BVwG W206 2115096-1

BVwGW206 2115096-129.1.2016

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W206.2115096.1.00

 

Spruch:

W206 2115096-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Alexandra SCHREFLER-KÖNIG über die Beschwerde von XXXX, StA. Somalia, vertreten durch die Mutter XXXX, StA. Somalia, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2015, Zl. 1022078201-150302930, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.01.2016, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die minderjährige Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Somalias, reiste am 24.03.2015 legal (mit einem österreichischen, von der ÖB Adis Abeba ausgestellten Visum) und in Begleitung ihrer Mutter und ihrer ebenfalls minderjährigen Schwester in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte -vertreten durch ihre Mutter - am selben Tag den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung betonte die Mutter der Beschwerdefüherin, keine eigenen Fluchtgründe zu haben, sondern wegen ihres Ehemannes (dem Vater der Beschwerdeführerin) gekommen zu sein, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden war.

2. Die Mutter der Beschwerdeführerin wurde am 13.07.2015 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei wiederholte sie, keine eigenen Gründe für ihre Ausreise gehabt zu haben. Sie hätte nur mit ihren beiden Töchtern nachkommen wollen, um hier mit ihrem Mann gemeinsam leben zu können. Sie führte über Nachfrage aus, in Kismayo gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter gelebt zu haben. Ihren Sohn habe sie bei dieser Frau gelassen, wolle ihn aber nun doch nachholen. Die Mutter der Beschwerdeführerin gab an, selbst nicht arbeiten gegangen zu sein, sie hätten ein Lokal gehabt, ihr Mann habe Milch verkauft. Sie habe nach der Ausreise ihres Mannes Probleme gehabt, die Leute hätten sich nach ihm erkundigt, sie hätte verraten sollen, wo er hingegangen sei. Insgesamt vier Mal wären im Zeitraum zwischen 2012 und 2014 Terroristen gekommen und hätten ihr gedroht. Ein Jahr lang habe sie schließlich in Äthiopien gelebt. Die Terroristen hätten sie gefragt, ob ihr Mann noch am Leben sei und ihr für den Fall des Todes ihres Mannes eine Verheiratung mit einem Mitglied ihrer Gruppe in Aussicht gestellt. Dass sie ungeachtet dieser Entwicklungen ihren neunjährigen Sohn in der Heimat zurückgelassen habe, liege ausschließlich an der Schwiegermutter, die ihn nicht hergeben habe wollen. Insgesamt sei das Leben in Somalia sehr schwierig; so sei etwa die medizinische Versorgung sehr schlecht, dies habe sie bei der Geburt ihrer Kinder am eigenen Leibe erfahren müssen.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab. Unter Bezugnahme auf den bereits ihrem Vater erteilten subsidiären Schutz wurde auch der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten, verbunden mit einer befristeten Aufenthaltsberechtigung, erteilt. Im Zusammenhang mit der negativen Asylentscheidung führte die belangte Behörde aus, dass die Mutter der Beschwerdeführerin ursprünglich betont habe, keine eigenen Fluchtgründe zu haben, sondern wegen ihres in Österreich als subsidiär Schutzberechtigter lebenden Ehemannes gekommen zu sein. Vor dem Hintergrund, dass das Bundesverwaltungsgericht die Fluchtgründe des Vaters der Beschwerdeführerin als nicht glaubwürdig eingestuft habe, sei nun der Eindruck entstanden, dass die Mutter der Beschwerdeführerin durch eine plötzlich vorgebrachte Bedrohung ihrer Person durch "Terroristen" eine neue Fluchtgeschichte präsentieren habe wollen. Von einer Gefährdung ihrer Person sei aber alleine schon deshalb nicht auszugehen, da sie diesfalls wohl ihren minderjährigen Sohn nicht im Gefahrenbereich zurückgelassen hätte.

4. Die Beschwerdeführerin bekämpfte, vertreten durch ihre Mutter, Spruchpunkt I der Entscheidung des Bundesamtes fristgerecht mittels Beschwerde. Die Mutter monierte mangelhafte Länderfeststellungen und hielt fest, dass es die belangte Behörde zur Gänze verabsäumt habe, sich mit der Frage einer drohenden Zwangsehe mit einem Mitglied von Al Shabaab auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang zitierte die Genannte zahlreiche Berichte zu diesem Thema. Soweit ihr vorgehalten worden sei, dass sie ihren Sohn zurückgelassen habe, müsse festgehalten werden, dass dieser aufgrund seines Alters kaum der Gefahr von Übergriffen durch Al Shabaab ausgesetzt sei. Außerdem wäre das Überleben der Schwiegermutter auf andere Weise nicht gewährleistet gewesen. Es sei aber der Plan, sowohl die Schwiegermutter als auch den Sohn nach Österreich zu holen. Seit zwei Monaten bestünde aber kein Kontakt mehr, deren Verbleib sei unklar. Hinsichtlich ihrer Töchter sei die Gefahr einer Genitalverstümmelung gegeben.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.01.2016 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen die Beschwerdeführerin von ihrer Mutter vertreten wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Aufgrund des Verwaltungsaktes und der belangten Behörde, den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung und der in diesem Verfahren beigezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen Lage in Somalia wird Folgendes festgestellt:

1. 1. Zur Person der Beschwerdeführerin

Die minderjährige Beschwerdeführerin ist somalische Staatsbürgerin und lebt als subsidiär Schutzberechtigte gemeinsam mit ihren Eltern und ihrer ebenfalls minderjährigen Schwester auf Basis einer befristeten Aufenthaltsberechtigung in Österreich.

Dem Vater der Beschwerdeführerin wurde bereits mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.1.2013, Zl. 1211.267-BAE, der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf die prekäre Sicherheits- und Menschenrechtslage in Somalia gewährt. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 28.7.2015, Zl. W211 1432368-1/12E, die Beschwerde gemäß §3 AsylG abgewiesen und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer (=Vater der Beschwerdeführerin) im Herkunftsstaat keine Verfolgung im Sinne der GFK drohe.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin ihre Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK verlassen hat. Vielmehr wird festgestellt, dass sie Somalia verlassen hat, um mit ihrem Vater in Österreich zu leben, nachdem diesem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden war.

1.2. Zur Lage in Somalia

1.2.1. Die aktuelle politische und menschenrechtliche Situation in Somalia stellt sich unter Heranziehung der erstinstanzlichen Feststellungen dar wie folgt:

1. Politische Lage

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit 1991 gibt es in Somalia keinen Zentralstaat mehr (BS 2014). Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014).

Somalia ist offiziell in 18 Regionen (gobol) unterteilt. In Süd-/Zentralsomalia liegen Bakool, Benadir, Bay, Galgaduud, Gedo, Hiiraan, Middle Jubba (Jubba Dhexe), Lower Jubba (Jubba Hoose), Mudug, Middle Shabelle (Shabelle Dhexe) und Lower Shabelle (Shabelle Hoose). Somaliland und Puntland teilen sich die Regionen Awdal, Bari, Nugaal, Togdheer, Woqooyi Galbeed, Sanaag und Sool. Die Regionen wiederum sind administrativ in Bezirke unterteilt. Mogadischu besteht aus 16 Bezirken, die wiederum in die Teileinheiten waax, laan und tabella (ca. 50-250 Haushalte) unterteilt sind. Jeder Bezirk hat einen Bezirkskommissar (District Commissioner/DC). Nur wenige Straßen in der Stadt haben einen Namen, einige davon änderten sich im Zuge des Bürgerkrieges (EASO 8.2014).

Nominell verfügt Somalia heute über ein Zweikammern-Parlament: Das vom Volk gewählte House of the People und das von den Gliedstaaten beschickte Upper House. Bisher gibt es aber lediglich ersteres, und die Abgeordneten wurden nicht gewählt sondern von Ältesten nominiert. Das Upper House soll bis Ende 2015 eingerichtet werden. Danach sollen 2016 eine neue Verfassung in Kraft treten und womöglich Wahlen stattfinden (EASO 8.2014). EU, UN und IGAD bemängeln, dass Somalia im Zeitplan hinterher hinkt (UNNC 27.5.2014). Insgesamt mangelt es auch nach wie vor an wiederaufgebauten staatlichen Institutionen und an Verwaltungskapazitäten (BS 2014).

Seit 2012 gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markieren könnte. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Auf Grundlage dieser Verfassung trat am 16.9.2012 eine neue Regierung unter Führung von Präsident Hassan Sheikh Mahmud ihr Amt an. In seiner Regierungserklärung stellte der Präsident ein 'Sechs-Säulen-Programm' für seine Politik für die Zeit bis zu den für 2016 geplanten Wahlen und das Verfassungsreferendum vor. Er will Fortschritte in den Bereichen gute Regierungsführung, wirtschaftliche Entwicklung, gesellschaftliche Aussöhnung, Daseinsvorsorge durch den Staat, Aufbau internationaler Beziehungen und Bewahrung der Einheit und Integrität des Landes erzielen. Trotz der anhaltenden Kampfhandlungen versucht die Regierung, Schritt für Schritt die Aufgaben der Staatsleitung, Verwaltung und politischen Gestaltung wieder wahrzunehmen (AA 3.2014c).

Die Umsetzung des Regierungsprogramms wurde jedoch u.a. durch das Misstrauensvotum gegen den vorherigen Premierminister Shirdon und die Neubildung einer Regierung unter Premierminister Abdiweli Sheikh Ahmed verzögert (AA 3.2014c). Der Präsident, Angehörige der neuen Regierung, andere hohe Beamte und District Commissioners (DC) in Mogadischu gehören der Gruppe Damul Jadiid an, einer Fraktion der somalischen Muslimbrüder (EASO 8.2014). Im Laufe des Jahres 2014 kam es zu wachsenden Differenzen zwischen dem Präsidenten und Premierminister Abdiweli Ahmed (A 31.10.2014),

Politisch gibt es mehrere potentielle Sicherheitsrisiken für die Zukunft: Die innere Krise in der Staatsführung; eskalierende Konflikte zwischen Regionen; das Aufkommen neuer politischer und bewaffneter Gruppen; wechselnde Allianzen und personalisierte Politik; Unterbrechung bei der Bildung staatlicher Institutionen (EASO 8.2014).

Die Clanthematik bleibt ein zentrales Thema, Clans spalten nach wie vor Regierung und Sicherheitskräfte (LPI 2014). Gemäß Übergangsverfassung verfügt Somalia über eine Bundesregierung und Regierungen der Bundesstaaten. Doch der in der Verfassung vorgesehene Föderalismus ist eine Quelle für Spannungen zwischen der somalischen Regierung sowie bereits existierenden aber auch neu aufgestellten Gliedstaaten (EASO 8.2014). Mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 konnte zwar ein Gliedstaat im Süden Somalias geschaffen werden (Jubbaland), der weitere Staatsaufbau kam jedoch erneut ins Stocken. Die Regierung hat zuletzt zugesagt, einen Fahrplan für die Zeit bis 2016 zu erstellen, in dem die wichtigsten Vorhaben zur Erreichung der selbst gesteckten Ziele benannt werden sollen (AA 3.2014c). Derweil haben bereits Konflikte um die Bildung von neuen Gliedstaaten begonnen. Für einen möglichen South-Western State gibt es mehrere Versionen: Bay, Bakool und Lower Shabelle (SW3); oder Bay, Bakool, Lower Shabelle, Gedo, Lower und Middle Jubba (SW6). Auch die Bildung eines eigenen Shabelle State steht zur Diskussion. Clan-Interessen spielen eine zentrale Rolle und es kam diesbezüglich auch schon zu Ausschreitungen (EASO 8.2014).

