UFS RV/0310-W/07

UFSRV/0310-W/075.7.2007

Keine Haftung bei Ablauf der Aufbewahrungsfrist.

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom 24. April 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom 6. April 2006 betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 3. Juli 1995 wurde das am 26. September 1994 über das Vermögen der B-GmbHeröffnete Ausgleichsverfahren aufgehoben.

Mit Beschluss vom 10. Jänner 2001 wurde das am 12. März 1996 nunmehr über das Vermögen der Gesellschaft eröffnete Konkursverfahren nach Verteilung einer Quote von 27,391 % beendet.

Am 22. Oktober 2001 veranlasste das Finanzamt die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers (Bw.), wonach dieser ein monatliches Gehalt von ca. ATS 9.000,00 beziehe, jedoch Schulden von über ATS 1,8 Mio. hätte.

Mit Bescheid vom 6. April 2006 wurde der Bw. gemäß § 9 Abs. 1 BAO i.V.m. § 80 BAO als Geschäftsführer der B-GmbHfür Abgaben in der Höhe von € 90.132,71, nämlich

U 08-12/1995

€ 66.523,84

L 07-12/1995

€ 12.145,95

DB 07-12/1995

€ 5.975,53

DZ 07-12/1995

€ 703,77

L 01-02/1996

€ 3.141,87

DB 01-02/1996

€ 1.468,79

DZ 01-02/1996

€ 172,96

zur Haftung herangezogen, da diese durch die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.

In der dagegen am 24. April 2006 rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass ihm kein Parteiengehör eingeräumt und der Bescheid ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gefällt worden wäre. Damit liege Rechtswidrigkeit vor, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen hätte.

Der Bw. hätte seinerzeit ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten einen Zwangsausgleich beantragt, um eine Entschuldung der Gesellschaft zu bewirken, der jedoch wegen mangelnder Zustimmung der Gläubiger nicht hätte durchgeführt werden können. Für das Scheitern des Zwangsausgleiches wäre er daher nicht verantwortlich. Jedenfalls wären annähernd genügend Geldmittel vorhanden gewesen, eine Quote von 20 % aufzubringen. Damit könne ihm aber kein Verschuldensvorwurf an allfälligen nicht bezahlten Steuern und Abgaben der Gesellschaft gemacht werden.

Unrichtig wäre die Behauptung des Finanzamtes, wonach der Bw. nicht für eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger gesorgt hätte. Die vorhandenen Geldmittel wären aliquot für alle Gläubiger verwendet worden, andernfalls es zu Anfechtungen seitens des Masseverwalters gekommen wäre. Dort wo Anfechtungsansprüche vorgelegen gewesen wären, wären sie auch geltend gemacht worden.

Die folgenden widrigen Umstände wären Ursache für die Insolvenz der Gesellschaft gewesen: Durch den Einsturz eines Hauses/einer Baugrube hätte die Gesellschaft Entlohnungsansprüche nicht durchsetzen können, weshalb ein jahrelanger Rechtsstreit gegen die Haftpflichtversicherung gefolgt wäre. Dieser hätte über den Masseverwalter gewonnen werden können. Die zögerliche Zahlung der Versicherung wäre unter anderem der Grund dafür gewesen, dass die erforderlichen liquiden Mittel für die Gesellschaft nicht zur Verfügung gestanden wären. Andererseits wäre auch die amtsbekannte Rezession in der Bauwirtschaft Ursache für die Insolvenz gewesen. Die der Gesellschaft sonst zustehenden Forderungen wären nicht oder nicht gehörig bezahlt worden. Dies wäre jedenfalls nicht kalkulierbar gewesen. Damit ergebe sich aber ein Nachweis dafür, dass sich der Bw. als Geschäftsführer der Gesellschaft keine Schuld zurechnen lassen brauche.

Der Bw. hätte weiters durch das Ausgleichsverfahren nachgewiesen, dass eine positive Fortführungssituation vorgelegen wäre. Er hätte stets geachtet, dass bei Zahlungen der Gesellschaft das Gleichbehandlungsprinzip beachtet worden wäre, wobei diese Tatsache durch den Masseverwalter/Ausgleichsverwalter und das Konkursgericht geprüft und für in Ordnung befunden worden wäre.

