UFS RV/0347-L/05

UFSRV/0347-L/0518.7.2006

Vertreterhaftung für Abgabenschulden einer englischen Private Company Limited mit inländischer Zweigniederlassung

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des S, vertreten durch Martin Friedl, beeideter Buchprüfer und Steuerberater, 4650 Lambach, Marktplatz 2, vom 17. März 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom 11. Februar 2005 zu StNr. 000/0000, mit dem der Berufungswerber gemäß § 9 iVm § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Firma "P Limited, Zweigniederlassung G" im Ausmaß von € 60.883,74 in Anspruch genommen wurde, entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Am 19.10.1999 wurde die Firma P Limited mit Sitz in London nach Maßgabe des Companies Act 1985 gegründet, und im Companies House Cardiff Nr. 0000 registriert. Als "director" war in der Zeit vom 19.10.1999 bis 10.8.2001 der Berufungswerber eingetragen, als "secretary" wird seit 19.10.1999 L ausgewiesen.

Die Gesellschaft errichtete in G eine Zweigniederlassung, die im inländischen Firmenbuch zu FN 00000 eingetragen ist. In der diesbezüglichen Eingabe an das Firmenbuchgericht vom 14.2.2000 wurde mitgeteilt, dass L für den gesamten Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung zum ständigen Vertreter mit selbständiger Vertretungsbefugnis bestellt worden sei. Der Berufungswerber wurde als "Geschäftsführer (handelsrechtlich)" eingetragen.

In der Zeit vom 25.2.2003 bis 2.6.2004 wurde (mit Unterbrechungen) bei der Gesellschaft eine Buch- und Betriebsprüfung betreffend die Jahre 1999 bis 2002 durchgeführt. Dabei wurde unter anderem festgestellt, aus den beschlagnahmten Unterlagen und den gesicherten Buchhaltungsunterlagen gehe hervor, dass die Gesellschaft seit Bestehen in Österreich den Ort der Geschäftsleitung habe und daher unbeschränkt steuerpflichtig sei. Erst im Zuge der Prüfung seien Steuererklärungen für die Jahre 1999 bis 2002 eingereicht worden, die als Schätzungsgrundlage für die Bemessung der Abgaben herangezogen würden. Die Prüferin traf eine Reihe von Feststellungen. Unter anderem sei von KESt-pflichtigen verdeckten Gewinnausschüttungen an L und ihm nahe stehende Personen bzw. Firmen auszugehen.

Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide, die von der Gesellschaft angefochten wurden. Mit Eingabe vom 8.11.2004 trat der Berufungswerber den Berufungen gegen die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 2000 und 2002, Anspruchszinsen 2000 und die Haftungs- und Abgabenbescheide betreffend Kapitalertragsteuer 1999 bis 2002 gemäß § 257 BAO bei.

Mit Berufungsentscheidung vom 30.9.2005, RV/0132-L/05, wurde die Berufung betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2000 als unbegründet abgewiesen (nur hinsichtlich dieser war nach Erlassung einer Berufungsvorentscheidung ein Vorlageantrag gestellt worden). Die Berufung gegen die Haftungs- und Abgabenbescheide betreffend Kapitalertragsteuer 1999 bis 2002 wurde mit Berufungsentscheidung vom 21.10.2005, RV/0133-L/05, als unbegründet abgewiesen. Die Berufung gegen den Anspruchszinsenbescheid für 2000 war mit Bescheid vom 22.11.2004 gemäß § 275 BAO als zurückgenommen erklärt worden.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 14.5.2004 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens betreffend die "Zweigniederlassung" der Gesellschaft mangels Vermögens abgewiesen. Am 20.7.2004 wurde die Gesellschaft im englischen "Firmenbuch" gelöscht.

