BVwG W104 2016940-1

BVwGW104 2016940-111.2.2015

AVG 1950 §73 Abs1
B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.132 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
UVP-G 2000 §19 Abs7
UVP-G 2000 §2 Abs2
UVP-G 2000 §3
UVP-G 2000 §3 Abs1
UVP-G 2000 §3 Abs2
UVP-G 2000 §3 Abs3
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §3 Abs7a
UVP-G 2000 §40 Abs1
UVP-G 2000 §45
UVP-G 2000 Anh.1 Z2
UVP-G 2000 Anh.1 Z4
VwGVG §28 Abs7
VwGVG §8
AVG 1950 §73 Abs1
B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.132 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
UVP-G 2000 §19 Abs7
UVP-G 2000 §2 Abs2
UVP-G 2000 §3
UVP-G 2000 §3 Abs1
UVP-G 2000 §3 Abs2
UVP-G 2000 §3 Abs3
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §3 Abs7a
UVP-G 2000 §40 Abs1
UVP-G 2000 §45
UVP-G 2000 Anh.1 Z2
UVP-G 2000 Anh.1 Z4
VwGVG §28 Abs7
VwGVG §8

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W104.2016940.1.00

 

Spruch:

W104 2016940-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Baumgartner als Vorsitzenden und die Richter Dr. Andrä und Mag. Büchele als Beisitzer über die Säumnisbeschwerde des XXXX, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Kärntner Landesregierung über seinen Antrag auf Feststellung der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Errichtung und Betrieb eines biomassebefeuerten Heizkraftwerks für die Erzeugung von Fernwärme und elektrischem Strom am Standort XXXX, durch die XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die beschwerdeführende Partei ist zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt. Die Behörde hat gemäß § 28 Abs. 7 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwGVG) i.V.m. § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) binnen sechs Wochen einen Bescheid darüber zu erlassen, ob für das Vorhaben der Errichtung und des Betriebes eines biomassebefeuerten Heizkraftwerks für die Erzeugung von Fernwärme und elektrischem Strom am Standort XXXX, durch die XXXX eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist. Sie ist dabei an die in diesem Erkenntnisses festgelegte Rechtsanschauung gebunden.

II. Der Bescheid ist auch dem Bundesverwaltungsgericht zuzustellen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Am 30.4.2014 stellte die Beschwerdeführerin, eine gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation, die im gesamten Bundesgebiet tätig ist, bei der Behörde den Antrag, die Behörde möge gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 feststellen, dass für das näher beschriebene Vorhaben der XXXX der Errichtung und des Betriebes eines biomassebefeuerten Heizkraftwerks für die Erzeugung von Fernwärme und elektrischem Strom eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist.

Die Zulässigkeit ihres Feststellungsantrages begründete die Beschwerdeführerin im Wesentlichen damit, dass zwar § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 Umweltorganisationen kein ausdrückliches Recht zur Stellung eines Feststellungsantrages einräume, jedoch das Prinzip des effektiven Rechtsschutzes des Unionsrechts und Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 der Aarhus-Konvention und die europäischen Umsetzungsrechtsakte Umweltorganisationen die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahrens ermöglichten, um Entscheidungen, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen sind und möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union stehen, anzufechten. Gemäß Anhang 1 Z 4 UVP-G 2000 seien thermische Kraftwerke oder andere Feuerungsanlagen mit einer Brennstoffwärmeleistung von mindestens 200 MW einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu unterziehen. Unter diesen Tatbestand fielen auch Kraftwerke mit Abwärmenutzung, sog. "Heizkraftwerke". Das Biomasseheizkraftwerk in Klagenfurt bilde in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit anderen Heizkraftwerken ein UVP-pflichtiges Vorhaben. Diese in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden Vorhaben hätten aber eine Gesamtleistung von 337,597 MW. Es seien daher sowohl der von der UVP-Richtlinie festgelegte als auch der nationale Schwellenwert erreicht und daher eine UVP durchzuführen.

