UFS RV/0090-G/05

UFSRV/0090-G/0510.6.2005

Liebhaberei bei einem nebenberuflich tätigen Privatgeschäftsvermittler

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/15/0097 eingebracht. Mit Erk. v. 18.10.2007 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0851-G/07 erledigt.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Mag. Hedwig Weber, 8940 Liezen, Ausseerstraße 32, vom 4. Jänner 2005 gegen die Bescheide des Finanzamtes Judenburg Liezen vom 3. Dezember 2004 betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2003 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin erzielte in den Jahren 2001-2003 neben ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (negative) Einkünfte aus der im Jahr 1999 begonnenen Tätigkeit als Privatgeschäftsvermittler der A GmbH.

Aus den Abgabenerklärungen und deren Beilagen sind folgende Einkünfte bzw. Betriebseinnahmen und -ausgaben ersichtlich.

 

2001

2002

2003

Einnahmen

891,15

2608,10

3.043,90

Ausgaben

   

Km-Geld

5.775,89

4.848,48

4.972,40

Diäten

656,04

739,90

 

Ausbildungskassetten

479,64

518,30

 

Bücher

192,05

181,00

 

Tools

392,92

186,13

 

Eintritt Open

34,52

42,17

 

Eintritte BBS

98,11

108,33

 

Wochenendseminare

351,24

385,42

5,204,45

Nächtigungen

351,08

378,02

 

Amtel int.

 

200,00

 

Steuerberatung

 

83,00

 

Bahnkarten

110,99

  

Instandhaltg. PC

 

75,84

 

Porti

 

7,41

 

Telefon

666,25

770,26

 

Betriebskosten Büro

144,85

88,76

 

Zinsen Büro

76,68

66,90

41,56

AfA PC

140,64

281,27

453,60

Summe (Ausgaben)

9.470,91

8.961,19

10.672,01

Verlust

8.579,76

6.353,09

7.628,11

Diese Verluste wurden vom Finanzamt in den vorläufig ergangenen Bescheiden berücksichtigt, nicht jedoch in den in der Folge erlassenen endgültigen Bescheiden.

In ihrer rechtzeitig eingebrachten Berufung richtete sich die Bw. gegen die Nichtanerkennung der (negativen) Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus ihrer Tätigkeit als Network Marketing-Agent auf Provisionsbasis.

Dazu führte die steuerliche Vertreterin der Bw. aus, ihre Mandantin sei nicht unter die angeblich amtsbekannte Tatsache einzureihen, dass nebenberuflich tätige A-Vertreter in der Regel keine Gewinne erzielen und offenbar systembedingt vor dem Erzielen eines Gesamtgewinnes aufgeben. Ihre Mandantin sei keine bloße A-Vertreterin, die vorwiegend Produkte verkaufe, sondern sie habe bisher ein Umsatznetzwerk mit 147 Geschäftspartnern aufgebaut, die großteils in den Städten Wien, Graz und Linz arbeiteten. Die Bw. liege derzeit bereits bei einem Leistungsbonus von 15 % vom Gesamtpunktewert, der aus den bestellten Produkten ermittelt werde. Die höchste Bonusstufe betrage 21 % und stelle das durchaus realisierbare Ziel der Bw. dar. Ihre konkreten Provisionseinnahmen seien einerseits vom Verhalten ihrer Geschäftspartner und andererseits von ihrem eigenen Ausbau des Netzwerkes abhängig. Das Erzielen eines Gesamtgewinnes sei bei ihrem derzeitigen Geschäftpartnerstand sogar theoretisch ohne weiteres Engagement möglich. Zum 21. Dezember 2004 habe sie bei Einnahme von € 2.959,94 und Ausgaben in Höhe von € 2.921,81 einen Gewinn von € 38,13 erzielt. Die zahlenmäßige Darstellung von Planwerten für die Folgejahre sei systembedingt schwierig. Das Gesamtbild der Verhältnisse sei jedoch nicht nur subjektiv sondern auf Grund der Anlage der Leistungstabelle bei dem Ausbau des Netzwerkes mit derzeit 147 Geschäftspartnern auch objektiv geeignet, einen Gesamtüberschuss zu erzielen.

