BVwG L518 1410613-3

BVwGL518 1410613-325.8.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:L518.1410613.3.00

 

Spruch:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER

als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, vertreten durch Dr. Mory, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.09.2012, Zl. XXXX, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 31.03.2014 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 BGBl I

2005/100 idF BGBl I 144/2013 als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wird das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, vertreten durch Dr. Mory, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.09.2012, Zl. XXXX, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 31.03.2014 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 BGBl I

2005/100 idF BGBl I 144/2013 als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wird das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, vertreten durch Dr. Mory, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.09.2012, Zl. XXXX, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen am 31.03.2014 Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 BGBl I

2005/100 idF BGBl I 144/2013 als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wird das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, vertreten durch Dr. Mory, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.09.2012, Zl. XXXX, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 31.03.2014 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 BGBl I

2005/100 idF BGBl I 144/2013 als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wird das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP4" bezeichnet), alle Staatsangehörige von Armenien brachten nach illegaler Einreise am 18.09.2009 (bP 1, 2, und 4) bzw. 19.08.2010 (bP3) bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die bP 1 und bP 2 sind die Eltern der bP 3 und bP 4.

Die bP 1 und bP 2 wurden durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion St. Georgen i. A. - EAST West erstbefragt und in weiterer Folge vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, die bP 1 habe in Armenien an einer Demonstration teilgenommen, wobei sie derart von der Polizei geschlagen worden sei, dass sie nunmehr an einer Niereninsuffizienz leide und regelmäßig Dialysebehandlungen benötige. Diese habe sie zwar in Armenien seit ca. 2008 erhalten, sie seien aber nicht medizinischen Standards entsprechend durchgeführt worden.

Die im Einreisezeitpunkt noch minderjährige bP 3 gab im Rahmen ihrer Einvernahme an, dass sie mit ihrer Familie zusammen leben möchte und wegen der Verfolgung ihres Vaters selbst auch Angst gehabt habe, dass ihr etwas passiere. 2009 habe sie nicht mit den Eltern ausreisen können, da sie weggebracht worden sei und die Eltern bei ihrer Rückkehr das Land schon verlassen hätten. Zwischenzeitlich habe sie bei ihren Großeltern gelebt, bis sie mit Hilfe von Freunden des Vaters selbst ausreisen konnte.

Für die bP 3 sowie die minderjährige bP 4 wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

I.2. Das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, wies mit Bescheiden vom 14.12.2009 (bP 1, 2, und 4) bzw. 17.09.2010 (bP3) die Anträge auf internationalen Schutz in Spruchpunkt I bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 und in Spruchpunkt II bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab. Mit Spruchpunkt III wies das Bundesasylamt die bP gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Armenien aus.

I.3. In Erledigung der dagegen erhobenen Beschwerden behob der Asylgerichtshof mit Erkenntnissen vom 21.12.2010 die bekämpften Bescheide und verwies die Angelegenheiten gemäß § 66 Abs. 2 AVG (iVm § 34 AsylG) zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

I.4. In der Folge wurde die bP 1 am 02.03.2011 beim Bundesasylamt, Außenstelle Linz, niederschriftlich einvernommen und legte im Zuge der Einvernahme mehrere Befunde vor. Weiters wurden Schulbestätigungen hinsichtlich der bP 4 vorgelegt.

I.5. Das Bundesasylamt veranlasste eine medizinische Begutachtung der bP 1 durch einen gerichtlich beeideten Gutachter für Allgemeinmedizin (Gutachten vom 15.03.2011 samt Ergänzung vom 28.03.2011, XXXX) und holte bei der zuständigen Krankenversicherung eine Liste aller in Apotheken bezogenen Medikamente des Beschwerdeführers ein. Weiters wurden Erhebungen über den Gutachter und im Wege der Staatendokumentation zur Verfügbarkeit von Medikamenten durchgeführt und wurden Ermittlungen zur Behandlung von Niereninsuffizienz in Armenien getätigt.

Die bP 1 wurde zu den Ermittlungsergebnissen am 30.03.2011 erneut beim Bundesasylamt, Außenstelle Linz, niederschriftlich einvernommen.

I.6. Das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, wies mit Bescheiden vom 01.04.2011 die Anträge auf internationalen Schutz der bP in Spruchpunkt I bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 und in Spruchpunkt II bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab. Mit Spruchpunkt III wies das Bundesasylamt die bP gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Armenien aus.

I.7. Gegen diese Bescheide des Bundesasylamtes wurde fristgerechte Beschwerde am 18.04.2011 erhoben.

I.8.Mit Schreiben vom 12.12.2011 sowie 18.07.2011 wurden Unterlagen zur Integration vorgelegt (Schulzeugnis, Deutschkurszeugnisse).

I.9. Nachdem der Erledigungsentwurf der vorsitzenden Richterin des zur Entscheidung berufenen Senats des Asylgerichts nicht die Zustimmung des beisitzenden Richters gefunden hatte, wurde das gegenständliche Verfahren mit 08.06.2011 gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG an den zuständigen Kammersenat herangetragen.

Mit Schreiben des AsylGH vom 17.06.2011 wurde den bP die Befassung des Kammersenats mit ihren Rechtssachen zur Kenntnis gebracht und hierzu die Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt, welche jedoch im Weiteren unterblieb.

Mit Verfahrensanordnung vom 02.11.2011 wurde den bP antragsgemäß ein Rechtsberater bzw. eine Rechtsberaterin gemäß § 75 Abs. 16 AsylG 2005 zur Seite gestellt.

Der Asylgerichtshof hat mit Entscheidungen vom 15.11.2011 durch die Richterin Drin. FAHRNER als Kammervorsitzende in Erledigung der Beschwerden die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Hinsichtlich der Begründung wurde auf mangelnde Ermittlungen zum Gesundheitszustand der bP 1 sowie die Leistbarkeit der Behandlung verwiesen.

Hinsichtlich dieser Punkte wurde auf das vorangegangene Erkenntnis des Asylgerichthofes vom 21.12.2010 gemäß § 66 Abs. 2 AVG verwiesen, welches dem Rechtsbestand angehört und an dessen tragende Rechtsansicht auch die nunmehrige Entscheidung gebunden gewesen sei.

I.10. Die bP 1, 2 und 3 wurden daraufhin mehrfach niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen.

I.11. Zusammengefasst brachte die bP 1 zu den Fluchtgründen befragt zunächst vor, sie habe Armenien verlassen, da sie am XXXX2008 im Zuge einer Demonstrationsteilnahme von der Polizei mit einem Gummiknüppel geschlagen worden sei. Seither würden ihre Nieren nicht mehr arbeiten und sie bedürfe regelmäßiger Dialyse. Sie habe Anzeige gegen die Polizei erhoben, weshalb die Polizei oft zu ihrem Haus gekommen sei und verlangt habe, dass sie die Anzeige zurückziehe. Sie werde von der Polizei belästigt und bedroht; im Falle einer Rückkehr würden die Schikanen weitergehen.

Im Zuge des fortgesetzten Verfahrens gab die bP 1 an, dass ihre Nierenprobleme nicht von den Schlägen kommen würden. Sie vermute eher, dass die Funkwellen während ihrer Arbeit den Gesundheitszustand derart beeinträchtigt hätten.

Zuletzt habe die bP1 in Armenien am Flughafen als Funkingenieur gearbeitet und dabei gut verdient. Sein Dienstgeber habe vorgehabt, sie in Pension zu schicken wobei diese im besten Falle AMD 10.000 bis 12.000 (ca. EUR 25 - 30) betragen würde. Eine gegebenenfalls zu beantragende Behindertenrente würde ca. EUR 20 betragen. In Österreich lebe sie mit der Frau und den beiden Kindern im gemeinsamen Haushalt. Sie hoffe, hier eine Nierentransplantation zu erhalten, da dies in Armenien gesetzlich nicht möglich sei.

Zum Gesundheitszustand gab die bP 1 an, eine chronische Niereninsuffizienz zu haben und seit März 2008 regelmäßiger Dialyse zu bedürfen. Ihre Krankheit betreffend sei sie in Armenien nicht richtig behandelt worden, was man auch am linken Unterarm erkennen würde, da die Venen ruiniert seien. Mit der Dialyse in Armenien sei sie unzufrieden, da niemals Einwegfilter verwendet worden seien. Die Behandlung sei zwar kostenlos, Medikamente müsse sie jedoch selber kaufen, und ebenso müsse man den Krankenschwestern Geld geben. Als armenischer Dialysepatient würde man nicht lange überleben. Die bP 1 hoffe, in Österreich eine Nierentransplantation zu erhalten. Zusätzlich sei sie im Oktober 2010 in Österreich an der Lunge wegen eines bösartigen Tumors operiert worden.

I.12. Es wurden nochmals Erhebungen durch die belangte Behörde über die Staatendokumentation veranlasst und Anfragebeantwortungen über den Vertrauensanwalt zu Dialysemöglichkeiten, deren Kosten und Qualität in Armenien eingeholt. Diese langten am 24.02.2012 bzw. 31.05.2012 ein.

Am 22.05.2012 wurde eine weitere schriftliche Ergänzung zum Gutachten betreffend die bP 1 von XXXX erstellt.

Diese Ermittlungsergebnisse wurden mit der bP 1 im Rahmen einer weiteren Einvernahme erörtert.

I.13. Die Anträge der bP1 bis bP4 auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde vom 21.09.2012 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status von Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der bP zu den Fluchtgründen als unglaubwürdig bzw. nicht asylrelevant.

Das Bundesasylamt stellte weiters fest, dass die bP 1 an einer chronischen Niereninsuffizienz leide und eine regelmäßige Dialyse samt entsprechender Medikation benötige.

Die bP 1 könne eine Invaliditätspension beziehen und würde alle Medikamente kostenlos bekommen. Die Dialyse würde in Armenien kostenlos durchgeführt werden und die Medikamente wären verfügbar. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, sei der Beschwerdeführer in der Lage die Behandlungskosten selber zu übernehmen bzw. mit Hilfe der Familie zu tragen, weshalb eine Rückkehr nach Armenien auch zumutbar sei. Es erfolgte eine konkrete Aufzählung der in Armenien in finanziell gesicherten Verhältnissen lebenden Familienmitglieder. Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten schlechter und gegebenenfalls auch kostenintensiver seien, sei nicht relevant, da die notwendigen Behandlungsmöglichkeiten gegeben und diese auch ausreichend seien.

Ein Familienleben bestünde laut eigenen Aussagen in Österreich nicht.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien traf die belangte Behörde ausführliche Feststellungen.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Ebenso stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben der bP1 bis bP4 dar.

I.14. Gegen diese Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Ausgeführt wurde, dass die bP 1 im Oktober eine Nierentransplantation erhalten werde und sie an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leide. Sie müsse regelmäßig zur Dialyse und sei in Armenien nicht richtig behandelt worden. Die bP 3 sei wegen Brustkrebs behandelt worden. Die gesamte Familie leide unter dem gesundheitlichen Schicksal des Vaters und der Tochter. Die Folgen der Operationen seien im erstinstanzlichen Bescheid noch nicht behandelt worden, da diese damals noch nicht absehbar waren.

Das Bundesasylamt sei den Aufforderungen des Asylgerichtshofes nicht bzw. nur unzureichend nachgekommen. Das Familieneinkommen sei nur vage ermittelt worden und könne sich die Familie keine Behandlung der bP 1 sowie der bP 3 leisten.

Die von der Behörde herangezogenen Länderfeststellungen seien hinsichtlich der Kosten für Behandlungen widersprüchlich. Die Anfragebeantwortungen wurden daher in Zweifel gezogen und wurde beantragt, ein neues, unabhängiges Gutachten über das Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten einzuholen. Im Bescheid sei als Ergebnis des Vertrauensanwaltes von einer ganzheitlich kostenlosen Behandlung ausgegangen worden. Demgegenüber fände sich auf Seite 58 des Bescheides, dass die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze für Dialysebehandlung beschränkt sei. Jeder könne aber selbst zahlen und auch Inhaber kostenloser Plätze müssten Zuzahlungen leisten. Damit seien die Behandlungsplätze beschränkt und nur "im Prinzip" kostenlos. Der AA Bericht würde die Angaben der bP 1 bestätigen.

Ein Behandlungsplatz für die bP 1 sei damit nicht gewährleistet. Sie weise ein komplexes Krankheitsbild auf und würde eine Abschiebung zu einer massiven Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen. Eine Behandlung könne sich die Familie nicht leisten. Die bP 1 würde max. 50 $ Pension erhalten, und würde die Miete für 2-Zimmer in Jerewan 200-400$ betragen. Soweit die bP 1 angab, dass ihre zahlreichen Verwandten in Armenien "gut" verdienen, hätte sie damit gemeint, dass sie ihre Familien versorgen könnten. Keinesfalls könnten diese für die bP 1 und bP 3 die Behandlungskosten übernehmen.

Zusätzlich habe die bP 1 aufgrund armenischer Gesetzeslage keine Möglichkeit, in Armenien eine Nierentransplantation zu erhalten. In Österreich würde die bP 1 eine erhalten und bedürfe eine derartige Operation spezieller Nachbehandlung, welche in Armenien nicht gewährleistet sei.

Auf die Erkrankung der bP 3 bzw. deren psychische Probleme im Zuge der Brustoperation sei nicht entsprechend eingegangen worden. Diese hätte bereits eine OP gehabt, eine weitere würde folgen. Sie sei an Krebs erkrankt und benötige eine ständige und durchgehende Behandlung und medikamentöse Versorgung.

Die Familie sei inzwischen integriert.

I.15. Am 23.10.2012 langte eine Urkundenvorlage samt ergänzendem Vorbringen ein. Ausgeführt wurde nochmals, dass eine hier in Österreich mögliche Nierentransplantation in Armenien nicht möglich sei und die bP 1 nunmehr zusätzlich Suizidgefährdet sei. Aus den medizinischen Befunden gehe hervor, dass die bP 1 psychisch beeinträchtigt sei.

I.16. Mit Mail vom 22.05.2013 wurde mitgeteilt, dass die bP 2 von einer Nachbarin angezeigt wurde, da sie diese im Rahmen eines Streites in den Finger gebissen habe und ihr gefährlich gedroht hätte. Die bP 2 negierte dieses Verhalten und gab ihrerseits vor der Polizei an, von der Nachbarin verletzt worden zu sein.

I.17. Den bP wurde mit Verständigung über die Beweisaufnahme vom 14.03.2014 aktuelle Länderfeststellungen zur Stellungnahme übermittelt (AA vom 25.01.2013; Staatendokumentation vom Juli 2013). Unter einem wurden sie mit Schreiben vom selben Tag aufgefordert, im Beschwerdeverfahren mitzuwirken und alle geeigneten, vorhandenen Unterlagen und Bescheinigungsmittel vorzulegen. Es erfolgte eine ausführliche Belehrung über die Mitwirkungspflichten im Verfahren sowie ein Verweis auf die Vertretung, welche die bP bei der Beschaffung entsprechender Beweismittel unterstützten könnte. Unter Anführung des § 15 AsylG wurde festgehalten, dass die bP verpflichtet sind, soweit Beweismittel erst während des Verfahrens hervorkommen, diese unverzüglich vorzulegen.

I.18. Am 31.03.2014 fand im Beisein der rechtsfreundlichen Vertretung der bP vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Die bP 1 - 3 wurden einvernommen und eine von der rechtsfreundlichen Vertretung namhaft gemachte Zeugin wurde befragt.

Die Zeugin lernte die bP 3 in der Flüchtlingsunterkunft kennen. Sie gab an, als Journalistin für einen staatlichen Sender in Armenien tätig gewesen zu sein. Sie führte aus, zwar nichts über die bP und deren Situation selbst aussagen zu können, jedoch Angaben zur medizinischen Versorgung und Korruption in Armenien machen zu können. Den Bericht der NGO Verein Menschenrechte, an welchem sie mitgewirkt habe, konnte sie nicht vorlegen. Sie hätte im Rahmen der Recherchen Patienten befragt und das Ergebnis der Befragung den armenischen Behörden übermittelt. Diese hätten die erhobenen Fakten

Vom rechtsfreundlichen Vertreter wurden im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung nachstehende Anträge eingebracht bzw. Ausführungen getätigt:

RV: Ich stelle einen Vertagungsantrag. Die Ladung zur Verhandlung wurde dem RV am 19.03.2014 zugestellt. Zieht man den Tag der Zustellung und den Tag der Verhandlung ab, verbleibt eine Vorbereitungszeit von 10 Tagen, die durch zwei Wochenenden durchbrochen ist. Ein Zeitraum von sechs Tagen reicht zur Vorbereitung bei einer derart komplexen Beschwerdesache (siehe Akteninhalt) keinesfalls aus, zumal, seit der Beschwerdeeinreichung von eineinhalb Jahren verstrichen ist. Die Dialysebehandlung der P1 wurde fortgesetzt, es hat sich ein neuer Medikamentenplan ergeben, die letzte stationäre Durchuntersuchung wurde erst im Jänner 2014 durchgeführt und sich insbesondere eine Reihe von schwierigen medizinischen Fragen stellt, die durch den bisherigen Akteninhalt nicht beantwortet werden. Die medizinischen Gutachten des XXXX, auf welche sich die Erstbehörde sich gestützt hat, sind veraltet. All dies hätte mit einer schriftlichen Stellungnahme, die entsprechend auszuarbeiten ist, in zweckentsprechender Form vorgetragen werden können, dazu die Zeit jedoch schlicht nicht ausgereicht hat, zumal eine Besprechung trotz äußerster zeitlicher Bemühung erst am vergangenen Donnerstag durchführbar war (Problem der Beischaffung und Organisierung eines Dolmetschers aus Linz). Dies alles muss vor dem Hintergrund der geradezu dramatischen Tragweite einer allfälligen negativen Entscheidung auf die gesundheitliche Lage der P1 gesehen werden.

VR fordert den RV auf, das Vorbringen "insbesondere eine Reihe von schwierigen medizinischen Fragen" zu konkretisieren.

"RV: Erstens benötigt der BF1 eine Ersatzniere, wurde unterdessen nach Ausheilen einer Lungenerkrankung und Feststellung seiner grundsätzlichen Transplantationseignung auf die Liste jener Patienten gesetzt, denen eine Niere zu transplantieren ist (XXXX). Eine Transplantation ist in Armenien nicht möglich. Zu klären ist durch einen Facharzt aus dem Fachgebiet der inneren Medizin, ob dem BF1 zugemutet werden kann, unter Verzicht auf eine derartige Transplantation als lebenslänglicher Dialysepatient nach Armenien zurückkehren zu müssen. Zweitens, die Risiken einer nicht lege artis durchgeführten Dialysebehandlung in Armenien sind aus fachmedizinsicher Sicht unter Bedachtaufnahme auf den konkreten Gesundheitszustand des BF1 durch ein entsprechendes Internistisches Gutachten abzuklären. Drittens, die landeskundlichen Ermittlungen zur Qualität der den BF1 in Armenien erwartenden Dialysebehandlungen sind durch Nichtärzte durchgeführt worden und überdies überaus oberflächlich. Viertens, Die medizinischen Nebenwirkungen einer Dialyse bei chronischer Niereninsufisienz sind vielfältig und können gleichfalls nur durch einen Internisten aufgezeigt und beurteilt werden. Bereits die lange Liste von Medikamenten, die der BF1 deshalb hier in Österreich gemäß ärztlicher Verordnung einnehmen muss, zeigt dies auf. ES reicht bei weitem nicht aus, sich auf die Frage zurückzuziehen, ob gewisse Medikamente in Armenien erhältlich sind oder durch andere Medikamente substituiert werden können. Es bedarf vielmehr einer fachmedizinischen Gesamtbeurteilung der Risiken, die eine nichtfachgerechte Behandlung der Erkrankung für den BF1, auch unter dem Gesichtspunkt der Nebenwirkungen haben kann.

...

Weitere Beweisanträge: Einholung eines Gutachtens auf dem Fachgebiet der inneren Medizin zum Beweis dafür, dass der BF1 dringend eine Fremdniere benötigt, weil er ansonsten eine deutliche reduzierte Lebenserwartung hätte, der BF1 an einer chronischen Niereninsuffizienz leidet, er somit lebenslänglich Dialysepatient bleiben würde eine derartige Behandlung, wenn sie nicht fachgerecht ausgeführt wird, gefährliche Nebenwirkungen und Folgeerscheinungen haben kann, die zu einem qualvollen Leidenszustand und letztendlich zum Tod des Patienten führen könnten, es sich bei der Dialyse um ein hochkomplexes medizinisches Thema handelt, in der Tat dem sogenannten Filter, bei dem es sich in Wahrheit um eine semipermeablen Membran handelt, größte Bedeutung zukommt, hygienische Fehler sich dabei fatal auswirken können. Derartige Patienten der permanenten Gefahr einer Infektion ausgesetzt sind und selbst bei optimaler medizinischer Versorgung dennoch zahlreiche Nebenwirkungen, welche die Lebenserwartung senken, auftreten, sodass eine intensive kontinuierliche medizinische Nebenbetreuung notwendig ist, in Form einer Therapie durch eine Serie von Medikamenten sowie zum Beweis dafür, dass sich durch die bisher eingeholten Gutachten und Länderberichte keinerlei Gewissheit gewinnen lässt, wie es dem BF1 in Armenien im Falle einer Abschiebung gesundheitlich ergehen würde, aber auch zum Beweis für den aktuellen Gesundheitszustand, die aktuell benötigen Medikamente, die nicht identisch sind mit jenen, zu denen eine Auskunft der Staatendokumentation und des Vertrauensanwalts eingeholt worden sind sowie zur Erhellung, welche Tatsachen überhaupt bekannt sein müssen und aus medizinischer Sicht beurteilen zu können, mit welchen Risiken die Abschiebung des BF1 nach Armenien konkret aufgrund seines heutiges Gesundheitszustandes verbunden sein kann. In Bezug auf die BF2 wird auf die Einholung eins medizinischen Gutachtens aus dem Fachgebiet der Neurologie und der Psychiatrie zum Beweis dafür beantragt, dass die BF2 an Panikattacken leidet, die durch eine Abschiebungssituation aggraviert werden würden und aktuell die Gefahr eines neuerlichen Gehirnödems oder Gehirninfarkts besteht, insbesondere wenn der nervliche Druck auf die BF2 gesteigert wird.

Ich behalte mir vor diesen Beweisantrag nach Studium der Gutachten des XXXX, der nach dem Wissen des RV ein Allgemeinmediziner und kein Fachmediziner ist, durch weitere Beweisanträge noch zu ergänzen.

Es wird beantragt das Beweisverfahren nicht zu schließen, weil der RV bei den behandelnden Ärzten des BF1 nachfragen wird, um deren Meinung bezüglich der Risken einer Abschiebung in Erfahrung zu bringen.

Der BFV kündigt an, eine Themenspezifische medizinische Auslandsrecherche - einzelfallbezogen auf die konkrete Erkrankung des BF1 bzw. die Ergänzung der vorliegenden Recherchen - im Rahmen seiner schriftlichen Stellungnahme zu beantragen."

I.19. Am 15.04.2014 nahm die rechtsfreundliche Vertretung der bP Akteneinsicht und erhielt Kopien der medizinischen Unterlagen betreffen die bP 1.

I.20. Über entsprechende Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts legte die bP 1 mit Schreiben vom 19.05.2014 einen Auszug der "Eurotransplant-Liste" vor. Auf dieser Warteliste schien die bP 1 als für eine Nierentransplantation angemeldete Person auf. Ausgeführt wurde in der Stellungnahme, dass diese Liste in Zusammenhang mit der internistischen Stellungnahme von XXXX vom 16.04.2014 gesehen werden müsste. In der internistischen Stellungnahme sei festgehalten worden, dass die bP sei Jänner auf der Eurotransplant Liste aufscheine.

I.21. Das Erhebungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts betreffend Nierentransplantationen in Armenien vom 06.05.2014 wurde mit Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 19.05.2014 (vgl. Länderfeststellungen) beantwortet.

