BVwG W211 1432368-1

BVwGW211 1432368-128.7.2015

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
FlKonv Art.1 AbschnittA Z2
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
FlKonv Art.1 AbschnittA Z2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W211.1432368.1.00

 

Spruch:

W211 1432368-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Somalia, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am 25.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die beschwerdeführende Partei an, aus XXXX in Somalia zu stammen und verheiratet zu sein. In Somalia würden noch ihre Mutter, ihre Gattin, zwei Töchter und ein Sohn leben. Sie habe Somalia im April 2012 mit einem LKW von XXXX Richtung Nairobi in Kenia verlassen und sei über den Iran und die Türkei schließlich nach Griechenland gelangt. Somalia habe sie verlassen, weil sie dort keine Sicherheit oder Zukunft habe. Al Shabaab Rebellen würden von Leuten verlangen, dass sie Mitglieder der Organisation werden und ihnen folgen. Ansonsten habe sie keine Fluchtgründe. Sie fürchte, getötet zu werden, weil in ihrer Region die Al Shabaab Rebellen an der Macht seien. Sie selbst stehe hinter der Regierung.

3. Bei der Einvernahme der beschwerdeführenden Partei vor der belangten Behörde am 23.10.2012 gab sie ergänzend an, noch nie irgendwelche Ausweise oder Urkunden gehabt zu haben. Eine Heiratsurkunde habe sie zwar besessen, diese aber verloren. Die beschwerdeführende Partei habe im Jänner 2005 ihre jetzige Ehefrau geheiratet. Das Paar habe drei gemeinsame Kinder, zwei Töchter und einen Sohn. Sie habe mit ihrer Familie in ihrem Elternhaus im Dorf

XXXX gelebt, das zur Stadt Kismayo gehöre. Den letzten Kontakt mit ihrer Frau habe sie im Februar dieses Jahres gehabt. Damals habe die Familie nach wie vor im Haus gemeinsam mit der Mutter der beschwerdeführenden Partei gelebt. Somalia habe sie im April 2012 verlassen. Zwischen Februar und April 2012 sei sie im Gefängnis gewesen, und zwar insgesamt 24 Tage lang. Sie sei von Al Shabaab festgenommen worden, weil man ihr vorgeworfen habe, Spionage zu betreiben. Was ihr konkret vorgeworfen worden sei, wisse die beschwerdeführende Partei ehrlich gesagt gar nicht. Man habe ihr gegenüber nur gesagt, dass sie für die Regierung spionieren würde. Auf die Frage, ob sie für die Regierung spioniert habe, meinte sie, absolut nicht. Wie Al Shabaab auf den Gedanken gekommen sei, wisse sie nicht. Begründung habe sie keine bekommen. Eigentlich sei es so gewesen, dass man gewollt habe, dass die beschwerdeführende Partei für Al Shabaab arbeite. Das habe sie freiwillig nicht machen wollen, weshalb man sie mitgenommen habe. Das habe nicht nur sie betroffen, damals seien viele Personen von Al Shabaab aufgefordert worden, an deren Seite zu kämpfen. Es haben sich damals viele Personen wie sie in Haft gefunden. Es sei eigentlich ein reiner Zufall gewesen, dass die beschwerdeführende Partei damals auf Al Shabaab Mitglieder getroffen sei. Sie sei am Brunnen gewesen, um Wasser zu holen, als ca. 20 Al Shabaab Mitglieder vorbeigekommen seien. Als diese sie gesehen haben, haben sie gemeint, dass die beschwerdeführende Partei sich ihnen anzuschließen hätte. Sie habe sich geweigert und sei mit Gewalt mitgenommen worden. Ihr Vater habe ihr damals zur Hilfe kommen wollen, sei dann einfach durch sie erschossen worden. Nach 24 Tagen habe die beschwerdeführende Partei aus dem Gefängnis flüchten können. Sie habe sich damals mit einem zweiten Gefangenen im Hof des Gefängnisses befunden. Sie seien nicht unter der Bewachung gestanden, und die beschwerdeführende Partei sei einfach über die Mauer geklettert. Es sei damals ein Auto gekommen und in den Gefängnishof eingefahren. Als sich der Bewacher dem Fahrzeug bzw. dessen Lenker zugewandt habe, sei die beschwerdeführende Partei über die Mauer geklettert. Der zweite Gefangene sei ebenfalls geflohen. Ein dritter sei bei dem Versuch, ebenfalls über die Mauer zu klettern, erschossen worden. Es hätten sich damals doch insgesamt drei Gefangene im Hof gefunden. Die Gefängnismauer sei ca. 3 m hoch gewesen. Die Gefangenen haben ein Brett an die Mauer gelegt und seien auf dem Brett hinaufgelaufen. Das Brett sei eigentlich zum Sitzen gedacht gewesen. Dann seien die beiden in den Wald gelaufen. Es sei ihnen nachgeschossen worden, getroffen habe man sie jedoch nicht. Sie sei dann im Dorf gewesen und zu einem Nachbarn gegangen, der ihre Familie von der Flucht verständigt habe. Sie habe sich ca. 13 Tage beim Nachbarn aufgehalten, danach sei sie mit dem Tiertransporter nach Nairobi gefahren. Den Schlepper für die Organisation der Reise habe ein Cousin von ihr besorgt.

Befragt nach dem Tagesablauf in der Gefangenschaft gab die beschwerdeführende Partei an, dass eigentlich nicht viel passiert sei. Sie seien zehn Personen in einem Zimmer gewesen und nur rausgeholt worden, um zu beten und zu essen. Die restliche Zeit haben sie im Zimmer verbracht. Insgesamt seien in dem Gefängnis gut 80 Personen angehalten worden, genau wisse sie das aber nicht. Die beschwerdeführende Partei habe nur mit vier Mitgefangenen direkt darüber gesprochen, weshalb sie in Haft gewesen seien. Diese vier haben sich auch geweigert, für Al Shabaab zu kämpfen. Sie sei vor kein Gericht gekommen und auch nicht befragt worden. Auf die Frage, was in den 13 Tagen im Versteck beim Nachbarn passiert sei, meinte die beschwerdeführende Partei, dass nichts passiert sei. Sie habe Angst gehabt, dass Al Shabaab wiederkomme und sie töte. Auch vor ihrer Festnahme, am 11.08.2011, sei sie schon einmal von Al Shabaab mitgenommen worden. Damals habe sie sich sieben Tage in Haft befunden, bis ihr Vater sie freigekauft habe. Sie habe damals im Restaurant des Vaters ausgeholfen und sei von Al Shabaab Mitgliedern gefragt worden, ob sie auch Zigaretten verkaufe. Weil es im Restaurant auch Zigaretten gegeben habe, sei sie von Al Shabaab mitgenommen worden. Rauchen erlaube die Al Shabaab nicht. Ihr Vater habe für die Freilassung bezahlt, eigentlich habe er die gegen die beschwerdeführende Partei ausgesprochene Geldstrafe bezahlt. Nach der Bezahlung sei die Angelegenheit erledigt gewesen.

Die beschwerdeführende Partei gehöre dem Stamm der Awro Maleh an, das sei ein etwas kleinerer Stamm in Somalia. Die Awro Maleh seien ein Subclan der Hawiye. Die Gruppe habe eigentlich zwei Hauptclans, ein Teil gehöre zum Hauptclan der Darood, der andere Teil, zu dem auch sie und ihre Familie gehöre, zum Hauptclan der Hawiye. Auf die Frage, was ihr im Falle einer Rückkehr nach Somalia passieren könne, gab die beschwerdeführende Partei an, dass Somalia kein sicheres Land sei und dort Bürgerkrieg herrsche. Sie habe Angst, von Al Shabaab getötet zu werden. Man habe wollen, dass die beschwerdeführende Partei für Al Shabaab arbeite. Sie sei schon gefangen gewesen und geflüchtet, was ihr Al Shabaab nie verzeihen werde. Nach Mogadischu könne sie nicht, weil sie dort niemanden kenne. Wie solle sie sich dort ein neues Leben aufbauen. Sie habe nicht die finanziellen Mittel, um nach Mogadischu zu gehen und dort ein neues Leben, eine neue Existenz aufzubauen. Für ihre Schleppung habe sie $ 7500 gezahlt. Die Familie habe dafür ein Grundstück in Kismayo verkauft.

4. In einer schriftlichen Stellungnahme zu den Länderfeststellungen vom 29.10.2012 gab die beschwerdeführende Partei an, dass die persönlichen Erfahrungen in ihrer Heimat ein anderes Bild zeichnen würden, als in den Länderfeststellungen beschrieben. Sie wolle betonen, dass es in Somalia keine innerstaatliche Fluchtalternative gebe. Weiters verwies sie auf einen Artikel aus der Wiener Zeitung, auf Berichte von Amnesty International, einen Artikel der Al-Jazeera und einen Artikel aus dem Spiegel. In Anbetracht der Berichte komme man zum Schluss, dass die Heimat der beschwerdeführenden Partei mit Sicherheit kein sicheres Land sei. Man wolle betonen, dass Al Shabaab eine gefährliche Organisation sei und sich in das somalische Clansystem einmische.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).

Nach einer Zusammenfassung des Verfahrensganges und der Einvernahmen stellte die belangte Behörde soweit wesentlich fest, dass die beschwerdeführende Partei der Volksgruppe der Awro Maleh/Hawiye angehöre und aus Kismayo stamme. Sie habe Somalia aufgrund der dortigen allgemeinen Lage und Situation, insbesondere aus Furcht einer Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab, verlassen. Aufgrund der gegenwärtigen Lage sei eine Zurück- bzw. Abschiebung nach Somalia zur Zeit nicht zulässig. Danach traf die belangte Behörde damals aktuelle Feststellungen zur Situation in Somalia

Beweiswürdigend führte sie soweit wesentlich aus, dass die beschwerdeführende Partei angegeben habe, Somalia verlassen zu haben, weil sie dort keine Sicherheit und Zukunft gehabt habe. In der Erstbefragung habe sie auf eine Inhaftierung durch Al Shabaab nicht hingewiesen. Bezüglich des weiteren Vorbringens sei der beschwerdeführenden Partei eine Furcht vor einer drohenden bzw. neuerlichen Rekrutierung durch Al Shabaab nicht abzusprechen. Dies insbesondere schon deshalb, weil aus den eingangs getroffenen Feststellungen hervorgehe, dass es in Somalia Rekrutierungen seitens der Al Shabaab gebe. Das Bundesasylamt sehe es als notorisch bekannt an, dass es in Somalia sowohl seitens der Regierungsgruppen als auch seitens der Al Shabaab zu Rekrutierungen komme, womit den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei, aus Angst vor einer neuerlichen Rekrutierung durch die Al Shabaab ausgereist zu sein, als glaubhaft angesehen werden könne bzw. als glaubhaft anzusehen sei. Es sei jedoch festzuhalten, dass dieses Vorbringen nicht geeignet sei, eine asylrechtsrelevanten Verfolgung und somit eine Asylgewährung zu begründen.

6. In der gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides eingebrachten Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei glaubhaft und nachvollziehbar vorgebracht habe, ihr Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aufgrund von Zwangsrekrutierungen durch Al Shabaab Milizen verlassen zu haben. Die beschwerdeführende Partei sei 24 Tage angehalten worden, der Vater der beschwerdeführenden Partei sei erschossen worden. Man habe der beschwerdeführenden Partei vorgeworfen, als Spion für die Regierung zu arbeiten. Al Shabaab kontrolliere nach wie vor große Teile Süd- und Zentralsomalias. Ein Indiz der Verfolgungsgefahr der beschwerdeführenden Partei seien die bereits erfolgten Verfolgungshandlungen. Von einer Schutzfähigkeit durch die somalischen Sicherheitskräfte sei nicht auszugehen. Schließlich wäre die beschwerdeführende Partei auch aus religiösen Gründen verfolgt, weil sie sich geweigert habe, einer militanten Gruppe wie der Al Shabaab beizutreten. Die Weigerung der Teilnahme am Al Shabaab sei außerdem ein politisches wie auch religiöses Statement, weshalb eine asylrelevante Verfolgung aus religiösen und politischen Gründen vorliege. Schließlich gehörte sie noch zur sozialen Gruppe der jungen Männer in Somalia, die Zielgruppe von Zwangsrekrutierungen durch die Al Shabaab seien.