Darüber hinaus werden die im Haftungsbescheid angeführten Steuerrückstände bestritten. Es wären solche Steuern nie anerkannt oder auch sonst nie festgestellt worden. Die Gesellschaft hätte nachweislich im Zeitraum 08-12/1995 keine Umsätze von ca. brutto € 384.000,00 erzielt, woraus sich eine fällige Umsatzsteuer von € 66.500,00 errechnen hätte können. Ebenso werde die sonst seitens des Finanzamtes angeführte Steuerschuld bestritten, weshalb jegliche Grundlage für einen Haftungsbescheid weggefallen wäre. Es obliege der Finanzbehörde, die dazu erforderlichen Beweise zu erbringen, wofür bei Rückstandsausweisen auch deren Zustellungen durch das Finanzamt nachzuweisen wären.

Weiters werde geltend gemacht, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten mehr als zehn Jahre zurückliegen würden, weshalb Verjährung vorliegen würde.

Das Finanzamt hätte sich mit der Haftung offenkundig so lange Zeit gelassen, damit der Bw. selbst in Beweisschwierigkeiten komme. Die Unterlagen der Gesellschaft wären jedenfalls nicht mehr vorhanden, weil die Aufbewahrungsfrist von sieben Jahren bereits verstrichen wäre. Sämtliche Beweisprobleme würden daher zu Lasten der Finanzverwaltung gehen. Bei prompter Einleitung des gegenständlichen Haftungsverfahrens, und zwar zu einem Zeitpunkt, als der Zwangsausgleich versagt worden wäre, wäre der strittige Sachverhalt gar nicht vorgelegen gewesen.

Etliche Forderungen von Dienstnehmern wären durch den Bundessozialfonds zur Zahlung übernommen worden. Dabei würde es sich auch um die Übernahme der Lohnsteuer handeln, die ja Bestandteil der Bezüge wäre. Diese Drittzahlungen wären aber auf dem Abgabenkonto nicht berücksichtigt worden.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 29. November 2006 wurde der Berufung teilweise stattgegeben und die Haftungsschuld mit € 66.445,93 festgesetzt, nämlich

U 08/1995

€ 30.361,39

U 9/1995

€ 3.665,76

U 10/1995

€ 6.272,76

U 12/1995

€ 4.170,55

L 07-12/1995

€ 12.145,95

DB 07-12/1995

€ 5.975,53

DZ 07-12/1995

€ 703,77

L 01/1996

€ 2.161,22

DB 01/1996

€ 884,79

DZ 01/1996

€ 104,21

Begründend wurde ausgeführt, dass der Berufung hinsichtlich eines Betrages von € 23.686,78 teilweise stattzugeben gewesen wäre, da sich im Haftungsrückstand die Lohnabgaben für Februar 1996 in Höhe von € 1.633,40 befunden hätten, die erst nach Konkurseröffnung (12. März 1996) fällig gewesen wären. Weiters hätte sich die Umsatzsteuer 08/1995 auf Grund der zuviel entrichteten Ausgleichsquote von € 66.523,84 um € 22.053,38 auf € 44.470,46 vermindert. Das damals zuständige Finanzamt für Körperschaften hätte die Ausbuchung der Ausgleichsforderungen nach erfüllter Quote nicht vorgenommen.

Hinsichtlich des Mehrbegehrens von € 66.445,93 wäre die Berufung aus folgenden Gründen abzuweisen gewesen.

Der Ausführung der Berufungsbegründung, dass im Zeitraum 08-12/1995 die Gesellschaft niemals Umsätze in derartiger Höhe getätigt hätte, wäre entgegenzuhalten, dass die haftungsgenständlichen Umsatzsteuervorauszahlungen und Lohnabgaben allesamt auf Grund der abgegebenen Voranmeldungen beruhen würden.

Zur Behauptung der eingetretenen Verjährung wäre festzustellen, dass die Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO nicht eingetreten wäre, da nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkurses vom 20. Februar 2001 am 22. Oktober 2001 die Feststellung über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bw. vorgenommen worden wären. Auch eine solche Feststellung wäre ein nach außen erkennbare Maßnahme im Zuge von Einbringungshandlungen. Damit hätte mit 1. Jänner 2002 die Verjährungsfrist neu zu laufen begonnen.

Weiters werde ausgeführt, dass die Abgabenbehörde laut Lehre und ständiger Rechtsprechung von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgehen dürfe, wenn Selbstbemessungsabgeben nur gemeldet, jedoch nicht entrichtet werden würden. Es obliege dann dem Haftungspflichtigen nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel der Gesellschaft unter den Gläubigern zu gleichen Teilen aufgeteilt worden wären oder dass keine Mittel zur Zahlung vorhanden gewesen wären.

Tatsache wäre, dass im Zeitraum 16. Mai 1995 (Aufhebung des Ausgleichsverfahrens) und dem 12. März 1996 (Konkurseröffnung) nur Zahlungen für die Ausgleichsquote, jedoch keine einzige Zahlung auf die laufenden Abgaben geleistet worden wären. Es wäre auch nicht Aufgabe der Behörde festzustellen, inwieweit der Masseverwalter Zahlungen bei anderen Gläubigern angefochten hätte, vielmehr obliege es dem Geschäftsführer, einen tatsächlichen Nachweis für die Gleichbehandlung aller Gläubiger zu erbringen, wobei erfolgreiche Anfechtungen bei anderen Gläubigern ein weiteres Indiz für die Schlechterstellung der Abgabenschuldigkeiten wäre. Ein derartiger Nachweis wäre aber nicht erbracht worden.

Außerdem wäre festzuhalten, dass bei Lohnsteuern der im allgemeinen haftungsentlastende Einwand der Gläubigergleichbehandlung nicht zielführend wäre, da bei nicht ausreichenden Mitteln zur Bezahlung aller Verbindlichkeiten der Unternehmer verpflichtet wäre, die Löhne nur in der Höhe auszuzahlen, als die Nettolöhne und die darauf entfallende Lohnsteuer in den vorhandenen Mitteln Deckung finden würden.

Schließlich müsse noch festgehalten werden, dass die Tatsache, dass dem beantragten Zwangsausgleich der Erfolg versagt geblieben wäre, keinen Einfluss auf die Haftungsinanspruchnahme habe.

Fristgerecht beantragte der Bw. mit Schreiben vom 19. Dezember 2006 die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend vor, dass im Zuge des Konkurses (bzw. auch Ausgleiches) die Entlohnungen für die Mitarbeiter nicht oder nicht vollständig bezahlt worden wären. Die Zahlung wäre dann über den Insolvenzentgeltsicherungsfonds erfolgt, der auch Lohnnebenabgaben zur Zahlung übernehmen würde. Sollte das Finanzamt die Einforderung der Lohnabgaben nach dem IESG nicht gehörig betrieben haben, könne dem Bw. das nicht nachteilig vorgehalten werden.

Der Verjährungseinwand werde aufrecht gehalten. Die Abgabe eines Vermögensverzeichnisses, die ihm nicht erinnerlich wäre und sich jedenfalls nicht auf diese strittige Haftung beziehen würde, wäre keine Verfolgungshandlung, welche eine Verjährungsunterbrechung nach sich ziehen könnte. Die vermögensrechtlichen Erhebungen einer möglichen haftungspflichtigen Person wären rein wirtschaftliche Erhebungen, die kaufmännische Überlegungen der Finanzbehörde zum Inhalt hätten. Auch bei Richtigkeit der Argumentation des Finanzamtes liege dennoch Verjährung vor, obwohl am 22. Oktober 2001 ein Vermögensverzeichnis gelegt worden sein solle. Damit würde Verjährung von Abgaben verhindert werden, die nach dem 22. Oktober 1996 entstanden wären. Die Verjährung wäre aber jedenfalls für die Abgaben eingetreten, die vor dem 22. Oktober 1996 fällig gewesen wären, weil die fünfjährige Verjährungsfrist bereits verstrichen gewesen wäre. Sämtlich in Haftung gezogene Steuern wären daher bereits mit Jänner 2001 verjährt, weshalb die seitens des Finanzamtes vermeinte Verfolgungshandlung per Oktober 2001 an der Tatsache der Verjährung nichts mehr ändern könnte.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Bescheides gemäß §§ 201 und 202 leg.cit. unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (VwGH 24.2.1997, 96/17/0066). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (VwGH 3.7.1996, 96/13/0025). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (VwGH 26.5.2004, 99/14/0218).