I.22. Der bP 1 wurde diese Anfragebeantwortung vom 19.05.2014 mit Schreiben vom 09.07.2014 zur Stellungnahme übermittelt.

I.23. In der Stellungnahme vom 18.07.2014 wurde ausgeführt, dass die nunmehr eingeholte Anfragebeantwortung im Widerspruch zur Anfragebeantwortung vom 12.08.2010 stünde, da damals festgehalten worden sei, dass Nierentransplantationen in Armenien nicht durchgeführt werden könnten. Dieser Widerspruch sei durch eine neuerliche ergänzende Anfrage aufzuklären.

Die bP 1 stünde auf der Eurotransplant-Liste, und ginge aus einer Stellungnahme XXXX XXXX vom 16.04.2014 hervor, dass die bP 1 bald eine neue Niere erhalte. Demgegenüber ginge aus der letzten Anfragebeantwortung hervor, dass in einem Zeitraum von 23 Jahren nur 150 Nierentransplantationen durchgeführt worden wären. Eine Behandlung der bP 1 sei de lege artis nur mit Nierentransplantation durchzuführen, welche in Armenien wohl nicht erlangt werden könnte. Die Einholung eines medizinischen Gutachtens sei indiziert, um den aktuellen Gesundheitszustand sowie die unbedingt benötigen medizinischen Behandlungen und Therapien der bP 1 aktuell wegen der Niereninsuffizienz zu erheben. In der internistischen Stellungnahme vom 16.04.2014 werde ausgeführt, dass es für die Lebensqualität und Lebenserwartung eines Dialysepatienten ausschlaggebend sei, ob er eine Dialyse auf höchstem technischem Niveau erhalten könne, was in Armenien angezweifelt werde. Eine nunmehrige Abschiebung würde zur Unzeit erfolgen, da die bP 1 bald in Österreich eine Nierentransplantation erhalten könne und sei der bP 1 eine Dialysebehandlung in Armenien nicht zumutbar.

Es fehle auch an konkreten Ermittlungen zu den in der Stellungnahme vom 16.04.2014 aufgezeigten therapeutischen Erfordernissen. Die bP 1 benötige demnach eine Dialysebehandlung auf höchstem technischen Niveau und habe es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen, zu den dortigen Ausführungen betreffend der in Armenien eingesetzten, nicht dem Standard entsprechenden Dialysegeräten landeskundliche Ermittlungen anzustellen. In Punkt 2 der Stellungnahme würde angeführt, welche Therapien die bP 1 aufgrund der mit der Nierenerkrankung verbundenen Folgeerscheinungen benötige und hätte die bP 1 in Armenien keinen Zugang zur dringend benötigten, kostenintensiven Medikation, welcher der Hintanhaltung einer lebensgefährlichen Aggravierung seiner Nierenerkrankung dienen würde. In der letzten Anfragebeantwortung sei ausdrücklich angeführt worden, dass spezielle Behandlungen von Dialysen in den Spitälern nicht kostenlos wären und hätten frühere Anfragen an IOM ergeben, dass die Kosten für die Behandlung, welche vom Patienten selbst zu tragen wären, fünf mal höher wären, als das örtliche Mindesteinkommen.

Der VwGH verlange in ständiger Rechtsprechung, dass - bevor eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Abschiebung eines Fremden unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMKR getroffen wird - durch geeignete Beweisaufnahmen geklärt werde, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr (real risk) mit einer Abschiebung verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Insgesamt sei vom Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände auszugehen, die im Sinne der vom EGMR entwickelten Rechtsgrundsätze zur Folge hätten, dass eine Abschiebung der bP 1 zum jetzigen Zeitpunkt ohne die Möglichkeit einer Nierentransplantation den bP in seinen durch Art. 3 EMRK gewährleisteten, absolut wirkenden Rechten verletzen würde.

I.24. Mit Schreiben vom 23.07.2014 teilte die rechtsfreundliche Vertretung der bP mit, dass der bP 1 inzwischen eine Fremdniere implantiert worden ist. Daraus resultiere eine vollkommen geänderte Situation und bedürfe die bP 1 engmaschiger, internistisch-medizinischer Kontrollen auf höchstem medizinischem Niveau. Sie sei keinesfalls abschiebungsfähig. Es wurde beantragt, zunächst den Heilungsverlauf abzuwarten und dann das bereits mehrfach beantragte medizinische Gutachten einzuholen oder eine neuerliche mündliche Verhandlung durchzuführen oder neuerlich Parteiengehör einzuräumen. Gerade die beiden Kinder seien derart gut integriert, dass eine Ausweisung unzulässig sei.

I.25. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen. Im Verfahren wurden diverse Schulbesuchsbestätigungen, Jahreszeugnisse, Kursteilnahmebestätigungen, Deutschzeugnisse, die Geburtsurkunde der bP 1 bis 4, Integrationsnachweise für bP2 und 3, diverse medizinische Nachweise bP 3, diverse medizinische Nachweise der bP 1, Kursbestätigung der bP 2, Heiratsurkunde der bP 1 und 2, Ausbildungsbestätigungen der bP 1, 2 und 3 in Armenien, Kopie der ersten Seite des Reisepasses der bP 2 vom XXXX.1999, medizinische Unterlagen hinsichtlich bP 2, Patientenverfügung der bP 2, Militärausweis der bP 1, Dienstausweis der bP1, Bestätigungen über einzelne psychologische Beratungsgespräche im Krankenhaus und Behindertenpass der bP 1 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien:

Bei den beschwerdeführenden Parteien handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen. Die bP sprechen Armenisch und Russisch.

Die bP 1, 3 und 4 gehören dem armenisch-gregorianisch-apostolischem Glauben an. Die bP 2 interessiert sich seit ihrer Einreise in Österreich für die Zeugen Jehovas. Die bP 2 nimmt regelmäßig an Treffen der Zeugen Jehovas teil und wurde rituell getauft. Sie hat am 05.03.2012 eine Patientenverfügung unterschrieben, in welcher festgehalten ist, dass sie Transfusionen ablehnt.

Die bP 2 hat nach der Grundschule eine Ausbildung als Radio-Funktechnikerin absolviert, jedoch als Köchin gearbeitet. Die bP 1 hat nach der Grundschule ein Studium abgeschlossen und arbeitete als Techniker am Flughafen. Die bP 1 hätte in Armenien einen Anspruch auf eine Pension iHv ca. 25 Euro monatlich sowie zusätzlich ca. 20 Euro Behindertenrente (Feststellung noch als Dialysepatient).

Die Eltern und ein Bruder der bP 2 leben mit ihren Familien noch in Armenien. Weiters lebt eine Tochter der bP 1 und der bP 2 in Jerewan und eine weitere Tochter in Russland. Diese Töchter sind verheiratet und sorgen deren Ehegattin für ihren Unterhalt. Die Eltern der bP 2 beziehen eine Pension, der Vater geht noch nebenbei Arbeiten.

Die Mutter der bP 1 lebt nunmehr allein in einem ihr gehörenden Haus mit Wohnzimmer, zwei Schlafzimmern, Küche und Bad in Jerewan. Die bP 1-4 haben vor ihrer Ausreise dort gelebt. Die Mutter der bP 1 besitzt überdies eine 2-Zimmer Wohnung in Jerewan, in welcher zwei Nichten der bP 1 leben. Sie erhielt bis zum Tod ihres Ehegatten mit diesem gemeinsam eine monatliche Pension iHv 20.000 Dram (ca. 35 Eur). Eine Schwester der bP 1 lebt in Jerewan.

Darüber hinaus leben zahlreiche weitere Verwandte der bP 1 und bP 2 mit ihren Familien in Armenien. Die bP stehen zumindest mit einem Teil ihrer Verwandten in regelmäßigem Kontakt.

Eine Schwester der bP 1 kam ebenfalls wegen einer Erkrankung nach Österreich und erhält nunmehr eine Chemotherapie. Sie lebt im Flüchtlingsheim in XXXX. Die mit ihr mitgereiste Tochter ist nach Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz wieder nach Jerewan zurückgekehrt und betreibt dort ein Nagelstudio. Die bP telefonieren regelmäßig mit der Schwester der bP 1 und besucht die bP 2 sie ca. einmal im Monat.

Die bP 1-3 haben an Deutschkursen teilgenommen, die bP 4 nimmt im Rahmen der Schulausbildung an einer zusätzlichen Deutschausbildung teil und spricht gut Deutsch. Die bP 2 und 3 sprechen verständliches Deutsch, bei der bP 1 sind kaum Deutschkenntnisse vorhanden.

Die bP 3 möchte Altenbetreuerin werden und hat sich für eine entsprechende Ausbildung angemeldet. Sie hat seit einem Jahr einen Vorbereitungskurs für den Hauptschulabschluss besucht. In Armenien hat sie eine Ausbildung als Innendesignerin abgeschlossen.

Der bP 3 wurde im Mai 2011 ein gutartiger Tumor in der rechten Brust entfernt. Sie geht seitdem regelmäßig zur Mammographie. Die Kontrolltermine blieben ohne Befund, bei der Kontrolle 2014 wurde eine auffällige Stelle entdeckt, welche noch weiterer Abklärung bedarf. Sie nimmt keine Medikamente ein und befindet sich aktuell in keiner Behandlung.

Die bP 4 besucht die Mittelschule. Sie besuchte Sportvereine, nimmt jetzt jedoch an keinen Wettkämpfen mehr teil bzw. besucht den Verein nicht mehr, sondern Versammlungen der Zeugen Jehovas. Sie hat zwei Lehrgänge "Fit your Life" (Kommunikation, Körpersprache, Emotionen) absolviert.

Die bP 1 leidet an Cardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung), Art. Hypertonus (Bluthochdruck) und chronischer Gastritis (Magenschleimhautentzündung). Weiters litt sie an einem Zustand nach hypertensiver Entgleisung im November 2010 sowie einem Zustand nach chronischem Nikotinabusus und einmal an Polysinusitis (akute Nasennebenhöhlenentzündung). Darüber hinaus wurde sie 2010 im Krankenhaus wegen Schwindel und Atemlosigkeit sowie 2013 wegen dem Erbrechen von Blut behandelt, wobei hierzu festgehalten wurde, dass das Erbrechen wahrscheinlich auf das Verschlucken von Blut zurückzuführen sei und keine Blutungsquelle festgestellt werden konnte. Die bP 1 befand sich wegen ihrer Erkrankungen immer wieder stationär für einige Tage in Krankenhäusern, im August 2013 wegen einer bilateralen Bronchopneumonie (Sonderform der Lungenentzündung) sowie einer rezenten Fraktur der rechten 7+8 Rippe.

Am 15.10.2010 wurde die bP 1 wegen zwei Karzinomen in der Lunge (nicht metastasierendes Lungenkarzinom) operiert. Es erfolgten Verlaufskontrollen und hatte die bP 1 in weiterer Folge keine Probleme mehr mit der Lunge und konnten keine Tumore mehr festgestellt werden.

Von den von der bP 1 im Jahr 2012 benötigten Wirkstoffen waren 8 von 10 entweder ident oder als Ersatz in Armenien verfügbar. Die bP 1 benötigte mit Stand 20.01.2014 (Festgehalten im Befund zwecks Listung auf die Transplantationsliste) folgende Medikamente wegen ihrer körperlichen Erkrankungen, zumeist mehrmals täglich:

Nasonex (entzündungshemmender Nasenspray)

Betnesol BRTBL (Brausetabletten zur Kurzzeittherapie bei Erkrankungen, die eine systemische

Corticoidbehandlung erforder)

Cenipres (bei Bluthochdruck)

Fosrenol KTBL (Kautabletten bei Hyperphosphatemie bei Dialysepatienten)

Lasix (zur Förderung der Wasserausscheidung)

Mimpara (Behandlung des sekundären Hyperparathyreoidismus bei dialysepflichtigen Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz)

Osvaren (Hyperphosphatämie in Zusammenhang mit chron. Niereninsuff. bei Dialysepat.)

Pantoloc (Einsatzgebiete: Begleittherapie bei der Behandlung von Helicobacter pylori welches Geschwüre und Entzündungen der Magenschleimhaut verursachen kann; Zwölffingerdarmgeschwür; Magengeschwür; Entzündung der Speiseröhre durch Rückfluss von Magensäure; Zollinger-Ellison-Syndrom; eine relativ seltene Tumorerkrankung, welche zu einer übermäßigen Magensäureproduktion führt)

Rocaltrol (Knochenerkrankungen bei Patienten mit chronischer Nierenunterfunktion, besonders bei Dialysepatieten Hypo- und Pseudohypoparathyreoidismus)

Seloken (Als Langzeittherapie bei leichten bis mittelschweren Formen der Hypertonie)

Supressin (bei Bluthochdruck Symptomen einer gutartigen Vergrößerung der Prostata)

Ulcogant (Behandlung des Zwölffingerdarm- und Magengeschwürs:

Linderung von Beschwerden, Beschleunigung der Geschwürsheilung. Verhütung neuer Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre bei Patienten mit wiederholtem Auftreten von Geschwüren. Behandlung von Entzündungen der Speiseröhre, die durch Rückfließen von Magensaft entstehen.Vorbeugung von Magenblutungen im Rahmen der Intensivmedizin)

Die bP 1 wurde bereits in Armenien von 2008 bis zur Ausreise 2009 dreimal wöchentlich in Jerewan einer kostenlosen Dialyse unterzogen. Sie erhielt kostenlos zwei Medikamente wegen der Dialyse und Medikamente gegen Bluthochdruck. Zwei weitere Medikamente kaufte die bP sich gelegentlich. Die bP 1 litt seit 2008 an einer terminalen Niereninsuffizienz mit Schrumpfnieren beidseitig bei unklarer Genese mit dreimal wöchentlicher Hämodialyse.

Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2014 litt die bP 1 an keiner über das Nierenleiden hinausgehenden Erkrankung.

Die bP 1 stand seit Jänner 2014 auf der österreichischen Transplantationswarteliste. Ihr wurde am 10.07.2014 eine Fremdniere implantiert.

Bei der bP 1 wurde am 28.04.2011 eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert und eine Behandlung mit Treleen eingeleitet. Am 02.10.2012 wurde ein Verdacht auf organische depressive Störung (intermittierend aggressive Verhaltensstörung) diagnostiziert und die Suizidankündigung für den Fall der Abschiebung im psychiatrischen Konsilium festgehalten. Die bP 1 befindet sich deswegen in ärztlicher Behandlung und nimmt Artarax ein.

Der bP 1 wurde am 07.03.2013 ein Behindertenpass mit Grad der Behinderung von 90% ausgestellt. Sie hilft im Flüchtlingsheim bei handwerklichen Gelegenheitsarbeiten.

Die bP 2 hat am 11.01.2014 einen Hirninfarkt (embolischer linshirniger Infarkt im Mediastromgebiet links) erlitten und wurde deshalb im Krankenhaus von 11.01.2014 bis 18.01.2014 behandelt. Es wurde weiters ein Herzfehler (ASD, Vorhofseptumaneurysmas) sowie erhöhtes Cholesterin diagnostiziert. Die bP 2 wurde am 31.01.2014 wegen passageren Gefühlsstörungen der linken Körperhälfte im Rahmen einer Panikattacke bei Zustand nach Infarkt im Krankenhaus vorstellig. Das erstellte MRT zeigte keine Diffusionsstörung. Es wurde vielmehr eine Angststörung nach dem Infarkt diagnostiziert. Die bP 2 nimmt derzeit Medikamente wegen ihrer körperlichen Erkrankung ein und befindet sich in regelmäßiger Kontrolle der Blutgerinnungsbehandlung (Markomar). Die Angststörung gründet darauf, dass die bP 2 sich davor fürchtet, wieder in einem öffentlichen Transportmittel einen Schlaganfall zu erleiden sowie die Angst vor einer Abschiebung.

Die bP 2 ist seit März 2014 in psychologischer Behandlung beim Verein Migrante, da sie nach ihrem Schlaganfall im Jänner 2014 an psychischen Problemen leidet. Sie unterstützt andere Familien im Wohnprojekt indem sie zB auf Kinder aufpasst. Sie hat sich bei der Altenbetreuerfachschule für eine Ausbildung als Heimhelferin angemeldet.

Die bP leben in Österreich von der Grundversorgung und in einem gemeinsamen Haushalt.

Sie sind strafrechtlich unbescholten.

Die Identität der bP steht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Armenien:

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Armenien hat knapp 29.800 km² und fast 3 Millionen Einwohner, davon sind 97,9% Armenier, 1,3% Jesiden, 0,5% Russen und 0,3% andere (CIA 15.5.2013).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Präsidialrepublik. Das Einkammer-Parlament (Nationalversammlung) hat 131 Mitglieder und wird alle fünf Jahre gewählt. Die Verfassung von 1995 wurde zuletzt durch Referendum vom 27.11.2005 geändert, wodurch das Parlament mehr Rechte erhielt. Das Staatsoberhaupt, alle fünf Jahre direkt gewählt, ernennt den Ministerpräsidenten, der jedoch vom Parlament bestätigt werden muss.

Bei den Präsidentschaftswahlen am 18.2.2013 erhielt laut offiziellem Wahlergebnis der Amtsinhaber Serge Sargsyan 58,64%, der frühere Außenminister Raffi Hovhannisyan 36,75% der Stimmen.

Die Parlamentswahlen am 6.5.2012 ergaben folgende Stimmenverteilung:

Republikanische Partei 44,1%, Partei „Blühendes Armenien" 30,0%, Armenian National Congress 7,1%, Rechtsstaatspartei 5,5%, Armenisch-Revolutionäre Föderation (Daschnaken) 5,7%, Partei "Erbe" 5,8%. Dank der zusätzlich errungenen Direktmandate verfügt die Republikanische Partei über die absolute Mehrheit der Parlamentssitze (69 von 131 Sitzen), bildet aber gleichwohl eine Koalition mit der Rechtsstaatspartei. Der bisherige Koalitionspartner "Blühendes Armenien" ist in die Opposition gegangen.

Ministerpräsident bleibt der parteilose ehemalige Vorsitzende der Zentralbank, Tigran Sargsyan, Außenminister ist der langjährige Botschafter Armeniens in Paris, Edward Nalbandian.

Seit 31.5.2012 ist Hovik Abrahamyan (Republikanische Partei) wieder Parlamentspräsident (AA 4.2013).

Armenien hat den Test für die Glaubwürdigkeit der Demokratiebestrebungen bestanden. Internationale Wahlbeobachter haben dem Land transparente und friedliche Wahlen bescheinigt. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die mit 350 Wahlbeobachtern vor Ort war, hatte keine großen Missstände verzeichnet. Gleichwohl beklagte die OSZE Unregelmäßigkeiten wie Wählerbeeinflussung, generelles Misstrauen in der Bevölkerung, teilweise ungenaue Wählerlisten (KAS 10.5.2012, vgl. auch OSZE 8.5.2013, Zeit 19.2.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (4.2013): Armenien - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Innenpolitik_node.html , Zugriff 5.7.2013

CIA - Central Intelligence Agency (15.5.2013): The World Factbook Armenia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html , Zugriff 5.7.2013

KAS - Konrad Adenauer Stiftung (10.5.2012): Armenier wählen Stabilität, http://www.kas.de/suedkaukasus/de/publications/30994/ , Zugriff 5.7.2013

Zeit Online (19.2.2013): OSZE Wahlbeobachter bescheinigen Armenien "Fortschritte" bei Wahl,

http://www.zeit.de/news/2013-02/19/osze-wahlbeobachter-bescheinigen-armenien-fortschritte-bei-wahl-19084214 , Zugriff 5.7.2013

OSZE - Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (8.5.2013): Republic of Armenia presidential election 18 February 2013, OSCE/ODIHR Election Observation Mission Final Report, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1369748588_armenia.pdf ; Zugriff 5.7.2013

Sicherheitslage

Armenien verfolgt eine Außenpolitik der Komplementarität: enge strategische Partnerschaft mit Russland einerseits, gute Beziehungen zum Westen (USA, EU, NATO) andererseits.

Kernproblem für die armenische Außenpolitik bleibt der Konflikt um Bergkarabach und die in diesem Zusammenhang geschlossenen Grenzen zu Aserbaidschan und zur Türkei.

Die Beziehungen zur Türkei sind historisch schwer belastet. Der von Armenien erhobene Vorwurf des "Völkermords" an 1,5 Mio. Armeniern im Osmanischen Reich (1915/16) wird von der Türkei zurückgewiesen, die von einer weit geringeren Opferzahl ausgeht und diese den damaligen allgemeinen Kriegswirren zuschreibt. Die offizielle Annäherung zwischen den beiden Staaten liegt auf Eis. In den letzten Jahren gibt es allerdings verstärkt Annäherungsbemühungen auf Ebene der beiden Zivilgesellschaften.

Wegen der regionalen Isolation Armeniens ist das Nachbarland Iran wichtiger Handelspartner und Energielieferant und stellt neben Georgien die zweite offene Grenze dar. Gleichwohl hält sich Armenien an die bestehenden Sanktionen gegen den Iran (AA 4.2013).

Aufgrund des Bergkarabach Konflikts sollte die Grenze zu Aserbaidschan gemieden werden. In Teilen der Grenzgebiete besteht zudem Minengefahr. Abgesehen von der Konfliktregion um Bergkarabach ist die Lage im übrigen Armenien ruhig (BMeiA 5.7.2013). An der armenisch-aserbaidschanischen Grenze wurden 2012 zumindest acht Soldaten getötet (EK 20.3.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (4.2013): Armenien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Aussenpolitik_node.html , Zugriff 5.7.2013

BMeiA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (5.7.2013): Reiseinformation - Armenien, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/armenien-de.html , Zugriff 5.7.2013

EK - Europäische Kommission (20.3.2013): Fortschrittsbericht zur Europäischen Nachbarschaftspolitik in 2012, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1364315499_2013-progress-report-armenia-en.pdf ; Zugriff 11.7.2013)

Regionale Problemzone Bergkarabach

Seit dem Krieg um das überwiegend von Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach (1992-94) halten armenische Verbände mehr als 15% des aserbaidschanischen Staatsgebiets (Bergkarabach und sieben umliegende Provinzen) besetzt. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte 1993 in vier Resolutionen die Besetzung aserbaidschanischer Gebiete um Bergkarabach und forderte den Rückzug der armenischen Besatzungstruppen. An der Waffenstillstandslinie kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen.

Trotz der seit 1994 laufenden Vermittlungsbemühungen der Ko-Vorsitzstaaten der sog. Minsk-Gruppe der OSZE (USA, Russland, Frankreich; Deutschland ist einfaches Mitglied) und zahlreichen, vom russischen Präsidenten persönlich vermittelten Treffen der Präsidenten bzw. Außenminister Armeniens und Aserbaidschans ist eine Lösung des Konflikts um Bergkarabach weiterhin nicht in Sicht. Die Konfliktparteien berufen sich auf unterschiedliche völkerrechtliche Prinzipien: einerseits das Recht eines Volkes auf Selbstbestimmung, das die ethnischen Armenier für sich reklamieren; andererseits das Prinzip der territorialen Integrität, das von Aserbaidschan geltend gemacht wird (AA 4.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (4.2013): Armenien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Aussenpolitik_node.html , Zugriff 5.7.2013

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Judikative wird in der armenischen Verfassung in Kapitel 6,

Artikel 91-103 beschrieben. Die Rechtsprechung erfolgt ausschließlich an Gerichtshöfen in Übereinstimmung mit der Verfassung und den Gesetzen (Artikel 91). Die Unabhängigkeit der Gerichte wird in der Verfassung garantiert (Artikel 94, 97), wird jedoch durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert (BAA-Analyse 31.5.2010, AA 25.1.2013).

