VwGH Ro 2018/10/0045

VwGHRo 2018/10/004530.1.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, BSc, über die Revision des Stadtschulrates für Wien (nunmehr: Bildungsdirektion für Wien) in 1010 Wien, Wipplingerstraße 28, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28. August 2018, Zl. W203 2202029- 1/2E, betreffend Zurückweisung einer Anzeige gemäß § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz 1985 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtschulrat für Wien (nunmehr: Bildungsdirektion für Wien); mitbeteiligte Partei: M M in W, vertreten durch den Erziehungsberechtigten M K M in W), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018100045.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Die Erziehungsberechtigten des Mitbeteiligten zeigten am 8. Juni 2018 der belangten Behörde (dem Revisionswerber) die Teilnahme des Mitbeteiligten am Unterricht an einer bestimmten Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht für das Schuljahr 2018/19 an, wobei sie ein dafür vorgesehenes Formular verwendeten.

2 Mit Schreiben vom 11. Juni 2018 forderte die belangte Behörde den gesetzlichen Vertreter des Mitbeteiligten - gestützt auf § 13 Abs. 3 AVG - auf, zur "Mängelbehebung" die Geburtsurkunde des Kindes und das Jahreszeugnis der zuletzt besuchten Schule (als die im Formblatt geforderten Beilagen) vorzulegen.

3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 2018 wurde die Anzeige vom 8. Juni 2018 "gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz" zurückgewiesen, weil dem Verbesserungsauftrag vom 11. Juni 2018 nicht nachgekommen worden sei.

4 1.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. August 2018 hob das Bundesverwaltungsgericht aufgrund einer Beschwerde des Mitbeteiligten den Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 2018 gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG auf, wobei es die Revision gegen diese Entscheidung zuließ.

5 Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht im Kern aus, zwar sei der Begriff des "Anbringens" im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG im weiten Sinn des § 13 Abs. 1 AVG zu verstehen, sodass auch Anzeigen - wie vorliegend jene nach § 11 Abs. 3 erster Satz Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) - darunter fielen (Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 13 Rz 26 (S. 160)); daher sei auch im Fall einer Anzeige ein Verbesserungsverfahren nach § 13 Abs. 3 AVG grundsätzlich zulässig.

6 Ein "Mangel" im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG liege allerdings nur dann vor, wenn ein Anbringen von für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes oder des AVG an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweiche. Fehle es hingegen an einer derartigen hinreichend deutlichen Anordnung, so komme dementsprechend weder die Erteilung eines Verbesserungsauftrages noch - nach fruchtlosem Verstreichen der zu Unrecht gesetzten Frist - die Zurückweisung des Anbringens in Frage (Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, a.a.O. Rz 27 (S. 161)).

7 Da weder dem SchPflG als dem einschlägigen Materiengesetz noch dem AVG eine für den Einschreiter erkennbare Anordnung zu entnehmen sei, dass der gegenständlichen Anzeige eine Geburtsurkunde und ein Jahreszeugnis der zuletzt besuchten Schule beizulegen wären, sei der Verbesserungsauftrag der belangten Behörde zu Unrecht erfolgt und somit auch die mit dem vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid ausgesprochene Zurückweisung der Anzeige nicht zulässig.

8 Zur Begründung der Zulassung der Revision führte das Bundesverwaltungsgericht die folgenden Rechtsfragen an, denen - weil dazu einschlägige höchstgerichtliche Rechtsprechung mangle - grundsätzliche Bedeutung zukomme:

"3.4.2.1. Handelt es sich bei einer Anzeige gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG um ein Anbringen iSd § 13 Abs. 3 AVG, das einem Mängelbehebungsverfahren und ggf. einer Zurückweisung wegen Unvollständigkeit zugänglich ist?

3.4.2.2. (falls die Rechtsfrage gemäß 3.4.2.1. mit ¿ja' zu beantworten ist): Behaftet die Nichtbeilage einer Geburtsurkunde des Kindes und/oder eines Jahreszeugnisses der zuletzt besuchten Schule eine Anzeige gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG mit Mangelhaftigkeit?

3.4.2.3. Inwieweit sind der bisherige Bildungsweg und der bisherige schulische Erfolg eines Kindes für die Beurteilung der Gleichwertigkeit iSd § 11 Abs. 1, 2 und 3 SchPflG von Relevanz?"

9 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

12 3.1. Was den Begriff des "Anbringens" im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG anlangt, so erhellt schon aus dem Regelungszusammenhang des § 13 AVG (vgl. insbesondere dessen Abs. 1), dass der weitgefasste Begriff des Anbringens neben Anträgen (unter anderem) auch Anzeigen umfasst (vgl. etwa auch VwGH 26.11.1992, 92/09/0169).

13 Dementsprechend hat der Gerichtshof bereits in etlichen Entscheidungen die Zulässigkeit eines Verbesserungsverfahrens nach § 13 Abs. 3 AVG im Fall von in Materiengesetzen vorgesehenen Anzeigen grundsätzlich bejaht (vgl. etwa VwGH 25.1.2000, 99/05/0228, VwSlg. 15.319 A, 25.2.2004, 2002/04/0204, VwSlg. 16.296 A, oder 28.11.2006, 2005/06/0145).

14 3.2. Die zweite vom Bundesverwaltungsgericht formulierte Rechtsfrage betrifft den Begriff des Mangels im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG, welcher allerdings durch die hg. Rechtsprechung hinreichend geklärt ist (vgl. nur die Judikaturnachweise in der schon vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Kommentarstelle Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 13 Rz 27).

15 In dieser Hinsicht ist das Bundesverwaltungsgericht in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses im Einklang mit der hg. Rechtsprechung davon ausgegangen, dass ein Mangel im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG nur dann vorliegt, wenn ein Anbringen von für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes oder des AVG an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweicht, und hat infolge dessen - in nicht zu beanstandender Weise - eine Mangelhaftigkeit der gegenständlichen Anzeige vom 8. Juni 2018 verneint.

16 3.3. Die dritte vom Bundesverwaltungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage schließlich ist mit Blick auf die Sache des vom Bundesverwaltungsgericht zu erledigenden Beschwerdeverfahrens, welche - wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (vgl. Punkt 3.2.2. des angefochtenen Erkenntnisses) - ausschließlich in der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Zurückweisung bestand (vgl. VwGH 31.1.2018, Ra 2016/10/0121, mwN), nicht von Relevanz.

17 3.4. Die Zulassungsbegründung des Bundesverwaltungsgerichtes legt somit eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dar.

18 4.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 16.12.2015, Ro 2014/10/0125, mwN).

19 4.2. In diesem Sinn bringt die belangte Behörde in ihrer Revision - über die Zulassungsbegründung des Bundesverwaltungsgerichtes hinaus - vor, das Bundesverwaltungsgericht sei mit dem angefochtenen Erkenntnis von einer anderen, näher bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes abgewichen.

20 Damit legt der Revisionswerber allerdings eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht dar, stellt doch Art. 133 Abs. 4 B-VG (u.a.) auf eine nicht einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, nicht aber auf divergierende Rechtsprechung eines Verwaltungsgerichtes (vgl. etwa auch VwGH 12.10.2017, Ra 2017/17/0318, oder 20.9.2018, Ra 2018/11/0118).

21 5. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. Jänner 2019

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