Für einen sachlichen Zusammenhang sprächen der einheitliche Betriebszweck und das Gesamtkonzept. Dass die in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden Heizkraftwerke nicht vom selben Projektwerber betrieben werden, würde für die Annahme eines einheitlichen Vorhabens nicht schaden, weil auch Projekte verschiedener Projektwerber ein einheitliches Vorhaben bilden könnten, wenn durch bewusstes und gewolltes Zusammenwirken ein gemeinsamer Betriebszweck verfolgt werde (Hinweis auf die ständige Rechtsprechung). Der räumliche Zusammenhang mehrerer Eingriffe sei dann anzunehmen, wenn durch die verschiedenen Eingriffe Überlagerungen von Umweltauswirkungen im Sinne kumulativer und additiver Effekte zu erwarten sind, was hier der Fall sei, weil die bestehenden, bereits genehmigten und geplanten Anlagen aufgrund der Inversionswetterlage im Klagenfurter Becken zur Überlagerung von Umweltauswirkungen führten. Die Einreichung getrennter Projekte verfolge ausschließlich den Zweck, das Vorhaben durch Aufsplittung einer UVP zu entziehen.

Zudem sehe das UVP-G 2000 für Vorhaben, die zwar nicht selbst die festgelegten Stellenwerte erreichen, aber mit anderen Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang stehen und mit diesem gemeinsam die Schwellenwerte erreichen, die Durchführung einer Einzelfallprüfung vor, wenn das beantragte Vorhaben eine Kapazität von mindestens 25 % des Schwellenwertes aufweist. Das geplante Vorhaben liege 0,23 MW unter dem für die Durchführung einer Einzelfallprüfung relevanten Schwellenwert von 50 MW. Grundsätzlich seien nach der Judikatur die Schwellenwerte des Anhangs 1 des UVP-G 2000 maßgeblich, wobei der Versuch, dieses Gesetz zu umgehen, indem ein Projekt auf mehrere Vorhaben aufgesplittet wird, von der Rechtsprechung als Umgehungsgeschäft gewertet und die verschiedenen Projektänderungen als einheitliche Erweiterung behandelt würden, die in ihrer Gesamtheit dem Beurteilungsgegenstand der Behörde bildeten. Mehrere Fakten würden eine derartige Umgehungsabsicht belegen.

Neben dem Tatbestand der thermischen Kraftwerke sei jedenfalls auch der Tatbestand der Anlagen zur thermischen Behandlung nicht gefährlicher Abfälle des Anhanges 1 Z 2 lit c UVP-G 2000 zu prüfen.

Mit einem als "Rechtsauskunft" bezeichneten Schreiben vom 9.7.2014 informierte die Behörde die Antragstellerin darüber, dass ihr gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 kein Recht zur Stellung eines derartigen Feststellungsantrages zukomme.

Mit Schreiben vom 17.12.2014 brachte die Beschwerdeführerin bei der Behörde die gegenständliche Säumnisbeschwerde ein, in der darauf hingewiesen wurde, dass die Frist für die bescheidmäßige Erledigung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 sechs Wochen betrage. Die sechswöchige Frist zur Erledigung habe am 11.6.2014 geendet. Bis zur Einbringung dieser Säumnisbeschwerde habe es keine Erledigung ihres Antrages durch die Behörde gegeben. Die Beschwerdeführerin stelle daher die Anträge, das Verwaltungsgericht möge in der Sache selbst erkennen und dem Antrag auf Feststellung der Pflicht zur Durchführung einer UVP stattgegeben.