Im Jahr 2008 wurde das Gerichtssystem neu organisiert. Neben den spezialisierten Gerichten (Zivilrechts-, Strafrechts- und Verwaltungsgerichtshöfe) gehören auch die Gerichtshöfe der allgemeinen Rechtsprechung zur ersten Instanz. Berufungsgerichte sind der Appellationsgerichtshof für Zivilrechtssachen und jener für Strafrechtssachen. Die höchste Instanz ist der Kassationshof - ausgenommen für Verfassungsrecht, hier ist der Verfassungsgerichtshof zuständig (BAA-Analyse 31.5.2010, vgl. auch AA 25.1.2013). Der Kreis der Antragsberechtigten vor dem Verfassungsgericht wurde im Rahmen der 2005 durchgeführten Verfassungsänderungen stark erweitert. Dies hat zur Folge, dass dort jeder Bürger in Fällen, die höchstinstanzlich entschieden wurden, antragsberechtigt ist (Art. 101 Punkt 6 der Verfassung) (AA 25.1.2013).

Die Verfassung definiert auch die Bildung und die Aktivitäten des Justizrates. Der Rat besteht aus neun Richtern, die in einer geheimen Wahl für eine Zeitspanne von fünf Jahren von der Generalversammlung der Richter der Republik Armenien gewählt werden. Zusätzlich werden zwei Gelehrte der Rechtswissenschaften vom Präsidenten der Republik eingesetzt, zwei von der Nationalversammlung (BAA-Analyse 31.5.2010).

Ungeachtet der Bemühungen die Justiz zu reformieren, ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz gering (EK 20.3.2013).

Gerichte unterliegen weiterhin politischem Druck der Exekutive, sowie der Erwartung, dass Richter einen Angeklagten in fast allen Fällen für schuldig befinden. Dies schränkt das Recht auf einen fairen Prozess teilweise ein.

UNHCR berichtete 2011, dass der Kampf der Regierung gegen die Korruption auch negative Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Richter habe, da diese aus Angst, als korrupt gehalten zu werden, strengere Strafen verhängten.

Verfahren erfüllten üblicherweise die meisten Standards für Fairness, jedoch waren sie der Sache nach oft unfair, da viele Richter sich veranlasst sehen, gemeinsam mit den Staatsanwälten Verurteilungen zu erwirken.

Angeklagte, Strafverteidiger und die geschädigte Partei haben das Recht, gegen ein Gerichtsurteil in Berufung zu gehen, dieses Recht wird oft genutzt. Die Unschuldsvermutung ist zwar per Gesetz vorgeschrieben, jedoch wurde dieses Recht in der Praxis verletzt. Es gibt keine Jurys, ein Einzelrichter entscheidet in allen Gerichtsverfahren, außer bei Verbrechen, die mit lebenslanger Haftstrafe bedroht sind. Richtergremien entscheiden in den höheren Gerichten. Angeklagte haben das Recht, die Rechtsberatung zu wählen, der Staat ist verpflichtet, auf Antrag einen Verteidiger zur Verfügung zu stellen. Außerhalb Jerewans wurde diese Verpflichtung aufgrund des Mangels an Verteidigern oft nicht eingehalten.

Wie in den vorangegangenen Jahren endeten die meisten Gerichtsverfahren mit einer Verurteilung (US DOS 19.4.2013).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

BAA-Analysen der Staatendokumentation (31.5.2010): Justizsystem in Armenien

EK - Europäische Kommission (20.3.2013): Fortschrittsbericht zur Europäischen Nachbarschaftspolitik in 2012, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1364315499_2013-progress-report-armenia-en.pdf ; Zugriff 11.7.2013)

US DOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Reports on Human Rights Practices 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/245168/368615_de.html ; Zugriff 11.7.2013

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist, ebenso wie der Nationale Sicherheitsdienst (NSD), direkt der Regierung unterstellt. Allein der Präsident hat die Befugnis, die Leiter beider Behörden zu ernennen. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt: so ist für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für Nachrichtendienst und Grenzschutz der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch Verhaftungen durchführen dürfen. Hin und wieder treten aber Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird.

Der Polizeichef füllt in Personalunion die Funktion des Innenministers aus. Ein Innenministerium gibt es nicht mehr. Das Fehlen der politischen Instanz wird damit begründet, dass damit eine "Politisierung" der Sicherheitsorgane verhindert werden soll.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Angehörige der Sicherheitsbehörden in Einzelfällen ihre Machtposition in privaten Streitigkeiten ausnutzen (AA 25.1.2013).

Der Polizei und dem NSD mangelt es an Ausbildung, Ressourcen und an Strukturen zur Vorbeugung von Misshandlungsfällen. Straffreiheit bleibt weiterhin ein Problem und es gibt keinen unabhängigen Mechanismus für Untersuchungen von Übergriffen durch die Polizei.

Bürger können die Polizei vor Gericht in eingeschränktem Ausmaß anklagen.

Korruption bei der Polizei bleibt weiterhin ein Problem, es wurden jedoch Maßnahmen gegen einige Polizeibeamte gesetzt. Zum Beispiel wurde der ehemalige Chef der Generaldirektion für strafrechtliche Untersuchungen wegen Machtmissbrauch zu vier Jahren Haft verurteilt. Der ehemalige Chef der Verkehrspolizei wurde aufgrund von Machtmissbrauch, schwerem Diebstahl und Veruntreuung zu sechs Jahren Haft verurteilt (US DOS 19.4.2013).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

US DOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Reports on Human Rights Practices 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/245168/368615_de.html ; Zugriff 11.7.2013

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet die Anwendung von Folter. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass systematisch Folter praktiziert wird. Menschenrechtsorganisationen berichten aber immer wieder glaubwürdig von Fällen, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu Folterungen gekommen sein soll (AA 25.1.2013).

Die meisten Fälle von Misshandlungen kamen in den Polizeistationen vor, die nicht unter öffentlicher Beobachtung standen, und nicht in Gefängnissen oder Hafteinrichtungen der Polizei, die solcher Beobachtung unterliegen (US DOS 19.4.2013).

Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den EGMR zu wenden. Abgesehen davon gibt es allerdings keinen Mechanismus, Folterverdachtsfälle gegenüber Beamten zu untersuchen, da beispielsweise Dienstaufsichtsbeschwerden nicht vorgesehen sind. Betroffene beschweren sich nur selten, weil sie Repressalien befürchten (AA 25.1.2013).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

US DOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Reports on Human Rights Practices 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/245168/368615_de.html ; Zugriff 11.7.2013

Korruption

Korruption bis in die höchsten Instanzen ist weiterhin ein sehr verbreitetes Problem. So sind beispielsweise bei öffentlichen Ausschreibungen sogenannte "Kickback"-Zahlungen an die ausschreibenden Behörden üblich, um Aufträge zu erhalten. Präsident Sargsyan hat die eigene Regierung im September 2012 öffentlich für ihre Tatenlosigkeit gegenüber der Korruption scharf kritisiert, was ihm jedoch als Wahlkampftaktik ausgelegt wurde (AA 25.1.2013).

Die 2011 und 2012 eingeführten Antikorruptionsmaßnahmen haben zwar zu Verbesserungen geführt, ein Durchbruch war aber 2012 nicht ersichtlich. Die Korruption sinkt langsam, doch unterminieren Korruptionsanschuldigungen bei staatlichen Institutionen das öffentliche Vertrauen in den Staat.

Die 2012 angenommenen Gesetze reduzieren das Risiko von Korruption, es mangelt jedoch an der Umsetzung.

Der Bericht der Staatengruppe gegen Korruption (Council of Europe Group of States against Corruption - GRECO) vom Dezember 2012 fiel in Bezug auf Einführung von Empfehlungen positiv aus, da Armenien 16 von 19 Empfehlungen der Staatengruppe zufriedenstellend eingeführt hat. Positiv hervorzuheben ist die Einführung einer "e-payment" Homepage, um die Kosten der Serviceleistungen zu reduzieren und den Umgang mit Bargeld von öffentlich Bediensteten zu minimieren (FH 18.6.2013, EK 20.3.2013, vgl. auch US DOS 19.4.2013).

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2012 verbesserte sich Armenien auf Platz 105 [2011 an 129. Stelle von 183 untersuchten Staaten] von insgesamt 176 untersuchten Staaten (TI 2012).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

FH - Freedom House (18.6.2013): Nations in Transit 2013 - Armenia, http://www.ecoi.net/file_upload/3256_1371628253_nit13-armenia-3rdproof.pdf ; Zugriff 11.7.2013

US DOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Reports on Human Rights Practices 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/245168/368615_de.html ; Zugriff 11.7.2013

EK - Europäische Kommission (20.3.2013): Fortschrittsbericht zur Europäischen Nachbarschaftspolitik in 2012, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1364315499_2013-progress-report-armenia-en.pdf ; Zugriff 11.7.2013)

TI - Transparency International (2012): Corruption Perceptions Index 2012, http://www.transparency.org/cpi2012/results ; Zugriff 11.7.2013

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen (wie Helsinki Committee, Yerevan Press Club, Transparency International) sind registriert. Es gibt keine Berichte darüber, dass die Registrierung einer Menschenrechts- oder einer politischen Organisation abgelehnt wurde. Die Menschenrechtsorganisationen haben Zugang zu Medien, Behörden und Vertretern internationaler Organisationen.

Die Arbeit der NGOs, die sich mit Themen wie Medien, Versammlungs- und Meinungsfreiheit oder Korruption beschäftigen, wird seitens der Exekutive nicht unterstützt. Gelegentlich werden Fälle bekannt, in denen NGOs behindert werden. So wird immer wieder berichtet, dass Menschenrechtsorganisationen der Zugang zu verwertbaren Informationen und Zahlen seitens der Behörden und Regierung erschwert wird (AA 25.1.2013, vgl. auch US DOS 19.4.2013).

Die Anforderungen für eine Registrierung von NGOs sind mühsam und zeitaufwändig, trotzdem sind etwa 3.000 NGOs beim Justizministerium registriert, auch wenn nicht alle davon aktiv sind. Armeniens Zivilgesellschaft ist dennoch lebhaft und die Anzahl der registrierten NGOs steigt weiter. Der Fokus von NGOs liegt immer mehr auf Menschenrechten und Machtmissbrauch (FH 1.2013, FH 18.6.2013)

Die Hilfeleistungen aller NGOs werden durch unterschiedlichste Projekte, aber auch direkte humanitäre Hilfe erbracht. Als Beispiele hierfür seien die Verteilung von Kleidung, Schuhen, Nahrungsmitteln, etc. angeführt. Weiter sind Fortbildungsmaßnahmen zu nennen, wie zum Beispiel Fremdsprachen- oder Computerkurse. Um die Nachhaltigkeit der Hilfe zu sichern gibt es auch spezielle Existenzaufbauprogramme, die den Menschen Möglichkeiten zur Einkommensgenerierung bieten und somit die Selbstständigkeit und das Selbstbewusstsein der Betroffenen wieder heben (siehe Kapitel 22 Grundversorgung/Wirtschaft) (BAA-Analysen 26.8.2010).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

FH - Freedom House (1.2013): Freedom in the World 2013 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/243032/366397_de.html ; Zugriff 11.7.2013

FH - Freedom House (18.6.2013): Nations in Transit 2013 - Armenia, http://www.ecoi.net/file_upload/3256_1371628253_nit13-armenia-3rdproof.pdf ; Zugriff 11.7.2013

BAA-Analysen der Staatendokumentation (26.8.2010): Frauen in Armenien - Versorgungsmöglichkeiten nach Rückkehr

US DOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Reports on Human Rights Practices 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/245168/368615_de.html ; Zugriff 9.7.2013

Ombudsmann

Die Verfassungsänderung im November 2005 hat die Institution einer vom Parlament gewählten Ombudsperson für Menschenrechte geschaffen. De facto muss die Ombudsperson einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen. Das Profil des derzeitigen Ombudsmanns, Karen Andreasyan, ist u.a. geprägt durch seine Bemühungen um die Stärkung der Institution sowie um die Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. So sollen regionale Büros aufgebaut werden. Mit 80 NGOs wurden Memoranda of Understanding über eine vertiefte Zusammenarbeit und einen konstruktiven Dialog unterzeichnet. Im Haushalt 2012 sind insgesamt 347.790 Euro für die Arbeit des Ombudsmannes eingeplant (AA 25.1.2013).

Der Ombudsmann ist zuständig für die Verteidigung der Grund- und Menschenrechte und schützt diese gegen Missbrauch von nationalen, regionalen und lokalen Beamten. Der Ombudsmann setzt auch mit Beschwerden in Bezug auf das Militär auseinander (US DOS 19.4.2013, BAA-Analysen 31.5.2010).

Jedes Individuum, ungeachtet seiner ethnischen Herkunft, Geschlecht, Staatsbürgerschaft, Wohnort, Rasse, Alter, politischer oder anderer Zugehörigkeit und Tätigkeiten, kann eine Beschwerde einbringen. Der Ombudsmann hat, unter anderem, folgende Möglichkeiten:

er kann ohne Einschränkungen jegliche öffentliche Einrichtung oder Organisation besuchen (z.B. militärische Einheiten, Justizvollzugsanstalten, Untersuchungshafteinrichtungen und Strafanstalten)

er kann alle notwendigen Unterlagen, Dokumente und Erklärungen von jeglicher (staatlicher oder lokal verwalteter) Einrichtung, die mit einem Fall in Zusammenhang stehen, verlangen.

Eine Beschwerde kann schriftlich oder mündlich eingebracht werden. Sie kann persönlich, per Post, per Fax oder per Email an folgende Adresse ergehen:

375002, Yerevan, Pushkin St. 56a

Tel.: (37410) 537651

ombuds@ombuds.am

Der Ombudsmann kann auch selbstständig tätig werden, wenn ihm Informationen über massive Verletzungen der Grund- und/oder Menschenrechte vorliegen, Themen von herausragender sozialer Wichtigkeit, oder auch Verletzungen von Rechten von Personen, die nicht selbst tätig werden können.

Man muss weder mit strafrechtlichen oder administrativen Maßnahmen, noch mit Diskriminierung rechnen, wenn man eine Beschwerde eingebracht hat (BAA-Analysen 31.5.2010).

Es gibt sechs regionale Büros in den Regionen Schirak, Gyumri, Gegharqunik, Vayots Dzor, Syunik, Tavush und Lori. Ebenso ist eine Hotline verfügbar mit der Nummer 116 (HRD o.D., vgl. auch EK 20.3.2013)

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

US DOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Reports on Human Rights Practices 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/245168/368615_de.html ; Zugriff 9.7.2013

BAA-Analysen der Staatendokumentation (31.5.2010): Justizsystem in Armenien

HRD - Human Rights Defender of the Republic of Armenia (o.D.):

offizielle Homepage, http://ombuds.am/en/guards/browse ; Zugriff 9.7.2013

EK - Europäische Kommission (20.3.2013): Fortschrittsbericht zur Europäischen Nachbarschaftspolitik in 2012, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1364315499_2013-progress-report-armenia-en.pdf ; Zugriff 11.7.2013)

Allgemeine Menschenrechtslage

Armenien hat in den Bereichen Menschenrechte und Grundfreiheiten ernsthafte Anstrengungen unternommen (EK 20.3.2013). Auf der Grundlage von Empfehlungen des Europarats erarbeitete die armenische Regierung einige Gesetzesänderungen, um einen besseren Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. So wurden das Versammlungsrecht reformiert und Änderungen des Strafgesetzbuches verabschiedet. Das Versammlungsgesetz, das Medien- und das Wahlgesetz wurden neu formuliert, um den von der Venediger Kommission (Europäische Kommission für Demokratie durch Recht) sowie Experten des Europarates und der OSZE ausgesprochenen Empfehlungen nachzukommen. Durch weitere Reformen im Justizsektor soll die Unabhängigkeit der Judikative gestärkt werden (AA 4.2013).

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts (Art. 8; 14-43), der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte einschließt. Durch die 2005 erfolgten Verfassungsänderungen wurden die Grundrechte weiter gestärkt. Eine wichtige Neuerung war Art. 3 Abs. 1, der bestimmt, dass der Mensch, seine Würde, die Grundrechte und Freiheiten die höchsten Werte sind. Allerdings bestehen erhebliche Einschränkungsmöglichkeiten (Art. 44 bis 46), insbesondere durch den Präsidenten, dem die Verfassung weitgehende Vollmachten (Notverordnungsrecht nach Art. 55 Abs. 14) einräumt.

Armenien ist an zahlreiche internationale Übereinkommen auf dem Gebiet der Menschenrechte gebunden (AA 25.1.2013).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (4.2013): Armenien - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Innenpolitik_node.html , Zugriff 10.7.2013

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

EK - Europäische Kommission (20.3.2013): Fortschrittsbericht zur Europäischen Nachbarschaftspolitik in 2012, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1364315499_2013-progress-report-armenia-en.pdf ; Zugriff 11.7.2013)

Meinungs- und Pressefreiheit

Art. 27 der Verfassung schützt die Freiheit der Meinung, Information, Medien und anderer Informationsmittel. Es gibt offiziell keine Zensur; viele Journalistinnen und Journalisten neigen aber zur Selbstzensur. Üble Nachrede und Verleumdung werden nach einer Gesetzesänderung nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Damit wurde eine langjährige Forderung der internationalen Gemeinschaft umgesetzt. Betroffenen steht stattdessen der zivilrechtliche Klageweg offen. Die Zahl der zivilrechtlichen Klagen gegen Medien und Journalisten hat in der Folge stark zugenommen, und es ergingen eine Reihe unverhältnismäßig hoher Geldstrafen.

Im November 2011 erklärte das durch den Ombudsmann angerufene Verfassungsgericht das Gesetz für verfassungskonform, wies gleichzeitig aber die unteren Instanzen an, künftig mit Verleumdungsklagen sorgsamer umzugehen und drakonische Strafen gegen Medien grundsätzlich zu vermeiden. Zudem betonte das Gericht, dass Medien nicht für eine kritische Beurteilung von Fakten und bewertende Einschätzungen haftbar gemacht werden könnten.

Die körperliche Unversehrtheit der Journalisten und die freie Ausübung ihres Berufes sind nicht immer gewährleistet, auch gibt es immer wieder Berichte von Presse, NGOs und des Ombudsmannes über staatliche Schikanen gegen Journalisten. Dabei handelt es sich z.B. um tätliche Angriffe gegenüber Journalisten bzw. deren Arbeitsbehinderung vor Ort (AA 25.1.2013, vgl. auch HRW 31.1.2013). Politisch motivierte Verleumdungsklagen scheinen kein ernsthaftes Problem mehr zu sein (HRW 31.1.2013).

Das Recht auf freie Meinungsäußerung war 2012 weitgehend uneingeschränkt. Doch mussten Personen, deren Äußerungen als unpatriotisch oder anti-nationalistisch wahrgenommen wurden, mit feindseligen und teilweise gewalttätigen Reaktionen der Öffentlichkeit rechnen. In einigen Fällen schien es, als würden Polizei und lokale Behörden diese Angriffe insgeheim unterstützen. Zudem versäumten sie es, die Vorfälle gründlich zu untersuchen und die Taten öffentlich und entschieden zu verurteilen (AI 23.5.2013).

Das Fernsehen ist das am weitesten verbreitete Informationsmedium. Es wird durch Präsident und Regierung über den Nationalen Fernsehrat sowie v.a. über die Vergabe der (befristeten) Sendelizenzen kontrolliert. Kritiker haben Schwierigkeiten, die benötigte (befristete) Sendelizenz zu erhalten. Positiv ist, dass der TV-Sender A1+, der bei Ausschreibungen bisher nicht zum Zuge gekommen war, nun zumindest eine Stunde täglich im Programm des regierungsnahen Nachrichtensenders "ARMNEWS" ein eigenes Programm ausstrahlen darf, zusätzlich zu seiner offen regierungskritischen Website.

Im Juni 2010 wurde ein neues Mediengesetz verabschiedet, das von der OSZE als fortschrittlich, aber stark verbesserungswürdig beurteilt wurde und zur Diversifizierung von Rundfunk- und Fernsehangeboten führen soll. Durch die Digitalisierung soll ein Zugang zu mehr Sendern ermöglicht werden. Aufgrund angeblicher technischer Einschränkungen und strikter Voraussetzungen - die u.a. Gegenstand der OSZE-Kritik waren - wurden im Dezember 2010 Lizenzen an vorerst nur 18 Sender erteilt (zuvor 22 Sender). Zudem üben staatliche wie private Sender in wesentlich stärkerem Maße Selbstzensur als die Schriftpresse.

Die Printmedien genießen größere Unabhängigkeit von der Regierung, haben jedoch - insbesondere außerhalb der Hauptstadt - ein wesentlich kleineres Publikum als die elektronischen Medien.

Internetseiten, auch solche mit regierungskritischem Inhalt, sind frei zugänglich. Bisher ist die Verbreitung von Internetzugängen gering, verzeichnet jedoch kontinuierliches Wachstum. Aufgrund der kontrollierten Informationsverbreitung durch das Fernsehen entwickeln sich die sozialen Medien zur bevorzugten alternativen Informationsquelle, v.a. für die jüngere, gut ausgebildete Bevölkerung (AA 25.1.2013).

Quellen

AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/247902/374002_de.html ; Zugriff 9.7.2013

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/237127/360001_de.html ; Zugriff 10.7.2013

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

Versammlungsfreiheit

Die Verfassung garantiert das Recht auf "friedliche, nicht bewaffnete, öffentliche Versammlungen". Mitte März 2008 erfolgte eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes mit weitreichenden Verbotsmöglichkeiten, die jedoch auf Druck des Europarates mit der Novellierung des Versammlungsgesetzes 2011 teilweise zurückgenommen wurden. Zuletzt kam es am 31.5.2010 auf dem Platz der Freiheit zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizeikräften. Dabei wurden einige Personen leicht verletzt, zwei Demonstranten wurden in Untersuchungshaft genommen. Mittlerweile werden Demonstrationen auf dem Opernplatz ("Platz der Freiheit") in Jerewan wieder regelmäßig genehmigt. Vertreter der Opposition haben teilweise mit Einschränkungen zu kämpfen (AA 25.1.2013).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

Vereinigungsfreiheit

Auch die Vereinigungsfreiheit hat Verfassungsrang. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit und der ungünstigen Wirtschaftslage machen Arbeitnehmer von ihrem Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, nur in geringem Umfang Gebrauch (AA 25.1.2013, vgl. auch FH 1.2013).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

FH - Freedom House (1.2013): Freedom in the World 2013 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/243032/366397_de.html ; Zugriff 11.7.2013

Todesstrafe

Die Todesstrafe ist abgeschafft (AA 25.1.2013).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert (Art. 26) und darf nur durch Gesetz und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist (Art. 26, 44 der Verfassung) (AA 25.1.2013).

Die Religionsfreiheit wird im Allgemeinen respektiert, wenngleich die dominierende Armenisch-Apostolische Kirche bestimmte Privilegien genießt. Beispielsweise darf die Armenisch-Apostolische Kirche in Krankenhäusern, Waisenhäusern, Internaten, Militäreinheiten und Gefängnissen permanente Vertreter haben. Andere Gruppen dürfen dies nur auf Antrag.

Angehörige religiöser Minderheiten sehen sich manchmal mit gesellschaftlicher Diskriminierung konfrontiert (FH 1.2013, US DOS 20.5.2013).

Das Gesetz verbietet so genanntes nicht näher definiertes "soul hunting", was Proselytismus und erzwungene Konversion beschreibt. Diese Bestimmung betrifft alle Gruppen, auch die Armenisch-Apostolische Kirche (US DOS 20.5.2013).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

FH - Freedom House (1.2013): Freedom in the World 2013 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/243032/366397_de.html ; Zugriff 9.7.2013

US DOS - U.S. Department of State (20.5.2013): International Religious Freedom Report 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/247580/371166_de.html ; Zugriff 9.7.2013

Religiöse Gruppen

Es gibt keine verlässlichen Angaben zum Anteil religiöser Minderheiten an der Gesamtbevölkerung; Schätzungen zufolge machen sie weniger als 5% aus (AA 25.1.2013, vgl. auch CIA 15.5.2013). Ungefähr 90% der Bevölkerung gehören der Armenisch-Apostolischen Kirche an. Es gibt kleine Gemeinschaften anderer religiöser Gruppen, unter anderem: Römisch-Katholische, Armenisch-Unierte (Mechitaristen), Orthodoxe Christen, Armenisch-Evangelikale Christen, Molokanen, Pfingstkirchler, Siebenten-Tags-Adventisten, Baptisten, diverse charismatische Christen, Zeugen Jehovas, Mormonen, Jesiden, Juden und Muslime.

