Normen
ASVG §18;
ASVG §18a;
ASVG §18b;
ASVG §225 Abs1 Z3;
ASVG §669 Abs3;
VwRallg;
ASVG §18;
ASVG §18a;
ASVG §18b;
ASVG §225 Abs1 Z3;
ASVG §669 Abs3;
VwRallg;
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass die Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 21. März 2014, HVBA-3196 271059, abgewiesen wird.
Das Kostenbegehren der Revisionswerberin wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Die Mitbeteiligte stellte am 13. Februar 2014 bei der Revisionswerberin einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18b ASVG für Zeiten der Pflege einer nahen Angehörigen (ihrer Schwiegermutter) ab dem 1. Jänner 2009. 1.2. Die Revisionswerberin sprach mit Bescheid vom 21. März 2014 aus, dass der Anspruch gemäß den §§ 18b, 44 Abs. 1 Z 18, 76b Abs. 5a und 77 Abs. 8 ASVG ab dem 1. Februar 2013 anerkannt werde, dass hingegen eine Berechtigung zur Selbstversicherung für die Zeit vom 1. Jänner 2009 bis zum 31. Jänner 2013 nicht gegeben sei.
Die Revisionswerberin führte zur (teilweisen) Antragsabweisung aus, Beiträge zur Selbstversicherung könnten nur für Zeiträume entrichtet werden, die nicht mehr als zwölf Monate vor der Antragstellung gelegen seien.
2.1. Gegen die (teilweise) Antragsabweisung erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Verwaltungsgericht und begehrte, auch die Zeit vom 1. Jänner 2009 bis zum 31. Jänner 2013 für die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung anzuerkennen.
2.2. Die Revisionswerberin entgegnete anlässlich der Aktenvorlage, der Beginn der Versicherung bestimme sich gemäß § 18b Abs. 2 ASVG nach dem von der Pflegeperson gewählten Zeitpunkt, frühester Beginn sei der Erste des Monats, in dem die Pflege aufgenommen worden sei. Ein willkürlicher Beginn sei freilich nicht zulässig, weil nach § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG Zeiten nur dann zu berücksichtigen seien, wenn die Beiträge binnen zwölf Monaten nach Ablauf des jeweiligen Beitragszeitraums entrichtet würden. Eine Selbstversicherung sei daher einschließlich des Monats der Antragstellung nur "13 Monate rückwirkend" möglich.
Die Mitbeteiligte habe zwar die Pflege zumindest ab Jänner 2009 behauptet, den Antrag auf Selbstversicherung aber erst am 13. Februar 2014 gestellt. Da Beiträge nur für nicht mehr als zwölf Monate vor der Antragstellung liegende Zeiträume entrichtet werden könnten, sei eine Selbstversicherung ab dem 1. Februar 2013 anzuerkennen und für den vorangehenden Zeitraum die fehlende Berechtigung auszusprechen (gewesen).
3.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten Folge, hob den (soweit bekämpften) Bescheid auf und sprach aus, dass die Berechtigung zur Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG bereits ab dem 1. Jänner 2009 gegeben sei.
3.2. Nach der wesentlichen Begründung sei - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - dem § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG kein Anhaltspunkt zu entnehmen, dass die Selbstversicherung nach § 18b ASVG nur ein Jahr rückwirkend möglich wäre. Vielmehr beginne gemäß § 18b Abs. 2 ASVG die Versicherung mit dem von der Pflegeperson gewählten Zeitpunkt, frühestens mit dem Ersten des Monats, in dem die Pflege aufgenommen werde. Es komme daher auf den gewählten Zeitpunkt an, eine Rückwirkungsbeschränkung sei nicht gegeben.
Auch werde im § 18b Abs. 2 ASVG nicht auf § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG Bezug genommen, die Vorschrift sei daher im Bereich der Selbstversicherung nach § 18b ASVG nicht anzuwenden. Eine analoge Heranziehung sei aus grundrechtlichen Erwägungen nicht zulässig, gehe es doch um den Zugang zu einem System der sozialen Sicherheit bzw. um civil rights, sodass anspruchshindernde Tatbestände vom Gesetzgeber ausdrücklich zu normieren (gewesen) wären. Auch allfällige Beweisschwierigkeiten bei weitergehender Rückwirkung könnten die Anwendung des § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG nicht rechtfertigen.
