VwGH Ra 2016/10/0121

VwGHRa 2016/10/012131.1.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, den Hofrat Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen in 9560 Feldkirchen, Milesistraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 5. September 2016, Zl. KLVwG- 1673/2/2016, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Akteneinsicht (mitbeteiligte Partei: D GmbH in K, vertreten durch Mag. Peter Riedel, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, St. Veiter Ring 23) zu Recht erkannt:

Normen

VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 7. Jänner 2016 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen (die Revisionswerberin) dem Land Kärnten die naturschutzrechtliche Bewilligung für ein näher bezeichnetes Projekt (Spruchpunkt I.) und bestellte unter einem zur Überwachung der bewilligungskonformen Ausführung des Vorhabens die mitbeteiligte Partei zur ökologischen Bauaufsicht (Spruchpunkt II.).

2 Dieser Bescheid wurde mit weiterem Bescheid der Revisionswerberin vom 22. Juni 2016 dahingehend geändert, dass zum einen eine Adaptierung des Spruchpunktes I. im Hinblick auf eine Auflage erfolgte sowie Spruchpunkt II. umfangmäßig eingeschränkt wurde, indem die Überwachung der Umsetzung des vegetationsökologischen Pflegekonzepts von der ökologischen Bauaufsicht ausgenommen wurde.

3 Mit Schreiben vom 28. Juni 2016 begehrte die mitbeteiligte Partei unter Anführung des im Abänderungsbescheid der Revisionswerberin vom 22. Juni 2016 genannten Betreffs und unter Verwendung von Briefpapier und Firmenstempel ihres Arbeitgebers die Gewährung von Akteneinsicht mit folgender Textierung:

"In der oben bezeichneten Verwaltungssache beantrage ich gemäß § 17 AVG Abs ( 1) und (2) mir in der mich betreffenden Sache Einsicht in die Akten binnen 7 Tagen zu gewähren. Weiters begehre ich eine Abschrift anzufertigen bzw. Kopien und Ausdrucke auf meine Kosten herstellen zu dürfen. Sollte der Akt elektronisch geführt werden, begehre ich Akteneinsicht in einer technisch möglichen Form bzw. die Übergabe in digitaler Form in einem allgemein lesbaren Datenformat."

4 Mit Schriftstück vom 4. Juli 2016 wiederholte die mitbeteiligte Partei ihren Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht mit im Wesentlichen gleichem Inhalt (abweichend vom Erstantrag wurde zusätzlich der ursprüngliche Bewilligungs- und Bestellungsbescheid vom 7. Jänner 2016 im Betreff angeführt; die Wortfolge "in der mich betreffenden Sache" findet sich im Antragstext nicht mehr, jedoch werden weder Briefpapier noch Stempel des Arbeitgebers verwendet; die Einsichtsfrist beträgt im zweiten Ansuchen lediglich fünf Tage).

5 Mit Bescheid vom 6. Juli 2016 wies die Revisionswerberin den Antrag der mitbeteiligten Partei vom 28. Juni und 4. Juli 2016 "auf Gewährung von Akteneinsicht im naturschutzrechtlichen Verfahren der Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen Zl: FE3-NS- 1595/2012 betreffend die Bestellung der ökologischen Bauaufsicht" gemäß § 17 Abs. 1 und 2 iVm § 8 AVG mangels Parteistellung im genannten Verfahren zurück.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten (im Folgenden: LVwG) vom 5. September 2016 wurde der von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid der Revisionswerberin gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG stattgegeben und dieser aufgehoben. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde gemäß § 25 a VwGG für nicht zulässig erklärt.