Weiters bemerkte die Bw., dass dem Punkt 6.3 zu entnehmen sei, dass Anlaufverluste nicht aberkannt werden können, wenn § 1 Abs. 1 LVO vorliege.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, dass die Berufung keine Anhaltspunkte dafür biete, dass ihre Tätigkeit nicht mit den üblichen A-Vertretern vergleichbar sei und wies auf die Bestimmung des § 2 Abs. 2 letzter Satz der Liebhabereiverordnung hin.

In der Folge stellte die Bw. den Antrag auf Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und wiederholte darin ihr Berufungsbegehren.

Über die Berufung wurde erwogen:

Liegt eine Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 der Liebhabereiverordnung (LVO), BGBl. Nr. 33/1999, vor, ist das Vorliegen von Einkünften zu vermuten. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn die Absicht, einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, nicht anhand objektiver Umstände nachvollziehbar ist. Fallen bei Betätigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Verluste an, so ist das Vorliegen der Absicht, einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, insbesondere an Hand der im § 2 Abs. 1 Z 1 bis 6 LVO genannten Kriterien zu beurteilen.

Innerhalb der ersten drei Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre) ab Beginn einer Betätigung (z.B. Eröffnung eines Betriebes) im Sinne des § 1 Abs. 1 LVO, längstens jedoch innerhalb der ersten fünf Jahre ab dem erstmaligen Anfallen von Aufwendungen (Ausgaben) für diese Betätigung liegen nach § 2 Abs. 2 LVO jedoch jedenfalls Einkünfte vor.

Ein Anlaufzeitraum im Sinn des ersten Satzes darf nicht angenommen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls damit zu rechnen ist, dass die Betätigung vor dem Erzielen eines Gesamtgewinnes (Gesamtüberschusses) beendet wird (§ 2 Abs. 1 und 2 LVO).

Die nach der Liebhabereiverordnung maßgebliche Absicht des Steuerpflichtigen, einen Gesamtgewinn zu erzielen, ist ein innerer Vorgang (Willensentschluss), der erst dann zu einer steuerlich erheblichen Tatsache wird, wenn er durch seine Manifestation in die Außenwelt tritt. Es genügt daher nicht, dass der Steuerpflichtige die Absicht hat, Gewinne zu erzielen, vielmehr muss die Absicht an Hand der im § 2 Abs. 1 LVO beispielsweise aufgezählten Kriterien beurteilt werden. Auf Wunschvorstellung desjenigen, der die Betätigung entfaltet, kommt es hierbei nicht an (VwGH 21.06.1994, 93/14/0217).

Mit der Frage, ob die Tätigkeit eines A-Vertreters eine steuerlich beachtliche Einkunftsquelle darstellt, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in den Erkenntnissen vom 21. Juni 1994, 93/14/0217, und vom 12. August 1994, 94/14/0025, auseinandergesetzt und ist dabei zu der Auffassung gelangt, dass es sich bei dem im Einzelnen beschriebenen Vertriebs- und Provisionssystem von A-Produkten um eine Vermittlertätigkeit handelt, die grundsätzlich nach einem sich totlaufenden Schneeballsystem aufgebaut ist. Über einem Vertreter befinden sich so genannte Sponsoren (Subvertreter), die an seinem Umsatz beteiligt sind; unter ihm sind jene A Sponsoren (Subvertreter), die von ihm selbst "gesponsert" (geworben) wurden. Es dürfen lediglich Produkte der A GmbH vertrieben werden, wobei es keinen Gebietsschutz gibt und auch die Preise von der A GmbH festgelegt werden. Auf der Ausgabenseite solcher Vertreter, die idR nebenberuflich tätig sind und ihre Kunden bzw. Subvertreter vor allem im Freundes-, Bekannten- und Verwandtenkreis anwerben, wobei es in der Natur der Sache liegt, dass dieser Kundenkreis auf Grund der gegenseitigen Konkurrenz binnen kurzem ausgeschöpft ist und solcher Art eine Marktverengung eintritt, fallen regelmäßig beträchtliche Schulungs- bzw. Seminarkosten, Kfz-Kosten und Reisespesen sowie Aufwendungen für Vorführwaren und Telefon an.

Unter derartigen Voraussetzungen ist die Tätigkeit eines A-Vertreters nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes aber objektiv gesehen nicht zur Erzielung eines Gesamtgewinnes geeignet.

