Auf die Frage, was im Gefängnis passiert sei, antwortete die Erstbeschwerdeführerin ebenfalls nur knapp, detailarm und indirekt (so z.B. "wenn man das erste oder zweite Mal im Gefängnis ist, verprügeln einen die Leute dort und fragen einen, was man angestellt hat"), und vermittelte insgesamt zu keinem Zeitpunkt ihrer Schilderungen den Eindruck, selbst Erlebtes zu berichten.

 

Unglaubwürdig und wenig nachvollziehbar erscheint auch, wie die belangte Behörde ebenfalls zutreffend ausführt, dass der Vater ihrer Freundin bereit gewesen wäre, auch für sie die Kaution zu bezahlen, bzw. konnte die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar angeben, wieso sie anschließend das Land habe verlassen müssen, bzw. wieso ihr ihre Freundin, von der sie auch keine Telefonnummer gehabt habe, finanziell ermöglicht haben sollte, das Land zu verlassen, nachdem sie diese erst wenige Monate gekannt hatte.

 

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

 

Dem BFA ist zuzustimmen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin diesen Anforderungen nicht entsprach und somit nicht glaubhaft ist, dass diese aufgrund homosexueller Neigungen in Nigeria verfolgt werden wird, dies wird auch durch die Tatsache abgerundet, dass die Erstbeschwerdeführerin mittlerweile Mutter einer Tochter ist, und in Stellungnahmen zu deren Beschwerde sogar von einer "Lebenspartnerschaft" zum Vater ihres Kindes die Rede ist.

 

Zusammengefasst verharrte die Erstbeschwerdeführerin während der gesamten Einvernahme in einer wortkargen Darlegung einiger weniger Eckpunkte einer Schilderung, die Antworten auf die gestellten Fragen waren grundsätzlich kurz und total vage - eine detaillierte oder umfassende Schilderung der Ereignisse war ihr im Zuge der gesamten Einvernahme nicht möglich. Obwohl die Beschwerdeführerin seitens des erkennenden Richterin aufgefordert wurde, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen, wurden die, für den Gang der Fluchtgeschichte erforderlichen Fragen, von ihr lediglich in äußerst knappster Weise und total pauschal beantwortet. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist jedoch davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend zu schildern, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist. Die knappen, vagen und inhaltsleeren Angaben der Erstbeschwerdeführerin waren jedoch nicht geeignet, eine Verfolgung glaubhaft zu machen, die sie dazu getrieben hätte, ihr Heimatland zu verlassen.

 

Die Erstbeschwerdeführerin berichtete nicht von sich aus über die Geschehnisse im Rahmen einer narrativen und konkludenten Wiedergabe, so wie eben Menschen berichten, welche das Erzählte tatsächlich erlebt haben. Diese Feststellung kann insofern getroffen werden, als es aus der Praxis des Bundesverwaltungsgerichts notorisch ist, dass detailreiche Aussagen mit Realkennzeichen in der Regel für die Glaubwürdigkeit des entsprechenden Vortrages sprechen. Hier ergibt sich also in der Gesamtschau mit den anderen Ausführungen zur Beweiswürdigung ein wesentliches Indiz für die mangelnde Glaubwürdigkeit des zentralen Asylvorbringens der Erstbeschwerdeführerin. Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht als Aufgabe des BFA bzw. des erkennenden Gerichts gesehen werden, jede ihrer unzähligen vagen und pauschalen Angaben bzw. Andeutungen durch mehrmaliges Nachfragen zu konkretisieren, sondern liegt es an der Beschwerdeführerin ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige Glaubwürdigkeit zu erlangen.

 

Der Vollständigkeit halber wird ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin noch in der Einvernahme vor der belangten Behörde ein Interesse an einer freiwilligen Ausreise bekundet hat.

