VwGH 96/14/0091

VwGH96/14/009123.4.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde des J W in T, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalt-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat II) vom 5. Juli 1995, Zl. 70.434-7/95, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 1986 bis 1990 sowie Einkommensteuer für die Jahre 1986 bis 1991, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13;
BAO §243;
BAO §278;
BAO §282 Abs1;
BAO §284 Abs1;
BAO §303;
BAO §307 Abs1;
BAO §85;
BAO §92 Abs1;
BAO §93 Abs2;
VwRallg;
AVG §13;
BAO §243;
BAO §278;
BAO §282 Abs1;
BAO §284 Abs1;
BAO §303;
BAO §307 Abs1;
BAO §85;
BAO §92 Abs1;
BAO §93 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Rahmen der Bestimmungen des Stadterneuerungsgesetzes, BGBl. Nr. 287/1974 - StEG, errichtete die "Erneuerungsgemeinschaft Ortszentrum T" (im Folgenden kurz: EGOT) das "Ortszentrum T", in dem sich Tiefgaragen sowie Wohn-, Büro- und Geschäftseinheiten befinden. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der im "Ortszentrum T" errichteten Wohnungen Top 13 und Top 14. Die Wohnungen wurden im Jahre 1987 erstmals vermietet. Bei Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelte der Beschwerdeführer die Kosten für die beiden Wohnungen als Assanierungsaufwendungen im Sinne des StEG und setzte sie verteilt auf zehn Jahre ab.

Nachdem die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zunächst erklärungsgemäß veranlagt worden waren, erließ das Finanzamt nach einer Wiederaufnahme der Verfahren von Amts wegen gemäß § 303 Abs. 4 BAO am 29. Jänner 1993 neue Sachbescheide betreffend Einkommensteuer für die Kalenderjahre 1986 bis 1990, wobei der AfA-Satz auf 1,5 % der "Baukosten" der beiden Wohnungen geändert wurde. Die Sonderabschreibung (Zehntelabsetzung) nach dem Stadterneuerungsgesetz könne nur bei Vorliegen eines Herstellungsaufwandes geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer sei der EGOT erst im Dezember 1986 beigetreten, somit nach Abschluss der Assanierungsmaßnahmen. Es liege daher ein Anschaffungsvorgang hinsichtlich bereits fertig gestellter Wohnungen vor. Für Anschaffungskosten stehe jedoch lediglich die normale Absetzung für Abnutzung in Höhe von 1,5 %, nicht jedoch die Absetzung für Abnutzung in Höhe von 10 % nach dem StEG zu.

Mit Schreiben vom 10. März 1993 erhob der Beschwerdeführer sowohl gegen die Wiederaufnahmebescheide als auch gegen die Sachbescheide Berufung. In der gesonderten Berufungsbegründung vom 22. März 1993 wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Wiederaufnahme der Verfahren mit der Begründung, es seien keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hinsichtlich der EGOT, des Assanierungsvorhabens und der steuerlichen Geltendmachung der Zehntelabschreibung ab 1986 hervorgekommen. Hinsichtlich der Sachbescheide brachte der Beschwerdeführer vor, die Begünstigungen des Stadterneuerungsgesetzes stünden unabhängig von einer Bauherreneigenschaft zu. Zudem sei der Beschwerdeführer der EGOT bereits am 19. Februar 1985, somit vor Fertigstellung der beiden Wohnungen, beigetreten. In demselben Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer auch die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

In der Folge erging ein der Ansicht des Finanzamtes Rechnung tragender Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1991, gegen den der Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine bisherigen Ausführungen gleichfalls Berufung erhob.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren als verspätet zurück und hinsichtlich der Sachbescheide als unbegründet ab. Der Antrag des Beschwerdeführers vom 1. März 1993, die Berufungsfrist zu verlängern, habe sich lediglich auf die "berichtigten Einkommensteuerbescheide 1986 bis 1990" und somit nicht auf die Bescheide, mit denen die Wiederaufnahme der Verfahren verfügt worden war, bezogen. Die Anschaffung eines Gebäudes sei gemäß § 38 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 StEG nicht als Assanierungsmaßnahme anzusehen. Voraussetzung für die Zehntelabsetzung im Sinne des StEG sei daher, dass der Beschwerdeführer als Hersteller der Wohnungen angesehen werden könne. Wer Bauherr sei, bestimme die Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 18. Mai 1990 betreffend Herstellungs- und Instandsetzungsaufwendungen bei Gebäuden (Bauherrenverordnung).