Dies spiegelt sich auch bei einem Abkommen zwischen somalischer Regierung und Puntland wieder, wonach die Region Mudug zwischen den beiden künftigen Gliedstaaten Puntland und Central Regions State aufgeteilt werden soll. Vertreter des Central Regions State reagierten empört auf die Abmachung (IRIN 21.10.2014). Vereinbarungen zur Formierung des Central Regions State wurden am 30.7.2014 bzw. am 6.8.2014 von den Vertretern der Ahlu Sunna wal Jamaa (ASWJ), der Verwaltung von Galmudug und der Verwaltung von Ximan & Xeeb unterzeichnet (UNSG 25.9.2014).

Quellen:

2. Sicherheitslage

Es gibt keine flächendeckende, effektive Staatsgewalt; auch die neue Regierung hat bislang über große Teile des Landes keine Kontrolle. Umfangreiche Gebiete werden von unterschiedlichen bewaffneten Gruppen beherrscht. Potentiell asylrechtlich relevante Tatsachen sind daher staatlichen Strukturen regelmäßig nicht eindeutig zuzuordnen, sondern resultieren häufig gerade aus deren Abwesenheit. Dabei muss nach den einzelnen Landesteilen differenziert werden (E 6.2013).

Quellen:

2.1. Süd-/Zentralsomalia

Insbesondere Süd-/Zentralsomalia leidet seit Ende der 1980er Jahre unter Bürgerkrieg und weitgehendem Staatszerfall (AA 3.2014c). Die Sicherheitslage bleibt volatil (UNSC 1.5.2014) vgl. UKFCO 10.4.2014) und hat sich seit Mai 2013 verschlechtert (EASO 8.2014). Die Zahl der Selbstmordattentate hat in den letzten Jahren zugenommen (AA 11.9.2014). Sowohl das österreichische Außenministerium (BMEIA 10.9.2014) als auch das deutsche Auswärtige Amt halten ihre Reisewarnungen für Somalia aufrecht (AA 11.9.2014).

Al Shabaab hat nach dem Verlust wichtiger Städte zunehmend auf Guerillakampf umgestellt. Folglich hat es einige sehr öffentlichkeitswirksame Attentate und Anschläge gegeben (UKFCO 10.4.2014). Mit dem Tod des Anführers der al Shabaab, Ahmed Godane, und dem Verlust der letzten Hafenstadt Baraawe ist die Gruppe zwar geschwächt, von einem Sieg über al Shabaab zu sprechen ist aber verfrüht (B 10.2014). Auch wenn al Shabaab weder die militärische Stärke noch den Willen hat, gegen die somalische Regierung und ihre Alliierten anzutreten, so stellen sie eine hinreichende Bedrohung für alle Versuche eines staatlichen Wiederaufbaus dar (BS 2014). Dabei bleiben die Möglichkeiten der föderalen, lokalen und regionalen Behörden, Terrorismus der al Shabaab zu unterbinden, eingeschränkt (USDOS 30.4.2014).

Mit Waffengewalt ausgetragene Streitigkeiten zwischen rivalisieren Clans oder Sub-Clans kommen hinzu (AA 3.2014c). Ein großes Waffenarsenal befindet sich in privatem Besitz und einige Gruppen fühlen sich von der Regierung nicht vertreten bzw. wollen von dieser nicht vertreten werden. Auch das ist ein Gefahrenpotential (B 10.2014). Weitere Spannungen zwischen lokalen Verwaltungen und der somalischen Regierung werden nicht ausgeschlossen (ÖB 10.2014). In den Regionen Puntland und Somaliland ist die Lage vergleichsweise stabiler, aber auch hier wirkt sich der Bürgerkrieg aus (AA 3.2014c).

Die UN haben für eigenes Personal folgende Einstufungen getroffen:

Gelb (medium risk) für Bari, Nugaal, Doolow, Dhobley und den Sicherheitsbereich in Mogadischu; Orange (high risk) für Mudug, Galguduud und die von AMISOM (African Union Mission in Somalia) besetzten Garnisonsstädte (Merka, Baidoa, Kismayo u.a.) sowie für Mogadischu; Rot (very high risk) für die restlichen Teile der Regionen Lower und Middle Jubba, Gedo, Bakool, Bay, Hiiraan, Lower und Middle Shabelle (A 9.10.2014).

Im August 2011 räumte al Shabaab Mogadischu. Im Jahr 2012 eroberten somalische Armee und AMISOM u.a. Afgooye, Baidoa, Kismayo, Merka und Wanla Weyne. Bei der Offensive "Operation Eagle" im März und April 2014 folgte die Einnahme von weiteren zehn Städten, u.a. Xudur, Waajid, Buulo Barde, Maxaas, Ceel Buur, Wabxo und Qoryooley (EASO 8.2014). Ende August begann die neue AMISOM-Offensive "Operation Indian Ocean" bei deren Verlauf weitere Städte in den Regionen Hiiraan, Lower und Middle Shabelle, Lower Jubba und Bakool eingenommen werden konnten (UNSC 30.9.2014), darunter Cadale und Rage Ceel (Middle Shabelle), Baraawe (Lower Shabelle) (A 17.10.2014), Jalalaqsi und Fiidow (Hiiraan), Kurtunwaarey, Buulo Mareer und Golweyn (Lower Shabelle) sowie Tayeeglow (Bakool) (A 5.9.2014). Überhaupt befinden sich die meisten Städte in Süd-/Zentralsomalia nunmehr unter Kontrolle der Regierung und ihrer Alliierten, viele ländliche Gebiete befinden sich nach wie vor unter Kontrolle der al Shabaab. Allerdings stellen viele dieser Städte "Inseln" im Gebiet der al Shabaab dar, und die Islamisten versuchen, die Versorgung mancher Städte durch Angriffe entlang der Einfallstraßen zu blockieren (EASO 8.2014). So leidet z.B. Buulo Barde (Hiiraan) seit März 2014 unter einer Blockade (UNOCHA 17.10.2014).

In weiten Teilen Süd-/Zentralsomalias finden Kampfhandlungen zwischen den somalischen Bürgerkriegsparteien statt (AA 11.9.2014). Die Sicherheitskräfte sind Angriffen durch al Shabaab und andere Elemente ausgesetzt. Die Straße von Mogadischu über Baidoa nach Luuq bleibt von al Shabaab bedroht. Vor allem zwischen Afgooye und Baidoa kommt es regelmäßig zu Zwischenfällen. Auch andere Straßen, die nach Afgooye führen, gelten als unsicher (EASO 8.2014).

Die Lage in Süd-/Zentralsomalia bleibt kritisch. Dies gilt auch für die Hauptstadt Mogadischu. In und um Mogadischu haben Zahl und Intensität der Anschläge zuletzt zugenommen (AA 11.9.2014). Vor allem außerhalb von Mogadischu ist die somalische Regierung auf AMISOM angewiesen, um ihren Einfluss erhalten zu können. Jedenfalls sind die Städte unter Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee gegenüber einer Rückeroberung durch al Shabaab abgesichert (EASO 8.2014). Diese Garnisonsstädte liegen außerhalb der militärischen Reichweite der al Shabaab (D 18.6.2014). Allerdings verfügen weder AMISOM noch die somalische Armee über ausreichende Kapazitäten, um neu eroberte Gebiete adäquat abzusichern (UNHRC 4.9.2014).

In einigen der kürzlich eroberten Städte mangelt es an funktionierenden Verwaltungseinrichtungen. Die Ausfüllung des Machtvakuums bleibt eine Herausforderung für die somalische Regierung. Außerdem können mit dem Rückzug von al Shabaab alte (Clan‑)Konflikte neu aufflammen (EASO 8.2014). In einigen Städten, wie z.B. Xudur, Waajid, Warsheikh, Qoryooley und Buulo Barde konnten mittlerweile Verwaltungen eingerichtet werden (UNSG 25.9.2014). Am schlimmsten ist die Lage in jenen Dörfern und Gebieten, die nur temporär unter Kontrolle von AMISOM oder Armee stehen und auf welche al Shabaab - etwa in der Nacht - Zugriff hat. Viele Dörfer in derartiger Lage sind verlassen, die Menschen sind in größere Städte geflüchtet (B 14.10.2014).

Quellen:

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Übergangsverfassung sieht eine unabhängige Justiz (USDOS 27.2.2014) und Rechtstaatlichkeit vor. Die Scharia wird in der Rechtshierarchie über die Verfassung gestellt (EASO 8.2014). Aufgrund des jahrelangen Konfliktes sind der Zugang zur Justiz und die Rechtsstaatlichkeit allgemein eingeschränkt (UKFCO 10.4.2014) und in weiten Teilen Süd-/Zentralsomalias gar nicht vorhanden. In einigen Regionen haben sich lokale Gerichte etabliert. In den meisten Landesteilen beruht die Rechtsprechung auf einer Kombination von traditionellem, islamischem und formellem Recht (USDOS 27.2.2014). Informelle Strukturen traditionellen (Xeer) oder islamischen Rechtes (Scharia) ersetzen formelle Justizstrukturen oder existieren parallel zu ihnen (EASO 8.2014; vgl. UKFCO 10.4.2014). Der Zugang zur Justiz ist für Frauen, IDPs und Minderheiten nahezu nicht gegeben (EASO 8.2014). Andererseits haben von der UN finanzierte Gerichte in Somaliland, Puntland und Mogadischu zur Verbesserung des Zugangs beigetragen (USDOS 27.2.2014). Ein Nationaler Strategieplan zur Justizreform wurde ausgearbeitet (UNHRC 4.9.2014).

Die meisten Konflikte und Verbrechen werden im Rahmen des Xeer abgehandelt, in welchem der Zahlung von Kompensation (diya/mag) zentrale Bedeutung zukommt. Im Xeer werden nicht Individuen sondern ganze Clans oder Sub-Clans für Verbrechen eines Einzelnen zur Verantwortung gezogen (EASO 8.2014).

In einigen Städten unter Kontrolle der somalischen Regierung gibt es Militärgerichte, die nicht nur Fälle von Armeeangehörigen, sondern auch solche von vorgeblichen Mitgliedern der al Shabaab, von Polizisten und Zivilisten verhandeln. Solche Militärgerichte arbeiten nicht nach internationalen Standards (HRW 22.5.2014). Gleichzeitig sprechen sie aber Todesurteile aus (EASO 8.2014).

In den Gebieten der al Shabaab fungiert die Justiz willkürlich (UKFCO 10.4.2014). Dort gibt es lediglich Scharia-Gerichte, die gemäß einer harschen Auslegung islamischen Rechtes agieren (EASO 8.2014). Öffentliche Auspeitschung, Steinigung, Enthauptung und Amputation sind von al Shabaab regelmäßig angewendete Strafen. Außerdem befinden sich auf dem Gebiet der al Shabaab tausende Menschen aufgrund von Kleinigkeiten - z.B. Rauchen, Musikhören, Fußballspielen - in Haft (EASO 8.2014).

In Puntland funktionieren die Gerichte einigermaßen (USDOS 27.2.2014) - vor allem in den zentralen Teilen Puntlands, in den ländlicheren und eher abgelegenen Gebieten sorgen meist lokale Älteste für die Aufrechterhaltung der Ordnung (BS 2014). Allerdings mangelt es an Kapazität, um adäquaten Rechtsschutz gewährleisten zu können. Außerdem gibt es Berichte, wonach die Verwaltung auf hochrangige Justizfälle Einfluss nimmt. Die Mehrheit der Justizfälle wird in Puntland aber von Clanältesten unter Anwendung des Xeer abgehandelt. Das formelle Justizsystem dient u.a. jenen Fällen, wo Personen ohne Clan-Repräsentanz involviert sind (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

4. Sicherheitsbehörden

Insgesamt sind die somalischen Sicherheitskräfte trotz der zahlreichen Maßnahmen zum Wiederaufbau von Polizei und Armee nicht in der Lage, Sicherheit zu gewährleisten. Zur Bewältigung dieser Aufgabe muss sich die somalische Regierung auf AMISOM (African Union Mission in Somalia) verlassen (BS 2014). Die AMISOM ist eine regionale, friedensunterstützende Mission der Afrikanischen Union mit voller Unterstützung des UN-Sicherheitsrates. Die Polizeikomponente umfasst 515 Mann, die Militärkomponente 21.564 Soldaten. Als Truppensteller dienen vor allem Uganda, Burundi, Dschibuti, Kenia, Äthiopien und Sierra Leone. Die Disziplin von AMISOM hat sich drastisch verbessert, es gibt kaum Meldungen über Menschenrechtsvergehen durch AMISOM-Personal. Seit Mai 2014 gibt es in Mogadischu zusätzlich eine 410 Mann starke UN Guard Unit, die zum Schutz von UN-Einrichtungen und -Personal durch Uganda bereitgestellt worden ist (EASO 8.2014).

Die Zahl somalischer Polizisten in Süd-/Zentralsomalia wird mit

5.700 angegeben (UNSG 3.3.2014). Weitere 1.000 befinden sich bei AMISOM in Ausbildung (EASO 8.2014). Die Polizei untersteht teils regionalen Verwaltungen, teils dem Innenministerium. In mehreren Teilen Süd-/Zentralsomalias üben Armee und alliierte Milizen Polizeidienst aus (USDOS 27.2.2014).

In Mogadischu gibt es zwei separate Polizeikräfte: Jene der Regierung und jene der Regionalverwaltung. Bis zum Ende des Jahres 2013 konnte die Bundespolizei ihre Präsenz auf alle Bezirke der Stadt ausweiten (USDOS 27.2.2014). In Mogadischu gibt es 2.000-3.000 somalische Polizisten, ca. 1.200 Mann von Spezialeinheiten (Polizei und Alpha Group) und ca. 400 AMISOM-Polizisten. Letztere verüben normalen Polizeidienst (EASO 8.2014) und unterstützten die somalische Polizei mit Ausbildungsmaßnahmen - u.a. im Bereich Menschenrechte (USDOS 27.2.2014; vgl. EASO 8.2014). Ausbildung für die Polizei erfolgt auch durch UNDP (BS 2014), UNODC, IOM sowie bilateral durch Italien und die Türkei (ÖB 10.2014). Derweil unterstützt die United Nations Assistance Mission in Somalia (UNSOM) die Rekrutierung von weiteren 500 Polizisten (UNSG 25.9.2014).

Die Kontrolle der Polizei durch zivile Behörden bleibt ineffektiv. Auch die Polizei selbst ist ineffektiv. Straftaten bleiben meist ungestraft (USDOS 27.2.2014; vgl. EASO 8.2014). Außerdem beruhen Teile der Polizei auf Clanmilizen. Trotzdem wächst das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei - etwa in Mogadischu - und die Menschen können sich an die Polizei wenden (EASO 8.2014). Insgesamt bleibt aber der Zugang zu staatlichem Schutz ungewiss. Menschen suchen zwar die Unterstützung der Polizei, doch gibt es keine Garantie, dass ihnen geholfen wird (EASO 8.2014; vgl. LIDIS 3.2014). AMISOM und nationale Sicherheitskräfte geben ihr Bestes, um die Gefahr durch al Shabaab in Mogadischu einzudämmen. Auch wenn die Arbeit der Polizei Defizite aufweist, so trägt sie doch ihren Teil bei (UKUT 3.10.2014). Aufgrund der anhaltend schlechten Sicherheitslage sowie mangels Kompetenz der staatlichen Sicherheitskräfte und Justiz muss dennoch der staatliche Schutz in der gesamten Region als schwach bis nicht gegeben gesehen werden (ÖB 10.2014).

Ende des Jahres 2013 umfasste die somalische Armee rund 20.000 Mann. Die Kontrolle der Armee durch das Verteidigungsministerium bleibt schwach, hat sich aber mit Unterstützung durch internationale Partner etwas verbessert. Dabei ist die Kontrolle über jene Kräfte, die im Großraum Mogadischu, im Raum bis Merka, Baidoa und Jowhar eingesetzt werden, stärker als jene über Kräfte in anderen Landesteilen. Dort wo sich AMISOM-Truppen befinden, operieren die Kräfte der Armee in Tandem mit diesen (USDOS 27.2.2014). Nicht alle Teile der somalischen Armee sind gleich loyal, Claninteressen, Interessen lokaler Milizen und ausbleibender Sold sind dafür verantwortlich. Andererseits ist es der Regierung gelungen, Angehörige von Milizen (z.B. Ahlu Sunna Wal Jamaa/ASWJ) zu integrieren. Insgesamt zählen aber nur 10.000-12.000 Soldaten zum Kern der somalischen Armee. Die restlichen Truppen stellen Milizen, die formell nicht integriert worden sind (z.B. in Hiiraan und Baidoa; auch Teile der ASWJ). Insgesamt gilt die Loyalität vieler Teile der Armee eher einem Clan, nur wenige Einheiten sind von der Clanstruktur entkoppelt (EASO 8.2014).

AU, EU, USA, Türkei und andere Staaten unterstützen die Armee finanziell, mit Waffenlieferungen und Ausbildung (EASO 8.2014). Alleine die EU hat mehr als 3.000 Soldaten ausgebildet (ÖB 10.2014). Das Ausbildungsprogramm der EU (EUTM/ European Union Training Mission) wird in Mogadischu fortgesetzt. Trotz aller Anstrengungen fehlt es der Armee immer noch an Erfahrung und Ausrüstung. Die Armee bleibt weiterhin zu schwach, um AMISOM ablösen zu können (EASO 8.2014). AMISOM und UNSOM haben für mehr als 5.500 Soldaten der somalischen Armee eine Ausbildung im Bereich Menschenrechte gewährleistet (UNSG 25.9.2014).

Die rechtzeitige Auszahlung des Soldes stellt nach wie vor ein Problem dar. Trotzdem konnte die Zahl der Desertionen drastisch reduziert werden (EASO 8.2014).

Die National Intelligence and Security Agency (NISA) ist auf die Bekämpfung des Terrorismus ausgerichtet und operiert bei Terroranschlägen in Mogadischu auch als schnelle Eingreiftruppe (USDOS 30.4.2014). Die NISA verfügt auch über eine ca. 600 Mann starke Spezialeinheit (Alpha Group/ Gaashaan), die vor allem bei größeren Sicherheitsoperationen in Mogadischu zum Einsatz kommt (EASO 8.2014).

Die Polizei in Puntland untersteht dem Innenministerium (USDOS 27.2.2014). Außerdem gibt es die ca. 1.000 Mann starke, gut ausgerüstete Puntland Maritim Police Force, die von den Vereinten Arabischen Emiraten unterstützt wird. Insgesamt funktionieren Polizei und Regierungsinstitutionen in den zentralen Teilen Puntlands einigermaßen gut, in den ländlicheren und eher abgelegenen Gebieten sorgen meist lokale Älteste für die Aufrechterhaltung der Ordnung (BS 2014).

Quellen:

5. Ombudsmann

Die Verfassung sieht eine unabhängige Menschenrechtskommission sowie eine Wahrheits- und Versöhnungskommission vor. Beide Institutionen waren zum Jahresende 2013 noch nicht eingerichtet worden (USDOS 27.2.2014; vgl. UKFCO 10.4.2014).

Der Kandidat für den puntländischen "human rights defender" zog seine Kandidatur zurück, und der Posten ist weiterhin vakant (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

6. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtslage in Somalia wird vom anhaltenden bewaffneten Konflikt dominiert. Zivilisten werden getötet, verwundet oder vertrieben; Täter finden sich auf allen Seiten des Konfliktes (UKFCO 10.4.2014). In den Monaten Mai und Juni 2014 wurden ca. 1.200 durch Waffen verursachte Verletzungen in Mogadischu, Kismayo, Mudug und Baidoa behandelt; 100 Tote wurden gemeldet (UNSG 25.9.2014).

Weitere Menschenrechtsverletzungen umfassen willkürliche Angriffe, sexuelle Gewalt und willkürliche Inhaftierungen (HRW 21.1.2014); die Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit, Gewalt gegen Journalisten; Gewalt gegen und Diskriminierung von Frauen und Mädchen; lebensbedrohliche Haftbedingungen und willkürliche Verhaftungen; die Verweigerung fairer Verfahren; Korruption und Menschenhandel; die Delogierung von IDPs; Misshandlungen und Diskriminierung von Minderheiten-Clans. Zusätzlich kommt es zu Kämpfen zwischen Clans und Sub-Clans, meist im Streit um Wasser und andere Ressourcen. Diese führen ebenfalls zu Toten und Vertriebenen. Es kommt auch zu Rachemorden; nur wenige Fälle werden untersucht (USDOS 27.2.2014). Besorgniserregend bleiben die zahlreichen Berichte über sexuelle Gewalt, gezielte Tötungen von Journalisten und Gewalt gegen Kinder. Dabei bleibt die Straflosigkeit für Täter ein Problem, das der mangelnden Reichweite der Justiz und den schwachen Sicherheitsbehörden angelastet werden kann (UKFCO 10.4.2014). Viele Berichte über Menschenrechtsvergehen können aufgrund anhaltender militärischer Aktivitäten gar nicht erst überprüft werden (UNOCHA 19.9.2014).

Überall dort, wo AMISOM über eine permanente Präsenz verfügt, ist die Menschenrechtslage wesentlich besser als in den anderen Gebieten Süd-/Zentralsomalias (EASO 8.2014).

Im Zuge ihrer Auslegung der Scharia kommt es auf dem Gebiet der al Shabaab zur Verweigerung mehrerer bürgerlicher Freiheiten, z.B. von Meinungs-, Bewegungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit (EASO 8.2014; vgl. USDOS 27.2.2014). Die Bevölkerung in jenen Gebieten, die unter Kontrolle der al Shabaab stehen, sind willkürlicher Rechtsprechung und der massiven Einschränkung ihrer Grundrechte ausgesetzt (UKFCO 10.4.2014; vgl. HRW 21.1.2014).

Die Menschenrechtslage unter al Shabaab hat sich Stück für Stück verschlechtert (EASO 8.2014). Al Shabaab begeht Morde, lässt Personen verschwinden, begeht Vergewaltigungen und vollzieht unmenschliche und grausame Bestrafungen (USDOS 27.2.2014). Aus jenen Gebieten, über welche die Gruppe unumstrittene Kontrolle ausübt, kommen weniger Berichte über gezielter Gewalt gegen Zivilisten als aus umstrittenen Gebieten. Dort wo al Shabaab unter Zugzwang steht, kommt es zu einer höheren Anzahl an Verhaftungen, zu einem höheren Maß an Gewalt (EASO 8.2014) und zu einer höheren Zahl an Exekutionen - vor allem aufgrund von vorgeblicher Spionage (EASO 8.2014; vgl. HRW 21.1.2014). Al Shabaab hat seine Angriffe auf prominente zivile Ziele in Mogadischu verstärkt (HRW 21.1.2014).

Es kommt seitens al Shabaab zur Zwangsrekrutierung von Kindern und Erwachsenen und zum Einsatz von Kindersoldaten (USDOS 27.2.2014; vgl. HRW 21.1.2014).

Quellen:

7. Meinungs- und Pressefreiheit

Die Übergangsverfassung sieht Meinungs- und Pressefreiheit vor. Einzelne Staatsbürger können in den von der somalischen Regierung kontrollierten Gebieten die Regierung auch kritisieren. Allerdings sind Journalisten in allen Regionen der Gewalt, Einschüchterung und Verhaftung ausgesetzt. Sie üben Selbstzensur, um Repressalien zu entgehen (USDOS 27.2.2014). Somalia bleibt einer der gefährlichsten Länder für Journalisten. Mindestens sechs Journalisten wurden im Jahr 2013 getötet, andere belästigt und drangsaliert. Von den 18 Fällen ermordeter Journalisten aus dem Jahr 2012 führte nur ein Fall zu einer Anklage, Straflosigkeit herrscht vor (UKFCO 10.4.2014; vgl. HRW 21.1.2014).

Al Shabaab hat Journalisten immer schon im Visier gehabt. Es kommt immer wieder zu Drohungen gegen Journalisten, die manchmal in Attentaten resultieren (USDOS 27.2.2014). Al Shabaab erachtet Journalisten als Feinde und will keine Zeugen der eigenen Gewalt. Mitarbeiter von mit der Regierung in Zusammenhang stehenden Medien sind dem Risiko eines Attentats ausgesetzt. Al Shabaab bedroht Journalisten, die nicht positiv über die Aktivitäten der Gruppe berichten. Außerdem hat al Shabaab Journalisten verboten, über Dinge zu berichten, welche ihrer Interpretation der Scharia widersprechen (EASO 8.2014). Aber auch die Regierung hat Probleme mit objektiver Berichterstattung (RSF 2.2014). So wurden im Oktober 2013 zwei Medienzentren des Shabelle Media Networks (SMN) geschlossen. SMN führt die Schließung auf seine Berichterstattung bezüglich Korruption in der Regierung zurück (USDOS 27.2.2014). Auf dem Index der NGO Reporter ohne Grenzen belegt Somalia Rang 176 von 180 Staaten (RSF 2.2014).

Es gibt nur mehr wenige Printmedien, in größeren Städten werden kopierte Ausgaben von unabhängigen und regierungseigenen Blättern verteilt. In einigen dieser Zeitungen wurden politische Führer und andere Prominente offen kritisiert. Die meisten Bürger beziehen ihre Informationen allerding von ausländischen Radiosendern, v.a. von BBC und Voice of America. Es gibt auch mehrere Radiostationen in Somalia (USDOS 27.2.2014), davon alleine 26 in der Region Benadir. Außerdem gibt es in Süd-/Zentralsomalia einen staatlichen TV-Sender und mehrere private TV-Stationen (EASO 8.2014).

Der Gebrauch von Mobiltelefonen ist in Somalia weit verbreitet, vor allem seit es mobiles Internet und mobile Zahlungsmöglichkeiten gibt (letztere werden etwa auf Märkten, für Taxis oder in Geschäften verwendet). Es wird geschätzt, dass fast jeder Somali Zugang zu einem Mobiltelefon hat - sei es als Besitzer (2013: 72,4 Prozent) oder als Verwandter eines Besitzers (EASO 8.2014).

Al Shabaab hat Smart-Phones mit Kamera und Internetzugang verboten (Sabahi 14.11.2013). Auch das Hören westlicher Radiosender (BBC, Voice of America) ist verboten worden (EASO 8.2014). Im Jänner 2014 hat al Shabaab aus Angst vor Spionage auf seinem ganzen Gebiet den Zugriff auf das Internet verboten. Daraufhin hat die Firma Hormuud Telecom ihre 3G-Netze in ganz Somalia zurückgefahren; dies gilt auch für von der somalischen Regierung kontrollierte Gebiete (UNSC 28.2.2014; vgl. EASO 8.2014).

In Puntland muss mit Konsequenzen gerechnet werden, wenn man offene Kritik an Korruption oder mit Bezug auf sicherheitsrelevante Probleme übt. Es gibt dort sechs unabhängige Radiostationen. Im April 2013 ordnete die Regierung in Puntland die Schließung von drei Radiostationen an. Im Jahr 2013 kam es außerdem zur Inhaftierung von Journalisten (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

8. Religionsfreiheit

8.1. Religiöse Gruppen

Die große Mehrheit der Bevölkerung ist sunnitischen Glaubens (USDOS 28.7.2014; vgl. EASO 8.2014). Gleichzeitig ist die große Mehrheit der Bevölkerung Anhänger der Sufi-Tradition (EASO 8.2014).

Von prominenten politischen Führern geleitete, konservative salafistische Gruppen sind verbreitet. Berichten zufolge gibt es in Somalia eine kleine, sich bedeckt haltende christliche Gemeinde und eine kleine Zahl von Anhängern anderer Religionen (USDOS 28.7.2014).

Quellen:

9. (Ethnische) Minderheiten und Clanstruktur

Die somalische Bevölkerung ist nur auf den ersten Blick homogen. Tatsächlich bilden die Clans eine Art Sub-Ethnizität. Die Clans bilden auch die Grundlage der Identität eines Somali, jeder kennt normalerweise seine exakte Position im Clansystem. Dies gilt auch für die urbanisierte Bevölkerung. Wenn Somali ihre Herkunft beschreiben fangen sie meist bei sich selbst an und steigen dann die hierarchischen Ebenen des Systems bis zur Clanfamilie hinauf. Diese Aufzählung wird abtirsiimo oder abtirsiin genannt, und Kinder im Alter von acht oder neun Jahren können diese üblicherweise auswendig (EASO 8.2014).

Dabei gelten als Haupt-Clanfamilien die traditionell nomadischen Darod, Dir, Hawiye und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Diese Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene der Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe, die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt. Diese Gruppe sorgt aber traditionell auch für die Unterstützung von Angehörigen in schwierigen (finanziellen) Situationen. Nur in Mogadischu ist das System soweit erodiert, dass nicht mehr die mag/diya-Gruppe für Unterstützung sorgt, sondern lediglich die Kernfamilie (EASO 8.2014).

Die Clans sind politische Akteure, die normalerweise über eigenes Territorium verfügen. Traditionelle Verträge (xeer) werden meist zwischen Mag/Diya zahlenden Gruppen abgeschlossen. Allerdings ist das Clansystem - wie erwähnt - keine exakte Wissenschaft, Koalitionen und Abgrenzungen - auch geographische - sind nur schwer zu erfassen oder gar nicht genau definiert (EASO 8.2014).

Das Clansystem ist dynamisch und komplex. Aufgrund des Bürgerkrieges und damit verbundener Wanderbewegungen aber auch aufgrund des Bevölkerungswachstums waren nach 1991 zunehmende Fluktuationen zu verzeichnen. Aufzeichnungen von Genealogien sind umstritten (EASO 8.2014).

* Die Darod unterteilen sich in die großen Gruppen Ogadeni (Äthiopien und Jubba-Regionen), Marehan (Süd-/Zentralsomalia) und Harti. Letztere sind eine Föderation aus Majerteen (Hauptclan in Puntland), Dulbahante und Warsangeli (Regionen Sool und Sanaag).

* Die Hawiye leben vor allem in Süd-/Zentralsomalia, die wichtigsten Subclans sind Abgaal und Habr Gedir.

* Die Dir finden sich im westlichen Somaliland und in einigen Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Ihre Hauptclans sind Issa und Gadabursi (beide Somaliland) und Biyomaal (Südsomalia).

* Die Isaaq sind der Hauptclan Somalilands.

* Die Digil und Mirifle/Rahanweyn leben in den fruchtbaren Tälern von Shabelle und Jubba und im Gebiet zwischen beiden Flüssen (v.a. Bay und Bakool) (EASO 8.2014).

Daneben finden sich in Somalia einige ethnische Minderheiten und ständische Berufskasten, die insgesamt zwischen 15 und 30 Prozent der Bevölkerung stellen (EASO 8.2014). Minderheitengruppen sind u.a. die Bantu (größte Gruppe), Benadiri, Reer Xamar, Bravanese, Swahili, Tumal, Yibir, Yaxar, Madhiban, Hawrarsame, Muse Dheryo, Faqayaqub und Gabooye (USDOS 27.2.2014). Minderheitenclans oder Berufskasten können mit großen Clans in eine Abhängigkeitsbeziehung (shegaat) treten und werden danach - in externen Belangen - als Teil des großen Clans erachtet. Langfristige Allianzen zwischen kleineren und größeren Clans werden gemäß dem traditionellen Recht (xeer) geschlossen. Beide Konstruktionen beinhalten auch den Schutz des kleineren Partners durch den größeren (EASO 8.2014).

Clanschutz bedeutet die Androhung von Gewalt im Falle einer Aggression gegen ein Mitglied durch einen Außenstehenden. Die Möglichkeit, diese Drohung aufrecht zu erhalten ist genauso essentiell wie die Möglichkeit, einem Racheakt durch gemeinschaftliche Zahlung von Kompensation (mag/diya) zu entgehen. Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. Der Clanschutz kommt aber auf einer sehr niedrigen Ebene der Clan-Hierarchie zur Anwendung. Es reicht also z.B. in Mogadischu nicht, den Hawiye anzugehören, um Clanschutz zu erhalten. Die Zugehörigkeit zu einem dominanten Sub(sub)clan der Hawiye in Mogadischu ist relevanter (EASO 8.2014).

Inwiefern Clanschutz heute noch funktioniert ist umstritten. Faktoren wie AMISOM, die Restauration staatlicher Sicherheitsbehörden oder al Shabaab haben den Schutz erodiert. Andererseits hat der Rückzug von al Shabaab sowie der Mangel an staatlicher Verwaltung in den ländlichen Gebieten den Clanschutz verstärkt. Das Ausmaß an Clanschutz variiert also regional und ist im Laufe der Zeit Änderungen unterworfen. In Somaliland und Puntland, wo relative Stabilität herrscht, ist der Clanschutz weniger relevant als in Süd-/Zentralsomalia. In Mogadischu hingegen sind Älteste zwar noch bei der Konfliktvermittlung involviert, jedoch gibt es kein Risiko mehr, aufgrund der Clanzugehörigkeit einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Nicht mehr die Clans, sondern AMISOM, Armee und Polizei sind für die Sicherheit verantwortlich. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Teile von Armee und Polizei nach wie vor großen Bezug zu ihren Herkunftsclans haben (EASO 8.2014).

Die linguistische Situation in Somalia ist relativ homogen. Neben der als Standard-Somali festgelegten nordöstlichen Varietät gibt es aber regionale Dialekte. Die Grenze nördlicher und südlicher Varietäten verläuft durch die Region Mudug. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Hauptvarietäten ist gut dokumentiert und kann generell mittels Sprachanalyse festgestellt werden. Auch feinere Unterscheidungen innerhalb der beiden Hauptvarietäten sind möglich (EASO 8.2014).

Somali selbst unterscheiden oftmals zwischen Maxaa-tiri, einer Sammlung regionaler Varietäten, die generell verstanden werden, und Maay-tiri, den regionalen Dialekten in den Regionen Bay, Bakool, Gedo, Middle Jubba und Lower Shabelle (EASO 8.2014).

Daneben gibt es bestimmte Minderheiten, die andere Sprachen sprechen: Swahili (Kibajuni, Chimwiini), Oromo (z.B. af-Garre) oder Mushunguli. Generell kann aufgrund der Dominanz der somalischen Sprache aber davon ausgegangen werden, dass auch Sprecher einer Minderheitensprache über Sprachkenntnisse in Somali verfügen (EASO 8.2014).

Quellen:

9.1. Minderheiten und kleine Clan-Gruppen

Es gibt unterschiedliche Kategorien von Minderheiten: ethnische und religiöse sowie jene, die als Berufskasten bezeichnet werden. Ethnische und religiöse Minderheiten haben einen unterschiedlichen kulturellen und/oder sprachlichen Hintergrund als die Somali der großen Clans. Die Berufskasten haben den gleichen Hintergrund wie die Clans, praktizieren jedoch spezifische Berufe (EASO 8.2014).

Außerdem sind auch Angehörige von somalischen Clans dann als Minderheit zu qualifizieren, wenn sie in einem Gebiet leben, das mehrheitlich von einem anderen Clan bewohnt ist (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein (EASO 8.2014). Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).

Die Berufskasten unterscheiden sich kulturell und linguistisch nicht von den Hauptclans, werden aber aufgrund von z.B. Berufen, die als unislamisch bezeichnet werden, als unrein erachtet. Sie werden unter den Oberbegriffen Waable, Sab, Midgaan oder Madhibaan zusammengefasst. Sie bilden die niedrigste Ebene der somalischen Gesellschaft; ihr Anteil wird auf rund ein Prozent der Gesamtbevölkerung geschätzt. Die Berufskasten sind in unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Namen in ganz Somalia zu finden. Klassische Berufe sind: Friseur, Schmied, Metallverarbeitung, Gerber, Schuster, Töpfer und Tischler; außerdem betätigen sich die Waable in der Jägerei, Viehzucht und Landwirtschaft sowie als Beschneiderinnen und als Hebammen. Im Zuge der Urbanisierung nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die Waable in den Städten auch neue Arbeitszweige für sich erschließen (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010).

Die wichtigsten Gruppen sind:

* Midgaan (Madhibaan, Gabooye; dieser Name wird tw. auch für alle Waable als Oberbegriff verwendet): Jäger, Gerber, Lederverarbeitung, Schuster und andere Berufe; Verbreitung: ganz Somalia (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010)

* Tumaal: ursprünglich Schmiede, jetzt auch in anderen Berufen zu finden. Verbreitung: Nord- und Zentralsomalia sowie Städte im südlichen Somalia (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010)

* Yibir: Ihnen werden jüdischer Hintergrund und magische Kräfte nachgesagt. Verbreitung: Nord- und Zentralsomalia sowie Städte im südlichen Somalia (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010)

Kleinere Gruppen der Waable sind die Galgale, Gaheyle, Yahhar, Jaaji, Musa Dheryo, Guuleed Hadde, Hawr Warsame, Habar Yaqub, Madgal und Warabeeye. Auch die Boni und Eyle werden manchmal den Waable zugerechnet. Einige der Berufskasten haben ein ähnliches Clansystem wie die somalischen Hauptclans (EASO 8.2014).

Quellen:

9.2. Ethnische Minderheiten

Ethnische Minderheiten entstammen v.a. den Bevölkerungen Ost- und Zentralafrikas sowie der arabischen Halbinsel. Einige Minderheiten sind mit somalischen Clans oder Sub-Clans assoziiert, manche werden sogar als Teil somalischer Clans erachtet (EASO 8.2014).

Die größte ethnische Minderheit stellen die Bantu (Jareer). Die Bantu leben traditionell als Bauern in und zwischen den fruchtbaren Flusstälern von Shabelle und Jubba. Gosha, Makane, Kabole, Shiidle, Reer Shabelle, Mushunguli und Gobaweyne sind Namen, die den unterschiedlichen Bantu-Gruppen zugeschrieben werden. Manche der Gosha wurden in den Clan der Digil/Mirifle assimiliert. Viele Bantu sprechen Somali (Maay-tiri), manche - etwa Gosha und Mushunguli - pflegen eigene Bantusprachen (EASO 8.2014).

Der Begriff Benadiri umfasst mehrere miteinander nicht verwandte Minderheiten in Küstenstädten wie Merka, Baraawe und Mogadischu. Sie sind ethnisch gemischt und haben neben Somali auch Araber, Inder, Perser oder Portugiesen als Vorfahren. Die großen Untergruppen der Benadiri sind die Reer Xamar, Shangaani, Reer Merka und Barawani. Teile der Barawani erachten sich als Angehörige der Digil/Mirifle Tunni. Die Benadiri sprechen Somali und eigene somalische Dialekte; die Barawani einen Suaheli-Dialekt namens Chimini. Aufgrund ihres Status' als Händler waren die Benadiri vor 1991 privilegiert, danach waren sie schutzlos dem Bürgerkrieg ausgeliefert. Viele flohen nach Kenia (EASO 8.2014).

Die Bajuni sind eine Fischerkultur der dem äußersten Süden Somalias vorgelagerten Bajuni-Inseln. Sie sprechen den Suaheli-Dialekt Kibajuni. Eine andere kleine ethnische Minderheit sind die Xamar Hindi (Abkommen indischer Händler) (EASO 8.2014).

Quellen:

10. Bewegungsfreiheit

Die Übergangsverfassung schützt das Recht auf Bewegungsfreiheit im Land und das Recht zur Ausreise. Diese Rechte wurden in einigen Landesteilen eingeschränkt (USDOS 27.2.2014). Reisefreiheit ist im Prinzip gegeben, wobei sich Einschränkungen durch die jeweiligen Machthaber - Al Shabaab, Kriegsherren, lokale Administrationen - sowie durch Kampfhandlungen (etwa die im Berichtszeitraum laufende AMISOM-Initiative) in bestimmten Gebieten ergeben können (ÖB 10.2014). Auf den Hauptmigrations- und Transitrouten werden Reisende an Straßensperren aufgehalten. Es müssen Weggelder bezahlt werden (EASO 8.2014; vgl. RMMS 2014). Es kommt an Straßensperren aber auch zu Gewalt, Bedrohung und Plünderung (USDOS 27.2.2014). Daher benutzen immer mehr Menschen die Flugverbindungen, um z.B. von Mogadischu nach Berbera oder Hargeysa zu gelangen (EASO 8.2014; vgl. RMMS 2014).

Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen mit Sicherheit. Üblicherweise genießen Somalis den Schutz ihres eigenen Clans, d.h. in dessen Gebiet sind sie grundsätzlich in Sicherheit (ÖB 10.2014).

In Mogadischu herrscht generell Bewegungsfreiheit; es gibt diesbezüglich keine Clan-spezifischen Einschränkungen (LIDIS 3.2014). Es gibt zwar noch Checkpoints, diese scheinen aber kein Problem darzustellen. Gemäß den Angaben lokaler NGO-Vertreterinnen können sich Frauen frei in der Stadt bewegen. Eine Ausnahme ist der Bakara-Markt. Die Menschen bewegen sich frei in der Stadt, vermeiden jedoch Gebiete, die als unsicher bekannt sind. Die vorübergehende Zunahme an Anschlägen durch al Shabaab im Frühjahr 2014 hatte insofern einen Einfluss auf die Bewegungsfreiheit der Bewohner, als Geschäfte und Büros früher schlossen und sich die Menschen unsicherer fühlten (EASO 8.2014).

Im ganzen Land gibt es nur 2.900 Kilometer asphaltierter Straßen. In den Regenzeiten sind manche ländliche Gebiete mit Motorfahrzeugen unerreichbar. Es gibt keine Eisenbahn. Sechs Flughäfen verfügen über asphaltierte Landbahnen, z.B. Bossaso (Puntland), Kismayo (Jubbaland) und Mogadischu. Regelmäßige Flugverbindungen bestehen von Mogadischu in den Jemen und die Vereinten Arabischen Emirate; nach Dschibuti, Somaliland, Uganda, Kenia und Puntland; nach Saudi Arabien, in den Sudan und in die Türkei; sowie nach Kismayo. Mogadischu findet sich im Flugplan von Turkish Airlines und Air Uganda (EASO 8.2014).

Die Staatsgrenzen Somalias sind kaum kontrollierbar. Die dort überwiegend lebenden Nomaden ziehen in ihren angestammten Weidegebieten - die auch weite Teile Kenias, Äthiopiens und Dschibutis umfassen - umher und überschreiten dabei Staatsgrenzen. Aber auch auf dem Luft- (Kleinflugzeuge) und dem Seewege (u.a. traditionelle arabische Dhaus) erreichen Somalis vergleichsweise einfach Nachbarländer. Kontrollen werden bei Ausreise auf dem Landweg (vor allem Richtung Kenia) mangels funktionierender Staatsgewalt im Süden des Landes kaum oder gar nicht vorgenommen. Auch an der tausende Kilometer langen somalischen Küste findet keine effektive Ausreisekontrolle statt (E 6.2013).

Da al Shabaab überall Spione vermutet, kann jede Reisebewegung einen Verdacht auslösen - vor allem wenn es sich um eine Reise zwischen einem von der al Shabaab und einem von der somalischen Regierung kontrollierten Gebiet handelt (EASO 8.2014). In den Gebieten der al Shabaab muss eine Reiseerlaubnis der Islamisten eingeholt werden (NOAS 4.2014). Auf der Straße von Mogadischu über Baidoa nach Luuq kommt es immer wieder zu Zwischenfällen mit al Shabaab. Dies gilt insbesondere für den Abschnitt von Afgooye nach Baidoa. Auch andere Straßen im Umkreis von Afgooye sind von illegalen Checkpoints und damit in Zusammenhang stehenden Auseinandersetzungen gezeichnet (EASO 8.2014). Kurz vor der Durchfahrt von Versorgungskonvois werden Straßen durch AMISOM "gesäubert". Doch nach deren Passage bleiben die Routen wieder sich selbst überlassen (B 10.2014).

Relativ sichere Gebiete sind weiterhin Puntland und v.a. Somaliland (mit Ausnahme des Grenzgebietes zu Puntland), wo sich Angehörige aller Clans relativ frei bewegen können (ÖB 10.2014).

Quellen:

11. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Im Juli 2014 gab es in Süd-/Zentralsomalia rund 964.000 IDPs. Viele von ihnen leben unter harten Bedingungen und sind dem Risiko schwerer Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Dies betrifft speziell Frauen und unbegleitete Kinder (EASO 8.2014). IDP-Lager sind generell unsicher, es mangelt an Schutz durch die Polizei. Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt sind weit verbreitet. Außerdem kommt es in IDP-Lagern zu Rekrutierungen (EASO 8.2014; UNHRC 4.9.2014). Zehntausende IDPs in Mogadischu sind noch immer der Vergewaltigung und Diskriminierung aufgrund der Clanzugehörigkeit ausgesetzt. Täter sind Regierungstruppen, alliierte Milizen und Privatpersonen (HRW 21.1.2014). Schlussendlich wurden in IDP-Lagern in somalischen Städten mit 18,9 Prozent die höchsten und gleichzeitig alarmierenden Raten an akuter Unterernährung festgestellt. Dies galt für Lager in Dhobley, Doolow, Dhusamareeb, Garoowe, Galkacyo, Kismayo und Mogadischu (UNSG 25.9.2014).

In Mogadischu kommt es nach wie vor zur Delogierung von IDPs. In den ersten acht Monaten des Jahres 2014 waren davon mehr als 23.000 IDPs betroffen (UNOCHA 19.9.2014). Im Jahr 2013 waren es 17.200 IDPs. Für die neuerlich Vertriebenen gibt es kaum alternative Ansiedlungsmöglichkeiten (EASO 8.2014).

UNHCR unterstützt weiterhin die Rückkehr von IDPs aus Mogadischu (USDOS 27.2.2014). Das sogenannte Return Consortium, bestehend aus mehreren NGOs und humanitären Organisationen, hat bereits 40.000 Personen bei ihrer Rückkehr aus Mogadischu in ihre angestammte Heimat in Bay, Lower und Middle Shabelle unterstützt. Zur Verfügung gestellt werden Transport, Unterkunftspakete, Lebensunterhaltspakete, Geld für Nahrungsmittel und wichtige Haushaltsgegenstände. Diese Unterstützung soll die Versorgung für mindestens drei Monate gewährleisten. Für gefährdete Personen/Haushalte gibt es spezielle Pakete (EASO 8.2014). Für das Jahr 2014 plant UNHCR die Unterstützung von 15.000 freiwilligen Rückkehrern (UNHCR 4.2014). Außerdem möchte das Return Consortium seine Aktivitäten von IDPs auch auf rückkehrende Flüchtlinge ausdehnen (LIDIS 3.2014).

Allerdings werden die Maßnahmen von den Offensiven durch AMISOM und somalische Armee beeinträchtigt. Im Zuge der Offensiven kommt es außerdem zur weiteren Vertreibung von Menschen, dies aber meist vorübergehend und kleinflächig. Betroffen sind Bakool, Galgaduud, Hiiraan sowie Lower und Middle Shabelle (EASO 8.2014; vgl. UNOCHA 19.9.2014). Problematisch erweist sich außerdem, dass die Verfügbarkeit von landwirtschaftlich nutzbarer Fläche am Rückkehrort oft durch neue Besitzverhältnisse nicht gegeben ist (EASO 8.2014). Außerdem stören die Aktivitäten der al Shabaab entlang der Hauptrouten die Sicherheit rückkehrender IDPs bzw. deren wirtschaftlichen Aktivitäten (z.B. das Erreichen von Märkten in Städten (AI 19.2.2014; vgl. EASO 8.2014).

Relativ sichere Gebiete sind weiterhin Puntland und v.a. Somaliland (mit Ausnahme des Grenzgebietes zu Puntland), wo sich Angehörige aller Clans relativ frei bewegen können (ÖB 10.2014). In Puntland lässt die Verwaltung den IDPs etwas an Schutz und Unterstützung zukommen (USDOS 27.2.2014). Die Situation von IDPs in Puntland wird von mehreren NGOs als durchaus positiv beschrieben (können geregelter Tätigkeit nachgehen usw). Allerdings ist die Aufnahmefähigkeit für Binnenvertriebene begrenzt und wie auch sonst überall besteht für die Flüchtlinge keine Grundversorgung, außer jener, die durch internationale Organisationen gewährleistet wird (ÖB 10.2014).

Quellen:

12. Grundversorgung/Wirtschaft

Auf dem Human Development Index rangiert Somalia auf den letzten fünf Plätzen (WB 7.4.2014). Somalia gehört damit zu den ärmsten Ländern der Erde. Der langjährige Bürgerkrieg sowie häufige Dürre- und Flutkatastrophen führen dazu, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung unter chronischem Mangel an ausreichender Versorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und medizinischer Versorgung leidet. Bei den gängigen Indikatoren zur Messung der wirtschaftlichen Entwicklung liegt Somalia zumeist auf den letzten Plätzen:

Bruttosozialprodukt, Lebenserwartung, Müttersterblichkeit, Kindersterblichkeit. Das Land ist seit Jahrzehnten auf Nothilfemaßnahmen aus dem Ausland angewiesen und ist der größte Empfänger von Nahrungsmittelhilfe weltweit (AA 3.2014a).

In den Jahren 2010-2012 starben fast 260.000 Menschen aufgrund einer Hungersnot. (EASO 8.2014). Zu Anfang des Jahres 2014 war die Zahl an Personen, die nicht in der Lage waren, ohne Nahrungsmittelunterstützung zu überleben, auf 860.000 zurückgegangen. Weitere zwei Millionen Menschen befanden sich an der Grenze zur Nahrungsmittelunsicherheit (UNSC 28.2.2014). Die Versorgungslage ist aber anhaltend schlecht (ÖB 10.2014) und Mitte 2014 ist die Zahl der akut von Nahrungsmittelnot betroffenen Personen wieder auf über eine Million angestiegen. Schlechte Regenfälle haben zur Nahrungsmittelunsicherheit beigetragen. Stark betroffen sind die Regionen Bakool, Benadir, Bari, Galgaduud, Gedo, Hiiraan, Lower und Middle Shabelle, Middle Jubba, Nugaal und der Süden von Mudug. Rund 62 Prozent der Betroffenen sind IDPs. Rund 218.000 Kinder sind akut unterernährt, 43.800 davon befinden sich in unmittelbarer Lebensgefahr. Die Gesamtsituation ähnelt jener vor der großen Hungersnot und die Gefahr einer Wiederholung besteht (UNOCHA 19.9.2014). In der Region Gedo sind 70 Prozent der Bevölkerung von der Dürre betroffen. In den Bezirken Baardheere, Ceel Waaq, Doolow und Luuq müssen Teile der Bevölkerung durch Lastwägen mit Trinkwasser versorgt werden. Andererseits sind die Prognosen für die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) gut (UNOCHA 17.10.2014).

Die Unterstützung des World Food Programme erreichte Anfang 2014 pro Monat rund 800.000 Personen (UNSC 28.2.2014). Auf dem Gebiet der al Shabaab sind humanitäre Organisationen allerdings schweren Restriktionen ausgesetzt. Außerdem kommt es dort zu Übergriffen auf ihr Personal (EASO 8.2014). Außerdem ist der Transport humanitärer Güter von Straßensperren, Checkpoints und anhaltenden Feindseligkeiten entlang der Hauptstraßen eingeschränkt. Lebensnotwendige Fracht wird mittlerweile aber auch mit dem Flugzeug verteilt (UNOCHA 19.9.2014).

In durch AMISOM und die somalische Regierung neu eroberten Städten hat sich die Versorgungssituation nicht wesentlich verbessert, weil al Shabaab Versorgungsrouten bedroht oder sogar kontrolliert. Die humanitäre Lage in derart abgeschnittenen Städten kann sich weiter verschlechtern (EASO 8.2014; vgl. UNOCHA 24.4.2014; vgl. UNOCHA 21.3.2014). Besonders betroffen sind Xudur, Waajid und Buulo Barde (UNOCHA 19.9.2014).

Mit dem Zusammenbruch des Staates sind alle Sozialdienste - z.B. Gesundheitsversorgung, Arbeitssuche, Armutsbekämpfung - praktisch "privatisiert" worden. Das einzige soziale Sicherheitsnetz, das verblieben ist, sind die Familie und der Clan (BS 2014).

Entwicklungs- und humanitäre Hilfe sowie Geldflüsse aus der Diaspora sind Hauptpfeiler des BIP. Alleine die Überweisungen aus dem Ausland betragen 35 Prozent des BIP (WB 7.4.2014). Außerdem ist Somalia der größte Exporteur von Lebendvieh (hauptsächlich Kamele und Schafe) auf die arabische Halbinsel (AA 3.2014a). Die Viehwirtschaft bietet rund 60 Prozent der somalischen Arbeitsplätze und stellt 40 Prozent des BIP (WB 7.4.2014). Einzige weitere nennenswerte Exportgüter sind Bananen und Datteln. Der Export von Holzkohle ist vom UN-Sicherheitsrat mittlerweile untersagt worden (AA 3.2014a). Die EU ist nach wie vor einer der größten Geber. Seit Jahren stellt sie umfangreiche Mittel für den Wiederaufbau und die Förderung innersomalischer Versöhnungs- und Friedensbemühungen sowie für AMISOM bereit (AA 3.2014b).

Mogadischu selbst verfügt über internationale Anbindungen und eine große Zahl an Märkten. Es gibt einen florierenden Dienstleistungssektor (z.B. Wechselgeschäfte, Geldtransfers, Telekommunikation). Seit dem Jahr 2012 wurden die Wiederaufbauaktivitäten in der Stadt beschleunigt. Es gibt neue Hotels, Restaurants und Geschäfte; viele Rückkehrer haben in Mogadischu Betriebe eröffnet. Auch Straßenbeleuchtung und Müllentsorgung wurden reaktiviert (EASO 8.2014; vgl. BS 2014). Neben den Bauaktivitäten gibt es auch vermehrt Taxiunternehmen, Busunternehmen, Reinigungen, Elektronikhändler etc. und die damit verbundenen Arbeitsmöglichkeiten. Rückkehrer haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu wahrscheinlich Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist (UKUT 3.10.2014).

Ein Hafenarbeiter in Kismayo verdiente im Jahr 2013 durchschnittlich 1-2 US-Dollar (50.000-100.000 SoSh) am Tag. Mehr als 43 Prozent aller Somali leben von weniger als einem US-Dollar pro Tag (EASO 8.2014).

In den Gebieten der al Shabaab hebt die Gruppe teils hohe Steuern (zakat) bei Bauern und Nomaden ein. Dies bedroht die Nahrungsmittelversorgung und lässt Menschen aus diesen Gebieten fliehen (EASO 8.2014).

In Puntland überleben mehr Mütter Schwangerschaft und Geburt, mehr Kinder gehen zur Schule, mehr Menschen haben Zugang zu Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Der Handel über den Seehafen Bossaso und die wirtschaftliche Betätigung insgesamt haben einen spürbaren Aufschwung genommen, der jedoch bislang fast ausschließlich der dort lebenden Stadtbevölkerung zu Gute kommt (AA 3.2014a).

Nach einer schweren Umweltkatastrophe Ende des Jahres 2013 gelang es dem WFP und anderen UN-Agenturen den Betroffenen in Puntland Unterstützung zukommen zu lassen (UNSC 28.2.2014).

Quellen:

13. Rückkehr

Für Reisende nach Somalia fehlt es im Falle einer (sei es gesundheitlichen, sei es kriminalitätsbedingten) Notlage weitgehend an funktionierenden staatlichen Stellen, die Hilfe leisten könnten (AA 11.9.2014).

Trotzdem ist die Rückkehr von somalischen Flüchtlingen nach Somalia im Berichtszeitraum eine Tatsache (ÖB 10.2014). Nach der Einnahme von Mogadischu und anderen Städten sind viele somalische Flüchtlinge aber auch IDPs permanent oder temporär in ihre Heimat zurückgekehrt. Viele der im Jahr 2013 nach Mogadischu zurückgekehrten gehören zu den wohlhabenderen Teilen der Gesellschaft und verfügen oft über einen Aufenthaltstitel in anderen Staaten, den sie im Notfall in Anspruch nehmen können (EASO 8.2014).

Al Shabaab könnte bei Rückkehrern aus dem Westen den Verdacht hegen, dass diese für die somalische Regierung oder deren Alliierte spionieren. Die Rückkehrer vermeiden es üblicherweise, in von der al Shabaab kontrollierte Gebiete zurückzukehren - selbst wenn dort ihr Clan beheimatet ist (EASO 8.2014). Rückkehrer aus der Diaspora können ein erhöhtes Risiko eines Attentates durch al Shabaab aufweisen, wenn sie sichtlich erkennbar sind (LIDIS 3.2014).

Der UNHCR geht davon aus, dass es in Mogadischu sehr schwer ist, ohne ein entsprechendes Unterstützungsnetzwerk zu überleben. Wenn der eigene Clan oder die Kernfamilie im Wohnbezirk nicht etabliert sind, werden sich Neuankömmlinge in einer prekären Situation wiederfinden (EASO 8.2014). Für den Lebenserhalt im wirtschaftlichen Sinne braucht es in erster Linie die Kernfamilie. Der größere Familienkreis wird den Lebenserhalt nur kurzfristig garantieren. Wenn eine Person nicht aus Mogadischu stammt, wird sie ausreichend Ressourcen benötigen, um sich dort niederzulassen. Bildung, erlernte Berufe und Kredite können ebenfalls eine Niederlassung bewerkstelligen. Außerdem gibt es lokale NGOs, die den Neuankömmlingen helfen können (EASO 8.2014; vgl. LIDIS 3.2014).

Mindestens 30.000 Personen sind im Jahr 2013 aus Kenia und Äthiopien kommend nach Somalia eingereist - viele davon aber nur temporär, z. B. zur Lageerkundung (EASO 8.2014). Im Rahmen eines Abkommens zwischen UNHCR, Kenia und Somalia plant UNHCR auch die Unterstützung von vorerst 10.000 Rückkehrern aus Kenia in die Bezirke Baidoa, Kismayo und Luuq (UNSG 3.3.2014). Bei allen Programmen geht es um freiwillige Rückkehr. Ausreichend gute Bedingungen für großangelegte Rückkehrprogramme sind gegenwärtig noch nicht gegeben (UNSG 2.12.2013; vgl. EASO 8.2014; ÖB 10.2014).

Zwangsrückführungen werden nur von sehr wenigen Ländern durchgeführt. Die meisten Betroffenen wurden aus Saudi Arabien deportiert (mehr als 34.000 Personen), das weder die Genfer Konvention ratifiziert hat, noch über ein Asylsystem verfügt. Einige Dutzend Personen wurden auch aus Kenia deportiert. IOM bietet den Ankömmlingen Unterstützung in Form von Repatriierung, medizinischer Betreuung, psycho-sozialer Unterstützung, Nahrung und Trinkwasser sowie Weitertransport an. Für gefährdete Personen gibt es auch Unterkunft und Schutz (EASO 8.2014).

Es ist bekannt, dass die Niederlande Zwangsrückführungen nach Somalia durchführen. Im Jahr 2013 betrug deren Anzahl weniger als fünf; ca. 50 freiwillige Rückkehrer wurden unterstützt (EASO 8.2014). Der UNHCR ruft dazu auf, von Zwangsrückführungen in jene Teile Süd-/Zentralsomalias Abstand zu nehmen, die von militärischen Aktivitäten und/oder anhaltender Vertreibung; von Fragilität und Unsicherheit nach kürzlich stattgefundenen militärischen Operationen; oder von anhaltender Kontrolle durch nicht-staatliche Gruppen betroffen sind (UNHCR 17.6.2014). Nach Somalia Rückgeführte sind nicht per se einem höheren Risiko ausgesetzt. Diese Feststellung wird durch fehlende negative Meldungen bezüglich der zahlreichen aus Saudi Arabien deportierten Personen unterstützt (UKUT 3.10.2014).

Quellen:

Frauen

2.2.1. Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia (November 2014)

14. "Frauen/Kinder

Die Übergangsverfassung sieht für Männer und Frauen die gleichen Rechte vor (USDOS 27.2.2014). Allerdings sind Frauen im Alltag nicht gleichgestellt und sie haben nicht die gleichen Rechte (EASO 8.2014; vgl. USDOS 27.2.2014). Es kommt zu systematischer Subordination (USDOS 27.2.2014). Gemäß dem traditionellen Recht bleibt sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt oft unbestraft. Frauen sind nicht in traditionelle Entscheidungsprozesse der Ältesten eingebunden und im traditionellen Recht (xeer) kommt ihnen kein Schutz bezüglich häuslicher Gewalt zu. Frauen, die über kein männliches Netzwerk verfügen und daher auch keinen Clanschutz erringen, sind vulnerabel und gefährdet - selbst in Mogadischu (EASO 8.2014).

Die politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsstrukturen werden von Männern dominiert. Frauen sind traditionell vielfach benachteiligt (E 6.2013). Dies gilt auch für den Rechtsbereich der Scharia, der von Männern verwaltet wird und in welchem oft im Interesse der Männer entschieden wird. Hinsichtlich Besitz und Erbschaft schränken traditionelle, gesellschaftliche und kulturelle Barrieren die Frauen in der Ausübung ihrer Rechte ein (USDOS 27.2.2014). Eine Frau wird im Clansystem grundsätzlich von einem Mann vertreten, der auch in ihrem Namen Entscheidungen trifft (MV 24.1.2014).

Im somalischen Parlament halten Frauen derzeit 14 Prozent aller Sitze (USDOS 27.2.2014).

Vergewaltigung ist strafbar, die Strafen betragen zwischen 5 und 15 Jahren Haft; Militärgerichte verhängen auch Todesurteile. Die Regierung setzt das Gesetz nicht effektiv durch (USDOS 27.2.2014). Es gibt zwar Anstrengungen der somalischen Regierung, gegen sexuelle Gewalt anzukämpfen; diese werden durch die vorherrschende Sicherheitslage allerdings eingeschränkt. Aufsehenerregende Fälle haben gezeigt, wie die Regierung mit Vergewaltigungsanzeigen umgeht (UKFCO 10.4.2014). Dies betraf z.B. den Fall einer Frau, die einem Journalisten hinsichtlich ihrer Vergewaltigung ein Interview gab. Beide wurden verhaftet. Auch nach Anzeigen von Vergewaltigungsopfern, die AMISOM-Soldaten als Täter identifizierten, wurden die Opfer schikaniert (HRW 21.1.2014; vgl. UKFCO 10.4.2014).

Weiterhin kommen aus ganz Somalia alarmierend viele Berichte über sexuelle Gewalt und Vergewaltigungen. Besonders betroffen sind IDPs (HRW 21.1.2014; vgl. UKFCO 10.4.2014, ÖB 10.2014) und Angehörige von Minderheitenclans. Im ersten Halbjahr 2013 wurden alleine in Mogadischu mehr als 800 Vergewaltigungen angezeigt. Die Armee hat zwar einige ihrer Angehörigen aufgrund von Vergewaltigungsvorwürfen festgenommen, Straflosigkeit bleibt aber die Norm (USDOS 27.2.2014). Für Opfer sexueller Gewalt ist es extrem schwierig, Gerechtigkeit zu erlangen. Viele Verbrechen werden der Polizei nicht gemeldet, weil die Opfer Stigmatisierung, neuerliche Misshandlungen, mangelnden Ermittlungswillen oder Anschuldigungen wegen Ehebruches befürchten (EASO 8.2014). Meist werden Vergewaltigungsfälle außerhalb formeller Strukturen abgehandelt (USDOS 27.2.2014). Von staatlichem Schutz kann daher nicht ausgegangen werden (ÖB 10.2014).

Vergewaltigung in der Ehe ist nicht sanktioniert. Häusliche Gewalt ist ein ernstes Problem (USDOS 27.2.2014). Für Vergewaltigungsopfer gibt es ein Frauenhaus des Elman Peace and Human Rights Centre in Mogadischu (MG 22.9.2014) und eines in Afgooye. Dort erhalten Frauen sechs Monate lang medizinische und psychosoziale Hilfe (MV 24.1.2014).

Polygamie und Ehescheidung sind erlaubt. Ehen werden vor dem lokalen Khadi-Gericht geschlossen und auch wieder aufgelöst (ÖB 10.2014). Die am meisten verbreitete Eheschließung ist jene der arrangierten Ehe. Diese bedarf der Zustimmung beider Partner sowie der Eltern bzw. des Vormundes. Allerdings ist es aufgrund des starken gesellschaftlichen Druckes äußerst unüblich, dass sich eine Tochter gegen den Willen ihres Vaters einer arrangierten Ehe widersetzt (LI 6.7.2012; vgl. EASO 8.2014). Daher kann der Unterschied zwischen arrangierter und Zwangsehe subtil sein (LI 6.7.2012). Wenn sich aber zwei Ehepartner finden, die kein Einverständnis ihrer Eltern haben, so gibt es die Möglichkeit des "Durchbrennens" mit folgender Eheschließung. Diese Form der geheimen Eheschließung wird zunehmend gebräuchlich - vor allem in jenen Gebieten, die nicht unter Kontrolle der al Shabaab stehen. Damit so eine Ehe Gültigkeit erlangt, müssen zwischen dem Wohnsitz des Brautvaters und dem Ort der Eheschließung 90-100 Kilometer Distanz liegen (AP 17.4.2013; vgl. EASO 8.2014).

Unverheiratete Frauen, die schwanger werden, sind der Stigmatisierung ausgesetzt. Als Resultat kann es zu häuslicher Gewalt oder zum Verstoß aus dem Clan kommen. Sogenannte Ehrenmorde kommen allerdings in Somalia nicht vor (MV 24.1.2014).

Al Shabaab zwangsrekrutiert bzw. entführt Frauen und Mädchen, um diese im Haushalt einzusetzen oder um sie zur Ehe zu zwingen. Manche Verschleppungen dauern nur kurze Zeit (zwei Tage bis zwei Wochen), andere - etwa im Fall der Zwangsehe - sind permanent (EASO 8.2014)."

(Seite 42f)

Quellen:

2.2.2. EASO, Country of Origin Information Report, South and Central Somalia, Country Overview, August 2014

Somalia sei einer der schlimmsten Orte der Welt für Frauen (178. Stelle). Während die vorläufige Verfassung gleiche Rechte von Männern und Frauen vorsähe, würden Frauen schwerwiegende Ungleichheiten und Diskriminierung erfahren. Nach traditionellem Somali Recht bleibe sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt häufig unbestraft.