7. Mit Schreiben vom 05.06.2015 wurden die beschwerdeführende Partei und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Bundesverwaltungsgericht am 02.07.2015 unter gleichzeitiger Übermittlung mehrerer aktueller Länderberichte zu Somalia geladen.

8. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl teilte dem Bundesverwaltungsgericht am 09.06.2015 mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters zu dieser Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Es werde die Abweisung der Beschwerde und die Übersendung des Verhandlungsprotokolls beantragt.

9. Am 02.07.2015 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei eine mündliche Verhandlung durch. Die beschwerdeführende Partei gab dabei auszugsweise an wie folgt [evtl. Rechtsschreib- oder Tippfehler vom Bundesverwaltungsgericht korrigiert]:

" [...] R: Wo haben Sie in Somalia von Geburt bis zu Ihrer Ausreise gelebt?

P: In XXXX , in der Umgebung von Kismayo.

R: Leben noch Familienmitglieder von Ihnen in Somalia? Wer und wo?

P: Früher meine Frau, 3 Kinder und meine Mutter. Jetzt, momentan, meine Mutter und mein Sohn.

R: Wo sind die anderen?

P: Sie sind nachgekommen.

R: Ihre Frau und 2 Kinder sind nachgekommen?

P: Ja.

R: Warum ist der Sohn nicht mitgekommen?

P: Meine Mutter ist alleine und sie wollte, dass der Sohn bei ihr bleibt.

R: Wo leben Ihre Mutter und Ihr Sohn jetzt?

P: In XXXX , dort wurde mein Vater getötet, dort haben sie gelebt.

R: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Mutter und Ihrem Sohn?

P: Ja.

R: Womit verdienen sich Ihre Mutter und Ihr Sohn in XXXX ihren Lebensunterhalt?

P: Die Mutter verkauft Milch, früher haben wir ein Kaffeehaus gehabt, jetzt existiert es nicht mehr, die Mutter verkauft jetzt Milch.

R: Ihr Sohn ist jetzt wie alt?

P: 2006 geboren, 9 Jahre ca.

R: Haben Sie Familienmitglieder in Somaliland oder Puntland?

P: Nein.

R: Was haben Sie in Somalia bis zu Ihrer Ausreise getan? Schule, Arbeit?

P: Ich habe nur 3 Monate die Schule besucht, sonst habe ich als Arbeiter in XXXX gearbeitet.

R: Welchem Clan gehören Sie an?

P: Awro Maleh.

R: Was ist der Überclan?

P: Einige von denen sagen, dass sie Hawiye und die anderen, dass sie

Darood sind. In Somalia sagt man zu uns: "Wir tragen 2 Hemden, einmal gehören wir zu den Hawiye, einmal gehören wir zu den Darood".

R: Haben Sie wegen Ihrer Zugehörigkeit zu den Awro Maleh Probleme in Somalia gehabt?

P: Außer, dass man bedroht wird und beraubt wird, sonst nichts. Ein Stamm hat uns nicht angegriffen.

R: Wer hat Sie bedroht und beraubt?

P: Die andere Mehrheit in unserem Ort, z. B. die Ogaden oder andere.

R: Erzählen Sie mir nun bitte ausführlich und in Ihren eigenen Worten, warum Sie damals im April 2012 entschlossen haben, Somalia zu verlassen. Was war der Grund zu fliehen?

P: Ich bin gegangen, um Wasser zu holen. Ich wollte kochen. Dort gab es keinen Brunnen bei uns. Dort habe ich ein Wassergefäß, einen Kanister genommen, das brauchte [ich] für die Teevorbereitung. Ich wollte Wasser holen von diesem Wasserbrunnen. Ca. 20 Männer, schätze ich, sind hinter mir gestanden und forderten mich auf, stehenzubleiben. Ich fragte: "Was ist los?". Sie forderten mich auf, mich auf den Boden zu legen, das waren Al Shabaab-Mitglieder, damals waren sie im Kampf mit kenianischen Soldaten und Ras Kamboni, das ist eine Stammesmiliz von z. B. Ogaden. Sie haben mir vorgeworfen, ein Spion für die kenianischen Soldaten und die Ras Kamboni zu sein. Sie sagten, die kenianischen Soldaten kommen zu meinem Kaffeehaus. Sie haben mich geschlagen, als ich am Boden lag, wo der Brunnen ist. Ein kleines Mädchen, ca. 6 - 7 Jahre alt, hat mich gesehen. Sie ist gerannt, sie ist zum Bezirk gegangen und hat meinem Vater erzählt, dass sein Sohn geschlagen wird. Mein Vater ist hergerannt. Dann hat er Al Shabaab-Mitgliedern gesagt: "Lassen Sie meinen Sohn, warum schlagen Sie ihn, gestern (Anmerkung der D: gestern heißt früher) haben Sie XXXX ohne Grund getötet."

R: XXXX war Ihr Bruder?

P: Ja. Sie haben meinem Vater gesagt, er soll stehenbleiben, aber er hat sich zu Al Shabaab zubewegt und sie haben ihn erschossen. Er wurde dabei getötet. Er ist dort hingefallen, und sie haben mich ins Auto gesteckt und mitgenommen. Dann haben sie mich in ein Gefängnis nach XXXX gebracht.

R: Wo ist XXXX , ist das in Kismayo?

P: Das ist zwischen XXXX und Kismayo.

R: Bitte fahren Sie fort!

P: Das war am 20.02.2012. Dort waren die Gefangenen, ca. 80 Personen waren dort gefangen. Ca. 10 Personen in einen Raum gesperrt. Sie haben die Leute gefoltert. Wenn man sie fragt, haben die Leute erzählt, dass Al Shabaab wollte, dass sie für sie kämpfen würden. Einige habe ich gefragt und sagten sie, es wurde ihnen vorgeworfen, dass sie Spione für Kenianer sind. Die Leute haben mir gesagt, ihnen wurde vorgeworfen, dass sie für kenianische Soldaten und Ras Kamboni-Spione sind. Wir waren in der Haft ca. 24 Tage. Der letzte Tag, bevor wir geflüchtet sind, in der Früh haben sie uns aufgeweckt und haben immer 2 oder 3 von uns zum Beten gebracht. Wir sind hinausgegangen, wir haben uns vor dem Gebet gewaschen. Ein Auto ist gekommen und die Wächter sind hinausgegangen. Wir sind auf einem Holzstück gesessen, einem "hohen Brett", wo wir uns vor dem Gebet gewaschen haben. Wir haben dieses Holzbrett an der Mauer angelehnt und konnten so über die Mauer gelangen. Dann sind wir weggerannt. Sie haben den letzten gesehen, der hinuntergesprungen ist. Wir waren zu dritt. Wir alle sind gerannt, sie haben auf uns geschossen. Einen von uns hat man getroffen, ich weiß nicht, ob er dabei getötet wurde, wir sind weitergerannt. Es war ein Wald, wir sind gerannt und gerannt, bis wir in die Umgebung unseres Dorfes gekommen sind, dort leben Landwirte. Ich habe die Leute, diese Landwirte, die dort waren, gebeten, dass sie zu unserem Dorf gehen und meine Mutter abholen. Dann sind meine Mutter und ein Cousin von mir gekommen. Meine Mutter sagte mir, ich darf nicht zu dem Dorf und sagte mir, dass mein Vater gestorben ist. Sie sagte mir, ich soll dort bleiben, sie werden schauen, wie ich aus dem Land weg kann. Ca. 13 Tage, glaube ich, verbrachte ich in dieser Landwirtschaft. Ich kann mich nicht genau erinnern.

R: Warum hat Al Shabaab geglaubt, dass Sie ein Spion sind?

P: Nicht nur ich, alle (viele), sie wollten, dass ich für sie kämpfe. Mir und den anderen jungen Männern haben sie das oft gesagt, wenn man nicht für Al Shabaab ist, dann kämpft man für die andere Seite.

R: D. h. Sie haben in XXXX in Jahr 2012 ein Café geführt?

P: Das gehört nicht mir, sondern meiner Familie. Am Anfang hat XXXX dort gearbeitet, aber er wurde getötet. Dann habe ich dort gearbeitet. Mein Vater und meine Mutter waren ältere Menschen, wir mussten sie unterstützen.

R: Waren auch kenianischen Soldaten und Ras Kamboni in Ihrem Café?

P: Nein, die kenianischen Soldaten sind nicht bei mir im Café gewesen, sondern die anderen Dorfbewohner, die die Ogaden unterstützen.

R: Die Ogaden sind die Ras Kamboni?

P: Ja, deshalb haben sie gemeint, dass wir Spione sind.

R: Wo waren Ihre Frau und Ihre Kinder, als Sie aus der Haft geflohen sind und Ihre Mutter geholt haben. Wo war da Ihre Frau?

P: Im Dorf.

R: Wieso haben Sie nicht Ihre Frau geholt, sondern Ihre Mutter?

P: Weil sie auf die Kinder aufpasst und sie ist nicht ein älterer Mensch, der sich gut auskennt. [...]

R: Was ist während der Haft passiert? Was ist während des Tages passiert? Was war die Routine im Gefängnis?

P: Sie haben uns beschimpft, angeschrien, damit wir ihre Meinungen akzeptieren. Sie haben uns manchmal kein Essen gegeben. Ihr Ziel war, dass die jungen Männer, die im Gefängnis dort waren, für sie stehen und an ihrer Seite kämpfen.

R: Aber Sie sind nicht trainiert worden in dieser Zeit?

P: Nein, ich war im Raum eingesperrt. Das war nicht das erste Mal, als ich von Al Shabaab gefangen genommen wurde, sie haben mich einmal in Haft genommen, in der Stadt XXXX , weil ich Zigaretten in diesem Kaffeehaus verkaufe, und das war verboten. 7 Tage war ich in Haft. Sie haben mich in einem Wellblechhaus gefangen gehalten.

R: Wie sind Sie da freigekommen?

P: Mein Vater hat die Leute mit Geld bestochen, die Al Shabaab-Leute kennen. Dann haben sie mich freigelassen. Sie haben für mich gebürgt.

R: D. h. diese Haft wegen der Zigaretten, das war so etwas wie eine Strafe der Al Shabaab, oder?

P: Ja. Das ist wie Folterung, damit man ihren Meinungen folgt.

R: Das klingt nicht so wie eine Rekrutierung. Sie waren 7 Tage Haft, es wurde eine Strafe bezahlt und dann gingen Sie. Dann war das vorbei.

P: Ja, sie haben das Geld nicht genommen.

R: Das waren die Freunde?

P: Ja, die Männer, die für mich gebürgt haben, gehören nicht meinem Stamm an.

R: Die Männer, die für Sie gebürgt haben waren Ogaden?

P: Ja, und einer war Galjecel.

R: Stand die eine Verhaftung mit der anderen Verhaftung in Zusammenhang?

P: Nein, das erste war erledigt.

R: Und beim zweiten Mal, war das eher wie eine "Rekrutierung"?

P: Sie haben mir vorgeworfen, ein Spion zu sein.

R: Aber wenn Sie in der Haft gesagt hätten: "OK, ich folge jetzt Al Shabaab." Was wäre dann passiert? Wären Sie freigelassen worden oder wären Sie trainiert worden?

P: Dann wird man trainiert und arbeitet dann für sie. Ich habe das nicht gesehen, aber das haben sie vielen Leuten angetan.

R: Hätten Sie aus dieser 2. Haft auch durch Bestechung freikommen können? Was glauben Sie?

P: Nein, viele Leute waren dort gefangen, es gab viele Konflikte und Kampf. Die Umgebung von der Stadt wurde mit Luftwaffen beschossen von kenianischen Soldaten. Auch die Frauen haben sie aufgefordert am Jihad teilzunehmen, indem sie kochen.

R: Wissen Sie ungefähr, wie viele Menschen in XXXX wohnen; ist das sehr klein oder sehr groß?

P: Es ist kein kleines Dorf, es ist nicht groß. Es ist kleiner als Kismayo. Kismayo ist eine große Stadt. In XXXX leben ca. 300 Familien.

R: Hätten Sie sich in Kismayo verstecken können vor Al Shabaab damals im Jahr 2012?

