VwGH Ro 2014/10/0125

VwGHRo 2014/10/012516.12.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision des Bürgermeisters der Stadt Graz in 8010 Graz, Hauptplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 18. August 2014, Zl. LVwG 52.27-1817/2014-11, betreffend naturschutzbehördlichen Wiederherstellungsauftrag (mitbeteiligte Partei: H A in Graz, vertreten durch Dr. Helmut Klement, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Zimmerplatzgasse 13), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit (rechtskräftig gewordenem) Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 28. August 2012 wurde der mitbeteiligten Partei die Bewilligung zur Rodung näher genannter Waldgrundstücke (der KG G) im Ausmaß von ca. 1 ha zum Zwecke der Schaffung einer Weingartenanlage erteilt.

Die gegenständlichen Grundstücke liegen im Landschaftsschutzgebiet gemäß § 1 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Juni 1980 über die Erklärung von Gebieten des nördlichen und östlichen Hügellandes von Graz zum Landschaftsschutzgebiet, LGBl. Nr. 81.

Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom 23. September 2013 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 34 Abs. 1 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes (Stmk NSchG) aufgetragen, die von ihr vorgenommenen konsenslosen Erdbewegungen in sachgemäßer, näher umschriebener Weise rückgängig zu machen.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dieser Bescheid infolge der von der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufung ersatzlos behoben (Spruchpunkt I.) und ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zu Spruchpunkt I. stellte das Verwaltungsgericht - gestützt auf die Ausführungen des Gutachtens des Amtssachverständigen für Weinbau (vom 17. Juni 2014) - fest, dass der gegenständliche Weingarten einem in der Steiermark üblichen Weingarten entspreche. Die von der mitbeteiligten Partei durchgeführten Arbeiten seien als unerlässlich für die Anlegung des Weingartens anzusehen; letztere sei gemäß § 6 Abs. 3 lit c letzter Halbsatz Stmk NSchG nicht bewilligungspflichtig. Gestützt auf ein von der mitbeteiligten Partei vorgelegtes naturschutzfachliches Gutachten (vom 7. Oktober 2013) traf das Verwaltungsgericht - unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 Stmk NSchG - weiters die Feststellung, dass durch das gegenständliche Vorhaben weder negative Auswirkungen für die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts der Natur noch für die Wohlfahrtsfunktion zu erwarten seien; es liege auch keine Verunstaltung des Landschaftsbildes vor.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

Das Verwaltungsgericht hat - nach Durchführung des Vorverfahrens - die Akten des Verfahrens vorgelegt. Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenso wie die Steiermärkische Landesregierung eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unbegründet abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Stmk NSchG 1976, LGBl. Nr. 65 idF LGBl. Nr. 87/2013 (Stmk NSchG), lauten (auszugsweise):

"§ 2

Schutz der Natur und Landschaft

(1) Bei allen Vorhaben, durch die nachhaltige Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu erwarten sind, ist zur Vermeidung von die Natur schädigenden , das Landschaftsbild verunstaltenden oder den Naturgenuss störenden Änderungen

  1. a) auf die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts der Natur,
  2. b) auf die Erhaltung und Gestaltung der Landschaft in ihrer Eigenart (Landschaftscharakter) sowie in ihrer Erholungswirkung (Wohlfahrtsfunktion) Bedacht zu nehmen und

    c) für die Behebung von entstehenden Schäden Vorsorge zu treffen.

    ...

    § 6

    Landschaftsschutzgebiete

(1) Gebiete, die

a) besondere landschaftliche Schönheiten oder Eigenarten (z. B. als Au- oder Berglandschaft) aufweisen,

b) im Zusammenwirken von Nutzungsart und Bauwerken als Kulturlandschaft von seltener Charakteristik sind oder

c) durch ihren Erholungswert besondere Bedeutung haben oder erhalten sollen,

können durch Verordnung der Landesregierung zum Landschaftsschutzgebiet erklärt werden.

(2) ...

(3) In Landschaftsschutzgebieten sind alle Handlungen zu unterlassen, die den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 widersprechen; außerdem ist für nachstehende Vorhaben die Bewilligung der nach Abs. 4 zuständigen Behörde einzuholen:

...

c) Errichtung von Bauten und Anlagen, die nicht unter lit. b fallen und außerhalb eines geschlossenen bebauten Gebietes liegen, …; Bauten und Anlagen, die für die land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung unerlässlich sind, bedürfen jedenfalls keiner Bewilligung;

...

(8) Die land-, forst-, jagd- und fischereiwirtschaftliche Nutzung wird durch die Bestimmungen des Abs. 2 und 3 nicht berührt.

§ 34

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

(1) Unabhängig von einer Bestrafung nach § 33 sind Personen, die entgegen einer Bestimmung dieses Gesetzes oder entgegen einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung, eines Bescheides oder Erkenntnisses Veränderungen vorgenommen oder veranlasst haben, durch Bescheid der nach dem Gesetz für die Bewilligung zuständigen Behörde zu verpflichten, den früheren bzw. den rechtmäßigen Zustand binnen einer festzusetzenden Frist wieder herzustellen oder, wenn dies nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand in einer von der Behörde sachgemäß bezeichneten Weise im Sinn des § 2 Abs. 1 abzuändern. ...

(2) ..."

2. Zur Zulässigkeit der Revision:

2.1. Die Begründung des Verwaltungsgerichts zur Zulässigkeit der Revision erschöpft sich in der Wiedergabe von Art. 133 Abs. 4 B-VG; sie enthält keine Ausführungen zu einer vom Verwaltungsgerichtshof zu lösenden Rechtsfrage.

