VwGH Ro 2014/01/0016

VwGHRo 2014/01/001618.12.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Revision des M R (auch M R) A in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 23. August 2013, Zl. MA 35/IV-A 50/2011, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art6;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §11a Abs1 Z1;
StbG 1985 §11a Abs4 Z1;
StbG 1985;
EMRK Art6;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §11a Abs1 Z1;
StbG 1985 §11a Abs4 Z1;
StbG 1985;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. August 2013 wies die Wiener Landesregierung (belangte Behörde) den Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen der Volksrepublik Bangladesch, vom 30. August 2008 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung "vor dem BGBl. I Nr. 38/2011" (StbG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei 1963 in Bangladesch geboren, seit 17. Oktober 2005 sei er mit einer österreichischen Staatsbürgerin (FR-A) verheiratet gewesen. Diese Ehe sei mit 1. März 2013 (vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt zu Zl. XY) geschieden worden. Seit April 2012 sei der Revisionswerber durchgehend mit Hauptwohnsitz (seit Oktober 1998 auch mit Nebenwohnsitz) in Österreich gemeldet gewesen. Mit der österreichischen Staatsbürgerin (FR-A) bestehe kein gemeinsamer Haushalt mehr; seit 5. September 2012 sei der Revisionswerber nicht mehr an der gemeinsamen Adresse (W, S-Straße) sondern an einer anderen Adresse (W, H-Straße) gemeldet und die österreichische Staatsbürgerin FR-A sei am 3. Juni 2013 verstorben.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. Dezember 2000 sei der (am 29. März 2000 eingebrachte) Asylantrag des Revisionswerbers abgewiesen, ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt worden. Das Bundesasylamt habe ihm (über seinen Antrag) eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 3. September 2005 erteilt; mit Bescheid vom 6. Februar 2006 seien ihm weitere Aufenthaltsberechtigungen bis 6. Februar 2011 bzw. 6. Februar 2012 erteilt worden. Ein Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung-Familienangehöriger" sei ihm von 21. April 2011 bis 21. April 2012 ausgestellt worden; dieser Aufenthaltstitel sei ihm auch über seinen Verlängerungsantrag (vom 6. April 2012) von 22. April 2012 bis 22. August 2015 ausgestellt (bzw. verlängert) worden.

Der Revisionswerber verfüge erst ab 21. April 2011 über einen Aufenthaltstitel; erst ab 29. März 2000 sei er rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufhältig, was "aber noch einer näheren Absprache mit dem Bundesasylamt bedürfte". Mangels aufrechter Ehe (mit einer österreichischen Staatsbürgerin) zum Entscheidungszeitpunkt und weil auch kein gemeinsamer Haushalt seit 5. September 2012 mehr bestehe, erfülle der Revisionswerber die Verleihungsvoraussetzung des § 11a Abs. 1 Z. 1 StbG nicht. Mangels eines 15-jährigen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts erfülle er auch die Verleihungsvoraussetzung des § 12 Z. 1 lit. b StbG nicht. Der Revisionswerber sei erst seit 21. April 2011 im Besitz einer Niederlassungsbewilligung. Sein Verleihungsansuchen sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 21. November 2013, B 1127/2013-4, deren Behandlung ablehnte.

Über nachträglichen Antrag trat der Verfassungsgerichtshof diese Beschwerde mit Beschluss vom 6. Februar 2014, B 1127/2013-6, gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Revisionswerber hat die abgetretene Beschwerde mit Schriftsatz vom 29. September 2014 als Revision gemäß Art. 133 Abs. Z. 1 B-VG ausgeführt.

Das Verwaltungsgericht Wien legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Revision. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass in sinngemäßer Anwendung des § 4 VwGbk ÜG vorzugehen ist, wenn der Verfassungsgerichtshof - wie im vorliegenden Fall - eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG nach dem Ablauf des 31. Dezember 2013 an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, sodass die Beschwerde als Revision gilt und für deren Behandlung nach § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß gelten (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 25. April 2014, Zl. Ro 2014/10/0029, und vom 17. Juni 2014, Zl. Ro 2014/05/0044).

Für die Beurteilung des vorliegenden Revisionsfalles sind die im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde (das war der 30. August 2013) geltenden Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 in der zufolge § 64a Abs. 1 anzuwendenden Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2011 (StbG) maßgeblich. Diese lauteten (auszugsweise):

"Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;

...