 

Angesichts der nicht glaubhaften Schilderungen ist auch nicht mit Sicherheit feststellbar, ob die Erstbeschwerdeführerin tatsächlich keinen Kontakt zu ihrer Familie mehr hat. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es der Beschwerdeführerin, die bis zu ihrem 14. Lebensjahr an der gleichen Adresse in Agbor wohnhaft war, möglich sein sollte, ihre Familie ausfindig zu machen und zu dieser zurückzukehren und sollte diese sie zumindest die erste Zeit unterstützen könnten. Zudem wäre es ihr möglich und zumutbar, gemeinsam mit dem Vater ihres Kindes zurückzukehren, der gesund und arbeitsfähig ist und der ebenfalls aus dem Süden Nigerias stammt und zumindest zum Unterhalt ihrer Tochter, der Zweitbeschwerdeführerin beitragen kann.

 

Dass die Zweitbeschwerdeführerin Gefahr läuft, Opfer von Genitalverstümmelung zu werden, kann ebenfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden:

 

Zunächst ist anzumerken, dass weder im Antrag der Zweitbeschwerdeführerin noch in der Beschwerde eigene Fluchtgründe geltend gemacht wurden, diese wurden erst in der Beschwerdeergänzung angeführt. Angesichts des von der Erstbeschwerdeführerin selbst vorgebrachten Umstandes, dass diese derartiges ablehnt, ist auch aus den vorliegenden Länderberichten keine maßgebliche Gefahr für die Zweitbeschwerdeführerin abzuleiten.

 

Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).

 

Wenn auch nicht verkannt wird, dass Genitalverstümmelung in Nigeria weiterhin praktiziert wird, ist der Beschwerde doch kein substantiiertes Vorbringen zu entnehmen, weshalb es der volljährigen Erstbeschwerdeführerin, als gesetzlichen Vertreterin dieser, nicht möglich sein sollte, ihre Tochter vor derartigen Praktiken zu beschützen. Ein allgemeiner Verweis auf soziale Benachteiligungen bzw. ihr soziales Umfeld kann keine asylrelevante Verfolgung begründen.

 

Es ist diesbezüglich auch in Hinblick auf die festgestellten Länderberichte nicht von einer Schutzunfähigkeit bzw. -unwilligkeit der staatlichen Behörden auszugehen.

 

Insgesamt ist angesichts der Tatsache, dass nicht davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerinnen bei einer Rückkehr nach Nigeria auf sich allein gestellt sind, sondern vom Vater der Zweitbeschwerdeführerin bzw. von ihrer Familie eine gewisse Form von Unterstützung zu erwarten ist, nicht zu erwarten, dass diese in eine unmenschliche Lage bzw. Notlage geraten werden und ihre in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte verletzt werden.

 

2.4. Zu den Länderberichten:

 

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen im angefochtenen Bescheid wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Die Beschwerdeführerinnen traten den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert entgegen, bzw. deckt sich das Vorbringen in der Beschwerdeergänzung vom 16.05.2018 mit diesen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

 

3.1. Zum Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids):

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Wie in der Beweiswürdigung bereits dargestellt, konnten die Beschwerdeführerinnen im gegenständlichen Verfahren keine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung glaubhaft machen. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie durch Behörden oder auch Privatpersonen in ihrem Heimatland verfolgt wurden bzw. im Falle einer Rückkehr verfolgt werden würden.

 

Daher ist festzustellen, dass den Beschwerdeführerinnen im Herkunftsstaat Nigeria keine Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK drohen und der Ausspruch in Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide zu bestätigen ist.

 

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage in Nigeria (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr nach Nigeria mit existentiellen Nöten konfrontiert ist.

 

Zudem führt eine Rückkehr nach Nigeria auch im Falle alleinstehender Frauen nicht automatisch dazu, dass sie in eine unmenschliche Lage bzw. eine Notlage geraten und ihre in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte verletzt würden. In Nigeria können Frauen, wie in den Länderfeststellungen ersichtlich, auf die Hilfe verschiedener Organisationen zurückgreifen, insbesondere sofern die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nicht mit familiärer Unterstützung rechnen können sollte, was aufgrund ihrer wenig plausiblen und unstimmigen Angaben nicht abschließend festgestellt werden kann.

