ASVG §225
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W151.2136372.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH, Mariahilferstraße 88a, 1070 Wien, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 22.08.2016, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 02.12.2013 bei der Pensionsversicherungsanstalt (in der Folge PVA) einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG für Zeiten der Pflege einer nahen Angehörigen.
2. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 10.01.2014 wurde der Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege der nahen Angehörigen XXXX ab 01.12.2012 anerkannt.
3. Am 02.05.2016 sprach der Beschwerdeführer bei der PVA, Landesstelle Oberösterreich, persönlich vor und führte aus, dass er den Antrag auf Selbstversicherung ab dem Beginn der Pflege, nachweislich 01.07.2009, gestellt habe, dieser aber laut Schreiben vom 10.01.2014 erst ab 01.12.2012 anerkannt worden sei. Damals sei auch die Ausstellung eines Bescheides beantragt worden. Diesem Ansuchen sei bis jetzt aber nicht nachgekommen worden. Abschließend brachte er vor, dass er trotz mehrmaliger Beratungen bei der PVA nie darüber aufgeklärt worden sei, dass es eine Weiterversicherung für die Pflege naher Angehöriger gebe.
4. Am 25.07.2016 wurde mit dem Beschwerdeführer eine weitere Niederschrift aufgenommen. Mit Schreiben vom 04.07.2016 sei ihm erneut mitgeteilt worden, dass die Weiterversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen frühestens ein Jahr vor Antragstellung, somit ab 01.12.2012 möglich sei. Darum ersuche er neuerlich, dass ihm ein klagefähiger Bescheid übermittelt werde.
5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.08.2016 wurde der Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege der nahen Angehörigen XXXX im Zeitraum von 01.07.2009 bis 30.11.2012 abgelehnt.
Begründend wurde ausgeführt, dass Beiträge zur Weiterversicherung nur innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, wirksam entrichtet werden könnten (§ 225 Abs. 1 Z 3 ASVG).
6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde vom 19.09.2016 und führte darin nach Zusammenfassung des Sachverhalts aus, dass der Beschwerdeführer erstmals 2009 betreffend den frühestmöglichen Pensionsantritt bei der PVA Oberösterreich vorgesprochen habe. Weitere Beratungstermine seien im Februar und April 2013 erfolgt. In keinem dieser Termine sei der BF über die Möglichkeit einer Weiterversicherung in der Pensionsversicherung informiert worden. Erst nach eigener Recherche habe er bei einem neuerlichen Beratungstermin bei der belangten Behörde am 02.12.2013 einen Antrag auf Weiterversicherung in der Pensionsversicherung gestellt. Der Beschwerdeführer wisse zwar um das herrschende Antragsprinzip im Bereich der freiwilligen Weiterversicherung, dennoch sei wegen der - der Behörde ganz allgemein - obliegenden Betreuungspflicht anzunehmen, dass der Sozialversicherungsträger durch entsprechende Belehrungen und Auskünfte auf eine wirksame Antragstellung hinzuweisen habe. Diesbezüglich verwies der Beschwerdeführer auf ein Erkenntnis des VwGH vom 21.04.2004, 2001/08/0077, aus dem sich ergebe, dass ein Antrag im Zweifel zugunsten des Versicherten ausgelegt werden müsse. Abschließend wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
7. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 30.09.2016 am 05.10.2016 vorgelegt.
Darin führte die belangte Behörde aus, dass § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG ausdrücklich festlege, dass Beiträge für Zeiten einer freiwilligen Versicherung nur für Zeiträume entrichtet werden können, die nicht mehr als 12 Monate vor der Antragstellung liegen. Somit sei die rückwirkende freiwillige Versicherung - inklusive des Monates der Antragstellung - für maximal 13 Monate möglich. Die Antragstellung des BF sei am 02.12.2013, sodass eine freiwillige Versicherung gar nicht vor 01.12.2012 beginnen könne. Einen Ermessensspielraum im Sinne einer Vorverlegung des frühestmöglichen Beginns lasse die Norm jedoch nicht zu.
Aus diesen Gründen sei die freiwillige Versicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege einer nahen Angehörigen ab 01.12.2012 anerkannt worden. Für den Zeitraum vom 01.07.2009 bis 30.11.2012 sei der Antrag auf Grund der gesetzlichen Vorgaben des § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG abzulehnen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Am 02.12.2013 beantragte der Beschwerdeführer unter Verwendung des Antragsformulars der PVA die Selbstversicherung für die Pflege seiner Mutter für den Zeitraum ab "ehestmöglich".
Im Antragsformular lautet der Vordruck wie folgt: "Ich beantrage die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege frühestens ein Jahr vor der Antragstellung)."
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.
Verfahrensgegenständlich liegt eine Rechtsfragenbeurteilung vor.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A): Abweisung der Beschwerde
3.1.1. Maßgebliche Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG):
"Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger
§ 18b. (1) Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.
(1a) Die Selbstversicherung ist für die Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j auf Grund des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes ausgeschlossen.
(2) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.
(3) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonats,
1. in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist oder
2. in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.
(4) bis (6) [ ]"
"Ausmaß und Entrichtung
§ 77. (8) Für die nach § 18b Selbstversicherten sind die Beiträge zur Gänze aus Mitteln des Bundes zu tragen."
"Beitragszeiten nach dem 31. Dezember 1955
§ 225. (1) Als Beitragszeiten aus der Zeit nach dem 31. Dezember 1955 sind anzusehen:
1. bis 2. [ ]
3. Zeiten einer freiwilligen Versicherung, wenn die Beiträge innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, oder auf Grund einer nachträglichen Selbstversicherung nach § 18 oder § 18a in Verbindung mit § 669 Abs. 3 wirksam (§ 230) entrichtet worden sind; [ ]."
3.1.2. Maßgebliche Judikatur des VwGH:
Auch wenn der Versicherte als Zeitpunkt des Beginns der freiwilligen Versicherung auch einen bereits verstrichenen Zeitpunkt wählen kann, ergibt sich aus § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG, dass als frühester Beginnzeitpunkt der dem Antragszeitpunkt vorangehende Monatserste des Vorjahres gewählt werden kann (vgl. das zu § 18a ASVG idF vor der 52. Novelle, BGBl. Nr. 20/1994, ergangene hg. Erkenntnis vom 22. November 1994, Zl. 93/08/0226, sowie das zu § 17 Abs. 7 ASVG ergangene hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2013, Zl. 2011/08/0012). (VwGH 04.11.2015, Ro 2015/08/0022)
Mit den Ausführungen im Erkenntnis vom 4. November 2015, Ro 2015/08/0022, hat der Verwaltungsgerichtshof die Anwendung des § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG auf die Selbstversicherung nach § 18b ASVG bejaht und die damit verbundene zeitliche Begrenzung einer rückwirkenden Anerkennung von Versicherungszeiten - im Sinn der allgemeinen Regel - auf zwölf Monate (frühestmöglicher Beginn ist somit der vor der Antragstellung liegende Monatserste des Vorjahres) klargestellt. Weiters hat der Gerichtshof mit seinen Aussagen (implizit) auch zum Ausdruck gebracht, dass die im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG enthaltene Sonderregelung für die Fälle des § 18 bzw. § 18a iVm. § 669 Abs. 3 ASVG auf die Selbstversicherung nach § 18b ASVG nicht anzuwenden ist. Gegen diese Beurteilung bestehen auch insofern keine Bedenken, als in der unterschiedlichen Behandlung der Selbstversicherung nach § 18a und § 18b im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG keine planwidrige Lücke zu erkennen ist, besteht doch kein Anhaltspunkt, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Sonderregelung für § 18a iVm. § 669 Abs. 3 ASVG durch BGBl. I Nr. 3/2013 die Bestimmung des § 18b ASVG etwa übersehen hätte. (VwGH 07.04.2016, Ro 2014/08/0085)
3.1.3. Für den Beschwerdefall bedeutet das:
Gemäß § 18b in Verbindung mit § 225 Absatz 1 Ziffer 3 ASVG ist für die Beantragung der Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG der frühestmögliche Beginn der vor der Antragstellung liegende Monatserste des Vorjahres. Diese zeitliche Begrenzung einer rückwirkenden Anerkennung von Versicherungszeiten auf zwölf Monate hat auch der Verwaltungsgerichtshof klargestellt.
Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen (seiner Mutter) gemäß § 18b ASVG im Dezember 2013 gestellt. Somit ist im Beschwerdefall – 12 Monate ab Antragstellung zurückgerechnet – der 01.12.2012 der erste mögliche Beitragsmonat. Zeiträume vor dem 01.12.2012 können im Beschwerdefall somit nicht als Beitragszeiten für die freiwillige Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18b herangezogen werden.
Im Beschwerdefall liegt daher für den Zeitraum vom 01.07.2009 bis 30.11.2012 keine Berechtigung für eine (rückwirkende und beitragswirksame) Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen gemäß § 18b ASVG vor.
Daher hat die PVA den Antrag zutreffend abgelehnt.
Auch die vom Beschwerdeführer monierte mangelnde Information durch die PVA und sein Vorbringen, dass er erst durch eigene Recherche auf der Homepage der PVA auf diese Möglichkeit der Weiterversicherung in der Pensionsversicherung aufmerksam wurde, könne daran nichts ändern. Es gilt nämlich das Antragsprinzip und die Verpflichtung des BF sich rechtzeitig über die Rechtslage zu erkundigen. Da eine klare rechtliche Regelung besteht, ist auch keine Kulanzlösung möglich.
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
Soferne das Vorbringen des Beschwerdeführers zur vermeintlichen mangelnden Rechtsauskunft der PVA auf einen allfälligen Amtshaftungsanspruch abzielt, wäre der Beschwerdeführer damit auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
3.1.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße – und zu begründende – Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 leg.cit. normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg.cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde. Die erhobenen Einwendungen vermochten auch keine Zweifel am Ergebnis des Ermittlungsverfahrens herbeizuführen. Somit war im Sinne der Judikatur des EGMR und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung – trotz deren Beantragung im Zuge der Beschwerde des Beschwerdeführers – nicht geboten. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC stehen dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ebenfalls nicht entgegen. Dies liegt auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG), weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Das Erkenntnis stützt sich auf die angeführte Judikatur des VwGH, der eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung zu entnehmen ist, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
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