Normen
AuskunftspflichtG 1987 §1
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1
AuskunftspflichtG 1987 §3
AuskunftspflichtG 1987 §4
AVG §13 Abs8
B-VG Art17
B-VG Art20 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28 Abs2
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2023130001.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufgehoben.
Begründung
1 Mit E-Mail vom 2. Juni 2020 beantragte der Mitbeteiligte gemäß §§ 2 und 3 Auskunftspflichtgesetz die (Bekanntgabe der) „Namen aller Unternehmen die im Zuge der Covid 19 Pandemie Steuerstundungen und/oder Zuschüsse zu den Fixkosten und/oder Garantien für Kredite beantragt haben und die jeweiligen Summen der bisher genehmigten Hilfen für jedes Unternehmen.“ Für den Fall einer vollständigen oder teilweisen Nichterteilung der Auskunft beantrage er die Ausstellung eines Bescheides.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde (nunmehriger Revisionswerber) vom 26. August 2020 wurde dieses Auskunftsbegehren „abgewiesen“.
3 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er begehrte, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und der belangten Behörde die unverzügliche Herstellung eines rechtskonformen Zustandes (Erteilung der begehrten Auskunft) auftragen.
4 Nach Aktenvorlage an das Bundesverwaltungsgericht erstattete der Mitbeteiligte am 1. Dezember 2020 eine Stellungnahme, in welcher er u.a. das Auskunftsbegehren „modifizierte“. Er beantrage nunmehr (die Bekanntgabe) der „Namen aller Unternehmen denen im Zuge der COVID‑19‑Pandemie Steuerstundungen und/oder Zuschüsse zu den Fixkosten und/oder Garantien für Kredite genehmigt wurden und die jeweiligen Summen der bisher genehmigten Hilfen für jedes Unternehmen, sofern die Summe der genehmigten Hilfen jeder Kategorie (Steuerstundungen, Fixkostenzuschüsse und Kreditgarantien) einen Betrag übersteigt, der höher als die untersten 10% aller im jeweiligen Bereich genehmigten Hilfen ist.“ Hiezu wurde auch geltend gemacht, es handle sich um ein „minus“ zur früheren Anfrage, nicht um ein „aliud“. Es liege keine wesentliche Änderung iSd § 13 Abs. 8 AVG vor. Der Einschränkung liege die Überlegung zugrunde, dass die auf EU‑Recht fußende Transparenzdatenbank für das EU‑Haushaltsjahr 2019 insgesamt 115.280 Einträge enthalte. Davon seien 10.129 Einträge unter 1.250 € und damit anonymisiert. Das entspreche „den untersten 8,78 % an Förderempfängern.“ Für diejenigen Unterstützungswerber, die sich innerhalb der untersten 10 % aller genehmigten Leistungen bewege, werde daher eine namentliche Bekanntgabe nicht (mehr) beantragt, sondern lediglich die Angabe der pro Kategorie genehmigten Summe. So werde sichergestellt, dass insbesondere kleine und Familienunternehmen sowie Einzelunternehmerinnen und ‑unternehmer nicht im Fokus stünden. In diesem Sinne werde auch das Beschwerdebegehren modifiziert. Der Beschwerde möge mit der Maßgabe stattgegeben werden, „dass die belangte Behörde die beantragte Auskunft zu Unrecht verweigerte und zwar betreffend eine Auflistung der Namen aller Unternehmen, denen im Zuge der COVID‑19‑Pandemie Steuerstundungen und/oder Zuschüsse zu den Fixkosten und/oder Garantien für Kredite genehmigt wurden und die jeweiligen Summen der bisher genehmigten Hilfen für jedes Unternehmen, sofern die Summe der genehmigten Hilfen jeder Kategorie (Steuerstundungen, Fixkostenzuschüsse und Kreditgarantien) einen Betrag übersteigt, der höher als die untersten 10% aller im jeweiligen Bereich genehmigten Hilfen ist.“
5 Die belangte Behörde erstattete hiezu eine Stellungnahme, in welcher sie u.a. ausführte, die vom Mitbeteiligten vorgenommene Modifikation seines ursprünglichen Auskunftsbegehrens im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei unzulässig. Verfahrensleitender Antrag sei hier der Antrag auf Erlassung eines Bescheides. Nur der Antrag, nicht aber das Auskunftsbegehren selbst könne im Rahmen des § 13 Abs. 8 AVG modifiziert werden. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts habe bloß feststellenden Charakter; es habe sich darauf zu beschränken, ob die Auskunft zu Recht oder zu Unrecht verweigert worden sei. Diese Feststellung könne sich nur auf jenes Auskunftsbegehren beziehen, welches auch Gegenstand der Entscheidung der belangten Behörde gewesen sei.
6 In einer weiteren Eingabe vom 8. Juni 2021„verdeutlichte“ der Mitbeteiligte seinen Antrag dahin, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde mit der Maßgabe stattgeben, dass die belangte Behörde die beantragte Auskunft zu Unrecht verweigerte und zwar betreffend eine Auflistung der „Namen aller Unternehmen, denen im Zuge der COVID‑19‑Pandemie Steuerstundungen und/oder Zuschüsse zu den Fixkosten und/oder Garantien für Kredite genehmigt wurden und die jeweiligen Summen der bisher genehmigten Hilfen für jedes Unternehmen. Jene 10% der Unternehmen, die in jeder Kategorie (Steuerstundungen, Fixkostenzuschüsse und Kreditgarantien) zu jenen gehören, die am Wenigsten erhalten haben, sind dabei nicht zu beauskunften.“ In eventu beantrage er, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde mit der Maßgabe stattgeben, dass die belangte Behörde die beantragte Auskunft zu Unrecht verweigerte und zwar betreffend eine Auflistung der „Namen aller Unternehmen, denen im Zuge der COVID‑19‑Pandemie Steuerstundungen und/oder Zuschüsse zu den Fixkosten und/oder Garantien für Kredite genehmigt wurden und die jeweiligen Summen der bisher genehmigten Hilfen für jedes Unternehmen.“
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde mit der Maßgabe statt, dass die belangte Behörde die beantragte Auskunft betreffend das Auskunftsersuchen „betreffend eine Auflistung der Namen aller Unternehmen, denen im Zuge der COVID‑19‑Pandemie Steuerstundungen und/oder Zuschüsse zu den Fixkosten und/oder Garantien für Kredite genehmigt wurden und die jeweiligen Summen der bisher genehmigten Hilfen für jedes Unternehmen. Jene 10% der Unternehmen, die in jeder Kategorie (Steuerstundungen, Fixkostenzuschüsse und Kreditgarantien) zu jenen gehören, die am Wenigsten erhalten haben, sind dabei nicht zu beauskunften“ insofern zu Unrecht verweigert habe, als sie im Hinblick auf Zuschüsse zu den Fixkosten und/oder Garantien für Kredite in näher genanntem Umfang im Rahmen des genannten Auskunftsbegehrens nicht beauskunftet habe. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei.
8 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Verwaltungsgericht ‑ soweit hier von Bedeutung ‑ im Wesentlichen aus, das Bundesverwaltungsgericht habe grundsätzlich nicht nur über die gegen einen Bescheid eingebrachte Beschwerde zu entscheiden, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden gewesen sei. Die Sache des bekämpften Bescheides stelle aber den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte dar. In einem Beschwerdeverfahren betreffend eine Auskunftspflicht sei das Verwaltungsgericht alleine zu der spruchmäßigen Feststellung zuständig, dass die mit einem Auskunftsbegehren befasste Behörde eine Auskunft zu Recht oder zu Unrecht verweigert habe. Gelange ein Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass die belangte Behörde die Auskunft zu Unrecht verweigert habe, so könne es lediglich diesen feststellenden Ausspruch tätigen.
9 Die Modifikation des Antrags stelle lediglich eine „Verkleinerung“ des ursprünglichen Ersuchens dar, also ein „minus“. Die geforderte Auskunft sei eingeschränkt worden. Durch diese Änderung des Ersuchens werde weder die anzuwendende Rechtsgrundlage noch die Zuständigkeit der Rechtsmittelinstanz geändert.
10 Die Revision sei zulässig, weil u.a. Rechtsprechung des Höchstgerichtes zur Frage der Antragsmodifikation im Beschwerdeverfahren in einer Angelegenheit nach dem Auskunftspflichtgesetz fehle.
11 Gegen dieses Erkenntnis, soweit der Beschwerde Folge gegeben wurde, wendet sich die Revision der belangten Behörde.
12 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Nach § 1 Abs. 1 Auskunftspflichtgesetz haben u.a. die Organe des Bundes über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.
15 Gemäß § 2 Auskunftspflichtgesetz kann „jedermann“ Auskunftsbegehren anbringen.
16 Nach § 3 Auskunftspflichtgesetz sind Auskünfte ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen acht Wochen nach Einlangen des Auskunftsbegehrens zu erteilen.
17 Wird eine Auskunft nicht erteilt, so ist nach § 4 Auskunftspflichtgesetz auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen. Als Verfahrensordnung, nach der der Bescheid zu erlassen ist, gilt das AVG, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft erteilt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist.
18 Im Hinblick darauf, dass die Entscheidung über das Auskunftsbegehren betreffend Steuerstundungen nicht bekämpft wurde, ist dieses Teilbegehren nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Es ist daher nicht darauf einzugehen, ob hinsichtlich dieses Teils des Auskunftsbegehrens ein Bescheid nach der BAO zu ergehen gehabt hätte. Es ist weiters nicht zu prüfen, ob insoweit für eine Beschwerde das Bundesfinanzgericht zuständig gewesen wäre (§ 1 Abs. 1 BFGG: Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben, soweit diese unmittelbar von den Abgabenbehörden des Bundes besorgt werden; vgl. auch § 49 BAO).