Mit Schreiben vom 7.1.2015, eingelangt am 9.1.2015, wurde die Säumnisbeschwerde von der Behörde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. In ihrem Vorlageschreiben führt die Behörde an, dass die Beschwerdeführerin über die rechtliche Situation in Form ihrer Rechtsauskunft vom 9.7.2014 eingehend informiert worden sei und abgesehen von der mangelnden Antragslegitimation der Einschreiterin diese in der Folge bis zum Einbringen der gegenständlichen Säumnisbeschwerde weder eine bescheidmäßige Erledigung durch die Behörde begehrt, noch sich in einer anderen Form zu der übermittelten behördlichen Rechtsauskunft geäußert habe. Aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage sehe die Behörde die vorliegende Säumnisbeschwerde als nicht gerechtfertigt an.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zuständigkeit:

Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) sieht die Möglichkeit einer Zuständigkeitsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts "in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung" durch Bundesgesetz vor. Gemäß § 40 Abs. 1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) entscheidet über "Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000" das Bundesverwaltungsgericht. Damit hatte der Bundesgesetzgeber offenbar den Hauptfall der bei den Verwaltungsgerichten anfallenden Entscheidungen, nämlich die Bescheidbeschwerde, vor Augen. Weder die Materialien zur UVP-G-Novelle 2013 (RV 2252 , AB 2314 BlgNR 24. GP ), mit der § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 seine geltende Fassung erhielt, noch andere Quellen lassen Anhaltspunkte dafür erkennen, dass über die - ausdrücklich ausgenommenen - Strafverfahren nach § 45 UVP-G 2000 hinaus noch weitere Teilbereiche der "Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung" den Landesverwaltungsgerichten vorbehalten werden sollten. Es ist dafür auch keine vernünftige sachliche Begründung erkennbar, woraus für das Bundesverwaltungsgericht folgt, dass der Bundesgesetzgeber davon ausgegangen ist, dass auch Säumnisbeschwerden in Rechtssachen, in denen noch keine Entscheidung der Behörde ergangen ist, von der Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts erfasst sein sollten. § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 ist daher analog auch auf Säumnisbeschwerden anzuwenden.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 40 Abs. 2 UVP-G 2000 liegt Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG kann das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

2. Zulässigkeit der Beschwerde:

Gemäß Art. 132 Abs. 3 B-VG kann wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.

Gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 hat die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Die Entscheidung ist innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung sind die mitwirkenden Behörden und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören.

Stellt die Behörde gemäß Abs. 7 fest, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist, ist gemäß § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 eine gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Ab dem Tag der Veröffentlichung im Internet ist einer solchen Umweltorganisation Einsicht in den Verwaltungsakt zu gewähren. Für die Beschwerdelegitimation ist der im Anerkennungsbescheid gemäß § 19 Abs. 7 ausgewiesene örtliche Zulassungsbereich maßgeblich.

Der zitierte § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 verleiht demnach Umweltorganisationen bei Auslegung nach dem Wortlaut der Bestimmung kein Antragsrecht im Feststellungverfahren. Der durch die UVP-G Novelle eingeführte § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 verleiht Umweltorganisationen nach dessen Wortlaut nur die Befugnis, negative Feststellungsentscheidungen beim Bundesverwaltungsgericht anzufechten. Den Gesetzesmaterialien zur UVP-G Novelle 2012 (RV 1809 BlgNR 24. GP ) zu § 3a Abs. 7 ist zu entnehmen:

"Mit Mahnschreiben vom 28. Februar 2012 leitete die Europäische Kommission gegenüber der Republik Österreich das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2012/2013 zur Umsetzung der UVP-Richtlinie 85/337/EWG ein. Die Kommission vertritt darin die Auffassung, dass die Republik Österreich unter anderem dadurch gegen die Verpflichtung aus Artikel 10a der UVP-Richtlinie betreffend die Öffentlichkeitsbeteiligung verstoßen hat, dass sie die Rechtsmittelbefugnis gegen die Entscheidung im Rahmen des Feststellungsverfahrens zur UVP-Pflicht eines Projektes auf die Projektwerberin, die Standortgemeinde, die mitwirkenden Behörden und den Umweltanwalt beschränkt. Zur Abwendung einer Klage der Kommission an den Gerichtshof der Europäischen Union und aus Gründen der wirksamen Umweltvorsorge erscheint es sinnvoll, bei Großprojekten den nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannten Umweltorganisationen ein Rechtsmittel zur Überprüfung der Entscheidungen der UVP-Behörde, mit denen die UVP-Pflicht für ein Vorhaben verneint wird (= negative Feststellungsentscheidung), einzuräumen. Die Kommission stützt ihre Rechtsauffassung auf ein Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache Mellor, C-75/08 vom 30.4.2009 und leitet aus diesem Urteil ab, dass eine Überprüfbarkeit von negativen Feststellungsentscheidungen für Umweltorganisationen gegeben sein müsse. Mit dem vorgesehenen Antragsrecht auf Überprüfung bei negativen Feststellungsbescheiden wird dem Rechnung getragen, da Umweltorganisationen erst durch eine negative Feststellungsentscheidung in ihren Rechten verletzt sein können."

Nach Absicht des Gesetzgebers der UVP-G Novelle 2012 sollte durch Einführung des § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 demnach die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens und die anschließende Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) dadurch vermieden werden, dass eine unionsrechtskonforme Lösung für den Rechtsschutz von Umweltorganisationen im Feststellungverfahren implementiert wurde. Aus dem in der Regierungsvorlage angeführten Urteil des EuGH, mit dem die Kommission in ihrem Mahnschreiben argumentiert hat (Urteil in der Rechtssache Mellor, C-75/08 vom 30.4.2009) ergibt sich, gestützt auf Art. 10a der UVP-Richtlinie 85/337/EWG , dass Dritte sich davon vergewissern können müssen, dass die zuständige Behörde nach den im nationalen Recht vorgesehenen Bestimmungen geprüft hat, ob eine UVP erforderlich ist und diese in der Lage sein müssen, die Einhaltung dieser Prüfungspflicht, die der zuständigen Behörde obliegt, gegebenenfalls gerichtlich nachprüfen zu lassen. Eine Analyse der englischen Originalfassung des Urteils belegt, dass damit jener Teil der Öffentlichkeit gemeint ist, der die nach Art. 10a UVP-Richtlinie zulässigen Voraussetzungen erfüllt (Schlögl, Die betroffene Öffentlichkeit im UVP-Feststellungsverfahren, wbl 2011, 242). Nach dieser Bestimmung (nunmehr Art. 11 Richtlinie 2011/92/EU ) ist Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, jedenfalls Zugang zu einem Gericht zu gewähren, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen der UVP-Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

Bekräftigt wurde diese Rechtsprechung im Urteil des EuGH in der Rechtssache C-182/10 vom 16.2.2012 (Solvay). Zudem besteht nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH C-260/11 , Rn 31), wie in Art. 10a Vorgängerrichtlinie 85/337/EWG und im nunmehrigen Art. 11 Abs. 3 der UVP-Richtlinie 2011/92/EU ausdrücklich festgehalten ist, das vom Unionsgeber verfolgte Ziel darin, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu den Gerichten zu gewähren (VwGH 18.11.2014, 2013/05/0022).

Der österreichische Gesetzgeber erachtete es offensichtlich als ausreichend, Umweltorganisationen eine Überprüfungsmöglichkeit gegen einen von der UVP-Behörde erlassenen Feststellungsbescheid zu gewähren, um eine ausreichende Überprüfungsmöglichkeit bzw. Rechtsschutz in diesem Bereich für die Umweltorganisationen sicherzustellen, ohne ihnen dabei Antragsrecht und Parteistellung im Feststellungverfahren selbst gewähren zu müssen. Wie der gegenständliche Fall aber zeigt, hatte der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 3 Abs. 7a nur den Regelfall vor Augen, dass ein Feststellungverfahren zur Frage der UVP-Pflicht durchgeführt wird. Im gegenständlichen Fall jedoch wurde von der Behörde kein Feststellungverfahren durchgeführt. Um eine Prüfung der UVP-Pflicht zu erreichen und insbesondere Zugang zu Rechtsschutz gegen eine entsprechende behördliche Entscheidung zu erlangen, wie sie nach dem Mellor-Urteil des EuGH gemäß Art. 11 UVP-Richtlinie geboten ist, wird Umweltorganisationen in jenen Fällen, in denen kein Feststellungverfahren von der UVP-Behörde (auf Antrag gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 antragsberechtigter Personen oder von Amts wegen) eingeleitet wurde, ein Antragsrecht auf Erlassung einer derartigen Entscheidung gewährt werden, um die Ziele, die mit Einfügung des § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 durch die UVP-G-Novelle 2012 verfolgt wurden, zu erreichen.