In einem Vorhalt vom 17.9.2004 wies das Finanzamt den Berufungswerber darauf hin, dass er seit 19.10.1999 "Geschäftsführer" der Gesellschaft und daher für die Entrichtung der Abgaben aus deren Mitteln verantwortlich gewesen sei. Bei der Gesellschaft seien näher aufgegliederte Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 65.000,76 uneinbringlich. Er möge darlegen, ob bzw. welche konkreten Mittel oder Vermögenswerte die Gesellschaft noch zur Verfügung habe, um diese Abgabenschulden zu entrichten, oder ob die Abgabenansprüche bei ihm im Haftungsweg durchgesetzt werden müssten. Weiters möge er darlegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen habe können, dass die Abgaben entrichtet wurden (z.B. Fehlen ausreichender Mittel, Zessionsvereinbarung, Einstellung der Überweisungen durch die Hausbank, Weisungen der Gesellschafter usw.). Die entsprechenden Unterlagen zum Beweis seiner Rechtfertigung wären vorzulegen. Falls vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden wären, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen. Schließlich wurde der Berufungswerber ersucht, anhand eines angeschlossenen Fragebogens seine aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen.

Da der Berufungswerber zu diesem Vorhalt keine Stellungnahme abgab, nahm ihn das Finanzamt mit Haftungsbescheid vom 11.2.2005 für folgende Abgaben in Anspruch:

Abgabenart

Zeitraum

Fälligkeit

Betrag

Umsatzsteuer

1999

15.02.2000

11.462,98

Umsatzsteuer

2000

15.02.2001

9.690,56

Umsatzsteuer

2001

15.02.2002

1.926,58

Anspruchszinsen

2000

20.08.2004

982,68

Säumniszuschlag1

2000

16.09.2004

229,26

Säumniszuschlag1

2001

16.09.2004

193,81

Kapitalertragsteuer

1999

13.07.2004

10.469,04

Kapitalertragsteuer

2000

13.07.2004

14.967,89

Kapitalertragsteuer

2001

13.07.2004

2.490,78

Körperschaftsteuer

2000

20.08.2004

8.470,16

Summe

  

60.883,74

In der Begründung wurde auf die Konkursabweisung vom 14.5.2004 verwiesen. Die angeführten Abgabenschuldigkeiten seien somit bei der Gesellschaft nicht mehr einbringlich. Aufgrund der Aktenlage sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeiten der Abgaben zwar Gesellschaftsmittel vorhanden gewesen wären, diese aber nicht zur (anteiligen) Entrichtung der Abgabenschulden verwendet worden seien. Da bei der Tilgung der Schulden der Gesellschaft die Abgabenschulden offenbar schlechter als die übrigen Verbindlichkeiten behandelt worden wären, sei von einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes auszugehen, von dem die haftungsgegenständliche Kapitalertragsteuer ausgenommen sei. Im Übrigen habe nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei. Ein diesbezüglicher Fragenvorhalt des Finanzamtes vom 17.9.2004 sei nicht beantwortet worden. Da ein mangelndes Verschulden an der Pflichtverletzung nicht dargelegt worden wäre, sei von einem Verschulden an derselben auszugehen. Die Geltendmachung der Haftung stelle die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Der Haftungspflichtige habe im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner Pflichten auffallend sorglos gehandelt. Aus diesen Gründen sei die Geltendmachung der Haftung geboten.