19 Im übrigen (revisionsgegenständlichen) Umfang ist zu bemerken, dass die Gewährung der Zuschüsse (und Garantien), über die Auskunft begehrt wurde, privatrechtlicher Natur ist (vgl. VfGH 15.12.2021, G 233/2021; sowie Prüfungsbeschluss VfGH 29.9.2022, V 139/2022 u.a.). Die Auskunftspflicht bezieht sich auch auf Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung (vgl. z.B. VwGH 13.9.2016, Ra 2015/03/0038, mwN). Bei der Bescheiderlassung ist insoweit nach dem AVG vorzugehen (vgl. Wieser, Art. 20 Abs. 4 B‑VG, in Korinek/Holubek, Bundesverfassungsrecht, Rz 65, mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien RV 41 BlgNR 17. GP 4).
20 Die Revisionsbeantwortung zeigt an sich zutreffend auf, dass es der auskunftsverpflichteten Partei obliegt, im Falle eines ihrer Ansicht nach zu weit gezogenen Auskunftsersuchens diesem allenfalls nur in jenem Umfang zu entsprechen, in dem keine die Auskunftsverweigerung rechtfertigenden Gründe vorliegen (vgl. ‑ zum Wiener Auskunftspflichtgesetz ‑ VwGH 29.5.2018, Ra 2017/03/0083; auch das Auskunftspflichtgesetz sieht vor, dass Auskünfte zu erteilen sind, „soweit“ eine Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht). Über Antrag des Auskunftswerbers ist sodann betreffend die teilweise Verweigerung ein Bescheid zu erlassen.
21 Mit einem Auskunftsverweigerungsbescheid gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz wird aber ausschließlich über die Frage abgesprochen, ob ein subjektives Recht des Auskunftswerbers auf Erteilung der begehrten Auskunft besteht oder nicht (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2017/02/0141, mwN). Das Verwaltungsgericht ist allein zu der spruchmäßigen Feststellung zuständig, dass die mit einem Auskunftsbegehren befasste Behörde eine Auskunft zu Recht oder zu Unrecht verweigert hat. Gelangt das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass die belangte Behörde die Auskunft zu Unrecht verweigert hat, so kann es lediglich diesen (feststellenden) Ausspruch treffen (vgl. VwGH 13.9.2016, Ra 2015/03/0038, mwN). Gegebenenfalls hat das Verwaltungsgericht festzustellen, dass die Behörde die Auskunft in näher bestimmtem Umfang zu Unrecht verweigert hat (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2017/03/0083; und 5.10.2021, Ra 2020/03/0120).
22 „Sache“ des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist damit alleine die Frage, ob die mit einem Auskunftsbegehren befasste belangte Behörde eine Auskunft zu Recht oder zu Unrecht verweigert hat. Dabei ist die vom Auskunftswerber bei der belangten Behörde begehrte Auskunft Gegenstand der Prüfung (vgl. VwGH 20.11.2020, Ra 2020/01/0239). Eine Änderung des Auskunftsbegehrens, welches dem Auskunftsverweigerungsbescheid zu Grunde liegt, im Beschwerdeverfahren ist daher vom Verwaltungsgericht nicht zu berücksichtigen (vgl. ‑ zu einem in gleicher Weise „modifizierten“ Auskunftsbegehren ‑ VwGH 28.6.2021, Ro 2021/11/0005).
23 Soweit der Mitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung ausführt, er habe mit Eingabe vom 8. Juni 2021 zwar ein engeres Auskunftsbegehren gestellt, diesem aber das ursprüngliche Auskunftsbegehren als Eventualbegehren unverändert nachgestellt, ist zu bemerken, dass die „Modifikation“ des Auskunftsbegehrens bereits mit Eingabe vom 1. Dezember 2020 erfolgte; das Eventualbegehren wurde hingegen erst in der weiteren, in der Revisionsbeantwortung angeführten Eingabe vom 8. Juni 2021 gestellt (vgl. ‑ zur Unwiderruflichkeit von prozessualen Willenserklärungen ‑ VwGH 25.6.2021, Ro 2019/05/0018, mwN). Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung auch keineswegs das Eventualbegehren, sondern ‑ wie aus dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses eindeutig hervorgeht ‑ das „modifizierte“ und sodann „verdeutlichte“ Hauptbegehren zu Grunde gelegt.
24 Das Verwaltungsgericht hätte aber seiner Entscheidung das erst im Beschwerdeverfahren geänderte Auskunftsbegehren nicht zu Grunde legen dürfen (vgl. neuerlich VwGH 28.6.2021, Ro 2021/11/0005).
25 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Wien, am 2. Februar 2023
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