P: Nein, das konnte ich nicht. Vorgestern sind Al Shabaab-Leute in die Stadt Kismayo gekommen und haben ein Regierungslager erobert. Als ich das Land verlassen habe, haben sie immer meine Frau gefragt, ob ich noch lebe oder gestorben bin. Sie haben Frauen zu ihr geschickt, damit sie Frauen es erzählt, weil sie sich nicht traut, es den Männern zu erzählen.

R: D. h. in Kismayo hätte Al Shabaab Sie gefunden?

P: Ja, natürlich. Ich kenne mich in Kismayo nicht so aus, ich komme aus einem kleinen Dorf.

R: Hätten Sie in Mogadishu ein Versteck finden können?

P: Nein, sie waren auch dort damals, sie waren dort am stärksten.

R: Können Sie mir noch sagen, warum Sie nicht der Al Shabaab beigetreten sind?

P: Ich bin nicht die gleiche Meinung wie Al Shabaab, ich wollte mich nicht selbst umbringen.

R: Es gab viele, die bei Al Shabaab dabei waren, deshalb habe ich gefragt.

P: Jeder hat seine Meinung, ich bin anderer Meinung, ich könnte nicht andere Menschen töten.

R: Wenn Sie heute, bei der geänderten Machtsituation, an Kismayo und XXXX denken, was wäre da Ihre Sorge, wenn Sie zurückkehren müssten?

P: Wenn ich zurückkehre, glaube ich, dass ich nicht 10 Minuten weiterleben könnte. Die Dörfer XXXX , XXXX und XXXX werden von der Stadt Kismayo verwaltet. Sie kommen in diese Dörfer und sie sind anwesend in diesen Dörfern. Vorgestern haben sie Probleme in der Verwaltungshauptstadt des Bezirks, dieser Dörfer, gemacht. Sie kommen in diese Dörfer einkaufen, wenn sie in die Stadt kommen können, sie können auch in diese Dörfer. Sie haben meine Frau ein paarmal nach mir gefragt.

R: Sie sagen, im Falle einer Rückkehr sind Sie in Gefahr, getötet zu werden? Wieso, wer?

P: Ja, Al Shabaab würde mich töten.

R: Warum?

P: Weil ich von ihrem Gefängnis geflohen bin und weil ich ihre Meinung nicht akzeptiert habe. Sie haben die Macht dort, es gibt dort kein anderes Gericht und sie meinen, dass ich eine Straftat begangen habe.

R: Ist XXXX im Moment unter der Kontrolle der AMISOM oder der Al Shabaab?

P: Von niemanden. Es gibt keine Verwaltung. Am 05.06. hat man gesagt, dass man eine Verwaltung für XXXX einrichten werde, aber das hat man nicht gemacht. An allen 4 Seiten, am Land, sitzen die Ras Kamboni.

R: Ihr Sohn ist aber noch dort?

P: Mein Sohn ist ein kleines Kind, er ist bei meiner Mutter. Die meiste Zeit ist meine Mutter nicht im Dorf, sondern in der Umgebung in der Landwirtschaft. Sie war bei ihrer Schwester.

R: D. h. Sie haben auch eine Tante dort?

P: Ja, in der Landwirtschaft. Meine Tante und mein Onkel väterlicherseits leben in Somalia. Meine Verwandten sind dort getötet worden. Mein Onkel und seine Kinder sind gestorben, eine Rakete ist auf ihr Haus gefallen. Sie waren in der Landwirtschaft und sie sind dabei getötet worden. Das waren die kenianischen Soldaten, die haben die Umgebung der Stadt mit Luftwaffe beschossen. Und 2 Brüder von mir sind getötet worden.

R: Ich habe Ihnen die aktuellen Länderinformationen mit der Ladung mitgeschickt - hatten Sie Gelegenheit, sich diese anzusehen? Möchten Sie dazu etwas sagen?

P: Nein, ich habe nur ein bisschen davon verstanden. [...]

R: Haben Sie Sorge, dass Ihr Sohn von Al Shabaab zwangsrekrutiert wird?

P: Nein, ich habe keine Angst, er ist noch zu klein. Ich wollte ihn nachholen, aber Mutter braucht ihn.

R: Wo ist Garowe, da sind die Pässe ausgestellt worden.

D: Das ist in Puntland."

10. In einer schriftlichen Stellungnahem zu den Länderinformationen vom 16.07.2015 wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Region Lower Jubba von den Vereinten Nationen mit dem höchsten Sicherheitsrisiko eingestuft sei. Ländliche Gebiete in Lower Jubba würden unter Kontrolle mobiler Einheiten der Al Shabaab stehen, und führe Al Shabaab ihren Guerillakampf in der Region fort. Aktuelle Medienberichte würden bekunden, dass Al Shabaab auch erst kürzlich in Kismayo ein Regierungslager erobert habe. Der beschwerdeführenden Partei würde in Somalia kein effektiver staatlicher Schutz zur Verfügung stehen. Ihr würde von Al Shabaab auch weiterhin unterstellt werden, ein Gegner und ein Spion für die Regierung zu sein. Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in einen anderen Teil Somalias bestehe nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund des Antrags auf internationalen Schutz vom 25.08.2012, der Einvernahmen der beschwerdeführenden Partei durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch das Bundesasylamt, der Beschwerde vom 29.01.2013 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.01.2013, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister sowie auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung am 02.07.2015 werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt.

1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:

1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Somalias. Sie stellte am 25.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Die beschwerdeführende Partei kommt aus der Gegend um Kismayo und gehört dem Clan der Awro Maleh an, die entweder den Hawiye oder den Darood zugehörig sind.

1.1.2. Die Mutter und der Sohn der beschwerdeführenden Partei leben nach wie vor in XXXX . Die Ehefrau und zwei Töchter der beschwerdeführenden Partei wurden bereits nachgeholt und leben seither in Österreich. Der Sohn der beschwerdeführenden Partei wurde nicht nachgeholt, weil sonst ihre Mutter alleine wäre. Mit ihrer Mutter steht die beschwerdeführende Partei in Kontakt.

1.1.3. Die beschwerdeführende Partei ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Festgestellt wird, dass die beschwerdeführende Partei im Februar 2012 von Al Shabaab nach XXXX mitgenommen und dort ca. 24 Tage in Haft gehalten wurde. In dieser Zeit war die beschwerdeführende Partei eingesperrt und wurde nicht trainiert. Schließlich gelang es ihr von dort zu fliehen.

Im Falle einer Rückkehr fürchtet die beschwerdeführende Partei, von Al Shabaab getötet zu werden.

1.3. Nicht festgestellt werden kann, dass der beschwerdeführenden Partei in Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an ihre Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihre politische Überzeugung anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

2. Länderfeststellungen zur Situation in Somalia

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten wiedergegeben.

2.1. Allgemeine Sicherheitslage in Kismayo und Mogadischu

2.1.1. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia (November 2014)

"Es gibt keine flächendeckende, effektive Staatsgewalt; auch die neue Regierung hat bislang über große Teile des Landes keine Kontrolle. Umfangreiche Gebiete werden von unterschiedlichen bewaffneten Gruppen beherrscht. Potentiell asylrechtlich relevante Tatsachen sind daher staatlichen Strukturen regelmäßig nicht eindeutig zuzuordnen, sondern resultieren häufig gerade aus deren Abwesenheit. Dabei muss nach den einzelnen Landesteilen differenziert werden (E 6.2013)." (Seite 9)

Quellen:

"Süd-/Zentralsomalia

Insbesondere Süd-/Zentralsomalia leidet seit Ende der 1980er Jahre unter Bürgerkrieg und weitgehendem Staatszerfall (AA 3.2014c). Die Sicherheitslage bleibt volatil (UNSC 1.5.2014) vgl. UKFCO 10.4.2014) und hat sich seit Mai 2013 verschlechtert (EASO 8.2014). Die Zahl der Selbstmordattentate hat in den letzten Jahren zugenommen (AA 11.9.2014). Sowohl das österreichische Außenministerium (BMEIA 10.9.2014) als auch das deutsche Auswärtige Amt halten ihre Reisewarnungen für Somalia aufrecht (AA 11.9.2014).

Al Shabaab hat nach dem Verlust wichtiger Städte zunehmend auf Guerillakampf umgestellt. Folglich hat es einige sehr öffentlichkeitswirksame Attentate und Anschläge gegeben (UKFCO 10.4.2014). Mit dem Tod des Anführers der al Shabaab, Ahmed Godane, und dem Verlust der letzten Hafenstadt Baraawe ist die Gruppe zwar geschwächt, von einem Sieg über al Shabaab zu sprechen ist aber verfrüht (B 10.2014). Auch wenn al Shabaab weder die militärische Stärke noch den Willen hat, gegen die somalische Regierung und ihre Alliierten anzutreten, so stellen sie eine hinreichende Bedrohung für alle Versuche eines staatlichen Wiederaufbaus dar (BS 2014). Dabei bleiben die Möglichkeiten der föderalen, lokalen und regionalen Behörden, Terrorismus der al Shabaab zu unterbinden, eingeschränkt (USDOS 30.4.2014).

Mit Waffengewalt ausgetragene Streitigkeiten zwischen rivalisieren Clans oder Sub-Clans kommen hinzu (AA 3.2014c). Ein großes Waffenarsenal befindet sich in privatem Besitz und einige Gruppen fühlen sich von der Regierung nicht vertreten bzw. wollen von dieser nicht vertreten werden. Auch das ist ein Gefahrenpotential (B 10.2014). Weitere Spannungen zwischen lokalen Verwaltungen und der somalischen Regierung werden nicht ausgeschlossen (ÖB 10.2014). In den Regionen Puntland und Somaliland ist die Lage vergleichsweise stabiler, aber auch hier wirkt sich der Bürgerkrieg aus (AA 3.2014c).

Die UN haben für eigenes Personal folgende Einstufungen getroffen:

Gelb (medium risk) für Bari, Nugaal, Doolow, Dhobley und den Sicherheitsbereich in Mogadischu; Orange (high risk) für Mudug, Galguduud und die von AMISOM (African Union Mission in Somalia) besetzten Garnisonsstädte (Merka, Baidoa, Kismayo u.a.) sowie für Mogadischu; Rot (very high risk) für die restlichen Teile der Regionen Lower und Middle Jubba, Gedo, Bakool, Bay, Hiiraan, Lower und Middle Shabelle (A 9.10.2014).

Im August 2011 räumte al Shabaab Mogadischu. Im Jahr 2012 eroberten somalische Armee und AMISOM u.a. Afgooye, Baidoa, Kismayo, Merka und Wanla Weyne. Bei der Offensive "Operation Eagle" im März und April 2014 folgte die Einnahme von weiteren zehn Städten, u.a. Xudur, Waajid, Buulo Barde, Maxaas, Ceel Buur, Wabxo und Qoryooley (EASO 8.2014). Ende August begann die neue AMISOM-Offensive "Operation Indian Ocean" bei deren Verlauf weitere Städte in den Regionen Hiiraan, Lower und Middle Shabelle, Lower Jubba und Bakool eingenommen werden konnten (UNSC 30.9.2014), darunter Cadale und Rage Ceel (Middle Shabelle), Baraawe (Lower Shabelle) (A 17.10.2014), Jalalaqsi und Fiidow (Hiiraan), Kurtunwaarey, Buulo Mareer und Golweyn (Lower Shabelle) sowie Tayeeglow (Bakool) (A 5.9.2014). Überhaupt befinden sich die meisten Städte in Süd-/Zentralsomalia nunmehr unter Kontrolle der Regierung und ihrer Alliierten, viele ländliche Gebiete befinden sich nach wie vor unter Kontrolle der al Shabaab. Allerdings stellen viele dieser Städte "Inseln" im Gebiet der al Shabaab dar, und die Islamisten versuchen, die Versorgung mancher Städte durch Angriffe entlang der Einfallstraßen zu blockieren (EASO 8.2014). So leidet z.B. Buulo Barde (Hiiraan) seit März 2014 unter einer Blockade (UNOCHA 17.10.2014).

In weiten Teilen Süd-/Zentralsomalias finden Kampfhandlungen zwischen den somalischen Bürgerkriegsparteien statt (AA 11.9.2014). Die Sicherheitskräfte sind Angriffen durch al Shabaab und andere Elemente ausgesetzt. Die Straße von Mogadischu über Baidoa nach Luuq bleibt von al Shabaab bedroht. Vor allem zwischen Afgooye und Baidoa kommt es regelmäßig zu Zwischenfällen. Auch andere Straßen, die nach Afgooye führen, gelten als unsicher (EASO 8.2014).

