Normen
B-VG Art18 Abs1, Abs2
B-VG Art89 Abs1
B-VG Art139 Abs1 Z1
B-VG Art139 Abs3 Z3
StVO 1960 §43, §44, §52
V des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 23.11.2006 betr eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Haller Straße
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:V114.2017
Spruch:
I. Punkt 1 litb der Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 23. November 2006, Z II‑1723/2006-1, kundgemacht durch Aufstellen der entsprechenden Verkehrszeichen am 29. November 2006, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
III. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol,
"die Verordnung des Magistrats der Stadt Innsbruck vom 23.11.2006, Zl II-1723/2006-1, als gesetzwidrig aufzuheben.
In eventu
Punkt 1. b.) der Verordnung des Magistrats der Stadt Innsbruck vom 23.11.2006, ZI II-1723/2006-1, als gesetzwidrig aufzuheben.
In eventu
Festzustellen, dass die Verordnung des Magistrats der Stadt Innsbruck vom 23.11.2006, ZI II-1723/2006-1, nicht ordnungsgemäß kundgemacht ist.
In eventu
Festzustellen, dass Punkt 1. b.) der Verordnung des Magistrats der Stadt Innsbruck vom 23.11.2006, ZI II-1723/2006-1, nicht ordnungsgemäß kundgemacht ist."
II. Rechtslage
1. Die Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 23. November 2006, Z II-1723/2006-1, lautet (die im ersten und dritten Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Auf Grund §43 Abs1 litb und §94b StVO 1960, BGBl 159, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 152/2006, wird verordnet:
HALLER STRASSE:
1. 'Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h' ( §52 Z10a StVO)
a) im Bereich zwischen den Häusern Haller Straße 21 und 178 (Beginn des Fahrbahnteilers) für den Verkehr in Richtung stadtauswärts
b) im Bereich zwischen der östlichen Grundstückszufahrt der Liegenschaft Haller Straße 201/201a und dem Haus Haller Straße 21, für den Verkehr in Richtung stadteinwärts
2. Dieser Verordnung entgegen stehende Verkehrsregelungen, insbesondere die in den oben angeführten Bereichen mit ha. Verordnung vom 3.11.1997, ZI. II‑9196/1997-STV, verfügte 'Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h' werden aufgehoben.
Für den Bürgermeister: […]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159 idF BGBl I 68/2017, lauten – auszugsweise –wie folgt:
"§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;
[c) – d)…]
[(1a)-(11) …]
§44. Kundmachung der Verordnungen.
(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.
[(1a)-(5) …]
[…]
§52. Die Vorschriftszeichen
Die Vorschriftszeichen sind
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,
b) – c) […]
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen
[1. – 9d …]
10a. 'GESCHWINDIGKEITSBESCHRÄNKUNG (ERLAUBTE HÖCHSTGESCHWINDIGKEIT)' [Zeichen]
Dieses Zeichen zeigt an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist. Ob und in welcher Entfernung es vor schienengleichen Eisenbahnübergängen anzubringen ist, ergibt sich aus den eisenbahnrechtlichen Vorschriften.
10b. 'ENDE DER GESCHWINDIGKEITSBESCHRÄNKUNG' [Zeichen]
Dieses Zeichen zeigt das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung an. Es ist nach jedem Zeichen gemäß Z10a anzubringen und kann auch auf der Rückseite des für die Gegenrichtung geltenden Zeichens angebracht werden. Es kann entfallen, wenn am Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung eine neue Geschwindigkeitsbeschränkung, sei es auch nicht aufgrund dieses Bundesgesetzes, beginnt.
[…]
§94b. Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde
(1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder – im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist – der Landespolizeidirektion ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde
a) […]
b) für die Erlassung von Verordnungen und Bescheiden,
[c) – h)…]
(2) […]"
3. Die maßgeblichen Bestimmungen der Kundmachung der Tiroler Landesregierung vom 17. Juni 1975 über die Wiederverlautbarung des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck (Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck 1975), LGBl 53/1975 idF LGBl 32/2017, lauten (auszugsweise):
"§8
Übertragener Wirkungsbereich
Der übertragene Wirkungsbereich umfaßt die Angelegenheiten, die die Stadt nach Maßgabe der Bundesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Bundes oder nach Maßgabe der Landesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Landes zu besorgen hat.