7 Dabei ging das LVwG davon aus, es sei unbestritten, dass die mitbeteiligte Partei von der belangten Behörde zur ökologischen Bauaufsicht im Sinn des § 47 des Kärntner Naturschutzgesetzes 2002 (im Folgenden: K-NSG) bestellt worden sei. Die mitbeteiligte Partei habe mit ihren Schreiben vom 28. Juni bzw. 4. Juli 2016 zwar Anträge nach § 17 Abs. 1 und 2 AVG gestellt, entgegen der von der mitbeteiligten Partei vertretenen Ansicht sei jedoch mit der ökologischen Bauaufsicht auf Basis des § 47 Abs. 3 und 4 K-NSG keine Parteistellung iSd AVG im naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren verbunden. Die belangte Behörde hätte jedoch unter Beachtung der Amtswegigkeit eines Verwaltungsverfahrens bzw. des § 13 Abs. 3 AVG die mitbeteiligte Partei darauf hinweisen müssen, dass dieser Antrag als solcher im Rahmen einer ökologischen Bauaufsicht nach § 47 Abs. 3 K-NSG zu sehen sei. Nach § 47 Abs. 3 K-NSG sei die mitbeteiligte Partei jederzeit berechtigt, Untersuchungen, Vermessungen und Prüfungen im betroffenen Bereich vorzunehmen, Einsicht in Behelfe, Unterlagen und dergleichen zu verlangen, und erforderlichenfalls Baustoffe, Bauteile und bautechnische Maßnahmen zu kontrollieren und zu beanstanden. Anders könne sie der ihr zugeteilten Funktion gar nicht nachkommen. Ein sofortiger zurückweisender Antrag der mitbeteiligten Partei mangels Parteistellung sei daher nicht geboten.

8 Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das LVwG mit dem Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

9 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision. Zu ihrer Zulässigkeit verweist die Revision auf näher dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach die Behörde verpflichtet sei, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern, wenn der gestellte Antrag unklar sei. Sei der Antrag nicht unklar, habe die Aufforderung zur Präzisierung zu unterbleiben und habe die Behörde über das Begehren zu entscheiden. Im vorliegenden Fall habe die mitbeteiligte Partei eindeutig Akteneinsicht in Bezug auf das abgeschlossene Naturschutzverfahren gemäß § 17 Abs. 1 und 2 AVG gestellt; der objektive Erklärungswert des Antrags sei eindeutig, weshalb die belangte Behörde - ohne Aufforderung zur Präzisierung des Parteibegehrens - bescheidmäßig über diesen Antrag abzusprechen gehabt hätte. Der Verwaltungsgerichtshof verbiete den Behörden, eindeutige Anträge umzudeuten. Das LVwG habe den Antrag der mitbeteiligten Partei als solchen im Rahmen ihrer ökologischen Bauaufsicht gemäß § 47 Abs. 3 K-NSG umgedeutet und sei damit von näher bezeichneter Rechtsprechung abgewichen. Schließlich habe das Verwaltungsgericht vorrangig meritorisch zu entscheiden. Eine ersatzlose Aufhebung komme lediglich dann in Betracht, wenn Unzuständigkeit der Behörde oder - bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten - kein Parteiantrag vorliege. Durch die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides weiche das Verwaltungsgericht auch diesbezüglich von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab.

10 Die mitbeteiligte Partei erstattete im Rahmen des vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurückzuweisen und ihr Kostenersatz zuzusprechen.

 

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

12 Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, lauten:

"2. Abschnitt

Beteiligte und deren Vertreter

Beteiligte; Parteien

§ 8. Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, sind Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

...

3. Abschnitt

Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten

...

Akteneinsicht

§ 17. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.

..."

13 § 47 des Kärntner Naturschutzgesetzes 2002 (K-NSG), LGBl. Nr. 79/2002 (WV) idF LGBl. Nr. 85/2013, lautet:

"§ 47

Ökologische Bauaufsicht

(1) Die Behörde darf zur Überwachung der bewilligungskonformen Ausführung von Vorhaben, insbesondere wenn die Bewilligung aufgrund einer Interessenabwägung nach § 9 Abs. 7 erteilt wurde oder die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes verfügt wurde (§ 57), geeignete Aufsichtsorgane durch Bescheid bestellen (ökologische Bauaufsicht).

(2) Die ökologische Bauaufsicht erstreckt sich auf die fach-, vorschriften- und bewilligungsgemäße Ausführung des Vorhabens und die Einhaltung der einschlägigen Bedingungen der Bewilligung. Sie hat den Zustand vor Beginn der Ausführung zu dokumentieren und einen Zeitplan für die Umsetzung zu erstellen.

(3) Die Organe der ökologischen Bauaufsicht sind jederzeit berechtigt, Untersuchungen, Vermessungen und Prüfungen im betroffenen Bereich vorzunehmen, Einsicht in Behelfe, Unterlagen u. dgl. zu verlangen und erforderlichenfalls Baustoffe, Bauteile und bautechnische Maßnahmen zu kontrollieren und zu beanstanden. Werden Beanstandungen nicht berücksichtigt, ist die Behörde davon zu informieren.