Mit Eingabe vom 17.3.2005 wurde gegen diesen Haftungsbescheid und (gemäß § 248 BAO) gegen die Haftungs- und Abgabenbescheide betreffend Kapitalertragsteuer 1999 bis 2001 sowie den Körperschaftsteuerbescheid 2000 Berufung erhoben. Der Berufungswerber sei am 21.3.2000 als einzelzeichnungsberechtigter (handelsrechtlicher) "Geschäftsführer" der Gesellschaft in das Firmenbuch eingetragen worden. Als "inländischer Vertreter" scheine L auf, der die Gesellschaft, ebenfalls selbständig zeichnungsberechtigt, seit 14.2.2000 vertrete. Ein Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft (der Zweigniederlassung) sei am 14.5.2004 mangels Kostendeckung nicht eröffnet worden. Darüber hinaus zeige eine Abfrage beim Companies House, dass die Gesellschaft am 27.7.2004 gelöscht worden sei, der Berufungswerber nur im Zeitraum 19.10.1999 bis zum 10.8.2001 als director eingetragen gewesen sei, und L seit Gründung der Gesellschaft am 19.10.1999 bis zu ihrer Löschung am 27.7.2004 als company secretary fungiert habe. Das Finanzamt habe nicht beachtet, dass die Funktion eines directors bei Private Limited Companies nach dem Companies Act 1985-1989 mit der Funktion eines Geschäftsführers einer inländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht vergleichbar sei, und der Berufungswerber dadurch nicht als Vertreter im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO anzusehen sei. Diese Funktion sei eher dem secretary der Gesellschaft zuzuordnen. Die Haftungsinanspruchnahme sei daher schon dem Grunde nach verfehlt. Keinesfalls komme die Haftungsinanspruchnahme für Abgabenansprüche in Betracht, die nach der Funktionsniederlegung am 10.8.2001 entstanden seien, also insbesondere die Kapitalertragsteuer 2001. Bei Vorliegen von Verlusten könnten Nebenansprüche nicht im Haftungsweg geltend gemacht werden, weil dem Vertreter eben nur die Verwaltung von vorhandenen Mitteln zukomme. Darüber hinaus sei zu beachten, dass der unabhängige Finanzsenat neuerdings ausschließlich im Automationsweg zustande gekommenen Abgabenvorschreibungen (insbesondere SZ und ZI-Vorschreibungen) die Bescheidqualität abspreche. "Betreffend die Berechtigung der Abgabenvorschreibung" sei darauf zu verweisen, dass der Körperschaftsteuerbescheid 2000 und die Haftungs- und Abgabenbescheide betreffend Kapitalertragsteuer 1999 bis 2001 noch nicht rechtskräftig seien, sodass das bisher bereits in den diesbezüglichen Rechtsmittelverfahren vorgebrachte nunmehr nochmals vorgebracht werde.

In einem weiteren Schriftsatz vom 25.4.2006 führte der Vertreter des Berufungswerbers im Wesentlichen aus, dass sich weder die Bestimmungen der Satzung der primärschuldnerischen Gesellschaft noch die der Gründungsurkunde in Einklang mit den dem AktG oder dem GmbHG innewohnenden Grundsätzen bringen ließen. Die Gesellschaftsform der Private Limited Company erscheine mit den Gesellschaftsformen der GesmbH oder AG nicht vergleichbar. Auch wenn die Limited nicht in Großbritannien ansässig sei, werde sie nach den dort für sie geltenden Vorschriften gegründet und in die dortigen Register eingetragen. Die Limited benötige einen Verwalter in Großbritannien, Organe und Vertretungsbefugnis richteten sich nach dem Recht Großbritanniens. Für die Limited gelte das britische Insolvenzrecht mit besonderen Vorschriften zur Geschäftsführerhaftung. Am 21.3.2000 sei die inländische Zweigniederlassung der Gesellschaft in das Firmenbuch eingetragen worden. Als "Geschäftsführer (handelsrechtlich)" sei der Berufungswerber, als inländischer Vertreter L eingetragen worden, der am 29.2.2000 das Finanzamt um Zuteilung einer Steuernummer ersucht habe. Am 28.1.2003 seien in einem gegen den inländischen Vertreter gerichteten verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren Hausdurchsuchungen in verschiedenen, mit dem Berufungswerber in keinem Zusammenhang stehenden Räumlichkeiten durchgeführt worden, woraufhin das Finanzamt eine Buch- und Betriebsprüfung sowie eine Nachschau durchgeführt habe. Die Prüferin habe (näher dargestellte) Feststellungen zu verdeckten Gewinnausschüttungen an den inländischen Vertreter und ihm nahe stehende Personen und Firmen getroffen, die der Kapitalertragsteuer unterlägen. Das Finanzamt habe entsprechende Haftungs- und Kapitalertragsteuerbescheide erlassen. Einer dagegen eingebrachten Berufung sei kein Erfolg beschieden gewesen. Gegen die Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates sei eine beim Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 2005/14/0122 protokollierte Beschwerde anhängig, deren Inhalt wiedergegeben wurde, und "nun auch im Haftungsverfahren vollinhaltlich aufrecht erhalten und damit zum Gegenstand des Verfahren gemacht" werde. Darüber hinaus bringe der Berufungswerber nun vor, dass er die Funktion eines Vertreters iSd § 80 BAO niemals innegehabt habe und seine anlässlich der Übernahme der Funktion des director getroffenen "(dienst?)rechtlichen" Vereinbarungen mit dem eigentlichen Machthaber der Gesellschaft L die Übernahme der abgabenrechtlichen Verantwortlichkeit zu keinem Zeitpunkt umschlossen habe und seine Eintragung im Firmenbuch als "Geschäftsführer" offenbar nur versehentlich erfolgt sei. Dabei sei insbesondere zu beachten, dass dem Finanzamt gegenüber bereits im Fragebogen anlässlich der Zuteilung der Steuernummer für die Gesellschaft und auch auf dem Unterschriftsprobenblatt vom 14.3.2000 ausschließlich L als Geschäftsführer (bzw. Generalbevollmächtigter, Handlungsbevollmächtigter) aufscheine und sämtliche Schriftstücke der Abgabenbehörde ausschließlich diesem bzw. den von diesem jeweils im Namen der Limited beauftragten abgabenrechtlichen Vertretern zugestellt worden seien, wobei der Berufungswerber - selbst im Betriebsprüfungsverfahren - vom Finanzamt niemals als Verantwortlicher im weitesten Sinn kontaktiert worden sei. Der Berufungswerber sei mittellos. Der angefochtene Bescheid enthalte keine Begründung zur Ermessensübung. Dieser Begründungsmangel sei auch im Berufungsverfahren nicht sanierbar. Die Passage des Bescheides, wonach die Geltendmachung der Haftung die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches darstelle, der Berufungswerber im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner Pflichten auffallend sorglos gehandelt habe und aus diesen Gründen die Geltendmachung der Haftung geboten sei, stelle keine "innerhalb des § 20 BAO befindliche Ermessensübung" dar. Eine gesetzeskonforme Ermessensübung hätte jedenfalls auch zu berücksichtigen, dass das Finanzamt (gemeint offenkundig im Abgabenfestsetzungsverfahren) von der zwingenden Norm des § 95 Abs. 5 EStG rechtswidrig keinen Gebrauch gemacht habe. Auch zeige der Haftungsbescheid nicht auf, welche abgabenrechtlichen Pflichten der Berufungswerber verletzt habe, sei er doch zumindest im Innenverhältnis nicht für abgabenrechtliche Belange zuständig gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof vertrete in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass es für die Beurteilung der Verschuldensfrage darauf anzukommen habe, wer mit der Besorgung der steuerlichen Angelegenheiten betraut gewesen sei. Eine Überprüfung der Tätigkeit des für die Entrichtung verantwortlichen Geschäftsführers durch den anderen Geschäftsführer komme nur dann in Betracht, wenn ein Anlass vorliege, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln. Im Fall einer Aufteilung der Agenden zwischen mehreren Geschäftsführern könnten im Regelfall die mit Abgabenangelegenheiten nicht befassten Personen nicht zur Haftung herangezogen werden, wobei eine derartige Agendenverteilung insbesondere auch im Rahmen eines mit dem Geschäftsführer abgeschlossenen Angestelltenvertrages möglich sei. Nichts anderes könne für den gegenständlichen Fall gelten. Zum Beweis dafür, dass der Berufungswerber in der Gesellschaft lediglich Strohmannfunktion innegehabt hätte, mit abgabenrechtlichen Angelegenheiten der Gesellschaft niemals betraut gewesen wäre, die anlässlich der Übernahme der Funktion als director getroffenen (dienst)rechtlichen Vereinbarungen mit dem eigentlichen Machthaber der Gesellschaft die Übernahme der abgabenrechtlichen Verantwortlichkeit zu keinem Zeitpunkt umschlossen habe, und dass die Eintragung des Berufungswerbers im Firmenbuch als Geschäftsführer nur versehentlich erfolgt sei, werde die Vernehmung des L als Zeuge beantragt.

L erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme vom 20.6.2006 ausdrücklich, dass er als für die österreichische Zweigniederlassung der Primärschuldnerin eingetragener Bevollmächtigter aufgrund firmeninterner Aufgabenverteilung für den gesamten Bereich der österreichischen (inländischen) Abgaben zuständig gewesen sei und nicht der Berufungswerber. Die Ausführungen des Vertreters des Berufungswerbers im Schriftsatz vom "25.7.2006" (richtig: 25.4.2006) würden vollinhaltlich bestätigt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Wer zur Vertretung von juristischen Personen in Betracht kommt, bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes (§ 79 BAO), wozu auch jene des Handels- und des Gesellschaftsrechtes gehören (Stoll, BAO, 787). Zu diesen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zählt auch das internationale Privatrecht (Ritz, BAO³, § 79 Tz 5).

Gemäß § 12 IPRG sind die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person nach deren Personalstatut zu beurteilen. Das Personalstatut einer juristischen Person oder einer sonstigen Personen- oder Vermögensverbindung, die Träger von Rechten und Pflichten sein kann, ist das Recht des Staates, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat (§ 10 IPRG).

Nach österreichischem IPR ist daher auf eine Gesellschaft das Recht des Staates anzuwenden, wo die maßgeblichen Geschäftsführungsentscheidungen in die Tat umgesetzt werden. Diese Anknüpfung gilt für alle "gesellschaftsrechtlichen" Rechtsfragen, etwa Vertretungsmacht, Bestellung und Abberufung der Organe und deren Haftung, Kapitalaufbringung und Rechnungslegung. § 10 IPRG wird jedoch bei in England gegründeten Gesellschaften durch die europarechtliche Niederlassungsfreiheit verdrängt, die nach der Rechtsprechung des EuGH die Anwendung des Gründungsrechtes auf im europäischen Ausland gegründete Gesellschaften verlangt. Konsequenz dieser Rechtsprechung des EuGH ist, dass die englische Gesellschaft nach englischem Gesellschaftsrecht zu behandeln ist. Sämtliche Fragen des Innen- und Außenrechts unterliegen somit englischem Recht (Sabine Dommes u.a., Die englische Private Company Limited in Österreich - gesellschaftsrechtliche Fragen, SWI 2005, 477 ff, Punkt II mit zahlreichen Nachweisen).

Die für die Limited geltende Organisationsverfassung ergibt sich aus dem Gesetz (vor allem dem Companies Act), dem common law, den articles und dem memorandum of association und schließlich auch regelmäßig aus dem so genannten Table A. Table A ist eine vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Modellsatzung, die dann zur Geltung gelangt, wenn von den Gesellschaftern keine abweichende Regelung vereinbart wird. Funktionell ist sie dem österreichischen dispositiven Recht vergleichbar. Jede englische Kapitalgesellschaft hat zwei Organe: die Gesellschafterversammlung (general meeting of shareholders), in dem die Gesamtheit der Gesellschafter vertreten ist, und daneben das board of directors, das von der Gesellschafterversammlung gewählt und dem die Leitung der Gesellschaft anvertraut wird. Das englische Gesellschaftsrecht gibt de iure und de facto dem board of directors als Gesamtorgan sehr weit reichende Befugnisse an die Hand. Das genaue Ausmaß seiner Kompetenzen ergibt sich aus der gesellschaftsvertraglichen Abmachung mit den Gesellschaftern. Hier kommt vor allem Regulation 70 Table A große Bedeutung zu, durch die die Direktoren ermächtigt werden, in sämtlichen Belangen die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft zu übernehmen (Dommes u.a., a.a.O., Pkt. III, 2.7. mwN).