Die Lage in Süd-/Zentralsomalia bleibt kritisch. Dies gilt auch für die Hauptstadt Mogadischu. In und um Mogadischu haben Zahl und Intensität der Anschläge zuletzt zugenommen (AA 11.9.2014). Vor allem außerhalb von Mogadischu ist die somalische Regierung auf AMISOM angewiesen, um ihren Einfluss erhalten zu können. Jedenfalls sind die Städte unter Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee gegenüber einer Rückeroberung durch al Shabaab abgesichert (EASO 8.2014). Diese Garnisonsstädte liegen außerhalb der militärischen Reichweite der al Shabaab (D 18.6.2014). Allerdings verfügen weder AMISOM noch die somalische Armee über ausreichende Kapazitäten, um neu eroberte Gebiete adäquat abzusichern (UNHRC 4.9.2014).

In einigen der kürzlich eroberten Städte mangelt es an funktionierenden Verwaltungseinrichtungen. Die Ausfüllung des Machtvakuums bleibt eine Herausforderung für die somalische Regierung. Außerdem können mit dem Rückzug von al Shabaab alte (Clan‑)Konflikte neu aufflammen (EASO 8.2014). In einigen Städten, wie z.B. Xudur, Waajid, Warsheikh, Qoryooley und Buulo Barde konnten mittlerweile Verwaltungen eingerichtet werden (UNSG 25.9.2014). Am schlimmsten ist die Lage in jenen Dörfern und Gebieten, die nur temporär unter Kontrolle von AMISOM oder Armee stehen und auf welche al Shabaab - etwa in der Nacht - Zugriff hat. Viele Dörfer in derartiger Lage sind verlassen, die Menschen sind in größere Städte geflüchtet (B 14.10.2014)." (Seite 9ff)

Quellen:

"Jubbaland (Gedo, Lower und Middle Jubba)

Die Interim Jubba Administration (IJA) wurde nach einem Abkommen mit der somalischen Regierung im August 2013 gebildet. Sheikh Ahmed Mohamed Islam ‚Madobe' wurde als Präsident der IJA eingesetzt. Die Machtbasis bilden Darod-Milizen der vormaligen Raskamboni-Bewegung und der Isiolo-Milizen. Die Größe der Sicherheitskräfte in Jubbaland wird mit 3.000-5.000 Mann angegeben, die Truppe ist strukturiert und funktioniert einigermaßen. Aktiv ist die IJA derzeit im Raum Lower Jubba und im südwestlichen Gedo (EASO 8.2014).

Die AMISOM-Garnisonsstädte Kismayo, Afmadow und Dhobley (Lower Jubba) sind frei von Kampfeinheiten der al Shabaab. Einige tausend AMISOM-Truppen aus Kenia, Burundi und Sierra Leone sichern diese Städte. Die Polizeiaufgaben werden von der IJA wahrgenommen. In den ländlichen Gebieten betätigt sich al Shabaab weiterhin im Guerillakampf, dies betrifft insbesondere auch die großen Verbindungsstraßen. In Kismayo gibt es anhaltende Spannungen zwischen den Clans der Marehan und Ogadeni (EASO 8.2014)." (Seite 12)

Quellen:

"Mogadischu

In Mogadischu gibt es mehrere Stützpunkte von AMISOM (Uganda, Burundi). Außerdem gibt es 2.000-3.000 somalische Polizisten, ca.

1.200 Mann Spezialeinheiten (Polizei und Alpha Group) und ca. 400 AMISOM-Polizisten (EASO 8.2014).

Die Sicherheitslage in Mogadischu hat sich seit Mitte 2012 wesentlich verbessert (BS 2014). Auch wenn die Stadt von Attentaten und manchmal von asymmetrischen Angriffen geplagt wird, ist Mogadischu sicherer geworden (UKHO 9.4.2014). Auch gegenüber dem Jahr 2013 ist die Lage nun besser (B 14.10.2014). Dies spiegelt sich im Straßenleben, in der Rückkehr zehntausender Menschen oder im Anstieg von Investitionen wider. Die Stadtbewohner - auch Frauen - können sich fast überall frei bewegen, es gibt keine Belästigungen an Checkpoints. Verantwortlich für die Verbesserung ist einerseits AMISOM, andererseits sind es auch die wachsenden Fähigkeiten der somalischen Sicherheitskräfte. Außerdem haben Clanmilizen keine Macht mehr - auch wenn es zu sporadischen Zwischenfällen kommt (EASO 8.2014). Es haben bei weitem mehr Menschen beschlossen, nach Mogadischu zurückzukehren, als beschlossen haben, die Stadt zu verlassen (UKUT 3.10.2014).

Allerdings gab es nach April 2013 Rückschläge bei der Sicherheitslage in Mogadischu. In manchen Bezirken der Stadt (Hodan, Wardhiigleey, Heliwaa, Yaqshiid) hat sich die Sicherheitslage - vor allem bei Nacht - verschlechtert. Es gab einen Anstieg bei Angriffen auf Sicherheitskräfte, bei gezielten Attentaten und sogar beim Mörserbeschuss (EASO 8.2014). Auch wenn al Shabaab keine Teile der Stadt mehr kontrolliert, so betreibt die Gruppe Guerillaaktivitäten, Sprengstoff-, Handgranaten- und Selbstmordanschläge (AI 23.10.2014). Die Gewalt richtet sich meist auf ausgewählte Ziele (EASO 8.2014). Die Zahl gezielter Attentate auf traditionelle Älteste, Zivilbeamte und Journalisten hat zugenommen (HRW 21.1.2014). Al Shabaab verübte außerdem prominente Angriffe auf den Präsidentenpalast (Februar 2014) und das somalische Parlament (Mai 2014) (EASO 8.2014).

Al Shabaab wählt Ziele in Mogadischu sorgfältig aus. Weder Zivilisten noch Rückkehrer aus der Diaspora werden spezifisch zum Ziel erkoren. Zivilisten tragen das Risiko, bei Anschlägen der al Shabaab auf ausgewählte Ziele als "Kollateralschaden" getötet zu werden (UKUT 3.10.2014; vgl. UKHO 9.4.2014) und sind nicht einer willkürlichen Tötungsstrategie der al Shabaab anzulasten (EASO 8.2014; vgl. UKUT 3.10.2014). Der EGMR hat festgestellt (KAB vs Schweden), dass trotz täglicher Verluste unter Zivilisten kein generelles Risiko gegeben ist. Auch das britische Tribunal stellt fest, dass für einen Zivilisten in Mogadischu nur aufgrund seiner Anwesenheit in der Stadt kein generelles Risiko erheblichen Schadens aufgrund willkürlicher Gewalt besteht (UKUT 3.10.2014; vgl. UKHO 9.4.2014).

Es gibt de facto keine Gebiete in Mogadischu, die als absolut sicher eingestuft werden können. Selbst die schwer bewachten Teile der Stadt waren von Anschlägen der al Shabaab betroffen. In den Bezirken Dayniile, Heliwaa und Yaqshiid agiert al Shabaab offen, es kommt zu sogenannten hit-and-run-Angriffen auf AMISOM und somalische Sicherheitskräfte. Bewohner dieser Bezirke, die tagsüber mit der Regierung zu tun haben, können in der Nacht Opfer von Racheaktionen der al Shabaab werden. Auch auf den Bakara-Markt ist al Shabaab zurückgekehrt (EASO 8.2014). Wenn ein Stadtbewohner Mogadischus besonders gefährdete Orte meidet - seien es die Gebiete, wo Sicherheitskräfte oder internationale Organisationen angesiedelt sind; seien es bekanntermaßen von Sicherheitskräften, Regierungsbeamten oder NGO-Mitarbeitern frequentierte Lokale; oder sei es etwa der Bakara-Markt - dann kann er sein persönliches Risiko reduzieren (UKUT 3.10.2014)." (Seite 14f)

Quellen:

2.1.2. Danish Immigration Service und Landinfo, Update on security and protection issues in Mogadishu and South-Central Somalia (März 2014)

Der Bericht kann abgerufen werden unter:

http://www.refworld.org/docid/539193314.html

Der Bericht wurde auf Basis einer fact finding mission im November 2013 erstellt, in deren Rahmen verschiedene Einzelpersonen und Vertreter nationaler und internationaler Nichtregierungsorganisationen sowie internationaler Organisationen befragt wurden. Er enthält zusammengefasst folgende Aussagen zur allgemeinen Sicherheitslage in Kismayo und Mogadischu.

Kismayo: UNDSS habe erklärt, dass die Somali Regierung und die Juba Übergangsverwaltung am 06.11.2013 eine Vereinbarung in Adis Abeba unterzeichnet haben, nach der alle Konflikte zwischen den Parteien beendet sein sollten. Die Situation ist in Kismayo dennoch nicht stabil. Die Zusammensetzung der Clans sei komplex, und es bleibe abzuwarten, ob die verschiedenen Clans die Dominanz der Ras Kamboni Milizen und der Ogaden akzeptieren werden.

Mogadischu: Die Randgebiete Mogadischus seien weiterhin anfällig für verschiedene Arten von Guerilla- bzw. terroristischen Angriffen (Seite 9; Quelle: UNDSS).

Die Sicherheitslage sei differenziert zu betrachten. Es gebe einerseits ein allgemeines Sicherheitsproblem, das alle Somalier betreffe. Dieses sei darin begründet, dass die Regierung nicht die volle Kontrolle habe und es darüber hinaus interne politische Probleme gebe. Die Sicherheitssituation habe sich seit April 2013 in bestimmten Gebieten jedoch verbessert. Andererseits gebe es Sicherheitsrisiken, die speziell vor allem Mitarbeiter und Partner der Regierung oder internationaler Organisationen beträfen. Wenngleich die Al-Shabaab nirgends in Mogadischu die Kontrolle über bestimmte Gebiete habe, könne sie dennoch in der ganzen Stadt agieren. Daher gebe es in Mogadischu keine sicheren Bereiche (Seite 9, Quelle: internationale NGO "C").

Die Sicherheitssituation in Mogadischu habe sich in den letzten zwei Jahren verbessert, sei jedoch immer noch problematisch. Die letzten vier Monate (bis November 2013) seien relativ ruhig gewesen, in letzter Zeit habe es jedoch wieder mehr Vorfälle gegeben, bei den meisten davon habe es sich um gezielte Tötungen gehandelt, die vermutlich mit Clans zusammenhängen würden. Es gebe vermutlich eine Verbindung zwischen Kriminalität und Clans (Seite 9, Quelle: internationale NGO "A").

Laut einer anderen Aussage habe sich die Situation seit April 2013 verschlechtert. Die Regierung sei außerstande Gegenmaßnahmen zu ergreifen, und AMISOM habe nicht genügend Ressourcen. Die Sicherheitssituation habe sich in den letzten sechs Monaten zwar nicht verschlechtert, die jüngsten politischen Entwicklungen seien jedoch besorgniserregend.

In Mogadischu gebe es grundsätzlich keine speziell sicheren bzw. unsicheren Gegenden, die Al-Shabaab könne jederzeit überall zuschlagen. Sie greife gezielt jene Gebiete an, die sie für verwestlicht halte, etwa verschiedene Restaurants, Märkte oder den Badestrand (Seite 10, Quelle: Journalist).

2.1.3. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to people fleeing Southern and Central Somalia (Jänner 2014)

Der Bericht kann abgerufen werden unter:

http://www.refworld.org/docid/52d7fc5f4.html

Seit August 2011 stehe Mogadischu nominal unter Kontrolle der Regierung, unterstützt durch Truppen der Afrikanischen Union. Die Sicherheitssituation in der Stadt habe sich seitdem verbessert, offene Kampfhandlungen seien seltener geworden und das wirtschaftliche Treiben werde wieder aufgenommen. Die Al Shabaab sei jedoch weiterhin in der Lage, tödliche Anschläge, auch in den bestgesicherten Teilen der Stadt, zu verüben, deren Opfer überwiegend Zivilisten seien. Solche Anschläge würden jede Woche verübt. Ziel dieser Anschläge seien häufig Regierungsinstitutionen und öffentliche Bereiche wie Restaurants, Märkte und Hotels. Im Jahr 2013 hätten sowohl Ausmaß als auch Intensität der Anschläge zugenommen. Abgesehen von Selbstmordanschlägen und ähnlichen Angriffen werde unter anderem auch von allgemeinen Einschüchterungen, Misshandlungen und Zwangsrekrutierungen von Zivilisten berichtet. Neben der Al Shabaab gebe es noch weitere gewaltsame, bewaffnete Gruppierungen, die Berichten zufolge zum Teil denselben ideologischen Hintergrund wie die Al Shabaab haben (Seite 4ff).