Der gemäß § 25a VwGG gebotene Ausspruch, der kurz zu begründen ist, zeigt daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf (vgl. den hg. Beschluss vom 18. Februar 2015, Zl. Ro 2015/04/0003, mit Hinweis auf den hg. Beschluss vom 23. September 2014, Zl. Ro 2014/01/0033, betreffend die Begründungserfordernisse nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG; vgl. auch den hg. Beschluss vom 24. April 2015, Zl. Ro 2014/17/0126, wonach der bloß formelhafte Hinweis auf eine nicht näher bezeichnete Rechtsfrage nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 25a Abs. 1 VwGG entspricht).

Nach der - mittlerweile ständigen - hg. Judikatur hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 28. November 2014, Zl. Ro 2014/06/0077, vom 24. Februar 2015, Zl. Ro 2014/05/0097, sowie vom 23. April 2015, Zl. Ro 2015/07/0112).

Dies gilt auch für den Fall, dass das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Revisionsfall - infolge bloß formelhafter Begründung zur Zulässigkeit der Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt.

Die Zulässigkeit der Revision hängt diesfalls davon ab, dass die Gründe für deren Zulässigkeit im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt werden (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 24. März 2015, Zl. Ro 2014/05/0089, mit Hinweis auf den hg. Beschluss vom 28. November 2014, Zl. Ro 2014/06/0077).

Dies ist hinsichtlich der vorliegenden Amtsrevision der Fall.

2.2. In der Revision wird u.a. - mit näheren Ausführungen - vorgebracht, dass die Behebung des erstinstanzlichen Bescheides auf einer falschen Beweiswürdigung des vom Landesverwaltungsgericht Steiermark eingeholten weinbaufachlichen Sachverständigengutachtens beruhe; demgegenüber sei das - die erstinstanzliche Entscheidung stützende - Gutachten des naturkundlichen Amtssachverständigen (vom 21. Mai 2013, ergänzt am 12. Juni 2013) schlüssig und nachvollziehbar.

Damit zeigt die Revision im Ergebnis eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf:

Zwar ist der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen des Revisionsmodells zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen (vgl. etwa den erwähnten hg. Beschluss vom 23. September 2014, Zl. Ro 2014/01/0033).

Eine mangelhafte Beweiswürdigung ist allerdings dann geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung im Einzelfall in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. den hg. Beschluss vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2015/08/0008, sowie zB. den hg. Beschluss vom 10. September 2015, Zl. Ra 2015/09/0066). Dies ist hier der Fall.

Im erwähnten (im Akt erliegenden) naturkundlichen Sachverständigengutachten wird - in umfassenden und detaillierten Ausführungen - dargelegt, dass durch das gegenständliche Vorhaben massive Veränderungen des Landschaftsbildes bewirkt würden. Wörtlich spricht das Gutachten ua. von "naturfernem Charakter und Eingriffsschwere" durch "unerwartete und künstlich wirkende Landschaftselemente", die "in keiner Weise in das geschlossene Waldbild des Höhenzuges eingegliedert sind", und die "als willkürliche, landschaftsbildfremde und verunstaltende Beeinträchtigung" empfunden würden. Es handle sich um eine "hässliche, weil für diesen einheitlichen Naturraum unpassende Änderung des örtlichen Landschaftsbildes". Die gegenständliche Geländekorrektur führe überdies "zur vollkommenen Zerstörung des Jahrzehnte alten Waldökosystems". Es seien in diesem Bereich (im Einzelnen aufgezählte) geschützte und gefährdete Pflanzen und Tierarten vorhanden. Durch die vorgenommenen Erdbewegungen werde das gesamte Entwässerungssystem geändert und der gesamte Waldkomplex in diesem Bereich vernichtet. Das gegenständliche Vorhaben habe in keiner Weise auf das ökologische Gleichgewicht der Natur Rücksicht genommen, am gegeben Standort seien sämtliche tierische und pflanzliche Bestände ausgelöscht.

Die Aussagen von Sachverständigen haben grundsätzlich den gleichen verfahrensrechtlichen Beweiswert, und es besteht demnach zwischen dem Gutachten eines Amtssachverständigen und dem eines Privatsachverständigen kein verfahrensrechtlicher Wertunterschied. Bei einander widersprechenden Gutachten hat die Behörde allerdings die Gedankengänge aufzuzeigen, die sie veranlasst haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen (vgl aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 8. April 2014, Zl. 2012/05/0004, mwN).

Diesem Erfordernis ist das Verwaltungsgericht im gegebenen Zusammenhang nicht nachgekommen, weil es sich mit dem Amtssachverständigengutachten beweiswürdigend mit keinem Wort auseinander gesetzt, sondern seine Beweiswürdigung lediglich auf das von der mitbeteiligten Partei vorgelegte - deren Standpunkt stützende - Privatgutachten gestützt hat.

3. Zur Sache:

Die Revision ist aus den eben dargelegten Erwägungen auch begründet.

Die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen, wonach durch das gegenständliche Vorhaben weder negative Auswirkungen für die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts der Natur noch für die Wohlfahrtsfunktion zu erwarten seien und auch keine Verunstaltung des Landschaftsbildes vorliege, erweisen sich angesichts des genannten Mangels der Beweiswürdigung als nicht tragfähig.

Eine Überprüfung der dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegenden Annahme, dass die revisionswerbende Partei den Entfernungsauftrag zu Unrecht erteilt habe, weil die von der mitbeteiligten Partei gesetzten Maßnahmen dem § 2 Abs. 1 Stmk NSchG nicht widersprächen (und demnach gemäß § 6 Abs. 3 erster Halbsatz leg. cit. zulässig wären), ist dem Verwaltungsgerichtshof sohin nicht möglich.

4. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Verwaltungsgericht bei Vermeidung der genannten Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

Wien, am 16. Dezember 2015

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