Wenn der Gesetzgeber keine umfassende Parteistellung anerkannter Umweltorganisationen im Feststellungverfahren sondern nur eine Anfechtungsbefugnis (bzw. nunmehr, nach Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, eine Beschwerdelegitimation) gegen negative Feststellungsbescheide vorgesehen hat, so obwalten dagegen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (Zl. 2013/05/00 22, 18.11.2014) keine unionsrechtlichen Bedenken. Wenn sich in Bezug auf § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 im Hinblick auf das Urteil des EuGH im Fall Mellor unionsrechtliche Bedenken ergeben haben (Hinweis auf Beschluss 2012/04/0040), so könnten, so der Verwaltungsgerichtshof, diese auf den diesem dort vorliegenden Beschwerdefall schon deswegen nicht übertragen werden, weil sie neben einer fehlenden Parteistellung im Feststellungverfahren gemäß § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 auch das Fehlen einer Anfechtungsbefugnis (Antragsbefugnis) im Sinne des § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 voraussetzten. Die mit dieser Gesetzesbestimmung anerkannten Umweltorganisationen eingeräumte Anfechtungsbefugnis stehe im Einklang mit Art. 11 Abs. 2 der UVP-Richtlinie, der es den Mitgliedstaaten überlasse, in welchem Verfahrensstadium Entscheidungen, Handlungen und Unterlassungen, für die diese Richtlinie gilt, angefochten werden könnten.

Im hier vorliegenden Fall treffen diese Ausführungen jedoch nicht zu, da ein Feststellungsbescheid nicht vorliegt und eine Beschwerdelegitimation der Umweltorganisation daher ins Leere läuft, ein nudum jus darstellt.

Wie bereits dargelegt, sollte § 3 Abs. 7 Art der unionsrechtlichen Verpflichtung zum Durchbruch verhelfen, einen Zugang für Umweltorganisationen zu einem Gericht gegen "negative" Feststellungsbescheide zu ermöglichen. Innerstaatliche Verfahren zur Durchsetzung von Unionsrecht dürfen aber nicht ungünstiger gestaltet werden als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz; VwGH 27.9.2013, 2010/05/0202 mit Hinweis auf die Urteile des EuGH in den Rechtssachen C-312/93 P eterbroek und C-115/09 Trianel; Vgl. auch EuGH 7.1.2004, Rs C-201/02 Wells Rz 65 f).

Der "effet utile", als Ausprägung dessen der Effektivitätsgrundsatz gesehen wird, stellt gemeinsam mit dem Grundsatz der einheitlichen Wirkung das zentrale Prinzip des Gemeinschaftsrechts dar. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts allein vermag dort nicht mehr im Sinne der einheitlichen Anwendung zu wirken, wo Bestimmungen nationalen Rechts nicht direkt mit entgegenstehenden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts kollidieren, sondern wo die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts indirekt durch nationale Verfahrensregelungen und Praktiken beeinträchtigt wird (Madner, Effektivitätsgebot und Abgabenverfahrensrecht, Holoubek/Lang (Hrsg.), Abgabenverfahrensrecht und Gemeinschaftsrecht (2006) 119, nwN). Ebenfalls als Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes "effet utile" kann das Gebot angesehen werden, öffentlichen Rechtsschutz durch Zugang zu einer vorlagefähigen Instanz einzuräumen (Madner 119), wie es nun in Art. 47 der europäischen Grundrechtecharta kodifiziert wurde.