2.1.4. EASO, Country of Origin Information Report, South and Central Somalia, Country Overview, August 2014

Der Bericht kann abgerufen werden unter:

https://easo.europa.eu/wp-content/uploads/COI-Report-Somalia.pdf

Die Kräfte der IJA (Interim Jubba Administration) seien die einzigen wesentlichen Sicherheitskräfte, die in Lower Jubba verblieben seien. AMISOM habe Stützpunkte in ua Kismayo. Kismayo, Afmadow und Dhobley seien frei von Al Shabaab Kampfeinheiten. Al Shabaab sei nach wie vor präsent an der südlichen Küste von Kismayo und im Gebiet zwischen der Küste und der Straße von Kismayo nach Kenia. Die ländlichen Gebiete würden unter der Kontrolle mobiler Einheiten der Al Shabaab verbleiben; Al Shabaab setze den Guerillakampf in der Region fort.

Zwischen 1200 und 1500 Soldaten der IJA seien im Umfeld von Kismayo im Einsatz. Für die Sicherheit in Kismayo ist die Polizei der IJA verantwortlich, ca. 400 Personen. Eine Polizeieinheit der AMISOM soll bald nach Kismayo entsendet werden. Eine weitere starke Kraft in Kismayo sei AMISOM. Spannungen in der Stadt würden vor allem zwischen Marehan und Ogaden bestehen. (Seite 70).

Betreffend die Sicherheitssituation in Benadir und Mogadischu (AMISON Sektor 1 - Uganda) meint der aktuelle EASO Bericht, dass die Bevölkerung Vertrauen in die Sicherheitsbehörden vor Ort gefasst habe. Problematische Bezirke seien immer noch Hodan, Wardhiigleey, Heliwaa und Yasqshiid. Die Polizei würde außerdem Dayniile, Heliwaa und Yaqshiid nicht ausreichend sichern können und zöge sich in der Nacht von dort zurück. Quellen würden angeben, dass man sich grundsätzlich frei in der Stadt bewegen könne, dass die Bevölkerung aber als unsicher bekannte Gegenden meiden würde. Ein Zeitungsartikel habe im Mai 2014 angeführt, dass Mogadischu in vielerlei Hinsicht in den letzten zwei Dekaden nie sicherer gewesen sei.

Andere Quellen würden hingegen meinen, dass sich die Sicherheitslage seit April 2013 verschlechtere, und es keine Hinweise auf eine Besserung gebe. Es bestehe ein Trend von ansteigendem Gewaltrisiko in der Stadt. Anschläge richteten sich oft auf spezifische Ziele. Da sogar vorgeblich sichere Bereiche Ziele von Al Shabaab Angriffen seien, könne keine wirklich sichere Gegend in der Benadir Region angegeben werden. Al Shabaab agiere öffentlich in den Bezirken Dayniile, Heliwaa und Yaqshiid. Die Absenz von Al Shabaab im Bakara Markt sei vorüber; sie agiere mittlerweile wieder offen im Marktgebiet. (Seite 75ff)

2.2. Al-Shabaab

2.2.1. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia (November 2014)

"Die militärische Hauptmacht der al Shabaab befindet sich im Dreieck Baraawe-Jilib-Diinsoor sowie östlich von Buulo Barde. Einige hundert Kämpfer der al Shabaab befinden sich in Mudug und Galgaduud. Dies bedeutet aber nicht, dass die anderen Teile Süd-/Zentralsomalias frei von al Shabaab sind. Die Gruppe ist ca. fünf Kilometer außerhalb der größeren Städte präsent (EASO 8.2014).

Al Shabaab kontrolliert also noch immer Teile Süd-/Zentralsomalias (UNHRC 4.9.2014). Gleichzeitig hat sich die Art der Kampfführung weg von militärischen hin zu Guerilla- und terroristischen Aktivitäten verschoben. Aufgrund der gegebenen Mobilität kann die Gruppe auch mit den noch vorhandenen ca. 5.000 Kämpfern erfolgreich Friedensbemühungen sabotieren. Allerdings hat sich die Fähigkeit der al Shabaab, Territorium zu halten, reduziert. Auch die Bewegungsfreiheit der Gruppe ist eingeschränkt worden (EASO 8.2014).

Neben den Kernkräften kann al Shabaab für bestimmte Operationen auch auf Clans zurückgreifen. Daneben ist die Spezialeinheit der al Shabaab - der Amniyat - für verdeckte Präsenz in Städten und damit verbunden für Anschläge, Attentate und andere Operationen verantwortlich. Der Amniyat ist es auch, der selbst bei einem militärischen Sieg über al Shabaab noch auf längere Zeit eine Bedrohung darstellen könnte (EASO 8.2014).

Die militärischen Aktivitäten der al Shabaab konzentrieren sich in den vergangenen Monaten auf folgende Bereiche:

a) Lower Jubba: Störung der Versorgungswege nach Kenia

b) Bakool: Isolation von Wajid und Xudur; tw. wird der Kampf an die äthiopische Grenze herangetragen.

c) Bay und Lower Shabelle: Störung der Verbindung Luuq-Mogadischu, insbesondere Baidoa-Mogadischu (auch im Bereich des Afgooye-Korridors)

d) Lower Shabelle: tägliche Kampfhandlungen im Gebiet Qoryooley; Störung der Routen Mogadischu-Qoryooley und Mogadischu-Merka

e) Galgaduud und Hiiraan: offener Rückzugsraum; Isolierung der Städte Buulo Barde, Maxaas, Ceel Buur und Wabxo (TA 18.6.2014)

Scheinmilitärische, Guerilla- und terroristische Aktivitäten der al Shabaab konzentrieren sich in hohem Maße auf Lower Shabelle und Mogadischu. Für Mogadischu bedeutet dies: sog. hit-and-run-Angriffe;

Hinterhalte auf Sicherheitskräfte; gezielte Tötungen von Sicherheitskräften und Zivilisten; Autobomben- und Terroranschläge;

hinzu kommen Exekutionen von Zivilisten durch al Shabaab auf eigenem Gebiet. Als Grund für Hinrichtungen wird in den vergangenen Monaten in hohem Maße "Spionage" angeführt (TA 18.6.2014).

Anfang September 2014 wurde der Anführer der al Shabaab, Ahmed Godane, bei einem Luftangriff in der Nähe von Baraawe getötet. Al Shabaab gab Sheikh Ahmad Umar Abu Ubaidah als Nachfolger bekannt - ein prominenter Angehöriger des Amniyat (UNSC 30.9.2014). Schon vor dem Tod von Godane war al Shabaab hinsichtlich etwaiger Spionage sehr misstrauisch. Außerdem verfügt die Gruppe über ein Netz an Informanten. Dementsprechend besteht ein permanentes Risiko, von al Shabaab der Spionage oder der Kollaboration mit der Regierung verdächtigt zu werden - dies gilt auch für eigenes Personal (EASO 8.2014). Personen, die al Shabaab unbekannt sind, sind für die Gruppe verdächtig. Auch Personen, die sich außerhalb des Gebietes von al Shabaab aufgehalten haben, sind verdächtig (AI 23.10.2014). Eine Verurteilung hat drastische Konsequenzen (EASO 8.2014; AI 23.10.2014). Insgesamt sind aber alle Personen, die auf von al Shabaab kontrolliertem Gebiet leben, einem Risiko ausgesetzt, getötet, gefoltert oder auf misshandelt zu werden (AI 23.10.2014)."

(Seite 16f)

Quellen:

"Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab

Die meisten Kindersoldaten gibt es bei al Shabaab (EASO 8.2014). Kindersoldaten werden bei der Gruppe systematisch eingesetzt (ÖB 10.2014). Al Shabaab setzt Kinder in Kämpfen aber auch als Selbstmordattentäter ein. Außerdem kommen Kinder unterstützend - etwa als Träger, Sanitäter oder Spione - zum Einsatz (USDOS 27.2.2014).

Die Islamisten rekrutieren in Schulen, auf der Straße und in Wohnhäusern aber auch in IDP-Lagern. Rekrutiert werden sogar Kinder im Alter von erst acht Jahren (EASO 8.2014). Üblicherweise kommen Rekruten freiwillig zu al Shabaab. Kinder werden oft bereits in den Schulen indoktriniert. Außerdem stellen Clans Rekruten zur Verfügung. Es kommt aber auch - wenn auch seltener - zu direkten Zwangsrekrutierungen (MV 20.1.2014; vgl. EASO 8.2014). für das Jahr 2013 wird die Zahl an Zwangsrekrutierungen mit 2.200 angegeben; für das laufende Jahr mit 500 (ÖB 10.2014). Nach wie vor flüchten Jugendliche und Kinder aus Angst, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden, aus von al Shabaab kontrollierten Gebieten in andere Teile Somalias (EASO 8.2014).

In Mogadischu gibt es kein Risiko hinsichtlich einer Zwangsrekrutierung durch al Shabaab (UKUT 3.10.2014; vgl. EASO 8.2014). Auch in anderen Garnisonsstädten der AMISOM ist eine Zwangsrekrutierung durch al Shabaab sehr unwahrscheinlich (D 18.6.2014).

Die Rekrutierungstaktik variiert nach Regionen und Clans (EASO 8.2014). Bei Clans, die als Unterstützer der al Shabaab gelten, kommt es kaum zu Zwang durch al Shabaab. Zwang trifft viel eher jene Clans, die als neutral oder oppositionell zur Gruppe stehend gelten. Bei mit al Shabaab sympathisierenden Clans stellen meist die Clans selbst Rekruten zur Verfügung (D 18.6.2014).

Der Sold für Kämpfer beträgt ca. 50-100 US-Dollar pro Monat. Für einzelne Aufgaben (etwa das Werfen von Granaten) werden Preisgelder ausgelobt (ca. 10 US-Dollar) (EASO 8.2014)." (Seite 26)

Quellen:

"Subjekte gezielter Attentate durch Al Shabaab

Al Shabaab wechselt periodische die Gruppe der von gezielten Attentaten betroffenen Personen. Damit soll der Bevölkerung vermittelt werden, dass jeder, der die Regierung unterstützt, zum potentiellen Ziel werden kann. Sicherheitskräfte, Mitarbeiter humanitärer Organisationen; Zivilisten, die für die somalische Regierung arbeiten; Mitarbeiter von nationalen und internationalen NGOs oder von UN-Organisationen; und diplomatische Missionen sind einem Risiko ausgesetzt, Ziel von Angriffen oder Attentaten der al Shabaab zu werden. Es kann aber auch Frauen treffen, die Essen an Soldaten verkaufen oder aber Verwandte von Regierungsangestellten. In Mogadischu sind ehemalige District Commissioners und ihre Mitarbeiter ebenfalls zu Zielen der al Shabaab geworden (EASO 8.2014). Außerdem können Journalisten, Älteste, Richter, Geschäftsleute und Akteure der Zivilgesellschaft zum Ziel der al Shabaab werden (UKHO 9.4.2014).

Dabei gibt es in Mogadischu keine Möglichkeit, zu entkommen. Wenn al Shabaab eine bestimmte Person ermorden will, dann wird die Gruppe das tun. Selbst in von der Regierung kontrollierten Gebieten kommen gezielte Attentate zunehmend vor. Die Täter bleiben oft unerkannt, doch wird in den meisten Fällen davon ausgegangen, dass al Shabaab für die Taten verantwortlich ist. Die Gruppe hat auch prominente Friedensaktivisten, Gemeindeführer sowie Clanälteste und deren Familienangehörige getötet. Auch Politiker, Abgeordnete und Justizangehörige sind einem hohen Risiko, zum Ziel eines Anschlages zu werden, ausgesetzt (EASO 8.2014).

Es besteht immer ein gewisses Risiko, als Spion der Regierung wahrgenommen zu werden. Manchmal wurden Menschen allein aufgrund der Tatsache beschuldigt, dass sie Soldaten der Regierungsarmee Früchte verkauft haben (LIDIS 3.2014; vgl. EASO 8.2014). In den Jahren 2013 und 2014 ist die Anzahl an Exekutionen von durch al Shabaab der Spionage Beschuldigten gestiegen (EASO 8.2014)." (Seite 47)

Al Shabaab zwangsrekrutiert bzw. entführt Frauen und Mädchen, um diese im Haushalt einzusetzen oder um sie zur Ehe zu zwingen. Manche Verschleppungen dauern nur kurze Zeit (zwei Tage bis zwei Wochen), andere - etwa im Fall der Zwangsehe - sind permanent (EASO 8.2014). (Seite 42)

Quellen:

2.2.2. Danish Immigration Service und Landinfo, Update on security and protection issues in Mogadishu and South-Central Somalia (März 2014)

Die Gebiete in Mogadischu, die unter der Al-Shabaab stehen, seien mittlerweile kleiner geworden. Die Al-Shabaab führe nunmehr einen Guerillakrieg. Besonders gefährdet seien Mitarbeiter internationaler Organisationen (Seite 14, Quelle: internationale NGO "C").

Die Al-Shabaab kontrolliere in Mogadischu keine Festungen oder bestimmte Gebiete mehr. Sie sei nach wie vor in der Stadt präsent, jedoch nicht mehr als reguläre militärische Streitmacht. Die Bevölkerung unterstütze die Al-Shabaab nicht mehr, sondern sehe diese als terroristische Bewegung an, die willkürlich Menschen töte (Seite 14, Quelle: somalische NGO).

Die Al-Shabaab sei in Mogadischu sehr schwach und verteilt. Sie habe deshalb ihre Angriffe intensiviert. Das größte Problem seien Selbstmordanschläge, die eine ernsthafte Bedrohung der Bevölkerung darstellen würden.

Die allgemeine Überlebensstrategie der Bevölkerung sei "den Mund zu halten" (Seite 14, Quelle: Journalist).

Laut mehreren Aussagen werde der Bakara-Markt in Mogadischu von der Al-Shabaab kontrolliert (zB Seite 15, Quelle: internationale NGO). Diese habe zwar die physische Kontrolle über den Markt verloren, sie habe jedoch weiterhin großen Einfluss auf Ladenbesitzer und andere Geschäftsleute. Die Polizei patrouilliere zwar tagsüber am Markt, sei dabei jedoch ständig der Gefahr von Granatenangriffen ausgesetzt. Die Al-Shabaab sei auch in bestimmten anderen Gebieten verstärkt präsent, in manchen davon jedoch nur nachts (Seite 16, Quelle: Diaspora Forscher).

Seit April 2013 habe die Aktivität der Al-Shabaab in Mogadischu, insbesondere nachts, zugenommen. Große Teile der Bevölkerung hätten nun Angst davor, nach Einbruch der Dunkelheit auf die Straße zu gehen. Die Aktivitäten der Al-Shabaab seien zweigeteilt. Einerseits verübe sie Selbstmord- und Granatenanschläge, andererseits kommuniziere sie mit der Bevölkerung und bedrohe diese (Seite 15, Quelle: Diaspora Forscher).

Es sei schwierig zu sagen, ob die Al-Shabaab in der Lage sei in Mogadischu zu rekrutieren. Es sei jedoch einfach sich in der Stadt zu verstecken, Mitglieder der Al-Shabaab könnten Taxifahrer oder Geschäftsleute seien. Der Einfluss der Al-Shabaab in Mogadischu liege im Verborgenen. Sie operiere von sicheren Gebäuden aus, wo sie Waffen und Munition verstecke. Solche Gebäude gäbe es vermutlich in der ganzen Stadt (Seite 29, Quelle: UNDSS).

Nach einer weiteren Meinung werde die Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab vermutlich überbewertet. Niemand kenne das Ausmaß der Zwangsrekrutierungen, aber viele Somalier seien aus Angst davor sowie wegen der Besteuerung durch die Al-Shabaab aus von dieser kontrollierten Gebieten geflüchtet (Seite 29, Quelle: internationale Agentur "A").

Ein Mitarbeiter einer internationalen Organisation vermute, dass die Al-Shabaab nach wie vor junge Männer für Angriffe mit Handgranaten rekrutiere. In der Vergangenheit habe sie dafür etwa 10 USD pro Stunde bezahlt. Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab sei nur in den von dieser zur Gänze kontrollierten Gebieten ein Problem (Seite 29, Quelle: internationale NGO "C").

Ein "gut informierter", lokaler Journalist habe angegeben er verfüge über keine genauen Informationen zur Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab, glaube jedoch, dass dieses Phänomen stark zurückgegangen sei, seit die Al-Shabaab keine Gebiete innerhalb Mogadischus mehr kontrolliere. Die Rekrutierung fände individuell und freiwillig statt. Es gäbe keine Zwangsrekrutierungen durch die Al-Shabaab in Mogadischu, davon habe er nie gehört (Seite 30).

Laut dem Bericht von Human Rights Watch aus dem Jänner 2014 würden alle Seiten nach wie vor schwerwiegende Misshandlungen von Kindern begehen, etwa Rekrutierungen und willkürliche Festnahmen. Besonders die Al-Shabaab habe gezielt Kinder rekrutiert bzw. zwangsverheiratet (Seite 29).

Es gebe Berichte von Familien, die gezwungen worden seien, ihre Kinder der Al-Shabaab als Kämpfer zu übergeben. Andererseits habe es keine Berichte gegeben, dass Familien ihre Söhne getötet hätten, wenn diese Al Shabaab nicht beitreten wollten (Seite 30, internationale Agentur "A").

2.2.3. EASO, Country of Origin Information Report, South and Central Somalia, Country Overview, August 2014

Die Al Shabaab Strategie bei gezielten Tötungen, nämlich prominente Politiker, Sicherheitskräfte und gewöhnliche Zivilisten ins Visier zu nehmen, soll den Ruf der Al Shabaab dahingehend verstärken, dass niemand vor ihr sicher sei. Nach einer internationalen Organisation stellen mögliche Risikogruppen dar: Politiker, UN Agenturen, Türkische NGOs, Journalisten, Rückkehrer - so insbesondere solche, die sich nicht anpassen -, Personen, die in der Nähe von AMISOM Stützpunkten arbeiten, Mitglieder der Zivilgesellschaft, Frauen, die Essen an Soldaten verkaufen, Verwandte und Partnerinnen von Regierungsmitarbeitern, Mitglieder der Sicherheitskräfte und Personen, die für internationale Organisationen arbeiten. Auch Richter seien in Gefahr, getötet zu werden.

Nach einer Quelle gebe es in Mogadischu keinen sicheren Ort für Personen, die von Al Shabaab gezielt getötet werden sollen. Allerdings können nicht alle gezielten Tötungen Al Shabaab zugeordnet werden. (Seite 77)

Das Territorium unter Al Shabaab Einfluss sei geschrumpft, Al Shabaab operiere jedoch als Guerilla Einheit im gesamten Gebiet. Al Shabaab ist mobil und könne daher Kräfte zusammenziehen, um abseits gelegene oder schwache Anti-Al Shabaab Garnisonen anzugreifen.

Es muss angenommen werden, dass Al Shabaab die Regierungs- und ausländischen Truppen weiter bekämpfen werde. Die Entschleunigung der "Operation Eagle" erlaube der Al Shabaab, sich zu sammeln und zurück zu schlagen. Mogadischu sei besonders von Angriffen der Al Shabaab betroffen, da diese dort vermutlich Regierungstruppen daran hindern wollen, ihre Position in der Stadt zu festigen. Al Shabaab werde außerdem ihren Einfluss auf die Bevölkerung außerhalb von Mogadischu behalten können und Ressentiments gegen AMISON/SNAF auszunützen wissen. (Seite 84f).

Desertionen würden ansteigen. Manche Quellen würden meinen, dass einfache Fußsoldaten nicht verfolgt würden, während Deserteure höherer Ränge sehr wohl verfolgt werden könnten. Dass das Reintegration Camp für frühere Al Shabaab Kämpfer noch nie angegriffen worden sei, würde für diese Annahme sprechen. Dennoch, selbst wenn die meisten Al Shabaab Deserteure die Aufmerksamkeit der Organisation nicht erregen würden, könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Deserteur auch ohne jede spezielle Funktion innerhalb der Al Shabaab ausgeforscht werden könne. Es habe bereits im Jahr 2013 Berichte gegeben, dass die Jagd auf Deserteure eine prioritäre Aufgabe geworden sei. (Seite 89f).

Insbesondere zu Rückkehrern und Rückkehrerinnen aus dem Westen führt der EASO Bericht auf Seite 106 aus, dass nach dem niederländischen Außenministerium Somalier_innen, die aus dem Westen zurückkehren, verdächtigt werden können, für SFG oder SFG Alliierte zu spionieren. Sie vermeiden für gewöhnlich in von Al Shabaab kontrollierte Gebiete zurückzukehren, selbst wenn ihr Clan in der Gegend lebt. Somalier_innen, die aus der Diaspora zurückkehren, können einem Risiko gezielter Anschläge ausgesetzt sein, insbesondere solche, die "sichtbar sind und sich nicht anpassen".

2.2.4. UK Home Office, Country Information and Guidance, Somalia:

Security and humanitarian situation in South and Central Somalia, Dezember 2014 (Auszüge):

Der Bericht kann abgerufen werden unter:

https://www.gov.uk/government/publications/somalia-country-information-and-guidance

1. Diese aktualisierte Fassung des UK Home Office zur Sicherheitssituation in Mogadischu fußt auf der Country Guidance, die mit Urteil des Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) vom 03.10.2014 zu MOJ & Others (Return to Mogadishu) Somalia CG [2014] UKUT 00442 (IAC), festgestellt wurde.

2. Daraus ergibt sich, dass eine Person, ein gewöhnlicher Zivilist (damit gemeint: nicht mit den Sicherheitskräften, der Regierung oder der Verwaltung, einer NGO oder einer internationalen Organisation in Verbindung stehend), die nach einer Weile nach Mogadischu zurückkehrt, keinem realen Risiko einer Verfolgung im Sinne des Art. 3 EMRK oder des Art. 15 (c) der Qualifikationsrichtlinie unterliegt. Insbesondere besteht für diese Person kein reales Risiko nur deshalb seitens der Regierung als Al Shabaab-Unterstützer oder seitens der Al Shabaab als Ungläubiger angesehen zu werden, weil sie eine Zeitlang in Europa gelebt hat. (Seite 8; bzw. Seite 2, headnote (ii) der Country Guidance in MOJ).

3. Es besteht kein reales Risiko einer Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab in Mogadischu mehr, auch hinsichtlich kürzlich aus dem Westen rückgekehrter Personen (Seite 44 und Seite 3, headnote (vi), der Country Guidance in MOJ).

4. Für die Region außerhalb von Mogadischu wird auf Seite 9 mit Verweis auf den Country Guidance Fall zu AMM and others ausgeführt, dass ein_e Rückkehrer_in ohne relevante Erfahrungen, damit gemeint, Erfahrungen über ein Leben mit Al Shabaab, in von Al Shabaab kontrollierten Gebieten einem realen Risiko einer Art. 3 EMRK-widrigen Behandlung ausgesetzt sein können. Personen, die relevante Erfahrungen haben, können zwar immer noch von Al Shabaab zum Beispiel als Spion der ausländischen Regierung oder der AMISOM oder SNG angesehen werden, wären aber weniger leicht als Rückkehrer_innen identifizierbar.

2.3. Clans

2.3.1. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia (November 2014)

"Die somalische Bevölkerung ist nur auf den ersten Blick homogen. Tatsächlich bilden die Clans eine Art Sub-Ethnizität. Die Clans bilden auch die Grundlage der Identität eines Somali, jeder kennt normalerweise seine exakte Position im Clansystem. Dies gilt auch für die urbanisierte Bevölkerung. Wenn Somali ihre Herkunft beschreiben fangen sie meist bei sich selbst an und steigen dann die hierarchischen Ebenen des Systems bis zur Clanfamilie hinauf. Diese Aufzählung wird abtirsiimo oder abtirsiin genannt, und Kinder im Alter von acht oder neun Jahren können diese üblicherweise auswendig (EASO 8.2014).

Dabei gelten als Haupt-Clanfamilien die traditionell nomadischen Darod, Dir, Hawiye und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Diese Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene der Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe, die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt. Diese Gruppe sorgt aber traditionell auch für die Unterstützung von Angehörigen in schwierigen (finanziellen) Situationen. Nur in Mogadischu ist das System soweit erodiert, dass nicht mehr die mag/diya-Gruppe für Unterstützung sorgt, sondern lediglich die Kernfamilie (EASO 8.2014).

Die Clans sind politische Akteure, die normalerweise über eigenes Territorium verfügen. Traditionelle Verträge (xeer) werden meist zwischen Mag/Diya zahlenden Gruppen abgeschlossen. Allerdings ist das Clansystem - wie erwähnt - keine exakte Wissenschaft, Koalitionen und Abgrenzungen - auch geographische - sind nur schwer zu erfassen oder gar nicht genau definiert (EASO 8.2014).

Das Clansystem ist dynamisch und komplex. Aufgrund des Bürgerkrieges und damit verbundener Wanderbewegungen aber auch aufgrund des Bevölkerungswachstums waren nach 1991 zunehmende Fluktuationen zu verzeichnen. Aufzeichnungen von Genealogien sind umstritten (EASO 8.2014).

* Die Darod unterteilen sich in die großen Gruppen Ogadeni (Äthiopien und Jubba-Regionen), Marehan (Süd-/Zentralsomalia) und Harti. Letztere sind eine Föderation aus Majerteen (Hauptclan in Puntland), Dulbahante und Warsangeli (Regionen Sool und Sanaag).

* Die Hawiye leben vor allem in Süd-/Zentralsomalia, die wichtigsten Subclans sind Abgaal und Habr Gedir.

* Die Dir finden sich im westlichen Somaliland und in einigen Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Ihre Hauptclans sind Issa und Gadabursi (beide Somaliland) und Biyomaal (Südsomalia).

* Die Isaaq sind der Hauptclan Somalilands.

* Die Digil und Mirifle/Rahanweyn leben in den fruchtbaren Tälern von Shabelle und Jubba und im Gebiet zwischen beiden Flüssen (v.a. Bay und Bakool) (EASO 8.2014).

Daneben finden sich in Somalia einige ethnische Minderheiten und ständische Berufskasten, die insgesamt zwischen 15 und 30 Prozent der Bevölkerung stellen (EASO 8.2014). Minderheitengruppen sind u.a. die Bantu (größte Gruppe), Benadiri, Reer Xamar, Bravanese, Swahili, Tumal, Yibir, Yaxar, Madhiban, Hawrarsame, Muse Dheryo, Faqayaqub und Gabooye (USDOS 27.2.2014). Minderheitenclans oder Berufskasten können mit großen Clans in eine Abhängigkeitsbeziehung (shegaat) treten und werden danach - in externen Belangen - als Teil des großen Clans erachtet. Langfristige Allianzen zwischen kleineren und größeren Clans werden gemäß dem traditionellen Recht (xeer) geschlossen. Beide Konstruktionen beinhalten auch den Schutz des kleineren Partners durch den größeren (EASO 8.2014).

Clanschutz bedeutet die Androhung von Gewalt im Falle einer Aggression gegen ein Mitglied durch einen Außenstehenden. Die Möglichkeit, diese Drohung aufrecht zu erhalten ist genauso essentiell wie die Möglichkeit, einem Racheakt durch gemeinschaftliche Zahlung von Kompensation (mag/diya) zu entgehen. Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. Der Clanschutz kommt aber auf einer sehr niedrigen Ebene der Clan-Hierarchie zur Anwendung. Es reicht also z.B. in Mogadischu nicht, den Hawiye anzugehören, um Clanschutz zu erhalten. Die Zugehörigkeit zu einem dominanten Sub(sub)clan der Hawiye in Mogadischu ist relevanter (EASO 8.2014).

Inwiefern Clanschutz heute noch funktioniert ist umstritten. Faktoren wie AMISOM, die Restauration staatlicher Sicherheitsbehörden oder al Shabaab haben den Schutz erodiert. Andererseits hat der Rückzug von al Shabaab sowie der Mangel an staatlicher Verwaltung in den ländlichen Gebieten den Clanschutz verstärkt. Das Ausmaß an Clanschutz variiert also regional und ist im Laufe der Zeit Änderungen unterworfen. In Somaliland und Puntland, wo relative Stabilität herrscht, ist der Clanschutz weniger relevant als in Süd-/Zentralsomalia. In Mogadischu hingegen sind Älteste zwar noch bei der Konfliktvermittlung involviert, jedoch gibt es kein Risiko mehr, aufgrund der Clanzugehörigkeit einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Nicht mehr die Clans, sondern AMISOM, Armee und Polizei sind für die Sicherheit verantwortlich. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Teile von Armee und Polizei nach wie vor großen Bezug zu ihren Herkunftsclans haben (EASO 8.2014).

Die linguistische Situation in Somalia ist relativ homogen. Neben der als Standard-Somali festgelegten nordöstlichen Varietät gibt es aber regionale Dialekte. Die Grenze nördlicher und südlicher Varietäten verläuft durch die Region Mudug. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Hauptvarietäten ist gut dokumentiert und kann generell mittels Sprachanalyse festgestellt werden. Auch feinere Unterscheidungen innerhalb der beiden Hauptvarietäten sind möglich (EASO 8.2014).

Somali selbst unterscheiden oftmals zwischen Maxaa-tiri, einer Sammlung regionaler Varietäten, die generell verstanden werden, und Maay-tiri, den regionalen Dialekten in den Regionen Bay, Bakool, Gedo, Middle Jubba und Lower Shabelle (EASO 8.2014).

Daneben gibt es bestimmte Minderheiten, die andere Sprachen sprechen: Swahili (Kibajuni, Chimwiini), Oromo (z.B. af-Garre) oder Mushunguli. Generell kann aufgrund der Dominanz der somalischen Sprache aber davon ausgegangen werden, dass auch Sprecher einer Minderheitensprache über Sprachkenntnisse in Somali verfügen (EASO 8.2014)." (Seite 35 ff)

Quellen:

"Aktuelle Situation

Minderheiten, denen es an bewaffneten Milizen mangelt, sind überproportional von Morden, Folter, Vergewaltigung, Entführung mit Lösegelderpressung sowie von Plünderung betroffen. Außerdem leben viele Minderheitenangehörige in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Ausgrenzung (USDOS 27.2.2014). Angehörige von Minderheitenclans werden nicht systematisch verfolgt, wohl aber im täglichen Leben benachteiligt (ÖB 10.2014).

Einzelne Minderheiten leben unter schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (ÖB 10.2014). Das Ausmaß an Diskriminierung hängt von der Minderheit ab:

Berufskasten sind generell stärkerer Diskriminierung ausgesetzt als ethnische Minderheiten. Allerdings gibt es signifikante Unterschiede. Gesellschaftliche Diskriminierung durch die Hauptclans kommt vor. So werden etwa die Bantu manchmal als adoon (Sklaven) bezeichnet (EASO 8.2014).

Für Berufskasten sind gesellschaftliche Interaktionen nur beschränkt möglich (EASO 8.2014). Sie leben meist in Ghetto-ähnlichen Vierteln oder Stadtteilen (EASO 8.2014; vgl. ÖIF). Mischehen - vor allem zwischen Berufskasten und den Hauptclans - sind traditionell beschränkt (USDOS 27.2.2014; vgl. EASO 8.2014). Dieses Tabu scheint aber in den vergangenen Jahren etwas aufgeweicht worden zu sein (EASO 8.2014). So kommen Beziehungen, die nicht den klassischen Strukturen entsprechen, häufiger vor. Ehen, in welchen die Frau einem Hauptclan angehört und der Ehemann einer Minderheit, sind aber sehr selten (C 18.6.2014).

Die vier größten Clans dominieren Verwaltung, Politik, und Gesellschaft. Dementsprechend sind die politischen Parteien, die lokalen Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert (ÖB 10.2014). Auch wenn Minderheiten in Regierung und Parlament vertreten sind, bleibt ihre Stimme schwach und - meist - ungehört (EASO 8.2014). In den meisten Gebieten schließen die lokal dominierenden Clans Angehörige anderer Clans von der Partizipation an der Verwaltung aus, und es kommt zu Diskriminierung in den Bereichen Arbeit und Justiz sowie beim Zugang zu öffentlichen Diensten (USDOS 27.2.2014). Selbst in Arbeitsbereichen, die zuvor oft den Minderheiten zugeschrieben worden sind, werden heute Angehörige der Hauptclans bevorzugt (EASO 8.2014). Dabei gibt es regionale Unterschiede: Während etwa Mogadischu durch seine Durchmischung eher tolerant ist, gibt es z.B. in Puntland eine klare Trennung und in einigen Gebieten dürfen Angehörige von Minderheiten nicht in den Städten wohnen (B 14.10.2014).

Die Ashraf, die den Digil/Mirifle nahestehen, könnten aufgrund der Tatsache, dass sie einen von al Shabaab nicht anerkannten religiösen Status haben, zum Ziel der Islamisten werden. Insgesamt gibt es aber keine aktuellen Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegen Sheikhal oder Ashraf (EASO 8.2014).

Den Benadiri wiederum ist es gelungen, Positionen in der Verwaltung zu besetzen. Außerdem sind die meisten in Mogadischu verbliebenen Benadiri-Kaufleute verhältnismäßig wohlhabend und können sich Schutz zukaufen (EASO 8.2014). Trotzdem gilt, dass sich die Benadiri lediglich durch die ökonomische Besserstellung von den anderen Minderheiten abheben. Sie verfügen zwar über ökonomische Macht, nicht aber über politische. So sind etwa alle District Commissioners in Mogadischu Angehörige der Mehrheitsclans (B 10.2014).

Andererseits gibt es in Mogadischu heute keine Clankämpfe oder -Konflikte mehr (UKHO 9.4.2014; vgl. UKUT 3.10.2014). Es gibt dort auch kein Risiko einer schweren Diskriminierung aufgrund der Clanzugehörigkeit. Da es in der Stadt keine Clanmilizen mehr gibt, ist der Clan heute weniger eine Schutzstruktur als vielmehr eine soziale Struktur. Minderheitenangehörige werden nicht mehr aufgrund ihrer Zugehörigkeit marginalisiert oder belästigt. Die Sicherheitslage für Angehörige kleiner, schwacher Clans oder ethnischer Minderheiten hat sich wesentlich verbessert. Auch die Andeutung von UNHCR, dass für eine Rückkehr nach Mogadischu die Anwesenheit der Kernfamilie relevant ist, weist auf die nunmehr geringe Bedeutung des Clans hin (UKUT 3.10.2014).

Manche Minderheiten haben von al Shabaab profitiert und die Gruppe unterstützt. Mit dem Machtverlust für al Shabaab kommt es auch zu Fällen, wo diese vorherige Unterstützung nun negative Auswirkungen hat (EASO 8.2014). So waren bzw. sind überproportional viele Angehörige von Minderheiten bei der Ausführung von Körperstrafen und Exekutionen sowie bei der Verübung gezielter Attentate beteiligt. Das Risiko von Racheaktionen besteht (B 10.2014). Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014)." (Seite 40ff)

Quellen:

2.3.2. EASO, Country of Origin Information Report, South and Central Somalia, Country Overview, August 2014

Unter Clanschutz verstehe man die Fähigkeit, ein Individuum gegen Gewalt von außerhalb des Clans beschützen zu können. Schutz und Vulnerabilität seien eng verbunden mit der Macht des jeweiligen Clans. Grundsätzlich, aber nicht immer, funktioniere Clanschutz besser als Schutz durch den Staat. Clanschutz funktioniere außerdem auf einem niedrigen Level der Clanhierarchie (Sub-Sub-Clan). Ein Hawiye zu sein, bedeute also nicht Clanschutz in Mogadischu. Zugehörigkeit zu einem Hawiye Subclan, der in Mogadischu dominant sei, sei wichtiger.