[…]
§31
Bürgermeister
(1) Der Bürgermeister ist zur Leitung der gesamten Stadtverwaltung berufen. Ihm unterstehen alle Bediensteten der Stadt.
[(2)-(3) …]
(4) Der Bürgermeister hat die Geschäfte des übertragenen Wirkungsbereiches der Stadt zu besorgen. Hiebei obliegt ihm insbesondere die Bestrafung aller der Stadt zur Ahndung zugewiesenen Übertretungen sowie der Übertretungen der vom Gemeinderat erlassenen ortspolizeilichen Vorschriften.
(5) Der Bürgermeister hat die Geschäfte der Bezirksverwaltung zu besorgen.
[…]
§36
Stadtmagistrat
(1) Der Stadtmagistrat besteht aus dem Bürgermeister als Vorstand sowie dem Magistratsdirektor und den übrigen Bediensteten.
[(2)-(4) …]
§37
Wirkungskreis des Stadtmagistrates
(1) Der Stadtmagistrat hat alle Verwaltungsgeschäfte zu besorgen, die zur Erfüllung der den einzelnen Organen obliegenden Aufgaben erforderlich sind.
(2) Überdies obliegt dem Stadtmagistrat
a) die Erlassung von Bescheiden in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, und
b) die Einleitung und die Fortsetzung eines in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallenden Rechtsstreites; ausgenommen davon sind die Aufkündigung und die Einbringung einer Räumungsklage in bezug auf städtische Wohnungen."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Beim Landesverwaltungsgericht Tirol ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 3. August 2017 anhängig, mit dem der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung gemäß §52 lita Z10a iVm §99 Abs2e StVO 1960 bestraft worden ist. Er habe durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges mit näher bezeichnetem amtlichen Kennzeichen im Ortsgebiet von Innsbruck auf der Haller Straße, Höhe Haus Nr 73, in Richtung Westen (stadteinwärts) zu einem näher bezeichneten Zeitpunkt die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 41 km/h überschritten. Die Überschreitung sei mit einem Messgerät festgestellt und dabei die Messtoleranz bereits zu Gunsten des Beschwerdeführers abgezogen worden. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von € 340,– (5 Tage und 17 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und ihm die Zahlung von € 34,– als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens aufgetragen.
2. Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Tirol gemäß Art139 Abs1 Z1 B‑VG den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, "die Verordnung des Magistrats der Stadt Innsbruck vom 23.11.2006, Zl II‑1723/2006‑1, als gesetzwidrig aufzuheben" (angesichts der vollständigen Wiedergabe der Verordnung im Antrag wohl gemeint: die Verordnung des Bürgermeisters vom 23.11.2006, Z II 1723/2006-1), sowie die unter Punkt I. angeführten Eventualanträge.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol führt zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnung aus, dass die genannte Verordnung eine Voraussetzung für die Entscheidung im anhängigen Beschwerdeverfahren bilde, weil sie für den angeführten Ort eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h zulasse und die rechtliche Grundlage des Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Tirol darstelle. An die in Geltung stehende Verordnung sei auch das Landesverwaltungsgericht Tirol in seiner Entscheidung gebunden.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt die Bedenken zur mangelnden Determiniertheit und zur nicht ordnungsgemäßen Kundmachung der Verordnung wie folgt dar:
"[…] Zur mangelnden Determiniertheit:
Der Verordnungsgeber ist verpflichtet, den örtlichen Geltungsbereich einer auf §43 Abs1 litb StVO 1960 gestützten verkehrsbeschränkenden Maßnahme möglichst genau zu umschreiben. Den örtlichen Geltungsbereich nur in groben Zügen anzuführen, ist daher unzulässig. Es ist erforderlich festzulegen, auf welcher Strecke, beginnend und endend mit bestimmten Punkten, die Verkehrsteilnehmer die vorgesehenen Höchstgeschwindigkeiten einzuhalten haben (Hinweis VwGH 19.10.1988, 87/03/0196; VwGH 19.10.1988, 88/03/0007; VwGH 05.09.2008, 2008/02/0011).
Mit Verordnung des Magistrats der Stadt Innsbruck vom 23.11.2006, Zl II‑1723/2006-1, wurde 'im Bereich zwischen der östlichen Grundstückszufahrt der Liegenschaft Haller Straße 201/201a und dem Haus Haller Straße 21, für den Verkehr in Richtung stadteinwärts'eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h festgelegt.
Entsprechend oben angeführter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist es erforderlich, den örtlichen Geltungsbereich einer auf §43 Abs1 litb StVO 1960 gestützten verkehrsbeschränkenden Maßnahme möglichst genau zu umschreiben. Es ist daher festzulegen, auf welcher Strecke, beginnend und endend mit bestimmten Punkten, die Verkehrsteilnehmer die vorgesehenen Höchstgeschwindigkeiten einzuhalten haben. Die gegenständliche Verordnung regelt den örtlichen Geltungsbereich der Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h derart, dass diese 'im Bereich zwischen der östlichen Grundstückszufahrt der Liegenschaft Haller Straße 201/201a und dem Haus Haller Straße 21, für den Verkehr in Richtung stadteinwärts'liegen soll.
Beim Haus Haller Straße 21 handelt es sich entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht um einen klar definierten Punkt, der das Ende einer verkehrsbeschränkenden Maßnahme anzeigen soll, sondern um eine Strecke, zumal sich die südliche, zur Haller Straße geneigte Grenze des Hauses Haller Straße 21 über eine Länge von rund 21 m (siehe den im Akt einliegenden Messplanausdruck aus dem TIRIS) erstreckt.
Aus der Wortfolge 'und dem Haus Haller Straße 21' lässt sich nicht ableiten, ob die in der Verordnung festgelegte Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h in Fahrtrichtung Westen bis zum Beginn des Hauses Haller Straße 21 oder bis zu dessen Ende gelten soll. Da jeglicher begrenzender Zusatz wie etwa bis zumHaus Hallerstraße 21 oder ähnliches fehlt und keine weitere konkretisierende Angabe vorliegt, ergibt sich nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol ein unbestimmtes Ende des Verordnungsbereiches. Dies führt dazu, dass nicht mit eindeutiger Sicherheit gesagt werden kann, ob das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h anzeigende Straßenverkehrszeichen '50 km/h' am Beginn bzw am Ende des Hauses Haller Straße 21 angebracht werden muss. Diese Festlegung ist vor allem in Hinblick auf die nachfolgenden Ausführungen Zur ordnungsgemäßen Kundmachung von Bedeutung.
Seitens des Landesverwaltungsgerichts bestehen daher insofern Bedenken gegen Punkt 1. b) der Verordnung des Magistrats der Stadt Innsbruck vom 23.11.2006, ZI II-1723/2006-1, als die Wortfolge 'dem Haus Haller Straße 21' gegen das Determinierungsgebot verstößt.
[…] Zur nicht ordnungsgemäßen Kundmachung:
Laut Aktenvermerk des Magistrates der Stadt Innsbruck erfolgte die Kundmachung der hier verfahrensrelevanten Verordnung durch Aufstellen der Verkehrszeichen […] am 29.11.2006.
Wie aus den im verwaltungsbehördlichen Akt erliegenden Lichtbildern ersichtlich ist, befindet sich in Richtung stadteinwärts mittig des Hauses Haller Straße Nr 21 ein Straßenverkehrszeichen, das eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h anzeigt. Das Vorschriftszeichen 'Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung' kann entfallen, wenn am Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung eine neue Geschwindigkeitsbeschränkung beginnt. Sohin stellt das hier aufgestellte Verkehrszeichen auch das räumliche Ende der zuvor geltenden und hier verfahrensgegenständlichen Verordnung dar. Das Haus Haller Straße 21 ist von der vorbeiführenden Haller Straße etwa 20 m in Richtung Norden entfernt. Auf Höhe des Beginns des Hauses Haller Straße 21 befindet sich in Fahrtrichtung Westen kein die hier verfahrensrelevante Verkehrsbeschränkung beendendes Straßenverkehrszeichen, sondern wurde rund 12 m westlich hiervon, etwa auf Höhe der Mitte des Hauses Haller Straße 21, das das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h substituierende Verkehrszeichen '50 km/h' angebracht.
Da die Verordnung das Ende der Strecke, für die die verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h gelten soll, wie oben […] ausgeführt nicht im Sinne eines bestimmten Punktes definiert, ist es in weiterer Folge zwar nicht möglich zu beurteilen, wo das der Kundmachung der Verordnung dienende Straßenverkehrszeichen '50 km/h' zu positionieren gewesen wäre. Aus der Wortfolge 'und dem Haus Haller Straße 21' lässt sich nicht ableiten, ob die in der Verordnung festgelegte Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h in Fahrtrichtung Westen bis zum Beginn des Hauses Haller Straße 21 oder bis zu dessen Ende gelten soll. Allerdings müsste, je nach Auslegungspräferenz, das das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h anzeigende Straßenverkehrszeichen '50 km/h' entweder am Beginn bzw am Ende des Hauses Haller Straße 21 angebracht werden, jedoch keinesfalls in der Mitte des Hauses.
Der Vorschrift des §44 Abs1 StVO ist immanent, dass die Straßenverkehrszeichen dort anzubringen sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet. Es besteht zwar keine Verpflichtung zur 'zentimetergenauen' Einhaltung des in der Verordnung verfügten räumlichen Geltungsbereichs für die Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen, differiert der Aufstellungsort eines Straßenverkehrszeichens von der getroffenen Verordnungsregelung jedoch um 5 m, kann von einer gesetzmäßigen Kundmachung der Verordnung nicht die Rede sein (Pürstl, StVO 13 , §44 E34 f).
Fest steht aber, dass eine Positionierung des Vorschriftszeichens '50 km/h' auf Höhe Mitte des Hauses Haller Straße 21, keinesfalls mit dem in der Verordnung festgelegten Ende, 'dem Haus Haller Straße 21', übereinstimmen kann.
Es ist unbestrittene Rechtsprechung aller Höchstgerichte (vgl statt vieler bspw VfGH 6.3.2000, ZI V95/99 [= VfSlg 15.749/2000]), dass Verkehrszeichen immer dort anzubringen sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt. Eine Nichtübereinstimmung der verordnungsmäßig festgelegten Grenzen der Geschwindigkeitsbeschränkung mit den tatsächlich kundgemachten Grenzen führt zur Rechtswidrigkeit der Kundmachung und damit zu einer nicht gehörigen Kundmachung (VwGH 22.02.2006, 2003/17/0138). Eine abweichende Aufstellung eines Straßenverkehrszeichens gemäß §52 lita Z10a StVO 1960 über den Beginn einer Geschwindigkeitsbeschränkung um 12 m nach dem in der Verordnung festgelegten Beginn dieser Beschränkung bzw um 5 m vor Beginn einer in der Verordnung festgehaltenen Geschwindigkeitsbeschränkung entspricht nicht dem §44 Abs1 erster Satz StVO 1960 (vgl E16. Februar 1999, 98/02/0338; E 3. Juli 1986, 86/02/0038). Demnach ist ein Abstand des tatsächlichen Aufstellungsortes von jenem, der durch die Verordnung festgelegt wurde, von 5 m oder mehr jedenfalls nicht mehr als ordnungsgemäße Kundmachung anzusehen (VwGH 10.10.2014, 2013/02/0276).