Gemäß section 283 CA 1985 hat das board of directors einen company secretary zu bestellen, der wichtige Funktionen in Bezug auf die Geschäftsführung und Corporate Governance erfüllt. Seine Aufgabe ist es, für die Einhaltung der relevanten Gesetze und sonstiger Vorschriften durch die Gesellschaft zu sorgen, das board und seine Mitglieder bei der Erfüllung ihrer Leitungsaufgaben zu unterstützen und die Kommunikation der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern zu gewährleisten. Gemeinsam mit einem director kommt dem secretary Vertretungsmacht zu. Als officer der Gesellschaft haftet der company secretary wie die Direktoren für die Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Pflichten (Dommes u.a., a.a.O., Pkt. III, 2.8. mwN).

In der Satzung der Primärschuldnerin wurde festgehalten, dass die in Table A enthaltenen Vorschriften vorbehaltlich näher angeführter Zusätze als Satzung der Gesellschaft gelten. Die Anwendung der Vorschrift 70 von Table A wurde nicht ausgeschlossen. Im gegenständlichen Fall war daher der Berufungswerber als director der Primärschuldnerin Vertreter der Gesellschaft im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO.

Diese Funktion kam aber auch L zu. Dieser war nicht nur seit der Gründung der Gesellschaft als secretary eingetragen, sondern hatte auch die Funktion des inländischen Vertreters der Zweigniederlassung in Gunskirchen, wobei anzumerken ist, dass nach den Feststellungen im Zuge der Betriebsprüfung die Gesellschaft tatsächlich ohnehin nur im Inland geschäftlich tätig geworden ist. In der Eingabe an das Firmenbuchgericht vom 14.2.2000 war mitgeteilt worden, dass L für den gesamten Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung zum ständigen Vertreter mit selbständiger Vertretungsbefugnis bestellt worden sei. In diesem Zusammenhang wird bemerkt, dass die abgabenrechtlichen Vorschriften des § 80 BAO und die daran anknüpfenden Bestimmungen bei juristischen Personen nicht zwischen der organschaftlichen und der rechtsgeschäftlichen Bestellung des Vertreters unterscheiden (Stoll, BAO, 789). Beide Bestellungsarten sind zulässig. Im Ergebnis hatte die Gesellschaft daher zwei Vertreter im Sinne des § 80: den Berufungswerber und L. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass L daher richtigerweise auch im Firmenbuch als "inländischer Vertreter" der Gesellschaft eingetragen worden war.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können bei mehreren Vertretern die Aufgaben verteilt werden. Primär ist jener Vertreter, der mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist, zur Haftung heranzuziehen. Die mit Abgabenangelegenheiten nicht befassten Personen können im Regelfall nicht zur Haftung herangezogen werden (z.B. VwGH 3.7.2003, 2000/15/0043). Der mit den abgabenrechtlichen Agenden nicht befasste Vertreter der Gesellschaft ist nur dann zur Haftung heranzuziehen, wenn er trotz zumutbarer Wahrnehmung von Unzulänglichkeiten im Agendenbereich des zuständigen Vertreters nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen (z.B. VwGH 13.4.2005, 2005/13/0001). Es muss daher ein Anlass vorliegen, an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zu zweifeln (VwGH 25.11.2002, 99/14/0121). Nur wenn er trotz konkreter Anhaltspunkte für Pflichtverstöße des mit den steuerlichen Agenden betrauten Geschäftsführers nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen, haftet auch der andere Geschäftsführer (VwGH 18.11.1991, 90/15/0123).

Eine Agendenverteilung ist auch im Rahmen eines mit dem Geschäftsführer abgeschlossenen Angestelltenvertrages möglich (VwGH 18.10.1995, 91/13/0037), und ist nicht schon deshalb unbeachtlich, weil sie nicht schriftlich erfolgt bzw. nicht mittels Urkunden nachgewiesen worden ist (VwGH 29.4.1994, 93/17/0395). Im gegenständlichen Fall besteht an der vom Berufungswerber behaupteten Agendenverteilung kein Zweifel. Anlässlich der Zuteilung der Steuernummer wurde auf dem diesbezüglichen Fragebogen nur L als Vertreter der Gesellschaft ausgewiesen. Auch auf dem Unterschriftsprobenblatt findet sich nur dieser. In der Niederschrift über die Nachschau anlässlich der Neuaufnahme wurde ebenfalls L als "Geschäftsführer" festgestellt. Weiters sind die Vollmachtsurkunden über die Bevollmächtigung steuerlicher Vertreter der Gesellschaft von L unterschrieben. An diesen erfolgten laut Aktenvermerk vom 10.7.2002 ab diesem Zeitpunkt auch die Zustellungen der behördlichen Schriftstücke, nachdem eine Zustellvollmacht für den steuerlichen Vertreter widerrufen worden war. Alle im Veranlagungsakt aufliegenden Steuererklärungen wurden von L unterschrieben. Auch im Zuge der Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass dieser seit Gründung wirtschaftlicher Gesellschafter und Geschäftsführer im Sinne des österreichischen Gesellschaftsrechtes sei (Punkt I.2 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 2.6.2004). Auch die Hausdurchsuchungen am 28.1.2003 waren ausschließlich in Räumlichkeiten des L bzw. von ihm repräsentierter Firmen durchgeführt worden (Pkt. I.1 der Niederschrift). Es ist den vorliegenden Akten nicht zu entnehmen, dass der Berufungswerber in irgendeiner Weise im Zuge der Betriebsprüfung kontaktiert worden wäre. Schließlich bestätigte L in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 20.6.2006 ausdrücklich, dass nur er für die inländischen Abgaben zuständig gewesen sei.

Im gesamten Verwaltungsverfahren ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Berufungswerber zu irgendeinem Zeitpunkt von Unzulänglichkeiten im Agendenbereich des zuständigen Vertreters L Kenntnis erlangt hätte. Auch vom Finanzamt wurden diesbezüglich keine Feststellungen getroffen. Mangels konkreter Anhaltspunkte für Pflichtverstöße des mit den steuerlichen Agenden betrauten Geschäftsführers war der Berufungswerber daher auch nicht gehalten, Abhilfe zu schaffen, sodass ihm keine schuldhafte Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann.

Der Vollständigkeit halber wird noch darauf hingewiesen, dass die Judikatur zur Frage der Betrauung eines nicht geschäftsführenden Dritten (z.B. Gesellschafter, Angestellter, Steuerberater etc.) und die dabei zu beachtende Überwachungspflicht (Judikaturnachweise bei Ritz, BAO³, § 9 Tz 13) bei einer Mehrheit von Vertretern im Sinne des § 80 BAO nicht angewendet werden kann (vgl. auch dazu VwGH 25.11.2002, 99/14/0121).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am 18. Juli 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Private Company Limited, Personalstatut, inländische Zweigniederlassung, director, secretary, Agendenverteilung

Verweise:

Sabine Dommes u.a., Die englische Private Company Limited in Österreich, SWI 2005, 477
VwGH 03.07.2003, 2000/15/0043
VwGH 13.04.2005, 2005/13/0001
VwGH 25.11.2002, 99/14/0121
VwGH 18.11.1991, 90/15/0123
VwGH 18.10.1995, 91/13/0037
VwGH 29.04.1994, 93/17/0395

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