 

Zudem liegt auch im Falle des Vaters der Zweitbeschwerdeführerin eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor, der ebenso in der Lage sein sollte, zum Lebensunterhalt zumindest der Zweitbeschwerdeführerin beizutragen.

 

Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5). Derartige Umstände wurden von nicht dargelegt, zumal die Beschwerdeführerin arbeitsfähig und in einem erwerbsfähigen Alter ist, 6 Jahre Schulbildung und erste Arbeitserfahrungen gesammelt hat.

 

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

 

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war der Beschwerdeführerin daher nicht zuzuerkennen.

 

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. (betreffend die Erstbeschwerdeführein im Umfang des ersten Spruchteiles) des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

 

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III./zweiter Spruchteil. bzw. IV. der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

 

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Im gegenständlichen Fall verfügt die Erstbeschwerdeführer abgesehen von dem mit der Zweitbeschwerdeführerin über kein Familienleben in Österreich. Soweit das Familienleben zwischen der Zweitbeschwerdeführerin und ihrem Vater betroffen ist, greift die Entscheidung nicht in das Familienleben ein (EGMR, 9.10.2003, 48321/99, Slivenko gg Lettland, EGMR, 16.6.2005, 60654/00 Sisojeva gg Lettland), da alle von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind (VwGH 22.11.2012, 2011/23/067; 26.02.2013, 2012/22/0239; 19.02.2014, 2013/22/0037).

 

Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerinnen. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).

 

Die Beschwerdeführerin führt eigenen Angaben zu Folge keine Beziehung in Österreich.

 

Die Erstbeschwerdeführerin hält sich seit fünf Jahren in Österreich auf. Der VwGH hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessensabwägung zukommt (VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwN.)

 

Es liegen im Falle der Beschwerdeführerinnen auch keine Aspekte einer außerordentlichen Integration vor. Nach annähernd fünfjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet kann die Erstbeschwerdeführerin zwar gewisse, eher geringe Deutschkenntnisse vorweisen, wobei Bestätigungen über abgelegte Prüfungen nicht vorgelegt werden konnten. Auf eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung kann daraus nicht geschlossen werden.

 

Auch fehlen maßgebliche Sachverhaltselemente, aus denen sich die Existenz - unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens relevanter - Bindungen allenfalls hätte ergeben können (wie etwa Teilnahme am Erwerbsleben und am sozialen Leben in Österreich). Gleichzeitig hat die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat, sprachliche und kulturelle Verbindungen.

 

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).

 

Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt aber im Falle der Beschwerdeführerinnen nicht vor; die junge und arbeitsfähige Erstbeschwerdeführerin ist derzeit nicht in Behandlung und nicht auf besondere Medikamente angewiesen, die Zweitbeschwerdeführerin ist gesund.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin ist zwar in Österreich geboren, allerdings erst ein halbes Jahr alt und somit in einem anpassungsfähigen Alter. Schwierigkeiten im Falle einer Rückführung sind bei ihr nicht zu erkennen.

 

Hinsichtlich der strafrechtlichen Unbescholtenheit der Erstbeschwerdeführerin ist auszuführen, dass dies nach Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420), da der VwGH davon ausgeht, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

 

Insgesamt betrachtet ist davon auszugehen, dass die Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III./2. Spruchteil bzw. IV. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

 

3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, dritter Spruchteil):

 

Mit den angefochtenen Bescheiden wurde zudem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen nach Nigeria zulässig ist. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse vom 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 - 0062).

 

Die Beschwerden waren daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III./ dritter Spruchteil bzw. Spruchpunkt V. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

 

3.6. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV./VI. der angefochtenen Bescheide):

 

Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Dass besondere Umstände, die die Beschwerdeführerin bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

 

Die Beschwerden waren daher auch hinsichtlich dieser Spruchpunkte gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

 

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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