Jesiden leben vor allem in landwirtschaftlichen Gebieten rund um den Berg Aragats, nordwestlich von Jerewan. Armenische Katholiken leben vorwiegend im Norden, die meisten Juden, Mormonen und orthodoxen Christen leben in Jerewan, ebenso wie kleine Gemeinden von Muslimen (US DOS 20.5.2013).

Die Armenische-Apostolische Kirche hat quasi den Status einer Staatskirche und nimmt eine faktisch privilegierte Stellung ein. In der Verfassung verankert, ist sie zwar formell anderen kirchlichen Organisationen gleichgestellt. Allerdings genießt der Katholikos, das Oberhaupt der Kirche, besonderes Gehör bei Regierung und Bevölkerung.

Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können sich amtlich registrieren lassen und dürfen dann Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von mehr als 1.000 Exemplaren veröffentlichen, regierungseigene Gelände (z.B. den "Platz der Republik" in Jerewan) mieten, Fernseh- oder Radioprogramme senden und als Organisation Besucher aus dem Ausland einladen (AA 25.1.2013, vgl. auch US DOS 20.5.2013).

Muslime leben vor allem in Jerewan. Sie können ihren Glauben frei ausüben (AA 25.1.2013).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

CIA - Central Intelligence Agency (15.5.2013): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html ; Zugriff 9.7.2013

US DOS - U.S. Department of State (20.5.2013): International Religious Freedom Report 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/247580/371166_de.html ; Zugriff 9.7.2013

Jesiden

Die Verfassung garantiert nationalen Minderheiten das Recht, ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprache zu bewahren, in der sie studieren und veröffentlichen dürfen. Zugleich verpflichtet ein Gesetz alle Kinder zu einer Schulausbildung in armenischer Sprache. So wird an einigen armenischen Schulen in jesidischen Gegenden (derzeit in 23 Dörfern) auch Unterricht in Jesidisch erteilt. Die hierfür seit 2005 vorhandenen Lehrbücher beziehen sich auf die jesidische Sprache und Literatur, stehen allerdings nur für die Jahrgangsstufen 1-6 zur Verfügung (AA 25.1.2013, vgl. auch FH 1.2013).

Angehörige der jesidischen Minderheit berichten zwar immer wieder über Diskriminierungen, aber weder Jesiden noch andere Minderheiten sind Ziel systematischer und zielgerichteter staatlicher Repressionen (AA 25.1.2013, vgl. auch BAA-Analysen 26.8.2009).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

BAA-Analysen der Staatendokumentation (26.8.2009): Jesiden in Armenien

FH - Freedom House (1.2013): Freedom in the World 2013 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/243032/366397_de.html ; Zugriff 9.7.2013

Zeugen Jehovas

Das Gesetz verbietet zwar Bekehrungen durch religiöse Minderheiten; missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch tätig und werden nicht staatlich behindert. Dies wird von offiziellen Vertretern der Zeugen Jehovas bestätigt; im Zusammenhang mit geplanten Veranstaltungen ihrer Glaubensgemeinschaft gibt es jedoch Berichte, wonach die Mietverträge gelegentlich kurzfristig gekündigt werden (AA 25.1.2013).

Zeugen Jehovas beschweren sich, dass der alternative Wehrersatzdienst noch immer nicht einen ganz klaren zivilen Charakter hat und lehnen diesen daher ab (siehe auch Kapitel 10.1 Wehrersatzdienst). Wehrdienstverweigerer werden inhaftiert, wenn sie sich weigern, den Wehrdienst zu absolvieren (EK 20.3.2013).

Am 27. November entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Khachatryan und andere gegen Armenien, das Land habe die Rechte von 17 Zeugen Jehovas auf Freiheit, Sicherheit sowie auf Entschädigung aufgrund rechtswidriger Inhaftierung verletzt. Es war das vierte Urteil des Gerichtshofs gegen Armenien zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Die Zeugen Jehovas waren angeklagt und inhaftiert worden, weil sie den Zivildienst beendet hatten, nachdem ihnen klar wurde, dass sie unter der Kontrolle des Militärs standen (AI 23.5.2013).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

Europäische Kommission (20.3.2013): Fortschrittsbericht zur Europäischen Nachbarschaftspolitik in 2012, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1364315499_2013-progress-report-armenia-en.pdf ; Zugriff 9.7.2013)

AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/247902/374002_de.html ; Zugriff 9.7.2013

Ethnische Minderheiten

Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Rasse, Behinderung, Sprache oder sozialem Status, jedoch setzte die Regierung dies nicht immer effektiv durch (US DOS 19.4.2013).

Die Bevölkerung setzt sich aus 97,1 % armenischen Volkszugehörigen, ca. 1,3 % Jesiden (Kurden), 0,5 % Russen und 0,2 % anderen zusammen (CIA 15.5.2013).

Die Volkszugehörigkeit wird in armenischen Reisepässen nur eingetragen, wenn der Passinhaber dies beantragt. Die Verfassung garantiert nationalen Minderheiten das Recht, ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprache zu bewahren, in der sie studieren und veröffentlichen dürfen. Zugleich verpflichtet ein Gesetz alle Kinder zu einer Schulausbildung in armenischer Sprache. So wird an einigen armenischen Schulen in jesidischen Gegenden (derzeit in 23 Dörfern) auch Unterricht in Jesidisch erteilt. Die hierfür seit 2005 vorhandenen Lehrbücher beziehen sich auf die jesidische Sprache und Literatur, stehen allerdings nur für die Jahrgangsstufen 1-6 zur Verfügung (AA 25.1.2013, vgl. auch FH 1.2013).

Während der letztjährige Fortschrittsbericht zur Europäischen Nachbarschaftspolitik feststellte, dass es keine größeren Probleme mit nationalen Minderheiten gäbe und der Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarates im Februar 2012 beachtliche Fortschritte feststellte und die gemachten Bemühungen in den Bereichen Erziehung und Kultur von ethnischen Minderheiten begrüßte, werden im diesjährigen Fortschrittsbericht, die nationalen Minderheiten nur mehr im Zuge eines Projektes mit diversen kulturellen Gruppen zur Gleichbehandlung von nationalen Minderheiten erwähnt (EK 20.3.2013, EK 15.5.2012).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

US DOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Reports on Human Rights Practices 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/245168/368615_de.html ; Zugriff 9.7.2013

CIA - Central Intelligence Agency (15.5.2013): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html ; Zugriff 9.7.2013

EK - Europäische Kommission (20.3.2013): Fortschrittsbericht zur Europäischen Nachbarschaftspolitik in 2012, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1364315499_2013-progress-report-armenia-en.pdf ; Zugriff 9.7.2013)

EK - Europäische Kommission (15.5.2012): Fortschrittsbericht zur Europäischen Nachbarschaftspolitik in 2011, http://www.ecoi.net/file_upload/2016_1338188372_progress-report-armenia-en.pdf ; Zugriff 9.7.2013

FH - Freedom House (1.2013): Freedom in the World 2013 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/243032/366397_de.html ; Zugriff 9.7.2013

Bewegungsfreiheit

Aufgrund des zentralistischen Staatsaufbaus der geringen territorialen Ausdehnung gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten gegenüber zentralen Behörden. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen (AA 25.1.2013).

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor, es gab jedoch Einschränkungen vor allem im Zusammenhang mit Reisen zu oppositionellen Kundgebungen in der Hauptstadt (siehe Kapitel 13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition).

Um das Land vorübergehend oder dauerhaft zu verlassen, müssen sich Bürger eine Ausreisebewilligung besorgen. Ausreisebewilligungen für vorübergehende Reisen werden üblicherweise innerhalb eines Tages ausgestellt zum Preis von 1000 Dram (ca. 2,46 USD) pro Gültigkeitsjahr (US DOS 19.4.2013).

Im Juni 2012 begann Armenien mit der Ausstellung von biometrischen Reisepässen (EK 20.3.2013)

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

US DOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Reports on Human Rights Practices 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/245168/368615_de.html ; Zugriff 9.7.2013

EK - Europäische Kommission (20.3.2013): Fortschrittsbericht zur Europäischen Nachbarschaftspolitik in 2012, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1364315499_2013-progress-report-armenia-en.pdf ; Zugriff 9.7.2013)

Grundversorgung/Wirtschaft

Das verheerende Erdbeben von 1988, die kriegerischen Auseinandersetzungen mit Aserbaidschan um die Region Bergkarabach (1992-1994), der Zusammenbruch des sowjetischen Wirtschaftssystems und die Unterbrechung der Energieversorgung in den 1990er Jahren führten zu einem fast vollständigen Zusammenbruch der armenischen Industriestruktur. Dies und die andauernde Isolation durch geschlossene Grenzen zu Aserbaidschan und der Türkei belasten die armenische Wirtschaft bis heute.

Der signifikante Rückgang von Exporten, Rücküberweisungen, Direktinvestitionen und privaten Kapitalzuflüssen aufgrund der internationalen Finanzkrise führte zu einem akuten und hohen Zahlungsbilanzdefizit Armeniens. Seitdem haben IWF, Weltbank, EBWE, KfW sowie Russland mehr als 2 Mrd. Euro an Krediten bewilligt. 2011 war eine Erholung mit einem Wirtschaftswachstum von 4,6% zu beobachten, die sich 2012 mit einem Wachstum von 7,2% fortgesetzt hat (AA 4.2013).

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zur Verbesserung der Lebenssituation bei. Die Gas- und Stromversorgung ist grundsätzlich gewährleistet. Immer mehr Haushalte werden an die Gasversorgung angeschlossen. Leitungswasser steht dagegen in manchen Gegenden, auch in einigen Vierteln der Hauptstadt, insbesondere während der Sommermonate nur stundenweise zur Verfügung. Die Wasserversorgung wird jedoch laufend verbessert.

Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Angaben des nationalen Statistikamtes für das Jahr 2012 zufolge leben 35% der Armenier unterhalb der Armutsgrenze (2009: 34,1%). Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt: Im Zeitraum Januar bis Oktober 2012 wurde ein Betrag von 850 Mio. USD nach Armenien überwiesen, was gegenüber dem Vorjahreszeitraum eine Steigerung von 9% ausmacht. Im Vergleich von 2008 zu 2009 war noch ein Rückgang von ca. 30% zu verzeichnen gewesen.

Das Existenzminimum beträgt in Armenien 55.327 armenische Dram (AMD) (derzeit ca. 105 Euro) im Monat, der offizielle Mindestlohn 32.500 AMD (derzeit ca. 62 Euro). Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten, dazu privaten Geschäften und Gelegenheitstätigkeiten, nach (AA 25.1.2013).

Das soziale Sicherungssystem Armeniens umfasst derzeit die folgenden Elemente:

Staatliche soziale Unterstützungsprogramme wie etwa Familienbeihilfe, Berufsunfähigkeitsrente, Altersrente und andere soziale Beihilfen, einmalige Kindesprämien und Kindergeld (bis zum Alter von 2 Jahren).

Soziale Unterstützungsprogramme für behinderte Mitbürger, Veteranen und Kinder; insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationsprogramme, häusliche Alten- und Behindertenpflege, Heime, Waisenhäuser und Internate.

Staatliche Sozialversicherungsprogramme, bestehend aus Alters- und Berufsunfähigkeitsrente sowie Beihilfen bei vorübergehender Berufsunfähigkeit und Schwangerschaft.

Beschäftigungsprogramme einschließlich Arbeitslosenunterstützung, berufliche Weiterbildung für Arbeitslose und öffentliche (oder vergleichbare) Arbeiten.

Ein System mit Privilegien für bestimmte Bevölkerungsgruppen, die 1999 unter besonders problematischen Lebensbedingungen zu leiden hatten. Dieses System umfasst derzeit einige Privilegien; vornehmlich für Veteranen des 2. Weltkriegs (und vergleichbare Gruppen) im Rahmen der (internationalen) GUS-Abkommen. In der Mehrzahl kommen Dienstleister in den Genuss dieser Privilegien. Für den Zeitraum von 2006 bis 2015 sind keine weiteren Privilegien geplant (IOM 8.2012).

Verfahren zur Existenzgründung

Heute realisieren zahlreiche internationale Organisationen und Wohlfahrtsverbände Projekte zur Förderung der Existenzgründung von Flüchtlingen und Heimkehrern.

Armenian Relief Society (Wohltätigkeitsfonds)

Dieses Programm konzentriert sich auf wirtschaftliche Stärkung der Frauen. Die ARS bietet Frauen die nötigen Schulungen, um selbständiger zu werden und gleichzeitig die lokale Produktivität zu steigern. Gespendete Näh- und Stickmaschinen ermöglichen die Herstellung von Kleidung und kunsthandwerklichen Erzeugnissen. Öfen und Getreidemühlen fördern die Lebensmittelproduktion. Darüber hinaus finanzierte die ARS die Gründung von "Talin Optic" und "ARS Optic", zwei profitablen Brillenglas-Unternehmen, die Kunden in zwei Stunden bedienen und Arbeitsplätze schaffen.

Micro-Enterprise Development-Projekt:

Seit 1997 bemüht sich das Micro-Enterprise Development (MED)-Projekt, die wirtschaftliche Selbständigkeit benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu steigern und die Integration von Heimkehrern (Asylbewerber, Opfer des Menschenhandels), Flüchtlingen und Vertriebenen durch Schulungen zur Gründung von Mikrounternehmen, Darlehen und Beschäftigungsmöglichkeiten zu vereinfachen.

Benachteiligte Personen und insbesondere Frauen sind ebenfalls eine Zielgruppe, deren Selbstständigkeit gefördert werden muss, um den Migrationsdruck zu mindern. Das MED ist in und um Jerewan, Gyumri, Vanadzor, Ashtarak, Spitak, Abovian und Byureghavan aktiv.

91% der beobachteten Darlehensnehmer berichteten von einer Verbesserung der Lebensqualität aufgrund des erhöhten Einkommens oder Vermögens.

UMCOR/AREGAK (Zentrum für nachhaltige garantierte finanzielle Unterstützung)

Ein Mikrokreditprogramm.

Das Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten (USDA) trifft eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung und Steigerung der Selbstständigkeit in Armenien. Diese Aktivitäten dienen in der Hauptsache dazu, armenischen Herstellern in der Landwirtschaft zu helfen, ihre Produktivität und die Qualität ihrer Produkte und Waren zu verbessern.

Unterstützung für Unternehmensgründer

Diese finanzielle Unterstützung wird Arbeitslosen gewährt, damit sie ein Unternehmen gründen und offiziell anmelden können. Ziel der Unterstützung ist es, Menschen darin zu bestärken, sich als Unternehmer selbständig zu machen und so langfristig Arbeitsplätze zu schaffen. Arbeitslose und Behinderte können an diesem Programm teilnehmen.

Mit Hilfe der finanziellen Unterstützung aus diesem Programm kann sich die Person als Unternehmer registrieren lassen, oder eine Firma, die sie gegründet hat, anmelden. Für die Teilnehmer des Programms stehen professionelle Weiterbildungsangebote bereit. Um an dem Programm teilzunehmen muss ein Businessplan in zweifacher Ausführung bei dem zuständigen lokalen Arbeitsamt eingereicht werden. Dann wird die finanzielle Unterstützung für die Anmeldung als Unternehmer oder eines Unternehmens ausgezahlt.

Mehr Informationen zur Unterstützung für Unternehmensgründer sind bei den lokalen Arbeitsämtern erhältlich (IOM 8.2012).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (4.2013): Armenien - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Wirtschaft_node.html ; Zugriff 8.7.2013

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

IOM - International Organisation for Migration (8.2012):

Länderinformationsblatt Armenien

Sozialbehilfen

Familienbeihilfen

Als bedürftig registrierte Familien können Familiensozialhilfe erhalten, sofern die errechnete Bedürftigkeit einen von der Regierung der Republik Armenien im Jahr 2005 festgelegten (und noch immer gültigen) Schwellenwert von 34,00 Punkten überschreitet.

Einmalige Beihilfen

Können Familien gewährt werden, deren Bedürftigkeitspunktzahl unter dem Mindestschwellenwert von 34,00 (jedoch über 0) liegt. Die Entscheidung über die Bedürftigkeit einer Familie obliegt dem Sozialrat. Des Weiteren wird Familien verstorbener Soldaten eine Beihilfe in Höhe der Familiensozialhilfe gewährt. Die Anerkennung des Anspruchs der einmaligen Beihilfe wird alle drei Monate von dem Amt geprüft. Die Summe beträgt 6.000 AMD (entsprechend dem Leistungsgrundbetrag).

Kindergeld

Kindergeld wird Personen gewährt, die Kinder unter 2 Jahren versorgen. Dieses Programm wurde durch die regionalen Sozialversicherungszentralen unter Verwendung der für diesen Zweck zugeteilten Finanzmittel implementiert. Die monatlichen Leistungen für Personen, die Kinder unter 2 Jahren versorgen, belaufen sich auf etwa 3.000 Dram.

Mutterschaftsgeld

Derzeit bestehen in Armenien drei Arten von Beihilfen in Verbindung mit Kindsgeburten. Einerseits die einmalige Mutterschaftsbeihilfe von 35.000 Dram. Sie dient der teilweisen Kostenerstattung in Verbindung mit der Geburt und wird von der staatlichen Sozialversicherung bezahlt. Darüber hinaus gibt es eine monatliche Zahlung von ca. 10.000 Dram im Monat an Personen, die ein Kind (bis zum 2. Lebensjahr) versorgen und sich in einem teilweise bezahlten Mutterschaftsurlaub befinden. Die Beträge werden aus dem Staatshaushalt bezahlt. Außerdem die Schwangerschafts- und Entbindungsbeihilfe, die berufstätigen Müttern für einen Zeitraum von jeweils 70 Tagen vor und nach dem Entbindungstermin gezahlt wird. Die Höhe dieser Beihilfe entspricht dem Durchschnittsgehalt der betreffenden Person in den letzten drei Monaten vor Beginn des Mutterschaftsurlaubs (zuletzt: 55.000 Dram).

Senioren und behinderte Mitbürger

Folgendes wird derzeit vom Staat finanziert:

a) Die Bereitstellung kostenloser prothetischer und orthopädischer Hilfsmittel für behinderte Mitbürger und Reparatur dieser Mittel. Bei der medizinisch-technischen Kommission - "Medical-rehabilitation Center" in Eriwan, Kanaker, Tsarav-Akhpiuri str. 55.

b) Ein Programm für den Betrieb von Heimen und häuslichen sozialen Diensten für alleinlebende oder ältere behinderte Mitbürger. Die häusliche Pflege für diese beiden Gruppen wird von dem "National Centre for in-house services" übernommen.

Bereits personalisierte Pensionäre können einen Preisnachlass von den öffentlichen Versorgungseinrichtungen (einschließlich Preisnachlässe für Gas und Strom) fordern. Alleinstehende Pensionäre über 70 Jahre und alleinstehende behinderte Erwachsene können Pflegeleistungen beim "In-house Social Service Center for lonely old and disabled persons" (South-Western B-1 Quarter, Tel. 74-04-02) beantragen (IOM 8.2012).

Alleinstehende Frauen

können eine Familienbeihilfe erhalten, wenn sie die entsprechende Punktzahl erreichen. Derzeit gewährt die armenische Regierung dieser Bevölkerungsgruppe keine Sozialleistungen.

Renten

Personen, die 63 Jahre (bei Frauen beginnt der Grundrentenanspruch mit 59) und älter sind und mindestens 5 Jahre gearbeitet haben, erhalten Anspruch auf eine Altersrente. Darüber hinaus besteht für Frauen eine Alterstabelle, nach der sich das Alter bis zur Anspruchsberechtigung pro Jahr um 6 Monate erhöht, bis das 63. Lebensjahr erreicht wurde. Frauen haben daher im Jahr 2006 mit 59,5 Jahren, im Jahr 2007 mit 60 Jahren und im Jahr 2008 mit 60,5 Jahren einen Rentenanspruch.

Personen im Alter von 55 Jahre, die 25 Jahre gearbeitet und hiervon 15 Jahre besonders schwere Arbeit geleistet haben, können eine Vorzugsrente beanspruchen. Die armenische Regierung hat eine Liste der betreffenden Positionen und Tätigkeiten veröffentlicht. Bis zum Erreichen des Rentenalters besteht eine Alterstabelle. So hatten Männer beispielsweise im Jahr 2004 mit 54,5 Jahren, im Jahr 2005 mit 55 Jahren und Frauen im Jahr 2004 mit 49,5 Jahren, im Jahr 2005 mit 50 Jahren und im Jahr 2006 mit 50,5 Jahren einen Rentenanspruch.

Personen, die mindestens 35 Jahre gearbeitet haben und aufgrund einer Initiative des Arbeitgebers gekündigt wurden (mit Ausnahme bei Austritten aufgrund von Verstößen gegen Arbeitsvorschriften) und innerhalb von 30 Tagen nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis bei dem zuständigen Arbeitsamt einen Antrag gestellt haben, erfüllen die Voraussetzungen um eine Rente zu erhalten.

Im Fall einer Berufsunfähigkeitsrente für die Altersgruppe ab 30 Jahre muss die betreffende Person mindestens 5 Arbeitsjahre vorweisen können.

Das staatliche Rentenversicherungssystem umfasst:

1) Altersrenten

2) Renten bei langer Dienstzeit

3) Berufsunfähigkeitsrente

4) Versicherungsrente für Familien, die den Haushaltsvorstand verloren haben

Diese Renten basieren auf den gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen und stellen das Arbeits-, Versicherungs- und Rentensystem dar.

Arbeitslosenunterstützung

Als arbeitssuchend gelten alle Personen ab 16 Jahren, die sich ungeachtet ihrer Beschäftigung bei den staatlichen Arbeitsämtern arbeitssuchend melden. Der Status des Arbeitssuchenden wird allen arbeitslosen Jobsuchern zuerkannt, die das arbeitsfähige Alter erreicht haben und keine gesetzlichen Leistungen beziehen, sofern sie mindestens 1 Jahr gearbeitet haben und sich bei dem Arbeitsamt anmelden.

Gemäß den von der armenischen Regierung vorgegebenen Verfahren kann Arbeitslosen, deren Zahlungsanspruchsfrist abgelaufen ist, sowie Arbeitssuchenden, die nicht als arbeitslos gelten und daher gemäß diesem Gesetz keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben, finanzielle Hilfe gewährt werden. Bezüglich der Anspruchsberechtigung und der Höhe der Arbeitslosenunterstützung:

Die armenische Regierung bestimmt den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung.

Auf Initiative des Arbeitgebers und mit Ausnahme in Fällen, in denen der Mitarbeiter aufgrund von unentschuldigtem Fehlen oder Verstoß gegen die Arbeitsvorschriften entlassen wurde, erhalten Personen, die sich beim Arbeitsamt innerhalb von 30 Tagen arbeitssuchend melden, den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung.

Mitarbeiter, die selber gekündigt haben oder die die Anforderungen des Gesetzes nicht erfüllen, erhalten 80% des Grundbetrags der Arbeitslosenunterstützung.

Personen, die aufgrund eines Verstoßes gegen die Arbeitsvorschriften entlassen werden, erhalten 60% des Grundbetrags der Arbeitslosenunterstützung (IOM 8.2012).