Es widerspricht dem Grundsatz der Effektivität, wenn Umweltorganisationen durch eine Rechtsvorschrift Zugang zu Gericht gewährt wird, um die Überprüfung einer Entscheidung zu erreichen, mit der festgestellt wurde, dass für ein Vorhaben keine UVP durchzuführen ist, dieser Zugang zu Gericht aber, weil kein entsprechender Akt vorliegt, der bei Gericht bekämpft werden könnte, ins Leere läuft. Dies umso mehr in Fallkonstellationen wie der vorliegenden, in der kein UVP-Feststellungverfahren durchgeführt wird und die nach den Materiengesetzen zuständigen Behörden in Genehmigungsverfahren, in denen Umweltorganisationen keine Parteistellung zukommt, Genehmigungen zur Durchführung eines Projekts erlassen, ohne dass dies von einer Umweltorganisation gerichtlich geltend gemacht werden könnte. Dies hat der österreichische Gesetzgeber bei Einführung des § 3 Abs. 7 war offensichtlich nicht bedacht. Es liegt demnach eine Lücke des positiven Rechts vor, die durch Analogie zu schließen ist (zur Zulässigkeit der Anwendung der Analogie im öffentlichen Recht jüngst wieder VwGH 18.12.2014, Ro 2014/07/0033).

Eine entsprechende analogiefähige Regelung steht mit § 3 Abs. 7 erster Satz UVP-G 2000 zur Verfügung, wonach die Behörde auf Antrag bestimmter Personen festzustellen hat, ob für ein Vorhaben eine UVP durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges eins oder des § 3 Abs. 1 bis 3 UVP-G 2000 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Analog zu dieser Regelung ist in jenen Fällen, in denen ein entsprechendes Feststellungverfahren nicht auf Antrag der dort angeführten Personen oder - wie dies der zweite Satz des Abs. 7 ermöglicht - von Amts wegen eingeleitet worden ist, auch Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 ein Antragsrecht zuzugestehen und damit auch die Möglichkeit, eine Säumnis der Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht geltend zu machen.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof in vergleichbaren Fällen, in denen er wegen unzulänglicher Umsetzung der UVP-Richtlinie einen Vorrang des Gemeinschaftsrechts und eine Verdrängung gemeinschaftswidriger Bestimmungen des UVP-G 2000 angenommen hat, ebenfalls davon ausgegangen ist, dass die Umsetzung des Anwendungsvorganges des Gemeinschaftsrechtes nach den Zuständigkeits- und Verfahrensnormen desjenigen innerstaatlichen Gesetzes richten, dessen materielle Bestimmungen teilweise durch den Anwendungsvorrang durch das Gemeinschaftsrecht verdrängt werden (VwGH 20.2.2003, 2001/07/0171, 18.11.2004, 2003/07/0127). So kann auch in diesem Fall eines Analogieschlusses aufgrund einer unionsrechtskonformen Interpretation auf Grundlage des Effektivitätsgrundsatzes von einer Zuständigkeit der sachnächsten Behörde ausgegangen werden (Holoubek, Die Zuständigkeit bei unmittelbarer Anwendung von Gemeinschaftsrecht, Holoubek/Lang [Hrsg], Abgabenverfahrensrecht und Gemeinschaftsrecht [2006], 73; Schlögl, Die betroffene Öffentlichkeit im UVP-Feststellungsverfahren, wbl 2011, 247f).

3. Säumigkeit der Behörde und weiteres Verfahren:

Gemäß § 73 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, einen Bescheid zu erlassen.