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 10. Jänner 2001 das am 12. März 1996 eröffnete Konkursverfahren über das Vermögen der B-GmbH aufgehoben wurde und die Gesellschaft im Firmenbuch bereits gelöscht wurde.

Unbestritten ist, dass dem Bw. als Geschäftsführer der B-GmbHdie Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (vgl. VwGH 28.9.1998, 98/16/0018). Bei Selbstbemessungabgaben ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (VwGH 17.8.1998, 98/17/0038); maßgebend ist daher ausschließlich der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit (VwGH 25.10.1996, 93/17/0280).

Da die Lohnabgaben 02/1996 aber erst am 15. März 1996, somit nach Konkurseröffnung fällig waren, bestand für den Bw. auch keine Verpflichtung mehr zu ihrer Entrichtung und war daher aus der Haftung auszuscheiden. Bemerkt wirkt, dass sich diese Abgaben auf Grund einer amtswegigen Löschung ohnehin nicht mehr im Rückstand befinden.

Da die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen als Einhebungsmaßnahme unter anderem voraussetzt, dass nach dem Grundsatz der materiellen Akzessorietät eine Abgabenschuld entstanden, aber noch nicht erloschen ist (VwGH 17.5.1991, 90/17/0439, 0440), worauf auch noch im Rechtsmittelverfahren Bedacht zu nehmen ist (VwGH 28.5.1993, 93/17/0049), wäre aus diesem Grund die Haftung nunmehr auf nachstehende Abgaben im Gesamtbetrag von € 26.445,93 einzuschränken:

U 10/95

€ 299,91

 

U 12/95

€ 4.170,55

L 07 95

€ 1.798,36

 

L 08/95

€ 2.107,22

L 09/95

€ 1.578,82

 

L 10/95

€ 1.975,76

L 11/95

€ 3.772,66

 

L 12/95

€ 913,13

L 01/96

€ 2.161,22

 

DB 07 95

€ 998,89

DB 08/95

€ 1.260,58

 

DB 09/95

€ 761,76

DB 10/95

€ 804,71

 

DB 11/95

€ 1.615,59

DB 12/95

€ 534,00

 

DB 01/96

€ 884,79

DZ 07 95

€ 117,66

 

DB 08/95

€ 148,47

DZ 09/95

€ 89,75

 

DB 10/95

€ 94,77

DZ 11/95

€ 190,26

 

DB 12/95

€ 62,86

DZ 01/96

€ 104,21

   

Der Einwand des Bw. betreffend Verschulden am Eintritt der Insolvenz geht jedoch ins Leere, da es für die Haftung nach § 9 BAO ohne Bedeutung ist, ob den Vertreter ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trifft (VwGH 20.9.1996, 94/17/0420).

Wenn der Bw. nun die im Haftungsbescheid angeführten Steuerrückstände bestreitet, da er im haftungsrelevanten Zeitraum keine derartig hohen Umsätze getätigt hätte, so muss ihm entgegengehalten werden, dass er diese Selbstbemessungsabgaben laut Voranmeldungen vom 15. Dezember 1995 und 27. Februar 1996 für die Umsatzsteuervorauszahlungen, eingereicht durch den damaligen steuerlichen Vertreter der Gesellschaft, selbst gemeldet hat.

Anderes gilt jedoch für die laut Abgabenkonto angeblich mittels Zahlscheines am 21. November 1995, 15. Dezember 1995, 15. Jänner 1996, 2. Februar 1996 und 15. Februar 1996 eingereichten Voranmeldungen für die haftungsgegenständlichen Lohnabgaben, da diese Zahlscheine im Gegensatz zu den Umsatzsteuervoranmeldungen laut Auskunft des Finanzamtes bereits skartiert sind und daher kein Nachweis erbracht werden kann, ob und in welcher Höhe die Lohnabgaben zu entrichten gewesen wären.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. VwGH 18.10.1995, 91/13/0037, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (VwGH 9.7.1997, 94/13/0281).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (VwGH 20.9.1996, 94/17/0420). Im gegenständlichen Fall wurde jedoch nicht behauptet, dass dem Bw. keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden wären.

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten (VwGH 15.5.1997, 96/15/0003).

Am Bw., dem als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, wäre es grundsätzlich gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (VwGH 19.11.1998, 97/15/0115), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel (VwGH 23.4.1998, 95/15/0145).

Bücher und Aufzeichnungen sowie die zu den Büchern und Aufzeichnungen gehörenden Belege sind gemäß § 132 Abs. 1 BAO sieben Jahre aufzubewahren; darüber hinaus sind sie noch so lange aufzubewahren, als sie für die Abgabenerhebung betreffende anhängige Verfahren von Bedeutung sind, in denen diejenigen Parteistellung haben, für die auf Grund von Abgabenvorschriften die Bücher und Aufzeichnungen zu führen waren oder für die ohne gesetzliche Verpflichtung Bücher geführt wurden. Soweit Geschäftspapiere und sonstige Unterlagen für die Abgabenerhebung von Bedeutung sind, sollen sie sieben Jahre aufbewahrt werden. Diese Fristen laufen für die Bücher und die Aufzeichnungen vom Schluss des Kalenderjahres, für das die Eintragungen in die Bücher oder Aufzeichnungen vorgenommen worden sind, und für die Belege, Geschäftspapiere und sonstigen Unterlagen vom Schluß des Kalenderjahres, auf das sie sich beziehen; bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr laufen die Fristen vom Schluss des Kalenderjahres, in dem das Wirtschaftsjahr endet.

Allerdings kommt dem Einwand des Bw., dass er in Beweisschwierigkeiten wäre, da die Unterlagen der Gesellschaft auf Grund des Verstreichens der siebenjährigen Aufbewahrungspflicht nicht mehr vorhanden wären, Berechtigung zu. Die Aufbewahrungsfrist der Unterlagen für die haftungsgegenständlichen Abgaben endete gemäß § 132 Abs. 1 BAO am 31. Dezember 2002 bzw. am 31. Dezember 2003. Da nach dieser Bestimmung eine Verlängerung dieser Aufbewahrungsfrist nur im Falle eines anhängigen Verfahrens vorgesehen ist, war der Bw. nicht dazu verhalten, da die bescheidmäßige Haftungsinanspruchnahme erst im Jahr 2006 und somit nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist erfolgte.

Die im Jahr 2001 erhobene wirtschaftliche Lage des Bw. vermochte zwar eine Unterbrechungshandlung bewirken, sodass die Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben im Gegensatz zur Rechtsansicht des Bw. gemäß § 238 BAO nicht verjährt ist. Jedoch war durch diese Feststellungen noch kein Haftungsverfahren anhängig, das den Bw. verpflichtet hätte, die Bücher und Aufzeichnungen weiterhin aufzubewahren.

Da aber dem Bw. das Nichtvorhandensein der Unterlagen nicht vorgeworfen werden kann, kann er im gegenständlichen Haftungsverfahren auch nicht dazu verpflichtet sein, einen Liquiditätsstatus zu erstellen.

Im Hinblick auf die zu Recht unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Haftungsinanspruchnahme für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 5. Juli 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 132 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Haftung, Gleichbehandlung, Liquiditätsstatus, Aufbewahrungsfrist, Unterlagen

Stichworte