Gemäß § 2 der Bauherrenverordnung könnten Aufwendungen für die Herstellung eines Gebäudes nur dann gemäß § 28 Abs. 2 und 3 EStG 1988 (§ 28 Abs. 2 Z. 2 bis 4 EStG 1972) abgesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige das mit der Herstellung verbundene wirtschaftliche Risiko trage. Dieses Risiko trage derjenige, der auf eigene Rechnung und Gefahr ein Gebäude herstelle oder herstellen lasse. Gemäß § 3 der Bauherrenverordnung sei ein wirtschaftliches Risiko im Sinne des § 2 leg. cit. anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige ein näher definiertes Preisrisiko trage und mit der tatsächlichen Bauausführung erst nach der Anschaffung des Grund und Bodens (Gebäudes) durch den Steuerpflichtigen begonnen werde.

Im Beschwerdefall sei auf Grund der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 19. Juli 1977 das in der Anlage zur Verordnung ausgewiesene Gebiet der Marktgemeinde T gemäß § 1 Abs. 1 StEG zum Assanierungsgebiet erklärt und mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 22. Juni 1977 gemäß § 12 Abs. 1 StEG angeordnet worden, dass die Gemeinde T und zwei näher bezeichnete Kreditinstitute (als Eigentümer der zum Assanierungsvorhaben erforderlichen Grundstücke) für die gemeinsame Durchführung des Assanierungsvorhabens die Erneuerungsgemeinschaft "Ortszentrum T" bilden und die betreffenden Grundstücke in die Erneuerungsgemeinschaft EGOT einbringen.

Am 7. Dezember 1977 sei die EGOT in das Genossenschaftsregister eingetragen und damit begründet worden. Rechtsgrundlage der EGOT sei das am 27. September 1976, 10. Jänner und 5. Februar 1977 unterfertigte Statut. Dieses ermögliche es auch Personen, die selbst nicht Grundeigentümer seien, durch Leistung eines Geldbetrages der EGOT beizutreten.

Am 19. Februar 1985 habe der Beschwerdeführer eine (einseitige) "Beitrittserklärung" mit folgendem Inhalt unterfertigt:

"Herr ... (der Beschwerdeführer)

tritt der "Erneuerungsgemeinschaft Ortszentrum T" ... als Mitglied gemäß § 2 des Statuts der Erneuerungsgemeinschaft bei und zwar zum Zwecke der Miterrichtung und der Erwerbung eines Geschäftes bzw. einer Wohnung.

Die Ausarbeitung der näheren Bedingungen bleibt einer noch zu erstellenden Urkunde vorbehalten. ..."

Die für den Beitritt zur EGOT erforderliche Zustimmung der Liegenschaftseigentümer sei jedoch erst bei der Vorstands- und Aufsichtsratssitzung vom 10. Dezember 1986 erteilt worden. Erst auf Grundlage dieses Sitzungsbeschlusses hätten die Funktionäre der EGOT am 19. Dezember 1986 (hinsichtlich der Wohnung Top 13) und am 16. Juni 1987 (hinsichtlich der Wohnung Top 14) detaillierte (die vom Beschwerdeführer zu leistenden Geldbeträge enthaltende) Vereinbarungen unterfertigt. Die beiden Wohnungen seien am 30. September bzw. am 1. Oktober 1986 fertig gestellt worden. Daraus folge, dass der Beschwerdeführer erst nach Fertigstellung der beiden Wohnungen Mitglied der EGOT geworden sei. Die für die beiden Wohnungen aufzuwendenden Grundanteilskosten bzw. fixen Baukostenbeiträge seien demnach auch nicht - wie formularmäßig vorgesehen - nach Baufortschritt in sieben Teilbeträgen, sondern in zwei Beträgen (S 600.000,-- und S 33.700,--) im Dezember 1986 hinsichtlich der Wohnung Top 13 und in einem Betrag in Höhe von S 640.800,-- am 30. November 1987 hinsichtlich der Wohnung Top 14 geleistet worden. Der Beschwerdeführer habe demnach - da die Wohnungen zum Zeitpunkt seines Beitrittes zur Erneuerungsgemeinschaft bereits fertig gestellt gewesen seien - keinerlei Assanierungsmaßnahmen gesetzt. Diese Entscheidung habe die belangte Behörde ohne Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung treffen können, da der darauf gerichtete Antrag des Beschwerdeführers erst in einem die Berufung ergänzenden Schriftsatz gestellt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof - über die ergänzte Beschwerde erwogen:

1. Berufung gegen die Wiederaufnahme der Verfahren:

Der Beschwerdeführer bringt vor, sein steuerlicher Vertreter habe mit Schriftsatz vom 1. März 1993 "zur Beschaffung von Unterlagen für die Einbringung einer Berufung gegen obige Bescheide ... um Verlängerung der Rechtsmittelfrist bis zum 10. März 1993" ersucht. Im Betreff dieses Antrages habe der steuerliche Vertreter neben Namen, Adresse und Steuernummer auch die Angabe "Verlängerung der Rechtsmittelfrist" und die Worte "berichtigte Einkommensteuerbescheide 1986 bis 1990 vom 29. 1. bzw. 1. 2. 1993" angeführt. Da eine "berichtigte" Einkommensteuerfestsetzung überhaupt nur deshalb möglich gewesen sei, weil das Finanzamt die Wiederaufnahme der Verfahren verfügt habe, könne "nach Treu und Glauben" kein Zweifel daran bestehen, dass sich der Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist auch auf die Wiederaufnahmebescheide bezogen habe.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich - ungeachtet ihrer allfälligen formularmäßigen Verbindung - beim Wiederaufnahmsbescheid und beim neuen Sachbescheid um zwei Bescheide, die jeder für sich einer Berufung zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, 99/13/0225). Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, dass es bei Parteienerklärungen nicht auf förmliche Bezeichnungen und verbale äußere Formen ankommt, sondern auf den Inhalt, also auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschrittes (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 99/14/0104). Der Fristerstreckungsantrag vom 1. März 1993 enthält jedoch auch seinem gesamten Inhalte nach keinerlei Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer auch die Wiederaufnahme der Verfahren zu bekämpfen beabsichtigte. Zur Begründung des Fristerstreckungsansuchens verwies der Beschwerdeführer lediglich auf die für die Einbringung einer Berufung erforderliche "Beschaffung von Unterlagen". Der in der Beschwerde sinngemäß angestellte Vergleich mit einer Berufung, die sich in ihrem Betreff zwar nur auf die Sachbescheide bezieht, ihrem gesamten Inhalte nach jedoch die Wiederaufnahme der Verfahren bekämpft, trifft daher auf den Beschwerdefall nicht zu.

Die belangte Behörde war auch nicht deswegen an einer Zurückweisung der Berufung im erwähnten Umfange als verspätet gehindert, weil nicht schon der Vorsitzende gemäß § 282 Abs. 1 Satz 1 BAO den Zurückweisungsgrund aufgegriffen hat. Vielmehr war es der belangten Behörde gemäß § 278 BAO aufgetragen, die Zurückweisung mit Bescheid auszusprechen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, 93/15/0192, mit weiteren Nachweisen).

2. Mündliche Berufungsverhandlung:

Gemäß § 284 Abs. 1 BAO hat über die Berufung eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es der Vorsitzende des Senates für erforderlich hält, wenn es der Senat auf Antrag eines Beisitzers beschließt oder wenn es eine Partei beantragt. Dieser Antrag ist in der Berufung (§ 250 BAO), in der Beitrittserklärung (§ 258 BAO) oder in einem Antrag gemäß § 276 Abs. 1 BAO zu stellen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es nicht, wenn ein entsprechender Antrag erst in einem ergänzenden Schriftsatz gestellt wird (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2001, 2000/13/0137). Im Beschwerdefall wurde der Antrag auf mündliche Verhandlung nicht im Berufungsschriftsatz vom 10. März 1993, sondern erst in der Berufungsergänzung vom 22. März 1993 gestellt. Der von der Beschwerde behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

3. Sachbescheide:

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 29. März 2001, 97/14/0064, mit einem vergleichbaren Beschwerdefall befasst. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. Danach ist im Beschwerdefall entscheidend, ob die belangte Behörde in schlüssiger Weise begründet hat, dass der Beitritt des Beschwerdeführers zur Erneuerungsgemeinschaft erst zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem die später vermieteten Wohnungen bereits fertig gestellt waren. Gemäß § 3 des Statutes der EGOT bedarf der Beitritt von Personen, die selbst nicht Eigentümer der zu dem Assanierungsvorhaben gehörenden Grundstücke sind, der im § 12 StEG näher umschriebenen Zustimmung der Liegenschaftseigentümer. Der Beschwerdeführer tritt den Feststellungen der belangten Behörde, dass diese Zustimmung dem Beschwerdeführer erst anlässlich der am 10. Dezember 1986 stattgefundenen Vorstands- und Aufsichtsratssitzung erteilt wurde, nicht entgegen. Er behauptet auch nicht, dass sich die EGOT bereits vor diesem Zeitpunkt zur Annahme seiner Beitrittserklärung verpflichtet habe. Der vom Beschwerdeführer in seiner Replik auf die Gegenschrift der belangten Behörde vorgebrachte Einwand, die Zustimmung der Liegenschaftseigentümer erweise sich als "Formalakt", da nach Abgabe seiner Beitrittserklärung nicht anderweitig über die beiden Wohnungen disponiert worden sei, zeigt nicht auf, dass einer solchen Verfügung ein rechtliches Hindernis entgegen gestanden wäre. Die belangte Behörde durfte daher auch im Beschwerdefall davon ausgehen, dass der Beitritt des Beschwerdeführers zur Erneuerungsgemeinschaft erst erfolgt ist, als die zu erwerbenden Objekte bereits fertig gestellt (assaniert) waren und der Beschwerdeführer daher selbst keine Assanierungsmaßnahmen (auch nicht im Wege der Erneuerungsgemeinschaft) gesetzt hat.

Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. April 2001

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