Der Grad der Aktualität von Clanschutz sei strittig. Faktoren, wie das Aufkommen der AMISOM, Armee und Polizei als Sicherheitskräften und Al Shabaab mit der Einführung der Sharia als Rechtsgrundlage, haben Clanschutz aushöhlen können, während der Rückzug der Al Shabaab aus einigen Gegenden und der Mangel an Infrastruktur in vor allem ländlichen Gegenden zu einer Stärkung des Clanschutzes führen können. Clanschutz verändere sich daher je nach Zeit und Region.

Am stärksten von Clanschutz profitieren würden Mehrheitsclanangehörige, während innerstaatlich Vertriebene am schwächsten seien. Clanschutz habe in Mogadischu abgenommen seit der Einführung der Islamic Courts Union (ICU), verstärkt auch noch während der letzten vier Jahre. Vor den ICU haben in der Stadt Warlords und ihre Milizen dominiert, während in den letzten Jahren AMISOM, die somalische Armee und die Polizei versucht haben, die Kontrolle zu übernehmen, und Clans Einzelne nicht mehr beschützen würden. Clanälteste würden immer noch in Konfliktlösungsmechanismen einbezogen sein, es gebe aber kein Risiko der Verfolgung wegen Clanzugehörigkeit mehr.

Clanzugehörigkeit spiele für Mehrheitsclanangehörige, und insbesondere für Hawiye Clanangehörige aus Mogadischu, keine Rolle mehr, während sie für Angehörige anderer Clans, wie den Darod, oder für innerstaatlich Vertriebene nach wie vor sehr wichtig sei.

In politischen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten sei der Clan immer noch wichtig, und Minderheitenangehörige und innerstaatlich Vertriebene würden daher marginalisiert. In den Bezirken von Mogadischu sei immer ein Clan vorherrschend, auch wenn die Bevölkerung gemischt sei. Der einflussreichste Clan sei die Hawiye/Abgal. In Mogadischu unterstützen Clans ihre Mitglieder nicht (mehr) bei wirtschaftlichen Problemen oder bei der Erlangung ihres Lebensunterhaltes. Nur die Kernfamilie erfülle nunmehr diese Aufgabe. (Seite 55ff)

2.3.3. United Kingdom Home Office, Country Information and Guidance; South and central Somalia: Majority clans and minority groups, März 2015

Dieser sehr aktuelle Bericht zu Mehrheitsclans und Minderheiten in Süd- und Zentralsomalia führt unter anderem auszugsweise in der "policy summary" aus:

Angehörige von Mehrheitsclans erleiden sehr wahrscheinlich in keinem Teil Süd- und Zentralsomalias unmenschliche Behandlung bzw. Verfolgung wegen ihrer Ethnie oder Clanzugehörigkeit alleine. Jeder Fall muss jedoch individuell geprüft werden.

Es ist unwahrscheinlich, dass Mitglieder von Minderheitenclans oder Minderheiten alleine wegen ihrer Ethnie oder sozialen Gruppe in Mogadischu Verfolgung fürchten müssen.

Außerhalb von Mogadischu können Minderheitenangehörige Opfer von Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen werden, die unter manchen Umständen das Ausmaß von Verfolgung erreichen. Dieses Risiko hängt davon ab, welcher Minderheit die Person angehört, wo sie hin zurückkehren würde und ob die Person den Schutz eines Mehrheitsclans erlangen könnte.

Minderheitenangehörige, die IDPs in irgendeinem Teil Süd- und Zentralsomalias werden und die keine Wahl haben, als in einem IDP Camp zu bleiben, sind wahrscheinlich von einem echten Risiko einer Verfolgung wegen ihrer Ethnie oder ihrer Zugehörigkeit zur einer bestimmten sozialen Gruppe betroffen und haben wahrscheinlich Anspruch auf die Zuerkennung von Asyl.

Grundsätzlich sind weder Mehrheitsclan- noch Minderheitenangehörige in der Lage, Schutz durch den Staat zu erhalten.

Innerstaatliche Neuansiedlung in Mogadischu oder in anderen Gebieten von Süd- und Zentralsomalia, die nicht unter der Kontrolle von Al Shabaab stehen, kann, je nach den Einzelheiten des individuellen Falles, eine Option sein. Die Neuansiedlung einer Person in Mogadischu, die weder Unterstützung durch den Clan, noch durch die Familie, noch Unterstützung aus dem Ausland erhält und keine Aussicht auf die Erwirtschaftung eines Lebensunterhalts in der Stadt hat, ist wahrscheinlich unzumutbar.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Somaliland und Puntland ist nur denkbar für frühere Aufenthaltsberechtigte und Mitglieder lokaler Minderheiten.

Der gesamte Bericht mit ausführlichen Quellenangaben kann unter https://www.gov.uk/government/publications/somalia-country-information-and-guidance abgerufen werden.

3. Beweiswürdigung:

3.1. Die Feststellungen zur Person ergeben sich aus den in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie aus ihren Sprach- und Ortskenntnissen.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden. Soweit diese namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung der beschwerdeführenden Partei als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

3.2. Die Feststellungen zur Clanzugehörigkeit und Herkunft aus der Umgebung aus Kismayo wurden bereits von der belangten Behörde getroffen; das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an diesen zu zweifeln.

Die Feststellungen betreffend den Verbleib der Familienangehörigen der beschwerdeführenden Partei in XXXX und in Österreich und den Kontakt zu diesen basieren auf ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung und teilweise auf den vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellung über die strafrechtliche Unbescholtenheit der beschwerdeführenden Partei fußt auf einem Strafregisterauszug vom 05.06.2015.

3.3. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Beurteilung der gegenständlichen Beschwerde auf aktuelle Länderinformationen, die sich einerseits auf seriöse Quellen berufen oder, nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, solche selbst sind. Wesentlich bei der Auswahl der Berichte ist dabei die Aktualität der Information, insbesondere betreffend die Sicherheitslage in Somalia, und die Qualität der Quellen, wobei das Bundesverwaltungsgericht versucht, Berichte unterschiedlicher Auftraggeber_innen zu sichten, um sich ein möglichst ausgewogenes Bild der Situation zu den relevanten Fragestellungen machen zu können. Die für die gegenständliche Beschwerde entscheidungsrelevanten Berichte sind unter Punkt 2. in diesem Erkenntnis zusammengefasst und teilweise übersetzt wiedergegeben.

Die Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei vom 16.07.2015 stellt sich im Ergebnis nicht gegen die oben angeführte Länderberichte, sondern fasst diese zusammen.

3.4. Die beschwerdeführende Partei wiederholte in der mündlichen Verhandlung lebhaft und nachvollziehbar ein mit Details angereichertes Vorbringen ohne wesentliche Widersprüche. Das Bundesverwaltungsgericht zweifelt daher nicht daran, dass die beschwerdeführende Partei - soweit hier wesentlich - im Februar 2012 von Al Shabaab inhaftiert wurde und nach ca. 24 Tage aus dieser Haft entfliehen konnte.

Das Bundesverwaltungsgericht zweifelt auch nicht am Vorbringen einer ersten Inhaftierung, stellte diese jedoch nicht fest, da die beschwerdeführende Partei selbst angab, dass ihre zweite Inhaftierung mit ihrer ersten nichts zu tun hatte und mit der Bürgschaft durch Ogaden/Galjecel "erledigt" war.

4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. Allgemeine Rechtsgrundlagen

4.1.1. Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 7 B-VG wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes und hat daher gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren, und somit auch das gegenständliche, zu Ende zu führen.

4.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter_innen, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen.

Zu A)

4.2. Rechtsgrundlagen:

4.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

4.2.2. Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt mithin nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2003, Zl. 2001/20/0011).

Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH vom 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; vom 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH vom 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes befindet.

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH vom 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

4.2.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann mithin nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, Zl. 99/01/0256 mwN). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, "The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN sowie VwGH vom 20.09.2004, Zl. 2001/20/0430).

4.3. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

4.3.1. Wie bereits in den Feststellungen und in der Beweiswürdigung ausgeführt, nimmt das Bundesverwaltungsgericht das asylrelevante Vorbringen der beschwerdeführenden Partei als glaubhaft an. Demnach war sie im Februar 2012 für ca. 24 Tage von Al Shabaab inhaftiert, wurde in der Haft nicht ausgebildet oder trainiert und floh über ein Holzbrett aus der Gefangenschaft.

Auch als wahr anerkennt das Bundesverwaltungsgericht, dass die beschwerdeführende Partei ihren Sohn, einen nunmehr neunjährigen Buben, nicht nach Österreich nachholte, sondern dieser unbelästigt mit seiner Großmutter in XXXX lebt, damit diese nicht alleine ist.

4.3.2. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung muss auf die aktuellen Länderinformationen verwiesen werden, nach denen Kismayo im Jahr 2012 von somalischer Armee und AMISOM erobert wurde. Kismayo ist heute frei von Al Shabaab. Al Shabaab betätigt sich weiter in ländlichen Gebieten im Guerillakampf, und gibt es in der Stadt Spannungen zwischen den Marehan und den Ogaden-Clans (siehe oben unter 2.1.1. und 2.1.4.).

Die beschwerdeführende Partei gab im Rahmen der Verhandlung selbst an, dass XXXX keine ordentliche Verwaltung - also auch keiner der Al Shabaab - hat und von Ras Kamboni Milizen umgeben ist.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass Al Shabaab auch in den befreiten Städten im Untergrund präsent ist und eigentliche Deserteure aus ihren Reihen möglicherweise zu ihren Zielen zählen.

Im gegenständlichen Fall ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gänzlich davon überzeugt, dass die beschwerdeführende Partei im eigentlichen Sinn desertierte. Sie war "nur" in Al Shabaab Haft und wurde dort nicht trainiert oder ausgebildet. Was mit ihr passiert wäre, wenn sie nicht geflohen wäre, muss eine Vermutung bleiben.

Ob nun Al Shabaab ehemalige Häftlinge wegen gegnerischer Tendenzen mehrere Jahre nach deren Flucht und in einer geänderten Machtsituation in der Gegend rund um Kismayo konkret wiedererkennen und verfolgen würde, geht aus den aktuellen diesbezüglichen Länderberichten nicht in dem Ausmaß hervor, wie für die Annahme einer entsprechend maßgeblichen Wahrscheinlichkeit notwendig wäre.

4.3.3. Und als tatsächlich wesentliches Indiz, das für das Bundesverwaltungsgericht gegen eine solche Gefahr einer konkreten Verfolgung spricht, ist das Faktum, dass die beschwerdeführende Partei selbst keine Sorge um ihren Sohn hat, der nach wie vor in XXXX lebt. Es stimmt, dass der Sohn der beschwerdeführenden Partei unter Umständen zu jung für eine Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab ist. Wenn jedoch mit einem tatsächlich hohen Risiko einer Wiedererkennbarkeit und Bestrafung durch im Untergrund agierende Al Shabaab wegen des Ausbruchs aus der Haft gerechnet werden müsste, so erscheint das Zurücklassen des Sohnes der beschwerdeführenden Partei in genau der Gegend und in dem kleinen Dorf, in dem eine Zuordenbarkeit zur Person der beschwerdeführenden Partei wohl möglich ist, nicht ganz nachvollziehbar.

4.3.4. Das Bundesverwaltungsgericht möchte die Untergrundpräsenz der Al Shabaab in Südsomalia nicht verharmlosen und anerkennt, dass Al Shabaab gezielt Opfer für Kampagnen und Attentate auswählt. Auch Deserteure können unter Umständen davon betroffen sein.

Im gegenständlichen Fall geht das Bundesverwaltungsgericht jedoch aus den oben dargestellten Gründen nicht davon aus, dass durch die Geschehnisse im Jahr 2012 tatsächlich eine solche Wiederkennbarkeit und, damit einhergehend, eine entsprechende Verfolgungsgefahr durch Al Shabaab gegeben wäre.

4.4.4. Was die allgemeinen Sicherheitsbedenken betrifft, so wurde diesen bereits durch die belangte Behörde mit der Zuerkennung von subsidiärem Schutz Rechnung getragen.

4.4.5. Andere asylrelevante Gründe für eine mögliche Verfolgung, so zB ethnischer Natur, wurden nicht vorgebracht und ergeben sich auch nicht aus dem Verwaltungsakt oder aus der aktuellen Berichtslage.

4.4.6. Mangels Bestehen oder Aktualität einer maßgeblichen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, kann daher der Beschwerde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides nicht stattgegeben werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung von Asyl auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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