§ 11a. (1) Einem Fremden ist nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn

1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und bei fünfjähriger aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt;

2. die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht aufgehoben ist und

3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach §§ 32 oder 33 Fremder ist.

...

§ 12. (1) Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er

1. nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft (§§ 32 bis 34) oder des Verzichts auf die Staatsbürgerschaft (§ 37) Fremder ist und entweder

a) seit mindestens 30 Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat

oder

b) seit mindestens 15 Jahren seinen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet hat und seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist;

...."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung sowohl zu § 10 Abs. 1 Z. 1 als auch zu § 11a Abs. 4 Z. 1 StbG bereits klargestellt, dass nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ("rechtmäßig und ununterbrochen") Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen durchgehenden ("ununterbrochenen") legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2008, Zl. 2008/01/0316, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2009/01/0001). Gleiches trifft auch für die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des § 11a Abs. 1 Z. 1 StbG zu, die ebenso einen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt (hier) von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet verlangt. Zum rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt zählen vor allem Zeiten des sichtvermerksfreien Aufenthalts, des Aufenthalts mit Visum oder auf Grund einer Legitimationskarte oder einem Aufenthaltstitel gemäß § 8 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Für die Zeiten vor Inkrafttreten des NAG kann die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auch mit Aufenthaltstitel nach den Vorschriften des FRG 1997 oder des AufG nachgewiesen werden (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 20. September 2011, Zl. 2009/01/0059, mwN, und vom 22. Mai 2014, Zl. 2013/01/0108).

Der Revisionswerber bringt in der Rechtsrüge im Wesentlichen vor, er habe mit der österreichischen Staatsbürgerin (seiner Ehegattin FR-A) von September 2004 bis September 2012 einen gemeinsamen Haushalt geführt und habe daher die Verleihungsvoraussetzung des § 11a Abs. 1 Z. 1 StbG erfüllt. Aus den näher dargelegten Gründen hätte die belangte Behörde nicht auf den Entscheidungszeitpunkt sondern auf einen zeitlich vor der Bescheiderlassung gelegenen Zeitpunkt abstellen müssen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Unbestritten ist, dass der Revisionswerber nach der im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung der belangten Behörde (30. August 2013) gegebenen Sach- und Rechtslage die Verleihungsvoraussetzung des § 11a Abs. 1 Z. 1 StbG nicht erfüllte, weil er nicht mit der (bereits am 3. Juni 2013 verstorbenen) Ehegattin FR-A in aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt lebte. Die belangte Behörde war im Verleihungsverfahren verpflichtet, den angefochtenen Bescheid auf Grundlage der im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu erlassen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. September 2011, Zl. 2009/01/0058, mwN; und vom 19. September 2013, Zl. 2011/01/0164).

Mit dem Vorbringen, die belangte Behörde hätte für die Beurteilung der Verleihungsvoraussetzungen einen während des Verfahrens (jedenfalls vor der Bescheiderlassung) gelegenen Zeitpunkt heranziehen müssen, ist für den Revisionswerber nichts zu gewinnen. Ob ihn an der Verfahrensdauer ein Verschulden trifft bzw. auch seine an der Verfahrensdauer geübte Kritik vermag am Zeitpunkt der Beurteilung der Verleihungsvoraussetzungen nichts zu ändern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2014, Zl. 2013/01/0157).

Insoweit die Revision (unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels) ins Treffen führt, eine positive Entscheidung (über das Verleihungsansuchen) wäre gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. b StbG möglich gewesen, ist dazu zu erwidern, dass der Revisionswerber selbst nach seinem eigenen Vorbringen, wonach er sich seit Oktober 1998 rechtmäßig in Österreich aufhalte, die Verleihungsvoraussetzung eines (rechtmäßigen und ununterbrochenen) Aufenthalts in der Dauer von 15 Jahren im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung der belangten Behörde nicht erfüllte. Er bringt dazu (auch) vor, die belangte Behörde "hätte noch zuwarten können, um mir die Staatsbürgerschaft gemäß § 12 Z. 1 lit. b StbG zu ermöglichen". Dass er die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG erfüllte, behauptet der Revisionswerber selbst nicht.

Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden. Verfahren über die Verleihung oder Aberkennung der Staatsbürgerschaft fallen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (vgl. die hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2012, Zl. 2010/01/0027, mwN, und vom 23. September 2014, Zl. 2013/01/0153).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. Dezember 2014

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