Quellen

IOM - International Organisation for Migration (8.2012):

Länderinformationsblatt Armenien

Medizinische Versorgung

Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Das Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung regelt den Umfang der kostenlosen ambulanten oder stationären Behandlung bei bestimmten Krankheiten und Medikamenten sowie zusätzlich für bestimmte sozial bedürftige Gruppen (z.B. Kinder, Flüchtlinge, Invaliden). Es hängt allerdings von der Durchsetzungsfähigkeit und Eigeninitiative der Patienten ab, ob es gelingt, ihr Recht auf kostenlose Behandlung durchzusetzen. Nichtsdestotrotz ist die Qualität der medizinischen Dienstleistung weiterhin häufig von "freiwilligen Zuzahlungen" bzw. "Zuwendungen" an den behandelnden Arzt abhängig, auch bei Abschluss einer privaten Krankenversicherung. In letzter Zeit erschienen in der Presse Artikel mit Informationen über die kostenlose Behandlung; immer mehr Patienten bestehen erfolgreich auf diesem Recht. Die Behandlung in der Poliklinik des jeweiligen Wohnbezirks ist grundsätzlich kostenlos (AA 25.1.2013).

Mit dem Regierungserlass 643-N vom 29.04.2010 wurden neue Mechanismen zur Bereitstellung kostenloser medizinischer Versorgung im Rahmen des staatlichen Programms entwickelt, die eine flexiblere finanzielle Unterstützung der Gesundheitseinrichtungen in den ländlichen und abgelegenen Regionen der Republik ermöglichen sollen.

Ein neues Entlohnungssystem für medizinisches Personal in Krankenhäusern wurde entworfen und 2011 eingeführt.

Die Sanierung der primären Gesundheitsversorgung war 2010 eine der gesetzten Prioritäten. Auf dem Gebiet der spezialisierten Gesundheitsversorgung wurden neue qualitative und technische Standards entwickelt und 2010 für 4 Fachbereiche eingeführt:

Kardiologie, Neurologie, abdominale Chirurgie und Gastroenterologie. Dies stellt qualifiziertere Serviceleistungen für den Patienten sicher.

Für die Weiterentwicklung der dem Gesundheitssystem angehörenden Fachleute wurden im Jahr 2010 insgesamt 110 Ärzte aus Nagorno Karabach und 200 Ärzte aus den Regionen im Rahmen eines staatlichen Programmes kostenlos geschult.

Das Volumen der Medikamente, die im Rahmen des staatlichen Programmes an die medizinischen Einrichtungen ausgeliefert wurden, wurde 2010 erhöht. Die Regierung stellte für Medikamente 2,6 Mrd. Dram aus dem Staatsbudget bereit (IOM 8.2012).

Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten: Nicht immer sind alle Präparate vorhanden, obwohl viele Medikamente in Armenien in guter Qualität hergestellt und billig verkauft werden. Importierte Medikamente (z.B. von Bayer, Gedeon Richter oder Solvay) sind überall erhältlich und ebenfalls erheblich billiger; für die Einfuhr ist eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich. Die Medikamentenpreise steigen weiter an, die Preise variieren hierbei von Apotheke zu Apotheke (AA 25.1.2013).

Das rechtliche Rahmenwerk des Gesundheitssystems wurde 2010 ebenfalls verbessert. Neue Zusätze zum Gesetz über die mentale Gesundheitsversorgung ("RA Law on Mental Health Care") wurden 2010 aufgenommen.

Die Abläufe und Anforderungen für die Lizenzierung von Ärzten und Krankenschwestern sind überarbeitet und die diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen entsprechend geändert worden.

25 sanitär-hygienische Normen und Standards wurden entwickelt und staatlich anerkannt.

Im Rahmen inter-institutioneller und zwischenstaatlicher Abkommen kooperierte das armenische Gesundheitsministerium aktiv mit der Russischen Föderation, den USA, der Schweiz, OXFAM, Save the Children, World Vision, der Weltbank und dem Global Fund zur Verbesserung der medizinischen Dienstleistungen in Armenien und zur Entwicklung und Sanierung des Gesundheitssystems in den Regionen und ländlichen Gebieten (IOM 8.2012).

Die primäre medizinische Versorgung ist größtenteils noch immer wie zu Sowjet-Zeiten organisiert. Diese Leistungen werden in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren/Feldsher-Stationen erbracht. Das Verhältnis der Ärzte zur Einwohnerzahl beträgt ein Arzt pro 1 200 bis 2 000 Einwohner und ein Kinderarzt für 700 bis 800 Kinder.

Es gibt 500 Behandlungszentren oder Feldsher-Stationen - eine in jeder Stadt. Die Dienstleistungen werden üblicherweise von Krankenschwestern geleitet und umfassen: Grundversorgung für Kinder und Erwachsene, Schwangerschaftsversorgung, Entwicklungsuntersuchungen bei Kindern, Verschreibung von Medikamenten, Erste Hilfe, 24-Stunden-Notfalldienst, Hausbesuche und Präventivdienste wie etwa Impfungen und einfache Gesundheitsaufklärung.

Alle Fälle, die die Kapazitäten des ländlichen Gesundheitsnetzwerks übersteigen, werden an die regionalen Polikliniken oder direkt an ein Krankenhaus überwiesen.

Des Weiteren stehen 37 autonome Polikliniken zur Verfügung. Viele dieser Polikliniken beschäftigen Primärmediziner einschließlich Kinderärzte, praktische Ärzte und Geburtshelfer/Gynäkologen sowie Krankenschwestern und Hebammen.

Die Kliniken bieten üblicherweise ambulante Pflege für Erwachsene und ältere Menschen. Zu den weiteren Leistungen zählen Wochenbett-, Geburts-und Vorgeburtspflege, Pädiatrie, grundlegende Untersuchungen und Verschreibung aller Medikamente sowie kleinere chirurgische Eingriffe. Die Kliniken bieten im Allgemeinen auch Atteste bei Erkrankungen, Rehabilitation, 24-Stunden-Notdienste, Hausbesuche, Impfungen und Gesundheitsaufklärung. Präventivmaßnahmen werden auf verschiedene Weise angeboten. Impfprogramme werden seit langem erfolgreich in Klinken der medizinischen Grundversorgung angeboten und von dem epidemiologischen Gesundheitsnetzwerk überwacht.

Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Eriwan vorbehalten ist.

Darüber hinaus finden sich in der Hauptstadt sechs Kinder-und Mutterschaftskrankenhäuser. Die meisten Krankenhäuser sind staatlich. Derzeit bestehen vier private Krankenhäuser und ein teilweise privates Hospital. Des Weiteren gibt es ein privates Diagnosezentrum in Eriwan, das zu 80% im privaten Sektor aktiv ist.

Ein fundamentales Problem der primären medizinischen Versorgung betrifft die Zugänglichkeit, die für einen großen Teil der Bevölkerung extrem schwierig geworden ist. Dieser Teil der Bevölkerung ist nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Die Reformen haben den Patienten bereits die freie Wahl des Arztes garantiert. Das Recht der freien Arztwahl sollte auch die Qualität der Behandlung verbessern, da das Einkommen des Arztes jetzt die Anzahl der von ihm behandelten Patienten reflektiert. Das Ergebnis dieser Änderungen sollte auch das organisatorische Klima verändern. Für die Ärzte besteht jetzt ein höherer Anreiz, die Patienten zufriedenzustellen.

Angesichts der heutigen Situation des Landes sind die physischen Bedingungen der Polikliniken oftmals unzureichend. Die Ausstattung der Polikliniken und andere Sachanlagen sind beschädigt oder verschlissen. Es sind nicht genügend Finanzmittel vorhanden, um neue und moderne Technologien anzuschaffen oder die alten Geräte wieder instand zu setzen. Für das Personal besteht wenig Anreiz, die Patienten mit Respekt zu behandeln. Die Gehälter sind sehr niedrig und das Personal wird nur selten pünktlich bezahlt. Die Haupteinnahme der Gesundheitseinrichtungen stammt immer noch aus den Patientengebühren und inoffiziellen Zahlungen.

Es wird geschätzt, dass 25% der gesamten jährlichen Kosten des Gesundheitswesens vom Staat, 15% von humanitären Hilfsorganisationen und 60% von den Patienten getragen werden. Anstatt für ein Mitversicherungs-oder Selbstbeteiligungssystem hat sich das Gesundheitsministerium für die Einführung eines Systems entschieden, bei dem die Patienten die vollständigen Behandlungskosten selber direkt an die medizinische Einrichtung zahlen. Dieses System war zudem aufgrund der Einschnitte im staatlichen Haushalt für das Gesundheitssystem erforderlich.

Die Krankenhäuser haben Preise für alle Interventionen festgelegt und eine Kostenliste veröffentlicht, die vom Gesundheitsministerium überwacht wird. Patienten haben jetzt die Möglichkeit, die medizinische Einrichtung nach eigenem Ermessen und finanziellen Möglichkeiten auszuwählen. Es wird erwartet, dass Krankenhäuser Tagessätze für die Unterbringung und Verpflegung berechnen (Bett, Bettenpflege, Wasser, Dusche, Toilette etc. einschließlich Verpflegung, die die Patienten normalerweise selber mitbringen müssen) und Pauschalbeträge erheben, die ein Mindestpaket an Untersuchungen, Röntgenaufnahmen und Medikamenten enthalten. Zusätzliche Leistungen werden je nach Aufwand berechnet und Patienten zahlen für die meisten Leistungen mit Ausnahme der Standardleistungen selber.

Ambulante Dienste werden pro Arztbesuch berechnet. Zusätzliche Untersuchungen oder Prozeduren werden zusätzlich in Rechnung gestellt. Alle Medikamente werden von den Patienten selber bezahlt. Medizinische Hilfen und Prothesen werden von den Patienten bezahlt, sofern diese nicht in eine der bezuschussten Kategorien (Behinderte, Senioren etc) fallen (IOM 8.2012).

Quellen

IOM - International Organisation for Migration (8.2012):

Länderinformationsblatt Armenien

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

Behandlungsmöglichkeiten von bestimmten Krankheiten

Insulinabgabe und Dialysebehandlung erfolgen im Prinzip kostenlos:

Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist zwar beschränkt, aber gegen Zahlung ist eine Behandlung jederzeit möglich. Die Dialysebehandlung kostet ca. US$ 50 pro Sitzung. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Eriwan möglich, auch in den Städten Vanadzor und Gyumri sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet (AA 25.1.2013).

Hämodialyse [=Dialyseverfahren] ist für alle Patienten, die an Niereninsuffizienz leiden ungeachtet ihrer sozialen Situation kostenlos. Die Regierung transferiert die nötigen Gelder an die Krankenhäuser die Abteilungen für Hämodialyse und die Krankenhäuser bieten die Behandlung kostenlos. Hämodialyse ist in Armenien in Jerewan und den Regionen erhältlich. Es gibt in Jerewan und den Regionen jeweils 5 Zentren (IOM Armenien 24.2.2012).

An Diabetes erkrankte Patienten werden von Seiten der Regierung unterstützt. Sie können sich in einer Poliklinik registrieren lassen und die entsprechenden Medikamente (nur nach Verfügbarkeit) und Bluttests kostenlos erhalten. Blutzuckerteststreifen und Spritzennadeln müssen selbst gezahlt werden (BAMF 15.4.2011).

Die größeren Krankenhäuser sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos, einschließlich der Vergabe von Medikamenten (AA 25.1.2013, BAMF 27.6.2011, vgl. auch BAMF 28.2.2012).

In Bezug auf Verfügbarkeit von Einrichtungen der psychischen Gesundheit im Allgemeinen veröffentlichte die WHO im Zuge des aktuellsten "Mental Health Atlas 2011" folgende Zahlen:

Es gibt 27 ambulante Einrichtungen, 4 Tageszentren, 45 psychiatrische Betten in Allgemeinen Krankenhäusern, 10 psychiatrische Krankenhäuser und 1433 Betten in psychiatrischen Krankenhäusern (WHO 2011).

Gemäß der Verordnung N 144 - A vom 31.01.2012 des Gesundheitsministers der Republik Armenien, steht die Behandlung von bösartigen Tumoren auf der Liste der Krankheiten, deren Behandlung vom Staat gefördert wird. Demzufolge sind die Behandlung und die Ausgabe der notwendigen Medikamente (inklusive Antikrebsmedikamente, Schmerzmittel und Narkotika) in Armenien kostenlos. Chemotherapie ist für armenische Staatsbürger, die an verschiedenen Arten von Krebs leiden, ebenfalls kostenlos (BAMF 29.5.2012).

(Geistige) Behinderungen

Die öffentlichen Sozialpflegedienste in Armenien sind sehr begrenzt. Der private Sektor ist an der Erbringung dieser Leistungen nicht beteiligt. Es gibt nur ein einziges Krankenhaus für geistig und körperlich behinderte Menschen und keine Pflegeheime für Patienten, die eine dauerhafte, langfristige Betreuung benötigen. Es gibt keine Vorkehrungen für eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen und keine Tagespflegeeinrichtungen für Patientengruppen mit speziellen Bedürfnissen und ebenfalls kein Sozialarbeiternetzwerk.

Es gibt 7 regionale psychiatrische Kliniken, die lediglich eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen bei nur geringer medizinischer Versorgung bieten.

Medizinisch-soziale Einrichtungen des Ministeriums für Arbeit und Soziales:

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

BAMF (27.6.2011): IOM Individualanfrage ZC129

BAMF (15.4.2011): IOM Individualanfrage ZC79

BAMF (29.5.2012): IOM Individualanfrage ZC105

BAMF (28.2.2012): IOM Individualanfrage ZC41

IOM Armenien (24.2.2012): Anfragebeantwortung

IOM - International Organisation for Migration (8.2012):

Länderinformationsblatt Armenien

WHO - World Health Organisation (2011): Mental Health Atlas 2011 - Armenia,

http://www.who.int/mental_health/evidence/atlas/profiles/arm_mh_profile.pdf ; Zugriff 8.7.2013

Behandlung nach Rückkehr

Aufgrund fehlender finanzieller Mittel gibt es zurzeit kein staatliches Programm zur Vorbereitung auf die Unterbringung von Heimkehrern in Armenien. Eine vorübergehende Unterkunft (maximal 2 Monate) kann den Flüchtlingen, die einen Antrag auf Asyl gestellt haben, von der Migrationsbehörde der Republik Armenien zur Verfügung gestellt werden. Jeder Fall wird jedoch ausführlich geprüft und die endgültige Entscheidung über die Bereitstellung der Unterkunft erfolgt nach dem Kollegialprinzip (IOM 8.2012).

Rückkehrer werden nach Ankunft in die Gesellschaft integriert und nutzen häufig die erworbenen Deutschkenntnisse bzw. ihre geknüpften Kontakte. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt.

Es gibt keine Berichte darüber, dass Personen, die im Ausland politisch aktiv waren, nach ihrer Rückkehr nach Armenien Repressionen erfahren haben. (AA 25.1.2013).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

IOM - International Organisation for Migration (8.2012):

Länderinformationsblatt Armenien

Anfragebeantwortung vom 19.05.2014

Zusammenfassung:

Der nachfolgend zitierten Quelle ist zu entnehmen, dass die Kosten für eine Nierentransplantation nicht vom Staat getragen werden, wohl aber die postoperativen Rehabilitationskosten.

Einzelquellen:

IOM berichtet, dass im "Arabkir" Medizinzentrum Nierentransplantationen möglich sind.

IOM berichtet, dass die medizinische Grundversorgung und der Krankenwagen für alle Bürger in Armenien kostenlos sind. Der Patient muss sich in der Poliklinik seines Bezirkes wo er/sie lebt registrieren, um von der Kostenlosen Behandlung zu profitieren. Gemäß der Order 1155-A des Gesundheitsministers, erhalten Patienten, die an chronischem Nierenversagen leiden (einschließlich Nierentransplantation oder Dialyse), kostenfrei Medikamente in Spitälern oder Polikliniken. Die spezielle Behandlung in Spitälern ist nicht kostenfrei.

IOM berichtet, falls der Patient nicht der staatlichen Unterstützung unterliegt und kein Einkommen hat, können seine Angehörigen ihn unterstützen und die Kosten übernehmen. In diesem Zusammenhang ist keine NGO-Unterstützung verfügbar. Das durchschnittliche Einkommen in Armenien beträgt zirka 200 Euro und die Behandlung ist 75 mal teurer als das durchschnittliche Einkommen.

In welchen Krankenhäusern bzw. in welchen Institutionen in Armenien, sind Nierentransplantationen und notwendige Nachbehandlungen möglich?

Gibt es spezielle Behandlungszentren (Krankenhäuser, Spezialkliniken usw.)?

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

Siehe oben

Einzelquellen:

IOM berichtet, dass es in Armenien 10 medizinische Zentren (5 in Jerewan und 5 in den Regionen) mit Dialyse-Abteilungen und die Kosten für die Dialyse vom Staat übernommen werden. Nierentransplantationen werden im "Arabkir" Medizinzentrum durchgeführt und die Kosten werden nicht vom Staat getragen. Die Kosten betragen ungefähr 15.000 Euro. Das sind die Kosten der medizinischen Behandlung. Gemäß der armenischen Gesetzgebung kann die Niere selbst nicht verkauft werden, sie kann aber kostenfrei durch einen Spender (in der Regel Angehörige) gespendet werden. Die nachoperativen Rehabilitationskosten inklusive der Medikation werden durch den Staat getragen. Die Medikamente die für die Behandlung notwendig sind, sind in den Spitälern und Polikliniken erhältlich.

Welche Richtlinien gibt es für Nierentransplantationen (Wie kommt man auf eine Liste für Nierentransplantationen)?

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

Siehe oben

Einzelquellen:

IOM berichtet, dass der Patient seine Identität nachweisen und seinen Krankheitsverlauf dem Medizinzentrum "Arabkir" beibringen muss.

Sind Statistiken, Erfahrungswerte, bzw. Studien hinsichtlich Nierentransplantationen in Armenien vorhanden? (Daten insbesondere hinsichtlich: Seit wann Nierentransplantationen in Armenien durchgeführt werden. Wie viele bzw. wie oft werden Transplantationen (seither) durchgeführt? Mit welcher Wartedauer haben Patienten, die für eine Nierentransplantation in Frage kommen, zu rechnen? Wie ist die Situation bei besonderer Dringlichkeit?)

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

Siehe oben

Einzelquellen:

IOM berichtet, dass Nierentransplantationen in Armenien seit 1991 durchgeführt werden und derzeit über 150 Transplantationen durchgeführt wurden. Für den Fall, dass die Angehörigen des Patienten nicht seine Spender werden können, muss der Patient auf eine Spenderniere warten. Nach dem armenischen Gesetzt können menschliche Organe und Gewebe nicht Handelsgegenstand sein, wodurch Patienten angehalten sind eine lange Zeit zu warten. Sie können jedoch von der kostenfreien Dialyse profitieren.

Zusätzlich stützt sich die gegenständliche Entscheidung auf die den bP vorwiegend bereits erstinstanzlich zur Kenntnis gebrachten Unterlagen:

Bericht BAA, Thema RF MEV Dialyse, vom 24.02.2012

Schriftliche Ergänzung zur Medizinischen Begutachtung von XXXX vom 28.03.2011

Schriftliche Ergänzung zur Medizinischen Begutachtung von XXXX vom 22.02.2012

Bericht BAA, Thema RD MEV Nachsorge nach Nierentransplantation, vom 10.08.2010

Bitte überprüfen Sie die Behandlungsmöglichkeiten, nach Nierentransplantationen in Armenien.

Anfragebeantwortung von IOM in Yerevan per E-Mail vom 9.8.2010

Ja, Nachsorgebbehandlung ist in Armenien erhältlich und die notwendigen Medikamente für die Verhinderung der Abstoßung und die Vorbeugung gegen Pilze und andere Infektionen sind ebenfalls erhältlich. Der Patient kann sich periodisch verschiedenen Laboruntersuchungen in Krankenhäusern und /oder Polikliniken unterziehen.

...

The patient can apply to the following hospitals:

Institute of Surgery after Professor Mikaelyan

9 Hasratyan Street, Yerevan

Director: Arthur Tamazyan

"Erebuni" Medical Center

14 Titogradyan Street, Yerevan

Director: Arthur Rostomyan

"NAIRI medical Center" CJSC

40, st. Dzorapi, Yerevan

Director: Harutiun Qushkyan

"Clynical Hospital #3" CJSC

40, st. Dzorapi, Yerevan

Director: Samvel Harutyunyan

"Malatia" CJSC

28a, st. D. Varuzhan

Director: Mihran Qenderyan

Die Kosten hängen vom Zustand des Patienten und der Art und Menge der verschriebenen Medikamente ab und können fünfmal höher als das örtliche Mindesteinkommen sein.

Die Kosten der Therapie und der nötigen Medikamente können vom Staat gedeckt werden, wenn der Patient eine sozialschwache Person ist (beispielsweise von der staatlichen Sozialhilfe profitiert) oder eine Behindertenrate hat.

Hat sich die Qualität der Behandlung verbessert?

Anfragebeantwortung von IOM in Yerevan per E-Mail vom 9.8.2010

Generell sind in Armenien Nachsorgebehandlungen von guter Qualität erhältlich. Doch um Behandlung in guter Qualität in spezialisierten Krankenhäusern zu erhalten, muss der Patient nach Jerewan gehen.

Kommentar:

Obwohl die Behandlung von Patienten mit Behinderungsrate kostenlos ist, kann es sein, dass der Patient für Medikamente und Behandlung bezahlen muss, wenn er/sie nicht registriert ist um eine Behindertenpension zu erhalten und nicht in das staatliche Programm für kostenlose Behandlung inkludiert ist. Die Ausgaben für Krankenschwester und Therapeutenbesuche können nicht vom staatlichen Programm gedeckt werden.

Die Behindertenpension liegt unter dem Mindesteinkommen und wenn der Patient keine Unterstützung von Verwandten erhält oder vom staatlichen Programm profitiert, können finanzielle Hindernisse auftauchen.

Es kann etwa zwei Monate dauern, bis der Patient die Behindertenrate erhalten kann.

Bericht BAA, Thema RF MEV Niereninsuffienz Dialyse, vom 12.08.2010

Gibt es in Armenien Dialysebehandlungen bei terminaler Niereninsuffizienz?

Anfragebeantwortung von IOM Yerevan per E-Mail vom 12.8.2010

Ja, der Antragsteller kann in folgenden Krankenhäusern Dialyse erhalten:

....

Sind diese Medikamente oder ähnliche mit der gleichen Wirkungsweise in Armenien zu bekommen?

Anfragebeantwortung von IOM Yerevan per E-Mail vom 12.8.2010

Ja, die erwähnten Medikamente, außer Fragim, sind in Armenien erhältlich.

Yes, above mentioned drugs except Fragim are available in Armenia.

Candio-Hermal (active ingredient: Nystatin) - 1500 dram for 20 tablets

Lasix 500 mg (active ingredient: Furosemid) - 100 dram for 10 tablets

Dreisacarb (active ingredient: Calcuimcarbonat) - 5000 dram for 100 tablets

Cosaar (active ingredient: Losartan-Kalium) - 50mg, 5000 dram for 28 tablets

Thrombo Ass (active ingredient: acetylsalicylic acid) - 100 dram for 10 tablets

Dilatrend 25mg (active ingredient: Carvedilol) - 5000 dram for 28 tablets (available under the label TALITON)

Amlodipin 10mg - 3500 dram for 30 tablets

Pantoloc 40mg (active ingredient: Pantoprazol) - available in Armenia under the label Penta 40mg or Controloc - 7000 dram for 20 tablets

Novalgin (active ingredient: Metamizol) - 100 dram for 10 tablets

Cefrom (active ingredient: Cefpirom) - 6000 dram

Vancomycin - 7000 dram for 1 vial

Welche Kosten sind von vom ASt. selbst zu tragen?

Anfragebeantwortung von IOM Yerevan per E-Mail vom 12.8.2010

Die Kosten für die Behandlung und die Medikamente sind fünfmal höher als das örtliche Mindesteinkommen.

Kann eine solche Behandlung bei geringem Einkommen finanziert werden?