Gemäß § 8 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Die Behörde hat seit der Antragstellung Ende April 2014 keinerlei Handlungen zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000, auch nicht von Amts wegen, gesetzt, und keinen Feststellungsbescheid erlassen. Die Rechtsauskunft vom 9.7.2014 enthält zwar Informationen der Behörde an die Antragstellerin darüber, dass sie deren Antrag für unzulässig hält, stellt aber nach dem Willen der Behörde keinen Bescheid dar, wie der aus der Bezeichnung des Schreibens als "Rechtsauskunft" und dem Fehlen eines normativen Abspruches über den Antrag hervorgeht.

In dem Schreiben wurde weiters zwar eine Information erteilt, jedoch die Antragstellerin in keiner Form zur Setzung einer Handlung aufgefordert. Die Antragstellerin und nunmehrige Beschwerdeführerin konnte daher davon ausgehen, dass ihr Feststellungsantrag, dessen Wortlaut keinerlei Zweifel daran zulässt, dass eine Erledigung durch Bescheid beantragt wird ("Antrag, die Behörde möge gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 feststellen, dass für das antragsgegenständliche Biomasseheizkraftwerk eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist"), und den sie in der Folge auch nicht zurückgezogen hat, von der Behörde dem Gesetz entsprechend, nämlich durch Erlassung eines Bescheides, erledigt wird.

Von der Behörde wurden keine Gründe für diese Vorgangsweise geltend gemacht. Es steht daher außer Zweifel, dass die Verzögerung auf ausschließliches Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag ist daher, da § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 eine sechswöchige Entscheidungsfrist vorsieht und diese bei Erhebung der Säumnisbeschwerde längst verstrichen war, mit Einlangen der Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht übergegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat von seiner Befugnis gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG Gebrauch gemacht hat, da die Behörde auf Grund ihrer verfehlten Rechtsansicht keinerlei Ermittlungen im Sinne des Antrages, d.h. zur Klärung der Frage der UVP-Pflicht des in Rede stehenden Vorhabens, getätigt hat. Das gesamte Ermittlungsverfahren ist daher noch ausständig. Die Behörde hat in weiterer Folge unverzüglich ein Feststellungverfahren zur Frage der UVP-Pflicht des in Rede stehenden Vorhabens einzuleiten. Dabei ist die Frage zu klären, ob es sich um ein (einheitliches, weil in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehendes) Vorhaben gemäß § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 handelt, das gemäß § 3 Abs. 1 UVP-G 2000 jedenfalls einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist oder aber eine UVP-Pflicht gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 aufgrund einer Kumulation des Vorhabens mit anderen in einem räumlichen Zusammenhang stehenden Vorhaben vorliegt. Dabei werden sämtliche nach der Art des Vorhabens in Frage kommenden Vorhabenstypen gemäß Anhang 1 UVP-G 2000 zu berücksichtigen sein.

Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass der Vorhabensbegriff als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 bereits dann erfüllt ist, wenn der Projektwerber jene Angaben vorlegen kann, die zur Beurteilung des Verfahrensgegenstandes - maßgeblicher Tatbestand und UVP-Pflicht - erforderlich sind. Jedenfalls muss der Projektwerber den Verwirklichungswillen bereits klar dokumentiert haben, insbesondere, wenn der Feststellungsantrag nicht vom Projektwerber selbst stammt. Dies kann auch dann schon der Fall sein, wenn ein Feststellungsantrag nach einem Materiengesetz gestellt wurde (vgl. mwN jüngst zusammenfassend BVwG W113 2006688-1 - Spielberg Motorsportzentrum; VwGH 27.9.2004, 2003/05/0218; 16.7.2010, 2009/07/0016) und ist umso mehr der Fall, wenn die Genehmigungen schon erteilt und die Vorhaben verwirklicht worden sind.

Zu Spruchteil B:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es zur Frage der Berechtigung der Erhebung einer Säumnisbeschwerde durch eine Umweltorganisation in Fällen, in denen kein Feststellungsbescheid erlassen wird, an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt und die Entscheidung damit von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte