VwGH 86/02/0038

VwGH86/02/00383.7.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Stoll als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde der MG in L, vertreten durch Dr. Helmuth Hackl, Rechtsanwalt in Linz, Hauptplatz 23/11, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 14. Jänner 1986, Zl. VerkR-182/6-1986-II/Bi, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §43;
StVO 1960 §44 Abs1;
StVO 1960 §44;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Jänner 1986 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig befunden, am 8. August 1984 um 20.15 Uhr in Linz, B 1- Uferkurve einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw stadtauswärts im Bereich der durch Beschilderung festgesetzten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h gelenkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52a Z. 10a StVO 1960 begangen zu haben. Es wurde eine Geldstrafe verhängt sowie eine Ersatzarreststrafe festgesetzt.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die gegenständliche Verordnung betreffend die Geschwindigkeitsbeschränkung sei nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden. Damit ist sie im Recht:

Die belangte Behörde beruft sich insoweit auf eine Verordnung des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 10. Juni 1963. Aus den vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Unterlagen ergibt sich insoweit folgendes: Am 10. Juni 1963 wurde auf der Wiener Bundesstraße von km 175.000 bis 175.552 das Überschreiten der Geschwindigkeit von 60 km/h (§ 52 Z. 10a StVO 1960) verboten. Nach dem Bericht der Straßenmeisterei Linz vom 27. Juni 1963 wurde auf Grund dieser Verordnung auf der Wiener Bundesstraße das Zeichen "§ 52-10a bei km 175.000 rechts im Sinne der Kilometrierung für die Fahrtrichtung von Enns nach Linz und bei km 175.552 links im Sinne der Kilometrierung für die Gegenrichtung am 25.6.1963 um 13.00 Uhr" aufgestellt.

Mit Schriftsatz vom 17. Juni 1986 legte die belangte Behörde Stellungnahmen der Abteilungen Vermessung und Bundesstraßenverwaltung samt drei Kopien der Katastralmappe des Vermessungsamtes Linz betreffend die "Uferkurve" vor. Daraus ist ersichtlich, daß die B 1, Wiener Straße, Ende 1983 neu kilometriert wurde, die Verordnungen (betreffend Geschwindigkeitsbeschränkungen in diesem Bereich) aus 1963 und 1980 bezögen sich allerdings auf die alten Kilometerangaben. Die Aufstellung in der Natur und die in der Verordnung (vom 10. Juni 1963) angegebenen Kilometer würden allerdings "geringfügig" von einander abweichen. Welche "Abweichung" dabei gemeint ist, ergibt sich aus den erwähnten Kopien der Katastralmappe des Vermessungsamtes Linz, nämlich daß das Straßenverkehrszeichen gemäß § 52a Z. 10a StVO über den Beginn der Geschwindigkeitsbeschränkung - stadtauswärts, in der von der Beschwerdeführerin gefahrenen Fahrtrichtung gesehen - bei km 175,540 (alt) und das analoge Straßenverkehrszeichen in der Gegenfahrtrichtung bei km 175,001 (alt) aufgestellt ist.

Gemäß § 44 Abs. 1 StVO sind die im § 43 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen, und treten mit der Anbringung dieser Zeichen in Kraft.

Es kann nun dahingestellt bleiben, ob der letzterwähnte Aufstellort im Hinblick auf eine diesbezügliche Toleranz einen Kundmachungsmangel darstellt, zumal dies nicht die Fahrtrichtung der Beschwerdeführerin betrifft (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1974, Slg. Nr. 8724/A). Der erstzitierte Aufstellungsort des Straßenverkehrszeichens differiert nämlich von der in der Verordnung vom 10. Juni 1963 getroffenen Regelung um 12 m, sodaß von einer ordnungsgemäßen Kundmachung keine Rede mehr sein könnte (vgl. unten).

In der Beschwerde wird allerdings auch ein Kundmachungsmangel in Verbindung mit einer Verordnung vom 17. Jänner 1980 betreffend u. a. eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h stadteinwärts anschließend an den räumlichen Geltungsbereich der erwähnten Verordnung vom 10. Juni 1963 geltend gemacht. Aus Z. 3 dieser Verordnung vom 17. Jänner 1980 geht hervor, daß auf der B 1 in beiden Fahrtrichtungen zwischen km 175,535 und km 176,850 das Überschreiten einer Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h verboten wurde. Damit wurde der erwähnten Verordnung vom 10. Juni 1963 hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereiches derogiert (vgl. zur Derogation in Hinsicht auf Verordnungen nach der StVO das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1985, Zl. 85/18/0213), weil der Geltungsbereich der Verordnung vom 17. Jänner 1980 bereits bei km 175,535 beginnt, obwohl jener der Verordnung vom 10. Juni 1963 erst bei km 175,552 geendet hat. Somit ist davon auszugehen, daß zur Tatzeit eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h laut Verordnung vom 10. Juni 1963 in der Fassung der Verordnung vom 17. Jänner 1980 für einen räumlichen Geltungsbereich von km 175,000 bis km 175,535 (jeweils alte Vermessungsangaben) angeordnet war.

Allerdings liegt insoweit jedenfalls deshalb ein Kundmachungsmangel vor, weil der Beginn dieser Geschwindigkeitsbeschränkung (stadtauswärts) durch die Aufstellung des Straßenverkehrszeichens bei km 175,540 und nicht bei km 175,535 kundgemacht ist und damit der Vorschrift des § 44 Abs. 1 erster Satz StVO nicht Genüge getan wird, welcher immanent ist, daß die bezüglichen Straßenverkehrszeichen dort angebracht sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet.

Da gemäß Art. 89 Abs. 1 B-VG der Verwaltungsgerichtshof berechtigt ist, die gehörige Kundmachung von Verordnungen selbst zu prüfen, diese Prüfung aber im Beschwerdefall dazu geführt hat, daß die der Bestrafung der Beschwerdeführerin zugrunde liegende Verordnung nicht gehörig kundgemacht wurde, sodaß sie auch keine Rechtswirkungen entfalten konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1985, Zl. 84/02/0267, und die dort zitierte Vorjudikatur), war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren betreffend Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil die vorliegende Beschwerde nur zweifach einzubringen war.

Wien, am 3. Juli 1986

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