Anfragebeantwortung von IOM Yerevan per E-Mail vom 12.8.2010

Ja, die Kosten können vom Staat gedeckt werden. Der Antragsteller soll beim Gesundheitsministerium ansuchen um für kostenlose Behandlung an ein relevantes Krankenhaus überwiesen zu werden.

...

Bericht BAA, Thema RF MEV Medikamente, vom 28.03.2011

Sind die folgenden Medikamente oder Generika in Armenien erhältlich?

Norvasc (Amlodipin), Renitec (Enalapril), Seloken ret. (Metoprololsuccinat), Lasix (Furosemid), Erypo (Epoetin), Atacand (Candesartan), Ulcogant (Sucralfat), Renagel (Sevelamer), Pantoloc (Pantoprazol), Novalgin (Metamizol)

In Armenien ist der Wirkstoff Metamizol (Novalgin gtt) nicht auf der Liste, es sind aber alternative Analgetika, wie Diclofenac und Ibuprofen erhältlich.

Amlodipin (Norvasc) und Enalapril (Renitec) sind in Armenien erhältlich.

Furosemid (Lasix) ist ebenfalls erhältlich.

Essential Drug List of the Republic of Armenia

[...]

2. Pain-killers/antalgesic, anti-pyretics, non-steroid anti-inflamative, antirheumatic (arthralgic), modifiers used in rheumatic complications

2.1. Non-opid pain-killers, anti-pyretics, non-steroid anti-inflamative Acetylsalicylic acid

tabl., 100mg-500mg

supp. 50mg-150mg

Diclofenac (sodium)

tabl., 25mg

Ibuprofen

tabl., 200mg, 400mg

Paracetamol

tabl., 100mg-500mg

supp., 100mg

syrup, 125 mg / 5ml

[...]

10.3. Anti-hypertensive drugs

[...]

Amlodipine

tabl., 5mg

Enalapril

tabl., 2.5mg

[...]

13. Diuretics

[...]

Furosemide

tabl., 40mg

[...]

Sucralfat (Ulcogant) ist nicht auf der Liste, es gibt aber alternative Medikamente wie

Ranitidin und Famotidin.

14. Gastro-intestinal drugs

14.1. Antacids, other anti-ulcerous medication

Aluminium Hydroxide + Magnesium Hydroxide

tabl., 400mg + 400mg

suspension (per os), (436mg+150mg) / 10ml

Ranitidine

tabl., 150mg

Famotidine

tabl., 20mg, 40mg

Omeprazole

tabl., 20mg

[...]

In general, medication is not available only if it is not registered in the

country (equivalents may be available).

After registration in the country medication will be available in 2 ways:

1. If a medication is included in National Essential Drug List its supply will

be widely guaranteed on a free (or reduced charge) and guaranteed/regular

basis in primary health care facilities for people belonging to socially

vulnerable groups - disabled person, low income family, etc (according to Basic Benefit Package established by government for each year). There is

no any delay of medication for persons of these groups in PHC facilities.

2. If a medication is not included in National Essential Drug List it will be

available in drug stores regularly by medical prescriptions and with

payment. Such medications availability is restricted in PHC facilities even

for persons with disability (only after approval of special medical

commission).

Medication which is not included in NEDL, is also available in a good and

guaranteed supply if are provided within programs of Basic Benefit

Package (e.g. psychiatry-mental health, epilepsy, diabetes, chronic renal

insufficiency, familial Mediterranean fever, malaria, tuberculosis, oncology,

some haematological diseases, etc). In other cases drugs are available but

not on free basis.

MD (via MedCOI): AM 1824, 19.07.2010

Pantozol (Pantoprazol) ist nicht registriert, aber die folgende Form ist erhältlich:

Penta (Pantoprazol Sodium).

Renagel ist nicht registriert, aber als Äquivalent ist Kalziumkarbonat erhältlich.

Selokeen (Metoprolol) ist in den angegebenen Formen erhältlich.

Pantozol (Pantoprazol) - is not registered in the country.

The following form is available:

Existing equivalents - "proton pump inhibitors" - are also available:

Pharmaceutica N.V.; Belgium].

Renagel (sevlameer) - for exessive serum phosphates remove; is not

registered in the country.

As an equivalent Calcium carbonate*- is available as a component in

complex medication - CalciumD3

Nycomed** - (1250mg/500mg calcii carbonate + 200IU vitamine D3) -

Nycomed Pharma AC, Norway.

Selokeen (metoprolol)

The following form is available:

Existing equivalents are:

MD (via MedCOI): AM 1931, 26.01.2011

Eprex (Epoetin alfa) ist erhältlich.

Medicines for symptomatic treatment of anemia are also available (are

provided under special program by Ministry of Health on free basis):

[...]

Co.KG.

MD (via MedCOI): AM 1958, 21.02.2011

Metoprolol ist erhältlich.

Cabdesartan ist nicht erhältlich, aber alternative Antihypertensiva, der selben chemischen

Gruppe: Losartan, Valsartan und Irbesartan.

Metoprolol

The following forms are available:

Metoprolol* - - in tab. 50mg.

Metoprolol* (Lek metoprolol succinate) - 47.5mg, 95mg, 190mg.

Atenolol

The following forms are available:

Atenolol* - in tab. 25mg, 50mg, 100mg.

Propranolol - is not registered in Armenia.

Foe alternatives - see "Metoprolol", " Atenolol"..

Losartan

The following form is available:

Cozaar** (Losartan) - in tab. 50mg.

Valsartan

The following forms are available:

Diovan** (Valsartan) - in tab. 80mg, 160mg.

Co-Diovan** - is a combination form [valsartan/hydrochlorothiazide =

160mg/12.5mg;

160mg/25mg; 80mg/12.5mg].

Irbesartan

The following forms are available:

Aprovel** (Irbesartan) - in tab. in 150mg, 300mg.

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

Es konnte nicht festgestellt werden, dass den bP in ihrem Heimatland Armenien eine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr nach Armenien der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wären.

Weiters konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Armenien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die bP als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Beweiswürdigung

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch Einsichtnahme in die vorliegenden Verwaltungsakte unter Miteinbeziehung der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die Feststellungen zur Person der bP1 bis bP4 ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen und den vorgelegten Beweismittel.

II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten -immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen -allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werdenaufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348).

Aufgrund den Ausführungen in der Beschwerde und den tatsächlich teilweise nicht in Einklang zu bringenden Anfragebeantwortungen und Länderberichten wurden neuerlich Recherchen veranlasst und auch die entsprechende Anfragebeantwortung vom 19.05.2014 dieser Entscheidung zugrunde gelegt (vgl. Länderfeststellungen oben). Trotz Ankündigung in der Verhandlung langte zu den Länderfeststellungen keine substantiierte Stellungnahme ein und wurde den Länderfeststellungen auch von den bP nicht fundiert entgegengetreten. Zu den Anfragebeantwortungen vgl. Ausführungen zum Gesundheitszustand der bP 1.

II.2.4. Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten --z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461)- zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [nunmehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

Der belangten Behörde ist im Großen und Ganzen zuzustimmen, wenn diese zum Ergebnis kommt, dass das Vorbringen der bP zu ihren Fluchtgründen nicht asylrelevant ist.

II.2.5. Im Einzelnen wird dazu seitens des erkennenden Gerichts Folgendes erwogen:

II.2.5.1. Das Bundesverwaltungsgericht vertritt die Ansicht, dass die bP 1 und 2 ihre angeblichen Fluchtgründe bzw. die Verfolgung der bP 1 lediglich vage und nicht konkret geschildert haben. Hätten sie tatsächlich asylrelevante Verfolgung in Armenien erlebt, wären sie mit Sicherheit in der Lage gewesen, von Beginn des Verfahrens an detaillierte, konkrete und übereinstimmende Angaben zu machen. Stattdessen konkretisierten die bP ihre Fluchtgründe erst im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung und steigerten diese auch im Rahmen der Verhandlung. Sie vermochten die Geschehnisse in Armenien nicht nachvollziehbar darzustellen. Nachweise für das gesamte Vorbringen wurden im Übrigen auch bis dato nicht erbracht, sodass auch das Bundesverwaltungsgericht von einer völligen Unglaubwürdigkeit ausgeht.

II.2.5.2. Hinsichtlich der bP 3 wird vorweg festgehalten, dass sie im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung angegeben hat, keine eigenen Fluchtgründe zu haben. Betreffend die im Rahmen der Verhandlung einvernommene Zeugin wird festgehalten, dass diese die Familie in Armenien nicht kannte und lediglich ihre eigenen Erfahrungen mit Dialysebehandlungen sowie Korruption in Armenien im Allgemeinen schilderte. Dies aufgrund ihrer Erfahrungen als Journalistin, wobei die aufgedeckten Missstände von den Behörden nicht bestritten worden wären und Besserung versprochen worden sei. Die Angaben der Zeugin konnten damit das Vorbringen der bP nicht fundiert stützen und war daher nicht näher darauf einzugehen.

II.2.5.3. Zusammengefasst brachte die bP 1 vor, dass sie im Rahmen einer Demonstrationsteilnahme von Polizisten derart geschlagen worden sei, dass sie eine Nierenverletzung erlitten habe. In weiterer Folge sei sie von den Polizisten bedroht worden, da sie die Anzeige wegen der Verletzung zurückziehen hätte sollen.

Glaubwürdig ist für das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang lediglich, dass die bP1 an Demonstrationen teilgenommen hat. Selbst wenn sie bei einer derartigen Demonstration zufällig tatsächlich von einem Polizisten geschlagen worden wäre, so kann dies keinesfalls als konkrete Verfolgungshandlung gegen ihre Person gesehen werden. Dass die bP gezielt aus asylrelevanten Gründen im Zuge dieser Demonstration von den Polizisten ausgesucht worden wäre und diese sie aus individuellen Gründen verfolgt hätten, kann schon dem Vorbringen der bP 1 nicht entnommen werden.

Weiters hat die bP 1 lediglich in einer einzigen Einvernahme am 05.10.2009 erwähnt, dass sie Anzeige bei der Polizei wegen der Schläge bei der Demonstration erstattet hätte und seither von der Polizei bedroht werde. Dies scheint vor allem vor dem Hintergrund, dass die bP 1 in allen ergänzenden Einvernahmen in den Jahren 2010 und 2011 trotz entsprechender Nachfragen diesen Umstand nicht mehr erwähnte, nicht glaubhaft. Auch in den weiteren Schriftsätzen stützt sich die bP 1 nicht mehr vorrangig auf dieses Vorbringen, sondern trifft Ausführungen zu ihrem schlechten gesundheitlichen Zustand. Selbst in der aktuell zu behandelnden Beschwerde fehlen jegliche Ausführungen zu der behaupteten Verfolgung durch die Polizei.

Das Vorbringen in den ergänzenden Einvernahmen der bP 1 besteht hauptsächlich aus Ausführungen zu ihrem Gesundheitszustand, den damit verbundenen Kosten in Armenien und Ausführungen zur schlechten medizinischen Behandlungsqualität in Armenien.

Erst im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung erstattete die bP 1 plötzlich erstmalig, nunmehr anwaltlich vertreten, ein etwas konkretisiertes Vorbringen zu dem bisher (über 5 Jahre hinweg) lediglich einmal vage mit wenigen Sätzen in den Raum gestellten Vorbringen betreffend der Schläge durch die Polizisten.

Nicht nur, dass dieses späte, konkretisierte Vorbringen an sich schon aufgrund des Verhaltens der bP 1 bzw. dem Nichtvorbringen derart relevanter Umstände über einen so langen Zeitraum unglaubwürdig erscheint.

Auch konnte die bP 1 über Vorhalt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht erklären, warum es ihr über einen derart langen Zeitraum nicht möglich war, Unterlagen zur Dialyse in Armenien vorzulegen. Vor dem Hintergrund des sonstigen Vorbringens der bP erscheint dies lediglich deshalb nicht passiert zu sein, da sich wohl die Behandlungsdaten nicht mit den angeblichen Verletzungsdatum mit 01.03.2008 in Einklang bringen ließen. Im Verlauf des Verfahrens in der Einvernahme am 02.03.2011 hat die bP 1 nämlich selbst vorerst angegeben, dass sie vermute, dass die Funkwellen vom Flughafen ursächlich für das Nierenleiden gewesen wären. Explizit gab sie in weiterer Folge noch an: "Dass die Nierenprobleme von den Schlägen kommen, stimmt nicht, ich wurde wahrscheinlich bei der Erstbefragung falsch verstanden".

Anlässlich des Vorhaltes dieses Widerspruches im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte die bP 1 diesen nicht aufklären und gab sie zusätzlich lediglich vage an, schon zu glauben, dass die Probleme nach dem Vorfall angefangen hätten.

Auch im Rahmen der Untersuchung zwecks Gutachtenerstellung führte die bP 1 aus, dass die Erkrankung auf eine erhöhte Strahlenbelastung zurückzuführen sei. Weiters wurde im Gutachten vom 15.03.2011 von XXXX festgehalten, dass es kaum vorstellbar ist, dass ein Schlagtrauma Auslöser für das Nierenversagen ist, zumal davon beide Nieren betroffen sein müssten, was bei der bP 1 nicht der Fall ist. Zudem bestünden beiderseits Schrumpfnieren, was eventuell Folge einer Glomerulonephritis oder einer langjährigen Hypertension sein könnte.

Letztlich gaben sowohl die bP 1 als auch die bP 2 im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung entgegen ihrer bisherigen Ausführungen an, in Armenien nie eine Anzeige gegen die Polizisten erstattet zu haben. Die bP 1 führte sogar nachgefragt dazu aus, dass auch des Krankenhaus nicht verpflichtet sei, eine derartige Anzeige zu erstatten.

Zu den Problemen im Falle der Rückkehr gab die bP 1 in der Verhandlung dann an, dass sie wegen der unqualifizierten Dialysebehandlung dort sterben werde und traf wiederum nur Ausführungen zu ihren Gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Selbst im Rahmen der Verhandlung gab die bP 1 immer wieder befragt zu den Fluchtgründen zuerst ihre gesundheitlichen Probleme an.

II.2.5.4. Auch die bP 2 konnte das Vorbringen ihres Ehegatten nicht stützen.

Die bP 2 führte in ihrer Erstbefragung zu den Fluchtgründen zuerst an, dass ihr Ehegatte eine Nierenkrankheit habe und regelmäßig zur Blutwäsche müsste. Erst dann traf sie Ausführungen dazu, dass diese Erkrankung von Schlägen eines Polizisten im Rahmen einer Demonstrationsteilnahme der bP 1 stamme. Zwar erwähnte die bP 2 im Rahmen der Befragung am 05.10.2009 noch kurz den behaupteten Übergriff auf ihren Gatten. In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 14.12.2009 jedoch führte die bP 2 mit keinem einzigen Wort mehr die Demonstrationsteilnahme der bP 1 oder Schläge durch Polizisten an. Vielmehr beantwortete sie die gestellten Fragen wie nachfolgend dargestellt:

F.: Wann haben Sie zum ersten Mal daran gedacht, dass Sie Ihren Herkunftsstaat Armenien verlassen.

A.: Mein Mann fasste aufgrund seiner Erkrankung den Entschluss nach Österreich zu reisen.

....

F.: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

Sollten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor österreichischen Behörden falsche Angaben gemacht haben oder sollte es zu sonstigen Ungereimtheiten gekommen sein, so werden Sie aufgefordert, dies jetzt bekannt zu geben.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

A.: Mein Mann ist 2008 Dialysepatient, die Behandlung in Armenien war für ihn nicht zufriedestellend und deswegen kamen wir nach Österreich.

Ich selbst habe keine eigenen Fluchtgründe, ich bin mit meinem Mann gereist. Ich wollte meinen Mann aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme nicht alleine.

F.: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben.

A.: Ich möchte aufgrund der gesundheitlichen Probleme meines Mannes in Linz wohnen.

F.: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert.

A.: Ja.

F.: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten.

A.: Mein Mann müsste die Dialyse wieder in Armenien in Anspruch nehmen.

Im Rahmen der Einvernahme am 02.03.2011 führte die bP 2 aus:

F.: Zu ihren Fluchtgründen haben sie angegeben, aufgrund der gesundheitlichen Probleme des Mannes in nach Österreich gekommen zu sein. Hat sich an ihren Fluchtgründen etwas geändert.

A.: Nein.

F.: Haben sie sämtliche Gründe, warum sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert.

A.: Ja.

Auch im Zuge der letzten Einvernahme der bP 2 am 14.02.2012 vor der belangten Behörde führte diese lediglich aus, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe und bei ihrem Ehegatten bleiben wolle.

Vor dem Hintergrund derart oft getätigter und der bP 2 offenbar immer als erstes einfallenden gesundheitlichen Probleme ihres Mannes scheinen auch die plötzlichen Ausführungen der bP 2 im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Verletzung und Verfolgung durch die Polizei ein bloßer Versuch zu sein, nunmehr doch ein asylrelevantes Vorbringen zu erstatten.

Das Vorbringen der bP, dass nunmehr sie nach einer Anzeige durch die bP 1 von der Polizei verfolgt werden würden, erachtet das Bundesverwaltungsgericht wie dargestellt als gänzlich unglaubwürdig und bestritten wie bereits dargelegt sowohl die bP 1 als auch die bP 2 im rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung, jemals eine Anzeige erstattet zu haben.

II.2.5.5. Im Verfahren nach dem Asylgesetz ist es unabdingbare Voraussetzung für die Bewertung des Vorbringens eines Asylwerbers zu den Fluchtgründen als glaubhaft, dass der Antragsteller nicht bloß eine "leere" Rahmengeschichte im Zuge der Einvernahme vorbringt, ohne diese durch das Vorbringen von Details, Interaktionen, glaubhaften Emotionen etc. zu substantiieren bzw. "mit Leben zu erfüllen".

Da in einem Asylverfahren unzweifelhaft die niederschriftliche Aussage eines Antragstellers vor den Asylbehörden die zentrale Erkenntnisquelle für die Entscheidung darstellt, reicht es keinesfalls aus, dass der Asylwerber lediglich nicht zu widerlegende Behauptungen aufstellt, welche - oftmals aufgrund zu geringer "Öffentlichkeitswirksamkeit" oder " Drittwirkung" - einer Verifizierung nicht zugänglich sind.

Vielmehr sind die Aussagen des Antragstellers zu seinen Fluchtgründen und zum Fluchtweg daran zu messen, wie eine durchschnittliche "Maßfigur" über tatsächlich persönlich erlebte Sachverhalte berichten würde.

Die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen zeichnet sich jedoch gerade dadurch aus, dass man nicht lediglich objektive Rahmenbedingungen darlegt, sondern entspricht es vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, oft weitschweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung an auch oft unwesentliche Details oder Nebenumstände berichten.

Weiter ist die Darlegung von persönlich erlebten Umständen dadurch gekennzeichnet, dass man beim Vorbringen der eigenen "Lebensgeschichte" vor allem sich selbst in die präsentierte Rahmengeschichte dergestalt einbaut, dass man die eigenen Emotionen bzw. die eigene Erlebniswahrnehmung zu erklären versucht, sich allenfalls selbst beim Erzählen emotionalisiert zeigt, bzw. jedenfalls Handlungsabläufe bzw. die Kommunikation und Interaktion zwischen den handelnden Personen der Geschichte darlegt. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um wichtige Ereignisse im Leben eines Menschen handelt, die oftmals das eigene Schicksal oder einen Lebensweg dergestalt verändern, dass man sich letztendlich dazu veranlasst sieht, sein Heimatland oder das Land des letzten Aufenthaltes deshalb "fluchtartig" zu verlassen.

Die bP wurden eingangs der Einvernahmen zu den Fluchtgründen aufgefordert, alle Gründe anzuführen, weshalb sie Heimatland verlassen haben und weshalb sie in Österreich einen Asylantrag gestellt haben.

Allein diese Aufforderung an einen Antragsteller erfordert wohl ein wie bereits oben angeführtes erwartetes Verhalten und Vorbringen eines Asylwerbers.

Im konkreten Fall vermochten die bP jedoch diesen Voraussetzungen für die Qualifizierung eines Erlebnisberichtes nicht entsprechen. Vor dem Hintergrund dieser Prämissen ist die von Ihnen vor der Asylbehörde präsentierte "Fluchtgeschichte" tatsächlich als zu "blass", wenig detailreich und zu oberflächlich und daher in Folge als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren.

II.2.5.6. Zur nunmehr von der bP 2 im Rahmen der Einvernahme am 14.02.2012 erstmalig vorgebrachten Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas bzw. Anschluss bei diesen seit Ende 2010 ist auszuführen:

Im Hinblick auf die getroffenen Länderfeststellungen ist festzuhalten, dass aus den vorliegenden Länderberichten hervorgeht, dass missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas auch in Armenien tätig sind und staatlich nicht behindert werden. Eine Problematik lässt sich den Länderfeststellungen lediglich in Bezug auf Zeugen Jehovas und Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen entnehmen. Die bP2 selbst unterliegt als Frau nicht der Wehrpflicht in Armenien und daher war diese Problematik im konkreten Fall nicht weiter zu verfolgen. Eine systematische Verfolgung aller Zeugen Jehovas in Armenien kann nicht angenommen werden und geht daher auch dieses Vorbringen der bP 2 ins Leere. Zwar könnte sich die Ableistung des Militärdienstes in ferner Zukunft durch die bP 4 auswirken, es wurde hierzu jedoch keinerlei konkretes Vorbringen erstatte und ist diese auch noch nicht zu diesem Glauben übergetreten. Aus den Feststellungen und dem Vorbringen der bP hierzu ist keine relevante Verfolgungsgefahr ableitbar.

Auch die erstmals im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung von der bP 2 erwähnte eigene Demonstrationsteilnahme wurde weder konkretisiert, noch kann diesen Angaben aufgrund der Steigerung des Vorbringens gefolgt werden, da sie dies eben bislang in zahlreichen Einvernahmen noch nie erwähnt hat.

Auch der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann, zumal ein Asylwerber keine sich bietende Gelegenheit ungenützt vorübergehen lassen würde, ein zentrales entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten (vgl. VwGH, 07.06.2000, 2000/01/0250).

II.2.5.7. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt schließlich wie bereits die belangte Behörde zu Ansicht, dass die bP Armenien verlassen haben, da sie sich eine bessere medizinische Behandlung für die bP 1 erwarteten und war das Vorbringen betreffend der angeblichen Verfolgung der bP 1 sowie der bP 2 als unglaubwürdig bzw. wie dargestellt nicht asylrelevant zu beurteilen.

Dies unter anderem deshalb, da die bP 2 im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung angegeben hat, dass eine Krankenschwester ihnen mitgeteilt habe, dass sie nach Möglichkeit das Land verlassen sollten, da der Ehegatte sonst sterben werde.

Gegen eine behördliche Verfolgung spricht letztlich auch der Umstand, dass die bP legal unter Vorweisung ihrer Reisepässe ausgereist sind.

II.2.5.8. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2014 gab die bP 1 selbst an, an keiner über das Nierenleiden hinausgehenden Erkrankung zu leiden. Zusätzlich führte sie lediglich aus, dass sie wegen psychischer Probleme Artrax nehme, wobei dieses Medikament sowie eine aktuelle psychische Behandlung im Arztbrief vom 20.01.2014 zur Überprüfung der Tauglichkeit der bP für die Transplantationsliste nicht aufscheinen (vgl. hierzu die Ausführungen unten zur rechtlichen Relevanz von psychischen Erkrankungen und die Erörterung dort).