Im hier vorliegenden Sachverhalt liegen die beiden möglichen räumlichen Endpunkte der Verordnungsstrecke (die jeweiligen Endpunkte des Hauses Hallerstraße 21) 21m auseinander. Der tatsächliche Aufstellungsort jenes Verkehrszeichen, [das] den räumlichen Geltungsbereich der verfahrensrelevanten Verordnung bezeichnet, liegt jedoch irgendwo aber jedenfalls mehr als 5 m in jede Richtung abweichend dazwischen. Insofern ist, egal wie man den Endpunkt der Verordnungsstrecke festlegt, von einem abweichenden Aufstellungsort und somit von einer nicht ordnungsgemäßen Kundmachung auszugehen.
Im Sinne der geänderten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Erk. 28.06.2017, V4/2017 (V4/2017-24) haben nunmehr auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B‑VG anzuwenden und sind diese, sofern Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung bestehen, einem Verordnungsprüfungsverfahren zuzuführen." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:
"[…] Bedenken in Bezug auf die Determiniertheit der Verordnung:
[…]
Den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes ist entgegenzuhalten, dass die in Frage gestellte Wortfolge 'dem Haus Haller Straße 21' nicht isoliert betrachtet werden darf. Sie muss im textlichen Zusammenhang der gesamten litera b) der Verordnung gesehen werden. Die wörtliche Zitierung der gesamten litera b) ergibt nämlich, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung 'im Bereich zwischen der östlichen Grundstückszufahrt der Liegenschaft Haller Straße 201/201a und dem Haus Haller Straße 21, für den Verkehr in Richtung stadteinwärts' gilt. Die Formulierung 'zwischen' besagt dabei eindeutig, dass das Ende der Geschwindigkeits-begrenzung in Fahrtrichtung Westen nur am Anfang der an die Haller Straße angrenzende[n] Fassade des Hauses Haller Straße 21 liegen kann. Jeder andere Punkt der an die Haller Straße angrenzenden Fassade des Haus Haller Straße 21 würde nicht zwischen dem Haus und der östlichen Grundstückszufahrt der Liegenschaft Haller Straße 201/201a liegen.
Damit ist eindeutig festgelegt, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung am östlichsten Punkt der an die Haller Straße angrenzenden Fassade des Hauses Haller Straße 21 endet. Die Formulierung 'zwischen' schließt jeden anderen Punkt des Hauses Haller Straße 21 aus. Die diesbezüglichen Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Tirol sind damit nicht berechtigt.
[…] Bedenken in Bezug auf [die] Kundmachung der Verordnung:
Das Landesverwaltungsgericht Tirol macht in seinem Antrag geltend, dass sich das das Ende der gegenständlichen Geschwindigkeitsbegrenzung anzeigende Verkehrszeichen 'irgendwo mittig' des Hauses Hallerstraße 21 befinde. Die Positionierung des Verkehrszeichens könne daher keinesfalls mit der Verordnung übereinstimmen. Die genaue Positionierung des Verkehrszeichens geht aus dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol nicht hervor.
Die gegenständliche Verordnung wurde durch die Anbringung von Verkehrszeichen kundgemacht. Das das Ende der Geschwindigkeitsbegrenzung in Fahrtrichtung Westen kundmachende Verkehrszeichen ist jedenfalls an der Haller Straße auf der Höhe des Hauses Haller Straße 21 angebracht. Damit steht es jedenfalls im örtlichen Nahebereich des verordneten Endes der Geschwindigkeitsbegrenzung. Auch wenn es nicht exakt am östlichen Ecke des Hauses Haller Straße 21 positioniert ist, ist die Kundmachung jedenfalls gesetzeskonform, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine 'zentimetergenaue' Aufstellung der Verkehrszeichen zur Kundmachung von Verkehrsbeschränkungen nicht erforderlich ist
Damit ist im gegenständlichen Fall jedenfalls von einer ordnungsgemäßen Kundmachung der Verordnung vom 23.11.2006, ZI. II-1723/2006-1, auszugehen." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
4. Die Tiroler Landesregierung hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.
5. Der am Verfahren beteiligte Beschwerdeführer des beim Landesverwaltungsgericht Tirol anhängigen Verfahrens hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der er sich den Bedenken des antragstellenden Gerichtes anschließt.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung zu Art89 Abs1 B‑VG seit dem Erkenntnis vom 28. Juni 2017, V4/2017, die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (vgl. zB VfSlg 12.382/1990, 16.875/2003, 19.058/2010, 19.072/2010, 19.230/2010 uva.; vgl. auch VfGH 18.9.2015, V96/2015, sowie die Rechtsprechung zu nicht ordnungsgemäß kundgemachten Gesetzen VfSlg 16.152/2001, 16.848/2003 und die darin zitierte Vorjudikatur). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B‑VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich.
Die angefochtene Verordnung ist durch – in einem Aktenvermerk festgehaltene – Anbringung der Verkehrszeichen am 29. November 2006 gemäß §44 Abs1 StVO 1960 jedenfalls kundgemacht worden, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist und in Geltung steht.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Verordnungsprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl. VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001; vgl. zu Gesetzen auch VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §57 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Norm oder welcher Teil einer Norm nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua.; vgl. auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua.). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua.).
Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua.).
Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl. zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.
1.2.1. Der Hauptantrag umfasst, soweit er die Aufhebung des Punktes 1 lita (Geschwindigkeitsbeschränkung für die entgegengesetzte Fahrtrichtung der vierspurigen Haller Straße) sowie des Punktes 2 (Aufhebung von entgegenstehenden Anordnungen, insbesondere einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h) betrifft, Bestimmungen, die im Anlassfall offenkundig nicht präjudiziell und offensichtlich trennbar sind (vgl. VfSlg 17.572/2005, 19.939/2014; VfGH 24.11.2016, V18‑19/2016; 28.9.2017, G31/2017), weil die Verordnung zwei Verkehrsbeschränkungen für unterschiedliche Fahrtrichtungen auf derselben Straße sowie die Aufhebung früherer Anordnungen enthält (vgl. zur Kundmachung solcher Verordnungen VwGH 21.4.2006, 2005/02/0164 mwN). Weder gegen Punkt 1 lita noch gegen Punkt 2 der angefochtenen Verordnung werden Bedenken vorgebracht. Lediglich Punkt 1 litb der angefochtenen Verordnung ist präjudiziell, weil die Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit durch den Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren auf einer der Fahrspuren stadteinwärts (auf Höhe des Hauses Haller Straße Nr 73) erfolgt ist.
1.2.2. Der Antrag erweist sich daher – im Umfang des ersten Eventualantrages –als zulässig (vgl. VfGH 12.10.2017, G132/2017), sodass auf den zweiten und dritten Eventualantrag nicht weiter einzugehen ist.
1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich der Hauptantrag betreffend die Aufhebung von Punkt 1 litb der angefochtenen Verordnung als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er auch begründet.
2.3. Zum Vorwurf der unzureichenden Determiniertheit der Verordnung ist zunächst festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Inhalt einer Verordnung als Gesetz im materiellen Sinn das weitere Vollzugsgeschehen im Sinne des Art18 Abs1 B‑VG ausreichend vorherbestimmen (vgl. VfSlg 7072/1973, 8658/1979, 19.592/2011) und insbesondere dem Normunterworfenen die Möglichkeit geben muss, sich dem Recht gemäß zu verhalten (VfSlg 19.592/2011, 19.721/2012 mwN).
2.3.1. Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung, wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert, dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen (§43 Abs1 litb Z1 StVO 1960).