Frauen außerhalb der von der Al Shabaab kontrollierten Gebiete verfügen über mehr Freiheit zu reisen, zu arbeiten und Auto zu fahren. (Seite 108)

Sexuelle Gewalt sei in Somalia eine alltägliche Tatsache für Frauen und Mädchen. Täter seien Regierungskräfte, Mitglieder der bewaffneten Opposition, Milizen und Private. Alle würden ohne Furcht vor Folgen agieren können. Alleinerziehende Frauen in IDP-Camps seien ganz besonders verletzlich. (Seite 109) Arrangierte Ehen seien die häufigste Form der Verheiratung. Eine Eheschließung zu verweigern, die der Vater arrangiert habe, sei sehr ungewöhnlich. (Seite 110)

2.2.3. United Kingdom Home Office: Country Information and Guidance, Somalia: Women fearing gender-based harm/violence, Februar 2015

(Online abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/publications/somalia-country-information-and-guidance )

Dieser Spezialbericht des britischen Home Office führt in der Zusammenfassung aus, dass Diskriminierung und sexuelle bzw. geschlechtliche Gewalt weit verbreitet bleiben. Frauen ohne Familie oder Unterstützung durch den Clan und IDP Frauen seien, abhängig von ihren konkreten Umständen, wahrscheinlich von einem maßgeblichen Risiko im Falle einer Rückkehr betroffen. In Süd- und Zentralsomalia (einschließlich Mogadischu) sei effektiver Schutz durch staatliche Akteure für Frauen, die sexuelle oder geschlechtliche Gewalt fürchten, nicht zugänglich. Jeder Fall müsse jedoch konkret untersucht werden. In manchen Fällen könnte eine interne Fluchtalternative nach Mogadischu angenommen werden. Frauen, die keine Unterstützung durch Clan oder Familie haben, keine Unterstützung aus dem Ausland erhalten oder keine echten Aussichten darauf haben, in Mogadischu einen Lebensunterhalt zu verdienen, würden sich mit entsprechender Wahrscheinlichkeit in der Situation wiederfinden, in IDP Lagern Unterkunft nehmen zu müssen, wo sie wiederum einem echten Risiko von geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt wären, und die Lebensumstände nicht akzeptablen humanitären Standards entsprechen würden. (Seite 8)

2.2.4. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: Ashraf, Merka,

Eheschließung, Scheidung, vom 09.01.2013:

Mit Verweis auf die Quelle Immigration and Refugee Board of Canada:

Somalia: The situation of women without male support, vom 17.11.2011, wird ausgeführt:

"Die Quellen weisen darauf hin, dass Zwangsehen in Somalia eine übliche Praktik bleiben (HBS 2008; SR 28.5.2011). Ein Artikel im Somalia Report besagt, dass Mädchen von ihren Eltern zur Ehe gezwungen werden, weil diese die Lebensqualität des Mädchens verbessern wollen und gleichzeitig den Eltern die Last genommen wird, sich um die Tochter zu kümmern (SR 28.5.2011). Der Artikel besagt weiters, dass junge Mädchen keine Möglichkeiten haben, sich Entscheidungen der Eltern zu widersetzen - auch nicht einer Heirat (SR 28.5.2011). Gemäß der Heinrich Böll Stiftung, können auch Clanführer auf Eheschließungen von Frauen ihres Clans Einfluss nehmen oder den Austausch von künftigen Ehefrauen mit anderen Clans arrangieren (HBS 2008). Zwangsehen kommen auch zwischen Opfern von Vergewaltigungen und den Tätern vor, da dies Straftat und andere sexuelle oder geschlechtsspezifische Gewalt von den Clans als Zivilstreitigkeiten erachtet werden, die im Rahmen von Kompensationsverhandlungen (UN 17.9.2009) oder eben Zwangsehen beigelegt werden können (UN 17.9.2009; UN 29.8.2011)." (Seite 15)

Genitalverstümmelung

Genitalverstümmelung wird in Somalia landesweit an fast allen Mädchen und jungen Frauen praktiziert, auch wenn in "Somaliland" und Puntland versucht wurde, diese Praxis einzuschränken. In der Regel erleiden dabei Mädchen im Alter von zehn bis 13 Jahren die Genitalverstümmelung in ihrer weitreichendsten Form (Typ III der WHO-Klassifizierung bzw. so genannte pharaonische Beschneidung/Infibulation, d.h. es findet eine Verengung der Vaginalöffnung mit Bildung eines deckenden Verschlusses statt, indem die kleinen und/oder die großen Schamlippen beschnitten und zusammengefügt werden, mit oder ohne Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris. Entsprechend verbreitet sind die hieraus resultierenden Gesundheitsprobleme der Betroffenen. Viele überleben die Verstümmelung nicht.

Quelle: Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

2. Beweiswürdigung:

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt nach Durchführung der mündlichen Verhandlung zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin keinen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft gemacht hat.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Genannte mit einem Visum nach Österreich eingereist ist, das ihr im Hinblick auf den Status ihres damals bereits im Bundesgebiet lebenden Vaters als subsidiär Schutzberechtigten erteilt wurde. Die Mutter der Beschwerdeführerin hat bei der Erstbefragung ausdrücklich ausgeschlossen, eigene Fluchtgründe zu haben und betonte -glaubhaft und nachvollziehbar -, wegen ihres Mannes und des gemeinsamen Lebens mit ihm nach Österreich gekommen zu sein. Nachdem dem Vater der Beschwerdeführerin mit Erkenntnis des BVwG die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten verwehrt worden war, brachte die Mutter der Beschwerdeführerin gegenüber dem Bundesamt plötzlich vor, selbst von "Terroristen" bedroht worden zu sein. Man habe ihr eine Zwangsehe mit einem Mitglied der Gruppe angedroht.

Auch das Bundesverwaltungsgericht kann sich nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht des Eindrucks verwehren, dass die Mutter der Beschwerdeführerin tatsächlich durch plötzliche Konstruktion eigener Fluchtgründe versuchte, ihren Status und jenen ihrer Töchter gegenüber der "bloßen" subsidiären Schutzgewährung zu verbessern. Dabei stellt das Bundesverwaltungsgericht gar nicht in Abrede, dass Frauen in Somalia zu Eheschließungen gezwungen bzw. Mädchen der Beschneidung zugeführt werden können.

Allgemein mögliche Vorkommnisse im Herkunftsstaat bedeuten aber nicht, dass die Antragsteller tatsächlich auch selbst davon betroffen sind.

Dass die Mutter der Beschwerdeführerin jedoch tatsächlich selbst Übergriffen durch Al Shabaab ausgesetzt war, erscheint nicht glaubwürdig. Ihre diesbezüglichen Angaben waren vage und wirkten unbeholfen und konstruiert.

Dass die Mutter der Beschwerdeführerin tatsächlich selbst Übergriffen durch Al Shabaab ausgesetzt war, erscheint nicht glaubwürdig. Ihre diesbezüglichen Angaben waren vage und wirkten unbeholfen und konstruiert. Während sie vor dem Bundesamt noch ohne nähere Spezifizierung von "Terroristen" sprach, bezeichnete sie die Männer, die sich mehrfach bedroht haben sollen, als Angehörige der Al Shabaab. Wie auch vor dem Bundesamt gab sie an, insgesamt vier Mal aufgesucht worden zu sein. Vor dem Hintergrund der bekanntlich brutalen und rücksichtslosen Vorgehensweise von Al Shabaab und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Mutter der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der angeblichen Bedrohung auf sich allein gestellt war (d.h. ohne männlichen Schutz), ist nicht glaubhaft, dass sie über mehrere Wochen hindurch, stets nur verbal bedroht worden ist und den Drohungen keinerlei Taten folgten.

Es wäre den Islamisten ein Leichtes gewesen, die Mutter der Beschwerdeführerin, welche zudem noch von auffällig zarter Statur ist, zu entführen, um sie der angedrohten Zwangsehe zuzuführen. Wenn sie behauptet, von den Genannten auch telefonisch am Handy bedroht worden zu sein, so ist einerseits festzuhalten, dass dies eine weitere Steigerung ihres Vorbringens darstellt. Andererseits ist nicht erklärlich, wie die Islamisten an ihre Handynummer gekommen sein sollen.

Als stärkstes Indiz gegen die angebliche Gefährdung der Mutter der Beschwerdeführerin durch die Islamisten spricht aber - wie auch bereits von der belangten Behörde zutreffend ausgeführt - das Zurücklassen des minderjährigen Sohnes in der Heimat. Dass dieser aufgrund seines Alters keinen Gefahren durch Al Shabaab -etwa in Form einer Zwangsrekrutierung - ausgesetzt wäre, kann nicht ohne Weiteres bestätigt werden. Schließlich wäre er gerade als auf sich allein gestellter Junge - im Sinne fehlenden Schutzes durch seine Familie - prädestiniert, Opfer der Radikalen zu werden, zumal er in Kürze auch nicht mehr als Kind, sondern als Jugendlicher gelten wird.

Ebenso wenig tauglich ist die in der Beschwerde abgegebene Erklärung, dass das Fortkommen der über sechzig Jahre alten Großmutter nur durch den Verbleib des Kindes gesichert wäre. Vielmehr ist hier wohl die Schutzfunktion dieser Frau gegenüber dem Buben gefordert und wohl nicht umgekehrt.

Die erstmals in der Beschwerde behauptete Gefahr einer Genitalverstümmelung der minderjährigen Beschwerdeführerin und ihrer Schwester wurde lediglich in den Raum gestellt.

Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass Mädchen in Somalia einer Beschneidungspraxis unterliegen können, konnte nicht festgestellt werden, dass die Kinder der Beschwerdeführerin konkret davon betroffen wären.

In diesem Zusammenhang äußerte sich die Mutter der Beschwerdeführerin gegenüber der erkennenden Richterin sogar explizit dahingehend, dass sowohl ihr Mann als auch sie gegen diese Praktiken wären, so dass nicht erkennbar ist, dass für die Töchter eine entsprechende Situation überhaupt entstehen würde. Eine staatliche oder dem Staat zurechenbare Verfolgung kann im Zusammenhang mit potentieller Beschneidung nicht angenommen werden.

Im Ergebnis vermögen die Ausführungen der Mutter der Beschwerdeführerin in Ermangelung von Glaubwürdigkeit keine Asylrelevanz zu entfalten. Soweit eine allgemeine, aus der prekären Sicherheits- und Menschenrechtslage resultierende Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK anzunehmen ist, wurde der Beschwerdeführerin bereits vom Bundesamt subsidiärer Schutz zuerkannt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und Verfahren:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 i. d.F. BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung."

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183, 18.02.1999, 98/20/0468).

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs.1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 leg.cit.)

Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Es sei weiters betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (VwGH vom 20.06.1990, Zl. 90/01/0041).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur erkannt, dass für die Glaubhaftmachung der Angaben des Fremden es erforderlich ist, dass er die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (vgl. VwGH 26.06.1997, 95/21/0294, 95/18/1291) und dass diese Gründe objektivierbar sind (vgl. VwGH 05.04.1995, 93/18/0289), wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. auch VwGH 23.01.1997, 95/20/30303, 0304). Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (s.a. VwGH 11.11.1991, 91/19/0143, 13.04.1988 86/01/0268). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Abs 1 Z 22 AsylG) eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§8 AsylG) zuerkannt worden ist oder eines Asylwerbers, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser Antrag auf Gewährung desselben Schutzes (§34 Abs 1 AsylG).

Gemäß § 34 Abs 3 AsylG hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser

1. nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist;

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurden, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 34 Abs 4 AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

Die Beschwerdeführerin konnte aus den in der Beweiswürdigung ausgeführten Gründen keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen, und diese ist auch im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt. Es ist folglich davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht besteht.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der Beschwerdeführerin, in ihrem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Da die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde letztlich lediglich von Fragen der Beweiswürdigung abhängig war, ist die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Entscheidend für die Nichtzulassung der Revision war, dass die angegebenen Verfolgungsgründe nicht glaubwürdig bzw. nicht asylrelevant waren, d.h. die Entscheidung nur von Tatfragen abhängig war. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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