In der Anfragebeantwortung vom 12.08.2010 wurde festgehalten, dass bis auf ein Medikament alle von der bP 1 benötigten Medikamente in Armenien erhältlich sind. In der Anfragebeantwortung vom 28.03.2011 wurde festgehalten, dass grundsätzlich alle Medikamente bzw. Medikamente mit der gleichen Wirkungsweise in Armenien erhältlich sind. Festgehalten wurde in diesem, über einen entgegen den Behauptungen des rechtsfreundlichen Vertreters dazu qualifizierten Mediziner eingeholten Auskunft, welche auf der öffentlich zugänglichen Liste der in Armenien verfügbaren Medikamente (www.pharm.arm ) sowie einer Kontaktaufnahme mit einer fachlich fundiert qualifizierten Wissenschaftlerin und Mitarbeiterin im Öffentlichen Dienst in Armenien basiert, dass selbst wenn ein benötigter Wirkstoff nicht auf der Liste stünde, über das Ministerium der entsprechende Wirkstoff angefordert werden könne.

Zwar mag es tatsächlich so sein, dass wie in der Anfragebeantwortung von IOM vom 12.8.2010 festgehalten, die Kosten für die Behandlung und die Medikamente generell im Zusammenhang mit Dialysepatienten fünfmal höher als das örtliche Mindesteinkommen zum damaligen Zeitpunkt waren. Jedoch wurde schon damals festgehalten, dass die Kosten vom Staat gedeckt werden können, wenn entsprechende Anträge beim Gesundheitsministerium gestellt werden, um zwecks kostenloser Behandlung an ein relevantes Krankenhaus überwiesen zu werden.

Weiters wurde bereits im Bericht der Staatendokumentation vom 10.08.2010 festgehalten, dass in Armenien eine Nachsorgebehandlung nach Nierentransplantation erhältlich ist und in Armenien die notwendigen Medikamente für die Verhinderung der Abstoßung und die Vorbeugung gegen Pilze und andere Infektionen ebenfalls erhältlich sind. Der Patient kann sich auch periodisch verschiedenen Laboruntersuchungen in Krankenhäusern und /oder Polikliniken unterziehen, welche konkret angeführt sind. Alle die genannten Krankenhäuser befinden sich in Jerewan und damit der Heimatstadt der bP, wo auch noch die Mutter der bP 1 in ihrem Haus lebt, in welchem die Familie bereits vor ihrer Ausreise gelebt hat.

Die Kosten hingen gemäß dieser Anfrage aus dem Jahr 2010 vom Zustand des Patienten und der Art und Menge der verschriebenen Medikamente ab und können eben fünfmal höher als das örtliche Mindesteinkommen sein. Wiederum wurde festgehalten, dass die Kosten der Therapie und der nötigen Medikamente vom Staat gedeckt werden können, wenn der Patient eine sozialschwache Person ist (beispielsweise von der staatlichen Sozialhilfe profitiert) oder eine Behindertenrate hat.

Generell waren demnach bereits 2010 in Armenien Nachsorgebehandlungen von guter Qualität in Jerewan erhältlich.

Festgehalten wurde darüber hinaus, dass obwohl die Behandlung von Patienten mit Behinderungsrate kostenlos ist, es sein kann, dass der Patient für Medikamente und Behandlung bezahlen muss, wenn er/sie nicht registriert ist um eine Behindertenpension zu erhalten und nicht in das staatliche Programm für kostenlose Behandlung inkludiert ist. Die Ausgaben für Krankenschwester und Therapeutenbesuche konnten nicht vom staatlichen Programm gedeckt werden.

Die Behindertenpension lag unter dem Mindesteinkommen und wenn der Patient keine Unterstützung von Verwandten erhielt oder vom staatlichen Programm profitierte, hätten finanzielle Probleme auftauchen können. Die bP 1 hatte aber offenbar eine derartige Registrierung, da sie gemäß eigenen Angaben selbst die Dialysebehandlung kostenlos erhielt und darüber hinaus eine Behindertenrente bezog. Dass die bP 1 im Falle der Rückkehr nunmehr nicht auf diese Umstände zurückgreifen könnte, wurde weder vorgebracht, noch erschließt sich dies aus den zahlreichen Feststellungen.

In der nunmehr aktuell eingeholten Anfragebeantwortung vom 19.05.2014 ist wiederum festgehalten, dass zwar nicht die Kosten für eine Nierentransplantation vom Staat getragen werden, wohl aber die postoperativen Rehabilitationskosten.

IOM berichtet, dass die medizinische Grundversorgung und der Krankenwagen für alle Bürger in Armenien kostenlos sind. Der Patient muss sich in der Poliklinik seines Bezirkes wo er/sie lebt registrieren, um von der kostenlosen Behandlung zu profitieren. Gemäß der Order 1155-A des Gesundheitsministers, erhalten Patienten, die an chronischem Nierenversagen leiden (einschließlich Nierentransplantation oder Dialyse), kostenfrei Medikamente in Spitälern oder Polikliniken. Die spezielle Behandlung in Spitälern ist nicht kostenfrei.

Demnach wäre zwar eine Nierentransplantation mit erheblichen Kosten verbunden gewesen, nicht aber die nunmehr zu erfolgende Nachbehandlung nach Nierentransplantation in Österreich.

Definitiv ist in dieser Anfragebeantwortung festgehalten, dass die nachoperativen Rehabilitationskosten inklusive der Medikation durch den Staat getragen werden. Die Medikamente die für die Behandlung notwendig sind, sind demnach auch in den Spitälern und Polikliniken erhältlich. Schon bisherige, mehrmalige Überprüfungen ergaben jeweils, dass die von der bP 1 benötigten Medikamente verfügbar sind und ist nunmehr nach Transplantation auch davon auszugehen, dass sie eben keine speziellen Medikamente im Zusammenhang mit einer Dialyse mehr benötigt, sondern lediglich Medikamente zur Nachversorgung, welche jedenfalls in Armenien kostenfrei zugänglich sind. Die Medikamente betreffend den Bluthochdruck sind jedenfalls - wie bereits mehrfach überprüft - vorhanden. Zusätzlich gab die bP 1 im Rahmen der mündlichen Verhandlung an, wegen des Bluthochdrucks Medikamente bereits in Armenien erhalten zu haben und deshalb in Behandlung gewesen zu sein.

Am Rande sei angemerkt, dass die bP 1 im Rahmen der Verhandlung selbst angegeben hat, dass die Dialysebehandlung kostenlos war, nur dafür, dass man immer einen neuen Filter wolle und keinen Mehrwegfilter, hätte sie bezahlen müssen. Sie habe auch zwei Medikamente wegen der Dialysebehandlung kostenlos erhalten, während sie sich weitere zwei zeitweilig selbst gegen Bezahlung beschafft hätte. Demgegenüber behauptete die bP 2 zwar dazu widersprüchlich, dass sie für die Behandlung selbst aufkommen hätten müssen bzw. sie für die Medikamente arbeiten gehen hätte müssen, es ist jedoch in diesem Zusammenhang wohl dem Patienten selbst zu folgen.

Nach erfolgter Nierentransplantation ergaben sich damit keinerlei Gründe mehr, warum der bP 1 Subsidiärer Schutz zu gewähren sei.

II.2.5.9. Nach den Daten der unabhängigen Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung in Deutschland kommt es bei 82,3 % aller isoliert nierentransplantierten Patienten zu keiner behandlungsbedürftigen Abstoßungsreaktion. Typischerweise geht der stationäre Aufenthalt nach einer Nierentransplantation über 2-3 Wochen, da in dieser Zeit die Immunsuppression sehr engmaschig überprüft werden muss. Danach wird die Behandlung ambulant weitergeführt. Eine Reisefähigkeit ist ca. ein halbes bis ein Jahr nach Operation gegeben.

Der bP 1 wurde bereits am 10.07.2014 eine Fremdniere implantiert. Zwischenzeitlich wurden keine medizinischen Unterlagen - weder zur Transplantation, noch zur Nachversorgung - vorgelegt, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass die Operation problemlos verlaufen ist. Im Internet sind eine Vielzahl von öffentlich zugänglichen Seiten zu Nierentransplantationen vorhanden, in welche jederzeit Einsicht genommen werden kann und in welchen die obigen Ausführungen zu Nachbehandlungen, Reisefähigkeit und Abstoßungsreaktionen erörtert werden (vgl. hierzu beispielsweise http://transplantation-cbf.charite.de/patienten/transplantation/ ). Darüber hinaus könnte auch eine etwaige Abstoßungsreaktion gemäß Anfragebeantwortung wie im vorigen Punkt erörtert in Armenien behandelt werden.

Soweit in der Stellungnahme vom 18.07.2014 unter Zitierung der Judikatur des VwGH ausgeführt wird, dieser verlange in ständiger Rechtsprechung, dass - bevor eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Abschiebung eines Fremden unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMKR getroffen wird - durch geeignete Beweisaufnahmen zu klären ist, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr (real risk) mit einer Abschiebung verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137), bzw. in der mündlichen Verhandlung die neuerliche Erstellung eines medizinischen Gutachtens beantragt wird, da das erstellte von XXXX veraltet sei bzw. in der Bekanntgabe vom 23.07.2014 das Abwarten des Heilungsverlaufes und eine anschließende Gutachtenerstellung beantragt ist, ist festzuhalten:

Die Anträge auf Einholung eines neuerlichen medizinischen bzw. länderkundlichen Gutachtens wurden darauf gestützt, dass Abzuklären sei, wie notwendig eine Nierentransplantation für die bP 1 sei und dass dies in Armenien nicht möglich sei.

Weiters wurde auf die Risiken einer nicht lege artis durchgeführten Dialysebehandlung oder Nierentransplantation in Armenien hingewiesen, welche durch eine Stellungnahme von XXXX vom 16.04.2014 belegt sei. Die Einholung eines medizinischen Gutachtens sei indiziert, um den aktuellen Gesundheitszustand sowie die unbedingt benötigen medizinischen Behandlungen und Therapien der bP 1 aktuell wegen der Niereninsuffizienz zu erheben. In der internistischen Stellungnahme vom 16.04.2014 werde ausgeführt, dass es für die Lebensqualität und Lebenserwartung eines Dialysepatienten ausschlaggebend sei, ob er eine Dialyse auf höchstem technischem Niveau erhalten könne, was in Armenien angezweifelt werde. Eine nunmehrige Abschiebung würde zur Unzeit erfolgen, da die bP 1 bald in Österreich eine Nierentransplantation erhalten könne und sei der bP 1 eine Dialysebehandlung in Armenien nicht zumutbar.

Insofern fehlt es nunmehr nicht an konkreten Ermittlungen zu den in der Stellungnahme vom 16.04.2014 aufgezeigten therapeutischen Erfordernissen, da die bP 1 nunmehr eine Nierentransplantation erhalten hat.

Bezüglich der Nachversorgung ergibt sich auch kein Widerspruch zwischen den Anfragebeantwortungen aus dem Jahr 2010 und 2014, weshalb auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Stellungnahme vom 18.07.2014 nicht näher einzugehen war.

Den bP wurde mit Verständigung über die Beweisaufnahme vom 14.03.2014 aktuelle Länderfeststellungen zur Stellungnahme übermittelt (AA vom 25.01.2013; Staatendokumentation vom Juli 2013). Weder zu diesen noch zu den im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörterten Anfragebeantwortungen noch zur nach der Verhandlung eingeholten, aktuellen medizinischen Anfragebeantwortung wurde eine fundierte Stellungnahme, insbesondere betreffend einer Nachbehandlung in Armenien übermittelt.

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass die bP mit Schreiben vom 14.03.2014 aufgefordert wurden, im Beschwerdeverfahren mitzuwirken und alle geeigneten, vorhandenen Unterlagen und Bescheinigungsmittel vorzulegen. Es erfolgte eine ausführliche Belehrung über die Mitwirkungspflichten im Verfahren sowie ein Verweis auf die Vertretung, welche die bP bei der Beschaffung entsprechender Beweismittel unterstützten könnte. Unter Anführung des § 15 AsylG wurde festgehalten, dass die bP verpflichtet sind, soweit Beweismittel erst während des Verfahrens hervorkommen, diese unverzüglich vorzulegen. Dennoch wurde es von den bP bisher Unterlassen, die mehrfach angesprochene Stellungnahme vom 16.04.2014 dem Gericht vorzulegen. Dieses Unterlassen ist einerseits der rechtsfreundlichen Vertretung bzw. den bP unter Berücksichtigung ihrer Mitwirkungspflicht anzulasten, andererseits wurden aus dieser Stellungnahme nur Umstände zitiert, welche im Zusammenhang mit einer Dialysebehandlung stehen bzw. der Unmöglichkeit, in Armenien eine de lege artis Nierentransplantation zu erhalten. Aufgrund dieser Umstände ist auch auf diese Stellungnahme nunmehr nicht näher einzugehen, da die Nierentransplantation bereits erfolgt ist und die bP 1 nunmehr keine Dialysebehandlung mehr benötigt.

Soweit die rechtsfreundliche Vertretung der bP im Schreiben vom 23.07.2014 weiterhin auf der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beharrt, ist dazu auszuführen, dass die in diesem Zusammenhang angeführte Unmöglichkeit einer Abschiebung im aktuellen Zeitpunkt nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist und es keine Veranlassung zur Einholung eines neuerlichen medizinischen Gutachtens durch das Bundesverwaltungsgericht mangels ungeklärtem Sachverhalt in diesem Zusammenhang ergibt.

In der von der rechtsfreundlichen Vertretung zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137 wurde vom Verwaltungsgerichtshof ein im Instanzenzug ergangener Bescheid behoben, mit welchem

die belangte Behörde gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt hatte, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass ein HIV-positiver Nigerianer in Nigeria gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Im nunmehr bekämpften Bescheid der belangten Behörde wurde Asyl bzw. ein Subsidiärer Schutz nicht zuerkannt und unter einem eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG in der alten Fassung ausgesprochen.

Aufgrund der nunmehr geltenden Rechtslage ergibt sich, dass das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen hat, ob eine Ausweisung auf Dauer unzulässig ist, und hat das Gericht, falls dem nicht so ist, gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Zwar verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass unmittelbar nach einer Nierentransplantation eine tatsächliche Abschiebung aus medizinischen Gründen zumindest für eine Zeit lang nicht möglich sein wird. Dennoch ergibt sich aus vorangegangenen Ausführungen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Subsidiären Schutz aufgrund der guten Nachversorgungsmöglichkeiten nach Transplantation nicht vorliegen und sind derartige Umstände erst von der belangten Behörde bzw. der Fremdenpolizei bei tatsächlicher Abschiebung zu prüfen.

II.2.5.9. In der Stellungnahme vom 18.07.2014 wurde in Bezug auf die bP 2 die Einholung eines medizinischen Gutachtens aus dem Fachgebiet der Neurologie und der Psychiatrie zum Beweis dafür beantragt, dass die bP 2 an Panikattacken leidet, die durch eine Abschiebungssituation aggraviert werden würden und aktuell die Gefahr eines neuerlichen Gehirnödems oder Gehirninfarkts bestünde, insbesondere wenn der nervliche Druck auf die bP 2 gesteigert wird. Das Bundesverwaltungsgericht geht nunmehr von diesen Panikattacken bzw. einer psychologischen Behandlung seit März 2014 seit dem Schlaganfall aus. Die Gefahr eines neuerlichen Infarktes geht aus den medizinischen Unterlagen der bP 2 nicht hervor bzw. kann ein solcher jedermann ereilen, weshalb sich die Einholung eines diesbezüglichen Gutachtens erübrigt (Zur mangelnden Relevanz von psychischen Erkrankungen vgl. rechtliche Beurteilung bzw. Subsumtion unten).

Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

II.3.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

II.3.3. Prüfungsumfang, Übergangsbestimmungen

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gem. § 75 Abs. 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des § 75 Abs. 19 AsylG in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht gem. § 75 Ab. 20 AsylG in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

Zu A) Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten

II.3.4. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) ...

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

..."

Gegenständliche Anträge waren nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Anträge der bP inhaltlich zu prüfen waren.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen der bP zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr "Status eines Asylberechtigten"] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die von den bP behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Auch ein einmaliger, zufällig erfolgter Übergriff im Rahmen einer Demonstration vermag nicht die Kriterien einer individuellen, konkreten und begründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung zu erfüllen.

Sofern die bP wirtschaftliche Gründe für das Verlassen Armeniens bzw. die Erkrankung der bP 1 ins Treffen führen, ist darauf hinzuweisen, dass alleine in allgemeinen schlechten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen keine Verfolgung gesehen werden kann (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0597 unter Bezugnahme auf VwGH 24.10.1996, Zl. 95/20/0321, 0322) und eine den bP diesbezüglich aus Gründen der GFK drohende Verfolgung nicht ersichtlich ist.

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorlieben der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten somit aus.

II.3.5. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG 2005 lauten:

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. ...

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung

nach § 3 ... zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

..."

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

Art. 2 EMRK lautet:

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Art. 3 EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gem. der Judikatur des EGMR muss die bP die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtssprechung folgende Überlegungen angestellt:

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der bP (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

Da sich der Herkunftsstaat der bP nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die bP als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der bP in einigen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

Weitere, in den Personen der bP begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

Zur individuellen Versorgungssituation der bP wird weiters festgestellt, dass diese im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen.

Einerseits stammen die bP aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören die bP keinem qualifiziert vulnerablen Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es den bP auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern und für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.

Auch steht es den bP1 bis 3 frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das -wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

Ebenso kam hervor, dass die bP im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen. Sie stammen aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und können die bP daher Unterstützung durch ihre dort lebenden Familienangehörigen erwarten. Die bP gaben einhellig an, auch noch Kontakt zu ihren zahlreichen, in gesicherten finanziellen Verhältnissen lebenden Verwandten zu haben. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass die bP nicht wie schon vor der Ausreise wieder im Haus der Mutter der bP 1 in Jerewan Unterkunft finden könnten.

Darüber hinaus ist es der bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

In Bezug auf die minderjährige bP ist sicherzustellen, dass die Pflege und Obsorge durch bP1 und bP2 im Zuge der Außerlandesbringung nicht vereitelt wird.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht über eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

Die Zumutbarkeit der Annahme einer -ggf. auch unattraktiven-Erwerbsmöglichkeit wurde bereits beispielsweise im Erk des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010 mwN bejaht.

Soweit die bP ihren Gesundheitszustand thematisieren wird Folgendes erwogen:

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Armenien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngere diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung.

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab:

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands zumeist außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

Gerade zur von den bP vorgebrachten psychischen Zustand bzw. die Behandlung der bP 1 und bP 2 wegen psychischer Probleme in Österreich wird Folgendes erwogen:

Wie bereits erwähnt, geht der EGMR weiters davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet und kann nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen {EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964 ("St. Kitts-Fall")}. Im Zusammenhang mit einer Erkrankung des Beschwerdeführers nahm der EGMR außerordentliche, ausnahmsweise vorliegende Umstände im "St. Kitts-Fall" an. Im Mai 1997 hatte der EGMR die Abschiebung eines HIV-infizierten Drogenhändlers, welcher laut medizinischen Erkenntnissen auch in Großbritannien bei entsprechender Behandlung nur mehr ca. 8 - 14 Monate zu leben gehabt hätte und sich somit im fortgeschrittenen Krankheitsstadium befand, aus Großbritannien auf seine Heimatinsel St. Kitts/kleine Antillen (Karibik) als "unmenschliche Behandlung" im Sinne des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention angesehen. Die im zitierten Erkenntnis beschriebene außergewöhnliche, exzeptionale Notlage ( er hätte dort keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Betreuung, nicht einmal zu einem Pflegebett gehabt hätte und wäre so qualvollst, einsam und in extremer Armut gestorben) die ihn dort erwarte, würde seine Lebenserwartung deutlich reduzieren und ihn psychischem und physischem Leiden aussetzen. Diese Abschiebung war daher in diesem Einzelfall unzulässig (EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964).

Ähnlich entschied die Europäische Kommission für Menschenrechte 1998 im Falle eines AIDS-Kranken aus der Demokratischen Republik Kongo (B.B. gegen Frankreich, 9.3.1998, Nr. 30930/96). Auch die Kommission stellte auf die fortgeschrittene Erkrankung, die fehlende Behandlungsmöglichkeit in der Heimat mit der großen Gefahr opportunistischer Erkrankungen, fehlende familiäre Bindungen und die Übernahme der (medizinischen) Verantwortung Frankreichs durch die Behandlung ab und bejahte ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK.

In der Entscheidung vom 15.2.2000 (S.C.C. gegen Schweden, Nr. 46553 /99) kam der EGMR zu einer entgegen gesetzten Auffassung. Die Antragstellerin stammte aus Sambia. Sie machte geltend, es sei im Jahr 1995 eine HIV-Infektion bei ihr festgestellt worden, mit einer Therapie habe man im Jahr 1999 begonnen. Der EGMR verneinte eine Verletzung von Art. 3 EMRK unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass erst kürzlich mit einer Therapie begonnen worden sei, dass Verwandte in Sambia lebten und dass nach Vortrag der schwedischen Botschaft die Behandlung von AIDS in Sambia möglich sei.

Auch in seiner sonstigen, dem in die Literatur unter der "St. Kitts-Fall" bekannten Fall nachfolgenden Rechtsprechung hat der EGMR (unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen konkreten Umstände) in keinem Fall eine derart außergewöhnliche - und damit vergleichbare - Situation angenommen (vgl. z.B. EGMR 10.11.2005, Paramsothy gegen die Niederlande [Erkrankung an Posttraumatischem Stresssyndrom], EGMR 10.11.2005, Ramadan gegen die Niederlande, Nr. 35989/03 [Erkrankung an Depression, teils mit psychotischer Charakteristik], EGMR 27.09.2005, Hukic gegen Schweden, Nr. 17416/05 [Erkrankung am Down-Syndrom], EGMR 22.09.2005, Kaldik gegen Deutschland, Nr. 28526 [Erkrankung an Posttraumatischem Stresssyndrom mit Selbstmordgefahr], EGMR 31.05.2005, Ovdienko gegen Finnland, Nr. 1383/04 [Erkrankung an schwerer Depression mit Selbstmordgefahr], EGMR 25.11.2004, Amegnigan gegen die Niederlande, Nr. 25629/04 [HIV-Infektion], EGMR 29.06.2004, Salkic gegen Schweden, Nr. 7702/04 [psychische Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen], EGMR 22.06.2004, Ndangoya gegen Schweden, Nr. 17868/03 [HIV-Infektion], EGMR 06.02.2001, Bensaid gegen Vereinigtes Königreich [Erkrankung an Schizophrenie]).

Die genannten allgemeinen Ausführungen gelten auch beim Vorliegen psychischer Erkrankungen bzw. Störungen. Zur Verdeutlichung der vom EGMR gesetzten Schwelle sei hier aus der Application no. 7702/04 by SALKIC and others against Sweden zitiert, wo es um die Zulässigkeit der Abschiebung schwer traumatisierter und teilweise suizidale Tendenzen aufweisende Bosnier nach Bosnien und Herzegowina ging, wobei hier wohl außer Streit gestellt werden kann, dass das bosnische Gesundheitssystem dem schwedischen qualitätsmäßig erheblich unterliegt:

"Das Gericht ist sich bewusst, dass die Versorgung bei psychischen Problemen in Bosnien-Herzegowina selbstverständlich nicht den gleichen Standard hat wie in Schweden, dass es aber dennoch Gesundheitszentren gibt, die Einheiten für geistige Gesundheit einschließen und dass offensichtlich mehrere derartige Projekte am Laufen sind, um die Situation zu verbessern. Auf jeden Fall kann die Tatsache, dass die Lebensumstände der Antragsteller in Bosnien-Herzegowina weniger günstig sind als jene, die sie während ihres Aufenthaltes in Schweden genossen haben, vom Standpunkt des Art. 3 [EMRK] aus nicht als entscheidend betrachtet werden (siehe, Bensaid gegen Vereinigtes Königreich Urteil, oben angeführt, Art. 38).

...