2.3.2. Nach dieser Bestimmung ist der Verordnungsgeber verpflichtet, den örtlichen Geltungsbereich einer auf §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 gestützten verkehrsbeschränkenden Maßnahme möglichst genau zu umschreiben. Es ist daher unzulässig, den örtlichen Geltungsbereich nur in groben Zügen anzuführen, sondern vielmehr erforderlich, festzulegen, auf welcher Strecke, beginnend und endend mit bestimmten Punkten, die Verkehrsteilnehmer die vorgesehenen Höchstgeschwindigkeiten einzuhalten haben (VwGH 19.10.1988, 87/03/0196 und 88/03/0007; 5.9.2008, 2008/02/0011). Die Verordnung muss so bestimmt sein, dass für den Normunterworfenen bereits anhand des Verordnungstextes selbst – und einer allenfalls von der Verordnung mitumfassten planlichen Darstellung oder dergleichen (vgl. auch VfSlg 7072/1973, 10.469/1985, 18.840/2009) – zweifelsfrei zum Ausdruck kommt, für welche Bereiche bzw. welche Strecke diese Anordnung bzw. Verkehrsbeschränkung gilt, sodass er sich danach richten kann (VfSlg 8658/1979).
2.3.3. Die Bestimmung der Orte für die Anbringung der Verkehrszeichen für die Verordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h (§52 lita Z10a und Z10b StVO 1960) in der angefochtenen Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck entspricht diesen Anforderungen an die genaue Festlegung der Strecke, auf der die vorgesehene Höchstgeschwindigkeit einzuhalten ist, nicht:
Der durch die Wortfolge "und dem Haus Haller Straße 21" bestimmte Endpunkt der verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung ist – zumal der Verordnung auch keine planliche Darstellung zugrunde liegt (vgl. zB VwGH 9.10.1996, 96/03/0024 mwN; VfGH 11.6.2012, V17/11 ua.) – nicht hinreichend konkretisiert. Unbestrittener Weise handelt es sich bei diesem Gebäude (Haller Straße Nr 21) um ein etwa 21 m breites Haus. Aus dem Verordnungstext selbst ergibt sich nicht, ab welchem Punkt des Hauses die Geschwindigkeitsbeschränkung gelten soll. Das Haus Haller Straße Nr 21 befindet sich zudem nicht unmittelbar neben der Fahrbahn, für die die Geschwindigkeitsbeschränkung verordnet wurde, sondern grenzt – nach den unwidersprochenen Angaben des Landesverwaltungsgerichtes Tirol – 20 m weiter nördlich an eine im spitzen Winkel einmündende und gleich benannte einspurige Nebenfahrbahn, die von der vierspurigen Landesstraße durch einen Grünstreifen getrennt ist. Angesichts dieser speziellen örtlichen Gegebenheiten entsprechen die Angaben zum Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung ("zwischen […] und dem Haus Haller Straße 21") im vorliegenden Fall nicht den Erfordernissen für die möglichst genaue Umschreibung des örtlichen Geltungsbereiches der Verordnung iSd Rechtsprechung (vgl. VwGH 19.10.1988, 87/03/0196 und 88/03/0007; 5.9.2008, 2008/02/0011; 9.10.1996, 96/03/0024 mwN; VfGH 11.6.2012, V17/11 ua.).
2.4. Ungeachtet der – vom Verfassungsgerichtshof nicht geteilten – Annahme der verordnungserlassenden Behörde, dass eine hinreichend bestimmte Verordnung vorliege, entspricht die vorgenommene Aufstellung des Verkehrszeichens nicht den Anforderungen des §44 Abs1 StVO 1960 an eine ordnungsgemäße Kundmachung:
Die Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck gibt in ihrer Äußerung lediglich an, dass das Verkehrszeichen "auf der Höhe des Hauses Haller Straße 21 angebracht" worden sei und damit "jedenfalls im örtlichen Nahebereich des verordneten Endes der Geschwindigkeitsbegrenzung" stehe, "[a]uch wenn es nicht exakt an der östlichen Ecke des Hauses Haller Straße 21 positioniert" sei.
2.4.1. Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 sind die in §43 StVO 1960 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft (vgl. VfSlg 18.710/2009, 19.409/2011, 19.410/2011).
2.4.2. Der Vorschrift des §44 Abs1 StVO 1960 ist immanent, dass die bezüglichen Straßenverkehrszeichen dort angebracht sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet. Zwar ist zur Kundmachung von Verkehrsbeschränkungen keine "zentimetergenaue" Aufstellung der Verkehrszeichen erforderlich (vgl. dazu VwGH 13.2.1985, 85/18/0024; 25.1.2002, 99/02/0014; 10.10.2014, 2013/02/0276), jedoch wird dieser Vorschrift nicht Genüge getan und liegt ein Kundmachungsmangel vor, wenn der Aufstellungsort vom Ort des Beginns bzw. Endes des verordneten Geltungsbereiches einer Geschwindigkeitsbeschränkung signifikant abweicht (vgl. VfSlg 15.749/2000 mwN; zu den in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien vgl. VwGH 3.7.1986, 86/02/0038; 16.2.1999, 98/02/0338; 22.2.2006, 2003/17/0138; 24.11.2006, 2006/02/0232; 5.9.2008, 2008/02/0011; 21.11.2008, 2008/02/0231; 25.11.2009, 2009/02/0095; 25.6.2014, 2013/07/0294).
2.4.3. Wie sich aus der Stellungnahme der verordnungserlassenden Behörde und dem Akteninhalt eindeutig ergibt, wurde das Verkehrszeichen an der vierspurigen Haller Straße ca. in der Mitte des Hauses Haller Straße Nr 21 anstatt am östlichsten Ende angebracht; dies stellt eine signifikante Abweichung dar. Die Nichtübereinstimmung der – nach Ansicht der belangten Behörde – verordnungsmäßig festgelegten Grenzen der Geschwindigkeitsbeschränkung mit den tatsächlich kundgemachten Grenzen führt zur Rechtswidrigkeit und zu einer nicht gesetzmäßigen Kundmachung iSd §44 Abs1 StVO 1960 des Punktes 1 litb der angefochtenen Verordnung.
2.5. Auch soweit ein Kundmachungsmangel gegeben ist, wäre gemäß Art139 Abs3 Z3 B‑VG nicht die gesamte Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, weil der Kundmachungsmangel einer Verkehrsbeschränkung keine unmittelbare Auswirkung auf die Verbindlichkeit der anderen, in der Verordnung enthaltenen und kundgemachten Verkehrsbeschränkungen bzw. Anordnungen hat (vgl. VwGH 21.4.2006, 2005/02/0164 mwN). Der festgestellte Kundmachungsmangel betrifft ausschließlich die – (im Ausgangsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol) präjudiziellen – im Spruch genannten Teile der zitierten Verordnung. Da die unter II.1. wiedergegebene Verordnung u.a. weitere Regelungen über Vorschriftszeichen beinhaltet, die auf andere Weise, wie etwa durch anders gestaltete Verkehrszeichen an anderen, näher bezeichneten Orten kundzumachen sind, kommt eine Aufhebung der ganzen Verordnung gemäß Art139 Abs3 Z3 B‑VG im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht (vgl. VfSlg 19.127/2010, 19.128/2010).
V. Ergebnis
1. Punkt 1 litera b der Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 23. November 2006, Z II-1723/2006-1, ist daher wegen Verstoßes gegen Art18 B‑VG iVm §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 und gegen §44 Abs1 StVO 1960 als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Im Übrigen – also im Hinblick auf Punkt 1 lita und Punkt 2 der Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 23. November 2006, Z II‑1723/2006‑1 – ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.
3. Die Verpflichtung der Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 litj Tir. Landes-VerlautbarungsG 2013.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Für Normenprüfungsverfahren, die auf Antrag eines Gerichtes eingeleitet worden sind, sieht das VfGG einen Kostenersatz nicht vor. Es obliegt daher dem antragstellenden Gericht, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 8572/1979, 8871/1980, 18.320/2007, 19.019/2010).
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