3.3. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. Es fehle an einer Rechtsprechung zur Frage, inwieweit eine Selbstversicherung nach § 18b ASVG länger als ein Jahr rückwirkend begehrt werden könne.
4. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.
Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz erstattete eine "Revisionsbeantwortung", in der er sich aber der Rechtsansicht der Revisionswerberin anschloss.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im § 18b Abs. 1 und 2 ASVG ist (auszugsweise) normiert:
"(1) Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 (...) unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. (...)"
"(2) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, (...)"
§ 77 Abs. 8 ASVG lautet:
"(8) Für die nach § 18b Selbstversicherten sind die Beiträge zur Gänze aus Mitteln des Bundes zu tragen."
§ 225 Abs. 1 ASVG hat folgenden (auszugsweisen) Inhalt:
"(1) Als Beitragszeiten aus der Zeit nach dem 31. Dezember 1955 sind anzusehen: (...)
3. Zeiten einer freiwilligen Versicherung, wenn die Beiträge innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, oder auf Grund einer nachträglichen Selbstversicherung nach § 18 oder § 18a in Verbindung mit § 669 Abs. 3 wirksam (§ 230) entrichtet worden sind; (...)"
Im § 669 Abs. 3 ASVG ist (auszugsweise) angeordnet:
"(3) Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit zwischen dem 1. Jänner 1988 und dem 31. Dezember 2012 die Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar - zurückgerechnet vom Tag der Antragstellung - für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. (...)"
6.1. Die Revisionswerberin macht geltend, die Regelungen über die freiwilligen Versicherungen seien im Zusammenhalt mit § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG zu sehen. Demnach gelte als allgemeine Regel, dass eine rückwirkende Anerkennung von Beitragszeiten nur innerhalb von zwölf Monaten zulässig sei, sofern nicht eine gesetzliche Ausnahme vorgesehen sei. Als eine derartige Ausnahme sei im § 669 Abs. 3 ASVG § 18a ASVG ausdrücklich genannt, nicht jedoch § 18b ASVG.
Auch § 18a ASVG, eingeführt durch BGBl. Nr. 609/1987, habe zunächst einen rückwirkenden Erwerb von Beitragszeiten nur für ein Jahr vorgesehen. Erst durch BGBl. I Nr. 3/2013 sei im § 669 Abs. 3 ASVG normiert worden, dass für die Zeit vom 1. Jänner 1988 bis zum 31. Dezember 2012 Beitragszeiten von bis zu 120 Monaten nachträglich beansprucht werden könnten. Diese Bestimmung beziehe sich jedoch (neben § 18) nur auf § 18a ASVG, die Vorschrift des § 18b ASVG bleibe offenbar bewusst unerwähnt. Die verschiedenen Regelungen seien auch sachlich begründet, zumal die Zugangskriterien für die Selbstversicherung jeweils andere seien.
In einer Gesamtschau ergebe sich daher, dass die Revisionswerberin in ihrem Bescheid eine Selbstversicherung nach § 18b ASVG zu Recht erst ab dem 1. Februar 2013 anerkannt habe.
6.2. Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz pflichtete den Ausführungen der Revisionswerberin im Wesentlichen bei.
7.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat erst jüngst im Erkenntnis vom 4. November 2015, Ro 2015/08/0022, zu einem ähnlichen Sachverhalt, in dem es ebenso um die Frage ging, inwieweit eine Pflegeperson im Rahmen der Selbstversicherung nach § 18b ASVG die rückwirkende Anerkennung von Beitragszeiten gemäß § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG beanspruchen könne, wie folgt ausgeführt:
"Die Berechtigung einer Person, sich nach § 18b Abs. 1 und 2 ASVG für bestimmte Zeiten in der Pensionsversicherung selbst zu versichern, ist zwar nicht ident mit der Frage, ob die Zeit, die zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung berechtigt hat bzw. hätte, als Beitragszeit im Sinne des § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG anzusehen ist. Unter der Berechtigung, sich gemäß § 18b ASVG für bestimmte Zeiten selbst zu versichern, ist aber, wie sich sowohl aus dem Wortlaut dieser Bestimmung im Zusammenhalt mit § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG als auch aus ihrem daraus erhellenden Zweck ergibt, nichts anderes gemeint als die Berechtigung, für bestimmte, in § 18b ASVG genannte Zeiten durch Beitragsentrichtung wirksam Beitragszeiten in der Pensionsversicherung zu erwerben. Steht daher im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde fest, dass der (die) Antragsteller (Antragstellerin) für die von ihm (ihr) entsprechend § 18b ASVG gewählte oder danach begrenzte Zeit nach § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG Beitragszeiten nicht mehr wirksam erwerben kann, so ist seine (ihre) Berechtigung zur Selbstversicherung zu verneinen. Auch wenn der Versicherte als Zeitpunkt des Beginns der freiwilligen Versicherung auch einen bereits verstrichenen Zeitpunkt wählen kann, ergibt sich aus § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG, dass als frühester Beginnzeitpunkt der dem Antragszeitpunkt vorangehende Monatserste des Vorjahres gewählt werden kann (vgl. das zu § 18a ASVG idF vor der 52. Novelle, BGBl. Nr. 20/1994, ergangene hg. Erkenntnis vom 22. November 1994, Zl. 93/08/0226, sowie das zu § 17 Abs. 7 ASVG ergangene hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2013, Zl. 2011/08/0012)."