Abschließend akzeptiert das Gericht die Schwere des psychischen Gesundheitszustandes der Antragsteller, insbesondere den der beiden Kinder. Dennoch mit Hinblick auf die hohe Schwelle, die von Art. 3 [EMRK] gesetzt wurde, besonders dort, wo der Fall nicht die direkte Verantwortlichkeit des Vertragsstaates für die Zufügung von Schaden betrifft, findet das Gericht nicht, dass die Ausweisung der Antragsteller nach Bosnien-Herzegowina im Widerspruch zu den Standards von Art. 3 der Konvention stand. Nach Ansicht des Gerichtes zeigt der vorliegende Fall nicht die in seinem Fallrecht festgelegten außergewöhnlichen Umstände auf (siehe, unter anderem, D. gegen Vereinigtes Königreich, oben angeführt, Art. 54). Dieser Teil des Antrages ist daher offenkundig unbegründet."

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter wären als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.

In der Beschwerdesache AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04, stellte der EGMR fest, dass in Togo eine grundsätzliche adäquate Behandlung der noch nicht ausgebrochenen AIDS-Erkrankung gegeben ist und erklärte die Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig.

In der Entscheidung RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande vom 10.11.2005, Rs 35989/03 wurde die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Mazedonien für zulässig erklärt, da Psychotherapie eine gängige Behandlungsform in Mazedonien ist und auch verschiedene therapeutische Medizin verfügbar ist, auch wenn sie nicht dem Standard in den Niederlanden entsprechen möge.

In der Beschwerdesache NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03, sprach der EGMR aus, dass in Tansania Behandlungsmöglichkeiten auch unter erheblichen Kosten für die in 1-2 Jahren ausbrechende AIDS-Erkrankung des Beschwerdeführers gegeben seien; es lagen auch familiäre Bezüge vor, weshalb die Abschiebung für zulässig erklärt wurde.

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".

Die bP 3 und 4 sind aktuell gesund und befinden sich in keiner medizinischen Behandlung, wobei die bP 3 einen Kontrolltermin wegen einer Auffälligkeit im Zusammenhang mit ihrer vorangegangenen Tumorentfernung in der Brust hat bzw. wahrgenommen hat. Hätte dieser einen Befund ergeben, wäre davon auszugehen, dass sie diesen inzwischen binnen der mittlerweile vergangenen vier Monate vorgelegt hätte und waren seit ihrer Brust-OP 2011 keinerlei Auffälligkeiten mehr festzustellen.

Die bP 2 befindet sich seit März 2014 in psychologischer Behandlung, da sie nach einem Hirninfarkt im Jänner Angstzustände hat. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass sie sich offenbar erst zwei Monate nach dem Vorfall in psychologische Behandlung begeben hat und diese über den Verein Migrante. Wegen der körperlichen Erkrankung nimmt sie Medikamente ein. Sowohl die bP 3 als auch die bP 2 sind gemäß Angaben im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung arbeitsfähig und arbeitswillig und unterstützt die bP 2 Nachbarn und Bekannte im Flüchtlingsheim durch dolmetschen bei Behördengängen und Aufpassen auf deren Kinder, sodass schon allein dadurch nicht von einer schwerwiegenden psychischen Beeinträchtigung ausgegangen werden kann.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes der bP 1 wird auf obige Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen und festgehalten, dass dies eine Nierentransplantation erhalten hat, wobei die Nachversorgung dieser Operation in Armenien unter gutem Standard kostenlos erhältlich ist. Im Zweifel wird zugunsten der bP 1 angenommen, dass sie sich tatsächlich wie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung angegeben, in ärztlicher Behandlung wegen ihrer psychischen Probleme befindet, welche letztmalig im ärztlichen Konsilium im Jahr 2012, "Verdacht auf organische depressive Störung (intermittierend aggressive Verhaltensstörung)" im Zusammenhang mit einer Angst vor der Abschiebung diagnostiziert wurden und sie deswegen das Medikament Antrax einnimmt.

Diesbezüglich wird auf die einschlägige Judikatur hingewiesen, wonach gerade psychische Erkrankungen bzw. der Gesundheitszustand der bP 2 (Herzfehler, Blutgerinnungsbehandlung mit Markomar, erhöhtes Cholesterin) ebenso wie der Gesundheitszustand der bP 1 gemäß Feststellungen nicht einen derart exzeptionellen, lebendbedrohenden Umstand darstellen würde, der eine Überstellung iSd Judikatur des EGMR unzulässig machen würde.

Aufgrund der hier vorliegenden psychischen und physischen Beeinträchtigungen der bP (vgl. Feststellungen und Beweiswürdigung oben) mag es zwar sein, dass eine Überstellung nach Armenien zu eine Beeinträchtigung des psychischen Zustandes der bP bzw. anderen Behandlungsmöglichkeiten betreffend die bP führen kann, bzw. eine Wiederherstellung der Gesundheit erschwert bzw. verzögert werden kann, womit jedoch noch nicht gesagt ist, dass dies zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führt.

Im vorliegenden Fall konnten somit seitens der bP keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Armenien belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts festgestellt werden. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich. Weder die bP 1 noch die bP 2 befanden sich in psychiatrischen Einrichtungen. Die bP erhalten überdies offenbar keine ständige psychologische Betreuung bzw. erfolgt die Behandlung erst seit kurzer Zeit und ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass in Armenien derartige Erkrankungen behandelbar sind.

In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass der EGMR es für eine Art. 3 EMRK-konforme Überstellung ausreicht, dass Behandlungsmöglichkeiten [für Traumatisierte, hier aufgrund der identischen Interessenslage jedoch analog anwendbar] im Land der Überstellung verfügbar sind (vgl. Paramasothy v. Netherlands 10.11.2005; Ramadan Ahjeredine v. Netherlands, 10.11.2005, Ovidienko

v. Finland 31.5.2005; Hukic v. Sweden, 27.9.2005), was im Herkunftsstaat hinsichtlich der von der bP vorgebrachten Erkrankung offensichtlich der Fall ist (Vgl. etwa den öffentlich zugänglichen WHO Mental Health Atlas 2005 [vgl. die bereits erörterte Berichtslage zum Gesundheitswesen im Herkunftsstaat.)

Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso im h. Erk. vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E zitierte Auskunft des Bundesministeriums für Inneres Abt. II/3/C, Fremdenpolizeiliche Zwangsmaßnahmen, in welcher mitgeteilt wurde, dass, wenn im Voraus bekannt sei, dass eine Problemabschiebung bevorstehe, vom Zeitpunkt der Festnahme an ein Amtsarzt bei der Amtshandlung zugegen sei. Für solche Fälle habe sich auch der stellvertretende Chefarzt des Bundesministeriums für Inneres bereit erklärt, für die ärztliche Versorgung zu sorgen. Es könne also davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen (bei Charterabschiebungen, ..., sei dies Standard) von Beginn der Amtshandlung bis zur Übergabe der betreffenden Person an die Behörden des Heimatlandes eine ärztliche Versorgung gewährleistet sei. Auch sei es bei derartigen Charterabschiebungen gängige Praxis, dass Vertreter des Menschenrechtsbeirates sowohl bei den Kontaktgesprächen als auch im Rahmen der Flugabschiebung als Beobachter dabei seien. Transporte von Kindern würden auch von speziell ausgebildeten weiblichen Beamten begleitet. Auch könne die hauseigene Psychologin des Bundesministeriums für Inneres beigezogen werden und mitfliegen, wenn man von dem Abschiebungsvorgang rechtzeitig Kenntnis erlange.

Im gegenständlichen Fall sei auch auf das Erk. des AsylGH GZ E10 258.448-3/2009-9E (die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde an den VfGH wurde mit Beschluss vom 3.9.2009, U1302/09-10 mit Verweisen auf seine bisherige Judikatur abgelehnt) und die dort getroffenen Aussagen zur grundsätzlichen Unbeachtlichkeit von psychischen Erkrankungen vor dem Hintergrund der in Armenien bestehenden Behandlungsmöglichkeiten verwiesen.

Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen müssen, in ihrem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.

II.3.6. Behebung von Spruchpunkt III der angefochtenen Bescheide der bP 1 - 4

Aufgrund § 10 AsylG idF des von der belangten Behörde zum Entscheidungszeitpunkt anzuwendenden BGBl I 67/2012 wurde die Ausweisung der bP in deren Herkunftsstaat verfügt.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr aufgrund der Übergangsbestimmung gem. § 75 Abs. 20 AsylG zu entscheiden, ob im gegenständlichen Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig oder ob das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. ...

2. ...

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. ...

5. ...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der gegenständliche Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz war abzuweisen. Es lag daher ab Erlassung dieses Erkenntnisses kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet mehr vor.

Im gegenständlichen Fall kommt der bP kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht zu.

Bei Ausspruch der Rückkehrentscheidung könnte ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK).

Zum Prüfungsumfang des Begriffes des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Art 8 EMRK fällt, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74; VfSlg 16.777/2003; ferner Gül gg Schweiz, ÖJZ 1996, 593; 5. 2 2004, 60457/00, Kosmopoulou gg Griechenland; 18. 1. 2007, 73819/01, Estrikh gg Litauen). Umgekehrt werden Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).

Die bP haben in Österreich über die im gegenständlichen Erkenntnis genannten Mitglieder der Kernfamilie hinausgehend nur eine Verwandte in Österreich und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich bereits seit fünf Jahren (bP 1, 2 und 4) bzw. seit vier Jahren (bP 3) im Bundesgebiet auf. Die bP 1-4 reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein.

Mit der in Vöcklabruck lebenden Schwester der bP 1 besteht grundsätzlich nur telefonischer Kontakt bzw. besucht die bP 2 sie einmal monatlich. Von einem im Sinne der Judikatur des EGMR besonderen Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis kann damit nicht gesprochen werden und wurde diesbezüglich von den bP auch nichts vorgebracht.

Folgt man Chvosta, welcher, soweit ersichtlich im Schrifttum bisher unwidersprochen ausführte und dem sich auch das erkennende Gericht im gegenständlichen Fall anschließt, dass bei Ausweisungen (Rückkehrentscheidungen betreffend Asylwerbern) nach § 10 AsylG ab einer Verfahrensdauer von 6 Monaten jedenfalls ein Eingriff in das Privat- und Familienleben anzunehmen sein wird, der eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach sich zieht (Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74), so geht das erkennende Gericht im gegenständlichen Fall davon aus, dass ein sich auf die Verweildauer im Bundesgebiet begründetes Privatleben ergibt.

Die Rückkehrentscheidung betreffend die bP stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben, wenngleich dieser schon alleine durch den erst -bezogen auf das Lebensalter der bP - kurzen Aufenthalt und den niedrigen Integrationsgrad in Österreich, welcher darüber hinaus nur durch die unbegründete Stellung eines Asylantrages erreicht werden konnte, relativiert wird.

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.

Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-VG in der Form des AsylG 2005 idF BGBl 29/2009 entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog") im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:

Auch

Bereits vor Inkrafttreten des durch BGBl I 38/2011 in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG eingefügten lit. i, welcher der nunmehrigen Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, S. 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).

Ein mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden soll daher als zusätzliche Tatsache bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK berücksichtigt werden, andererseits stellte der VfGH in seinem Erkenntnis v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 unmissverständlich fest, dass die zeitliche Komponente dann in den Hintergrund tritt, wenn sich die Verweil- bzw. Verfahrensdauer aus dem Verhalten der beschwerdeführenden Partei ergibt (vgl. hierzu auch Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

Die bP 1, 2, 4 sind seit fünf Jahren und die bP 3 seit vier Jahren in Österreich aufhältig. Die bP 1-4 reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und konnten ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisieren. Hätten sie diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wären sie rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würden.

Die bP verfügen über keine familiären und die bereits beschriebenen privaten Anknüpfungspunkte

Die bP begründeten ihr Privat- bzw. Familienleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt der bP zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privat- und Familienlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.

Das ho. Gericht verkennt zwar nicht, dass sich die Kinder das Verhalten der Eltern im Rahmen der Interessensabwägung gemäß Ar. 8 EMRK nicht im vollen Umfang subjektiv verwerfen lassen müssen, doch ist dieses Verhalten dennoch nicht unbeachtlich. Hier sei etwa auf eine Zusammenschau der Erkenntnisse des VfGH vom 12.6.2010 U 614/10 (Beschwerdeführerin wurde 1992 geboren, war zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich minderjährig, hatte zumindest am Anfang ihres Aufenthaltes in Österreich keinen Einfluss auf das bzw. die Asylverfahren, entzog sich aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Alter der mündigen Minderjährigkeit und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge), U613/10 (Beschwerdeführerin wurde 1962 geboren, war während des gesamten Verfahrens handlungsfähig und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge) und den Beschluss des selben Tages U615/10 ua (minderjährige Asylwerber während des gesamten Asylverfahrens, welche auf den Verlauf des Verfahrens bzw. der Verfahren keinen Einfluss hatten). In diesen Verfahren stellte der VfGH in Bezug auf die 1962 geborene Beschwerdeführerin im vollen Umfang und in Bezug auf die 1992 geborene Beschwerdeführerin (Tochter der 1962 geborenen Beschwerdeführerin) in einem gewissen eingeschränkten Umfang fest, dass sich diese das Verhalten, welches zum langen Aufenthalt in Österreich führten, zurechnen lassen müssen und es daher nicht zu ihren Gunsten im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK geltend machen kann. Obwohl die minderjährigen Beschwerdeführer auf das Verhalten ihrer 1962 geborenen Mutter und 1992 geborenen Schwester keinerlei Einfluss hatten und ihnen deren Verhalten, insbesondere jenes der Mutter nicht subjektiv vorgeworfen werden konnte, wurde die Behandlung derer Beschwerden dennoch mit Beschluss U615/10 ua. abgewiesen. Im Lichte der Erk. des VfGH B 950-954/10-08, S. 19, bzw.

v. 10.03.2011, B1565/10, wo die Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer in Österreich aufgrund den Beschwerdeführern nicht zurechenbarer Dauer der Asylverfahren als wesentliches Argument für eine Interessensabwägung zu Gunsten der Beschwerdeführer herangezogen wurde, ist ableitbar, dass in den in Beschluss U615/10 genannten Fällen trotz fehlender subjektiver Vorwerfbarkeit des Verhaltens der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Verfahrensdauer aufgrund deren Minderjährigkeit und des Verhaltens der Mutter gerade dieses Verhalten der Mutter im Rahmen der Interessensabwägung in Bezug auf die minderjährigen Kinder dennoch eine Rolle spielte, sie sich dieses zwar nicht vorwerfen aber in einem gewissen Umfang zurechnen lassen mussten, da ansonsten davon auszugehen gewesen wäre, dass ein mit den in den Erk. des VfGH B 950-954/10-08, S. 19, bzw. v. 10.03.2011, B1565/10 beschriebener Fällen vergleichbarer Fall vorliegen würde und zu einer vergleichbaren Entscheidung geführt hätte.

Letztlich ist auch festzuhalten, dass die bP nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise die bestehenden Bindungen zur Gänze abbrechen zu müssen. So stünde es ihnen frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74 mwN).

Die beschwerdeführenden Parteien sind -in Bezug auf ihr Lebensaltererst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig, haben hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und waren im Asylverfahren nicht in der Lage, ihren Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen, wenngleich im Verfahren hervorkam, dass die bP 2 und 3 die deutsche Sprache so weit beherrschen, dass eine gewisse Verständigung im Alltag möglich ist sowie die bP 4 aufgrund des Unterrichts gute Deutschkenntnisse hat.

Ebenso geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, dass die bP selbsterhaltungsfähig wären .bzw. ernsthafte Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit unternommen hätten.

Zum Schulbesuch der bP 4 ist festzuhalten, dass dies die Inanspruchnahme einer großteils staatlichen Leistung bzw. staatliche Verpflichtung ist, welcher im Rahmen der Interessensabwägung gemäß Judikatur nur sehr untergeordnete Bedeutung zukommt.

Was die Integrationsschreiben der bP 2 und bP 3 betrifft, so ist dazu auszuführen, dass daraus nicht hervorgeht, wodurch im konkreten Fall die besondere Integration gegeben sein soll. Sie beabsichtigen zwar demnach, eine Altenpflegeschule zu besuchen und dann in dieser Branche zu arbeiten bzw. hat die bP 3 versucht, den Hauptschulabschluss nachzumachen.

In der mündlichen Verhandlung gaben die bP 1 und 2 überdies an, zumindest mit zwei österreichischen Familien soziale Kontakte zu pflegen, wobei sie lediglich zwei weibliche Vornamen nennen konnten. Zusätzlich wurden zumindest Deutschkurse besucht und von den bP Deutschkenntnissen wie festgestellt erworben.

Zu den zugegebenermaßen grundsätzlich auf eine gewisse Integration hindeutenden Umständen ist festzuhalten, dass bei genauerer Betrachtung die von den bP gesetzten Integrationsschritte im Rahmen der Interessensabwägung stark in ihrer Gewichtung gemindert sind.

Hinsichtlich der voraussichtlichen Tätigkeiten ist festzuhalten, dass diesen in einem Verfahren betreffend Ausweisung mangels Aufenthaltsberechtigung und Arbeitserlaubnis der Fremden keine wesentliche Bedeutung zukommen kann (VwGH 21.1.2010, 2009/18/0523; 29.6.2010, 2010/18/0195;17.12.2010, 2010/18/0385; 22.02.2011,

2010/18/0323).

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist gerade Kindern, welche noch im jungen Alter sind und die mit ihren Eltern gemeinsam ausreisen, die (Re‑)Integration im Herkunftsstaat der Eltern zumutbar. So nahm der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30.08.2011, Zl. 2009/21/0015 an, dass bei einem 6 Jahre und 3 Monate dauernden Aufenthalt in Österreich erwartet werden kann, die Kinder werden sich im Rahmen des gewohnten familiären Umfeldes an die neuen Begebenheiten im Herkunftsstaat der Eltern anpassen können (vgl. auch VwGH vom 19. Mai 2011, Zlen. 2009/21/0115, 116, mwN). Selbst Schwierigkeiten bei der (Re )Integration sind in derartigen Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen in Kauf zu nehmen (vgl. VwGH vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0282).

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die -hier bei weitem nicht vorhandenen-Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

Die bP 1 - 3 verbrachten den überwiegenden Teil ihres Lebens in Armenien, wurden dort sozialisiert und sprechen die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Armenien Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- und/oder Bekanntenkreises der bP existieren, da nichts darauf hindeutet, dass die bP vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätten. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es den bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Zu der minderjährigen bP 4 ist festzustellen, dass schon aufgrund ihres geringeren Alters und der Aufenthaltsdauer in Österreich die Abwägung zwischen den Bindungen zum Herkunftsstaat und den nunmehrigen Bindungen zu Österreich anders zu bewerten sein wird, als im Hinblick auf die Eltern. Hier wird von geringeren Bindungen zum Herkunftsstaat und stärkeren Bindungen zu Österreich auszugehen sein. In die Überlegungen hat jedoch einzufließen, dass die minderjährige bP 4 dennoch im Herkunftsstaat geboren wurde, sich dort eine zeitlang aufhielt und über ihr Umfeld bzw. ihre Eltern die Kultur und Sprache ihres Herkunftsstaates auch in Österreich vermittelt bekam. Auch kann aufgrund der Sprachkenntnisse der Eltern davon ausgegangen werden, dass im Familienverband mit den Eltern in der Sprache des Herkunftsstaates kommuniziert wird und somit dieser "Vermittlungseffekt" bis in die Gegenwart nachwirkt. Ebenso befinden sich die minderjährigen bP in einem Alter erhöhter Anpassungsfähigkeit (vgl. Dr. Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74 mwN) und haben diese auch ihre Anpassungs- und Integrationsfähigkeit durch die vorgelegten Bescheinigungsmittel zur ihrer Integration in Österreich bzw. das hier nicht widerlegte Vorbringen bewiesen. Es kann daher angenommen werden, dass es ihnen unter Nutzung dieser Fähigkeiten gelingt, spiegelbildlich betrachtet, sich ebenso wie in die österreichische auch in die Gesellschaft ihres Herkunftsstaats vollständig zu integrieren.

Die bP sind strafrechtlich unbescholten.

Die Feststellung, wonach die bP strafrechtlich unbescholten sind, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten der bP ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

Die bP 1-4 reisten schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein.

Den volljährigen bP musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist. Ebenso indiziert die rechtswidrige und schlepperunterstützte Einreise den Umstand, dass den genannten bP die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass sie in diesem Fall diese weitaus weniger beschwerliche und kostenintensive Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätten.

In Bezug auf die minderjährige bP wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zur Zurechenbarkeit des Verhaltens ihrer Eltern verwiesen.

Im gegenständlichen Fall sind keine derartigen Umstände erkennbar, da die bP nicht dazu beigetragen haben, gerade zu ihren Asylgründen ein richtiges Vorbringen zu erstatten bzw. immer wieder behördliche bzw. gerichtliche Schritte gesetzt wurden, um das Verfahren ordnungsgemäß auch in Anbetracht der Erkrankung der bP 1 abzuschließen.

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine (damals) Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

Es ist nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

Gem. Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privatund/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs 2 leg cit genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich -abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für den Beschwerdeführer grundsätzlich nicht mehr möglich seinen Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem Beschwerdeführer gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus offen steht, sodass ihn mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Rückkehrentscheidung betreffend des Fremden bedarf.

Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist der Beschwerdeführer somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der (damals) Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Der Rechtssprechung des EGMR folgend (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisung- bzw. Rückkehrentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Praxis hinsichtlich Ausweisungen bzw. Rückkehrentscheidungen der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

Wenn man - wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Forbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bewirkt.

Der GH führte weiters -wiederum auf seine Vorjudikatur verweisendaus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Im geschilderten Fall wurde letztlich dennoch eine Entscheidung zu Gunsten der Beschwerdeführer getroffen, weil es der Erstbeschwerdeführerin grundsätzlich möglich gewesen wäre, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, weil sie mit dem Vater des Zweitbeschwerdeführers, einem Staatsbürger der Niederlande vom Juni 1994 bis Jänner 1997 eine dauerhafte Beziehung führte. Es war daher der Fall Erstbeschwerdeführerin trotz ihres vorwerfbaren sorglosen Umganges mit den niederländischen Einreisebestimmungen von jenen Fällen zu unterscheiden, in denen der EGMR befand, dass die betroffenen Personen zu keinem Zeitpunkt vernünftiger Weise erwarten konnten, ihr Familienleben im Gastland weiterzuführen. Ebenso wurde in diesem Fall der Umstand des besonderen Verhältnisses zwischen dem Kleinkind und der Mutter besonders gewürdigt.

Weiters wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:

Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.

Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.

Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.

Letztlich ist festzustellen, dass eine Gegenüberstellung der von den bP in ihrem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen der bP am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führen würde.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die bP erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

Vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Standes des seitens des erkennenden Gerichts durchzuführenden Ermittlungsverfahrens kann nicht festgestellt werden, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und war daher das Verfahren betreffend die bP 1-4 gem. § 75 Abs. 20 AsylG zur (weiteren) Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen.

II.3.7. Familienverfahren

Gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gilt der Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen (§ 2 Z 22) eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (Z 1), die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist (Z 2) und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7) (Z 3).

Gemäß Abs. 4 leg.cit. hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Gemäß Abs. 5 leg.cit. gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß Abs. 6 leg.cit. sind die Bestimmungen dieses Abschnittes nicht auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind (Z 1) und auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind (Z 2), anzuwenden.

Gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Gemäß Abs. 3 leg.cit ist ein Fremder im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt (Z 1), oder mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist (Z 2) rechtskräftig verurteilt worden ist.

Da keinem der bP Asyl oder subsidiärer Schutz zuzuerkennen war bzw. die Entscheidung betreffend Rückkehrentscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen war, kann auch aus dem Titel des Familienverfahrens für die bP nichts gewonnen werden.

II.3.8 Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass die bP im Falle einer Rückkehr nach Armenien dort mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wären. Im Übrigen war die Rechtssache gem. § 75 Abs. 20 AsylG an das Bundesamt zurückzuverweisen bzw. die Rückkehrentscheidung betreffend die bP 5 zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht auch nicht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff oder dem Refoulementschutz bzw. Art. 3 EMRK abgeht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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