Mit Erkenntnis vom 22. Februar 2000, 96/14/0038, hat der Verwaltungsgerichtshof die bis dahin strittige Frage beantwortet, ob bei bestimmten Privatgeschäftsvermittlungstätigkeiten ein Anlaufzeitraum gemäß § 2 Abs. 2 der Liebhabereiverordnung anzuerkennen ist oder ob von einer zeitlich begrenzten Tätigkeit ausgegangen werden kann und somit ein Anlaufzeitraum zu verneinen ist. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, "dass bei keinen Gebietsschutz genießenden und im Schneeballsystem Subvertreter werbenden Privatgeschäftsvermittlern, die Schulungen sowie Vorführmaterial auf eigene Kosten erwerben und überdies hohe Reiseaufwendungen tätigen müssen, schon systembedingt iSd § 2 Abs. 2 letzter Satz LVO 1993 damit zu rechnen ist, dass die Betätigung vor dem Erzielen eines Gesamtgewinnes beendet wird."

In Ihrem Schriftsatz vom 17. März 2003 vertritt die Bw. die Ansicht, dass die Ausführungen in diesem Erkenntnis nicht auf ihre Situation zutreffen, da es sich bei ihrer Tätigkeit um das Organisieren eines Handelsnetzes handle.

Aber auch dazu hat der VwGH bereits im Erkenntnis vom 21. Juni 1994, 93/14/0217, ausgeführt, dass jeder neu geworbene A-Vertreter auch ein Konkurrent des ihn werbenden A-Vertreters ist, weswegen sich durch die Werbung neuer A-Vertreter die Umsätze nicht beliebig steigern lassen. Das erklärt auch, dass es zu der von der Bw. in ihrer Prognoserechnung erhofften Steigerung auf € 15.000,00 im Jahr 2004 (tatsächlich € 2.959,94) nicht kommen konnte.

Wie das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung unwidersprochen ausgeführt hat, gibt es keinen Grund zur Annahme, dass die Tätigkeit der Bw. sich von der anderer A-Vertreter unterscheide. Vielmehr bestätigt die von der Bw. vorgelegte A-Vertragskopie eine idente Vorgangsweise.

Die in den oben zitierten Erkenntnissen vom 21. Juni 1994 und 12. August 1994 wiedergegebene Tatsache, dass aus der vorgegebenen, vom jeweilige Vertreter nicht beeinflussbaren Vertriebsorganisation, die Unmöglichkeit resultiert, Gewinne zu erzielen, findet auch im vorliegenden Fall Bestätigung. Die von der Bw. prognostizierten Ergebnisse weichen von den tatsächlich erwirtschafteten Verlusten ab. So wurde von der Bw. bereits für das Jahr 2003 das Erzielen eines Gewinnes erhofft, in Wirklichkeit jedoch ein Verlust in Höhe von € 7.628,11 erzielt. Die dabei erwarteten Ausgaben hat die Bw. mit € 6.315,50 veranschlagt. Laut Erklärung wurden jedoch € 10.672,01 als Betriebsausgaben geltend gemacht. Dabei fällt aber auf, dass Aufwendungen ua. für Telefon oder Betriebskosten fehlen.

So vertritt auch der unabhängige Finanzsenat im vorliegenden Fall die Auffassung, dass die gegenständliche Tätigkeit objektiv nicht zur Gewinnerzielung geeignet bzw. von vornherein damit zu rechnen war, dass die Betätigung vor dem Erreichen eines Gesamtgewinnes beendet würde und konnten daher auch die Anlaufverluste steuerlich nicht berücksichtigt werden.

Im vorliegenden Fall hat die steuerliche Vertreterin der Bw. mit Schriftsatz vom 28. Februar 2005 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Gemäß § 284 Abs. 1 Z 1 Bundesabgabenordnung (BAO) hat eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Berufung (§ 250), im Vorlageantrag (§ 276 Abs. 2) oder in der Beitrittserklärung (§ 285 Abs. 1) beantragt wird.

Ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung setzt somit einen rechtzeitigen Antrag des Berufungswerbers voraus. Anträge, die - wie im vorliegenden Fall - erst in einem die Berufung ergänzenden Schreiben gestellt werden, begründen jedoch keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (VwGH 23.4.2001, 96/14/0091).

Es war somit wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Graz, am 10. Juni 2005

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 2 Abs. 2 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993

Schlagworte:

Privatgeschäftsvermittler, Anlaufzeitraum, Liebhaberei, Schneeballsystem, Gebietsschutz, Einkunftquelle

Verweise:

VwGH, 96/14/0038
VwGH, 93/14/0217
VwGH, 94/14/0025

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