7.2. Mit diesen Ausführungen hat der Verwaltungsgerichtshof die - auch hier strittige - Anwendung des § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG auf die Selbstversicherung nach § 18b ASVG bejaht und die damit verbundene zeitliche Begrenzung einer rückwirkenden Anerkennung von Versicherungszeiten - im Sinn der allgemeinen Regel - auf zwölf Monate (frühestmöglicher Beginn ist somit der vor der Antragstellung liegende Monatserste des Vorjahres) klargestellt. Weiters hat der Gerichtshof mit seinen Aussagen (implizit) auch zum Ausdruck gebracht, dass die im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG enthaltene Sonderregelung für die Fälle des § 18 bzw. § 18a iVm.
§ 669 Abs. 3 ASVG auf die Selbstversicherung nach § 18b ASVG nicht anzuwenden ist.
7.3. Gegen diese Beurteilung bestehen auch insofern keine Bedenken, als in der unterschiedlichen Behandlung der Selbstversicherung nach § 18a und § 18b im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG keine planwidrige Lücke zu erkennen ist, besteht doch kein Anhaltspunkt, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Sonderregelung für § 18a iVm. § 669 Abs. 3 ASVG durch BGBl. I Nr. 3/2013 die Bestimmung des § 18b ASVG etwa übersehen hätte.
In der unterschiedlichen Behandlung der Selbstversicherung nach § 18a und § 18b im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG kann im Hinblick auf die verschiedenen Zugangskriterien (vor allem die unterschiedliche Intensität der Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege) auch keine unsachliche Differenzierung erblickt werden. Der Gesetzgeber wollte mit der Sonderregelung für § 18a im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG die sozialrechtliche Stellung von Pflegepersonen behinderter Kinder im Hinblick auf die (damals vorausgesetzte) gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege, welche eine daneben ausgeübte die Pflichtversicherung begründende Erwerbstätigkeit nicht zuließ, verbessern (vgl. RV 2000 BlgNR 24. GP , S 3, 18, 23). Auf Pflegepersonen nach 18b ASVG traf dies freilich nicht zu, stand doch im Hinblick auf die vorausgesetzte bloß erhebliche Beanspruchung ihrer Arbeitskraft durch die Pflege einer daneben ausgeübten die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit - wie sie nach den Feststellungen auch von der Mitbeteiligten ab April 2008 (im Umfang von 21 Wochenstunden) ausgeübt wurde - nicht entgegen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2012, 2011/08/0050).
8.1. Davon ausgehend ist aber - im Hinblick auf § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG - eine Berechtigung zur Selbstversicherung nach § 18b ASVG erst ab dem 1. Februar 2013 gegeben. Für eine darüber hinausgehende Anerkennung von Beitragszeiten besteht keine Rechtsgrundlage.
Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.
Im konkreten Fall bedurfte es zur Fällung einer Sachentscheidung keiner weiteren Ermittlungen, die rechtliche Beurteilung war auf Grundlage des unstrittigen Sachverhalts möglich. Der Verwaltungsgerichtshof konnte daher in der Sache selbst - durch Abweisung der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Bescheid vom 21. März 2014 - erkennen.
8.2. Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die Revisionswerberin im Fall einer Amtsrevision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz. Ein solcher kommt aber auch deswegen nicht in Betracht, weil die Revisionswerberin selbst Rechtsträger im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG ist. Der diesbezügliche Antrag war daher abzuweisen.
Wien, am 7. April 2016
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