(4) Die Organe der ökologischen Bauaufsicht sind zur Wahrung der ihnen zur Kenntnis gelangenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verpflichtet. Sie sind der Behörde gegenüber verpflichtet, auf deren Ersuchen Auskünfte zu erteilen.

(5) Die Kosten der ökologischen Bauaufsicht sind vom Antragsteller zu tragen. Dessen Verantwortlichkeit wird durch die Bestellung der ökologischen Bauaufsicht nicht eingeschränkt."

14 Die Revision legt mit ihrem Vorbringen zur Verletzung der meritorischen Entscheidungspflicht des VwG keine präjudizielle Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar. Hat die Behörde nämlich einen Antrag zurückgewiesen, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002; 12.10.2015, Ra 2015/22/0115, mwN). Das VwG hatte daher nur über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung abzusprechen und dementsprechend mit der Behebung des Zurückweisungsbescheides der Revisionswerberin eine (negative) Entscheidung in der Sache getroffen.

15 Hingegen ist die Revision hinsichtlich der Abweichung des LVwG von der Rechtsprechung, wonach Anbringen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen sind, zulässig und begründet.

16 Für die Auslegung von Anbringen kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das aus diesem erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an; Parteierklärungen und damit auch Anbringen sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei deren Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar geschlossen werden kann, mag auch das Begehren, so wie es gestellt worden ist, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein (vgl. VwGH 28.4.2016, 2013/07/0038; 20.10.2011, 2009/11/0269; 6.11.2006, 2006/09/0094; 19.2.1997, 95/21/0515).

17 Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass es sich bei den beiden Anträgen vom 28. Juni und 4. Juli 2016 um dieselbe, die mitbeteiligte Partei (und nicht etwa ihren Arbeitgeber) betreffende, Angelegenheit handelt.

18 Anders als die Revisionswerberin hat jedoch das LVwG den verfahrenseinleitenden Antrag der mitbeteiligten Partei nicht als solchen auf Akteneinsicht als Partei iSd §§ 8 iVm 17 AVG gedeutet, sondern als solchen iSd § 47 Abs. 3 K-NSG, der auf die Ermöglichung der Ausübung der Tätigkeit als Organ der ökologischen Bauaufsicht gerichtet ist. Wie das LVwG zu dieser Auslegung gelangte, legt es in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht offen.

19 Damit hat sich das LVwG vom objektiven Erklärungswert des Ansuchens der mitbeteiligten Partei entfernt, welches eindeutig auf die Gewährung von Akteneinsicht als Partei iSd §§ 8 iVm 17 AVG "in der den Mitbeteiligten betreffenden Sache" gerichtet ist. Ausgehend von dem im Ansuchen genannten Verfahren kann es nur so verstanden werden, dass die mitbeteiligte Partei Akteneinsicht als Partei in diejenigen Aktenteile des zitierten Naturschutzverfahrens begehrt, die ihre Bestellung zur ökologischen Bauaufsicht betreffen. Dass die mitbeteiligte Partei den verfahrenseinleitenden Antrag in Wahrnehmung ihrer Aufgaben der ökologischen Bauaufsicht iSd § 47 Abs. 3 K-NSG stellte, ist dem Antrag nicht ansatzweise zu entnehmen. Somit hat das LVwG dem verfahrenseinleitenden Antrag entgegen dem darin erklärten Willen in unvertretbarer Weise eine Deutung gegeben, die aus dem Begehren nicht erschlossen werden kann. Dazu kommt, dass die ökologische Bauaufsicht gemäß § 47 K-NSG als behördliches Hilfsorgan anzusehen ist. Insofern kommt ihr daher auch keine Rechtsstellung zu, die sie im Rahmen eines behördlichen Verfahrens geltend machen könnte. Das LVwG hat somit sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

20 Das LVwG wird im fortgesetzten Verfahren zur Beurteilung, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags zu Recht erfolgt ist, allerdings zu berücksichtigen haben, dass der mitbeteiligten Partei im Rahmen des Bestellungsverfahrens zur ökologischen Bauaufsicht (partielle) Parteistellung - und damit ein Recht auf Akteneinsicht - zukommt.

21 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 31. Jänner 2018

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte