VwGH Ra 2021/13/0034

VwGHRa 2021/13/003419.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Mag. L in W, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 30. November 2020, Zl. RV/7104426/2020, betreffend Einkommensteuer sowie Anspruchszinsen 2011 bis 2014, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §167 Abs2
BAO §21 Abs1
BAO §22
VwGG §30a Abs7
VwGG §36 Abs1
VwGG §41
VwGG §48 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021130034.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der belangten Behörde auf Aufwandersatz wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom 8. Jänner 2018 wurde u.a. festgehalten, der Revisionswerber, ein Rechtsanwalt, habe bis zum 30. April 2015 seine ehemalige Ehefrau in seiner Kanzlei als Teilzeitkraft angestellt. Das angegebene Tätigkeitsprofil habe Aktenablage, Archivbearbeitung, Botengänge, Besorgungen, fallweises Schreiben von Diktaten (Aktenvermerke und Gesprächsprotokolle) umfasst. Im Zuge der Prüfung sei festgestellt worden, dass weder ein schriftlicher Dienstvertrag noch Urlaubs- oder Dienstzeitvereinbarungen existierten. Niederschriftlich sei bekannt gegeben worden, dass es keine Stundenaufzeichnungen, wie sie für eine Teilzeitkraft vorgesehen seien, gebe. Weiters sei bekannt gegeben worden, dass es sich bei den angegebenen Aktenvermerken und Gesprächsprotokollen um Diktate handle, die von seiner ehemaligen Ehefrau niedergeschrieben worden seien; darauf befinde sich weder ihr Name noch ihre Unterschrift. Es habe somit kein einziges Schriftstück vorgelegt werden können, welches die behauptete Tätigkeit habe belegen können. Die Höhe des Gehaltes sei angeblich bei der seinerzeitigen steuerlichen Vertretung erfragt worden; es sei mit 800 € mündlich festgelegt worden. Im Jahr 2011 sei es zur Scheidung der Eheleute gekommen, der Revisionswerber sei zu einer Unterhaltszahlung von monatlich 800 € für die Dauer von 48 Monaten, beginnend mit 1. Februar 2011, verpflichtet worden. Diese Unterhaltszahlung ruhe jedoch, solange die Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit einen Betrag von mindestens netto 800 € lukriere. Das behauptete Dienstverhältnis sei mit 30. April 2015 einvernehmlich und mündlich aufgelöst worden; auch hiezu gebe es keinen schriftlichen Beleg. Erst im Nachhinein seien Excel‑Listen über Stundenaufzeichnungen vorgelegt worden. Aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese Listen erst im Nachhinein erstellt worden seien.

2 Die Kriterien für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen seien nicht erfüllt. Es liege nahe, dass der Revisionswerber seine Unterhaltszahlungen in die betriebliche Sphäre habe einfließen lassen wollen, um seine Abgabenlast zu verringern. Für eine steuerliche Anerkennung sei außerdem erforderlich, dass die Leistungen über eine rechtlich und sittlich gebotene familienhafte Beistandspflicht hinausgingen. Das behauptete Dienstverhältnis mit der ehemaligen Ehefrau sei steuerlich nicht anzuerkennen.

3 Mit Bescheiden vom 19. Jänner 2018 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2014 fest. In der Begründung verwies das Finanzamt darauf, dass die Veranlagung unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung erfolgt sei. Weiters setzte das Finanzamt Anspruchszinsen betreffend Einkommensteuer 2011 bis 2014 fest.

4 Der Revisionswerber erhob gegen diese Bescheide Beschwerde.

5 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 31. Jänner 2019 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

6 Der Revisionswerber beantragte, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

8 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die ehemalige Ehefrau des Revisionswerbers sei im Zeitraum 1. Jänner 2010 bis 30. April 2015 beim Revisionswerber als dessen Dienstnehmerin zur Sozialversicherung gemeldet gewesen.

9 Vom Revisionswerber würden Lohnaufwendungen für seine ehemalige Ehefrau darauf gestützt, dass diese mit administrativen Tätigkeiten wie dem Sichten von 7.000 aus der Kanzlei des verstorbenen Freundes seines Vaters übernommenen Akten befasst gewesen sei. Für diese Tätigkeiten seien keine schriftlichen Aufzeichnungen geführt worden, da dies für diese Art von Tätigkeiten und aufgrund des persönlichen Naheverhältnisses nicht für erforderlich erachtet worden sei. Schriftliche Vereinbarungen lägen keine vor. Auch seien keine schriftlichen Vereinbarungen betreffend Urlaube und Dienstzeiten getroffen worden; schließlich sei auch die Beendigung der Tätigkeit ohne schriftliche Kündigung erfolgt.

10 Hinsichtlich der Höhe der für die Jahre 2011 bis 2014 monatlich zu entrichtenden Zahlungen (800 € pro Monat) sei zu beachten, dass der Revisionswerber aufgrund des Scheidungsvergleiches vom 11. März 2011 ‑ neben einer Abschlagszahlung ‑ zu monatlichen Zahlungen in Höhe von 800 € für die Dauer von 48 Monaten verpflichtet gewesen sei, die der Revisionswerber insbesondere auch dann zu leisten gehabt habe, wenn keine Arbeitsleistungen von seiner ehemaligen Ehefrau erbracht würden. Das Erzielen von Erwerbseinkünften durch seine ehemalige Ehefrau in Höhe von mindestens 800 € monatlich habe nämlich auch zur Folge gehabt, dass die vom Revisionswerber sonst zu leistenden Unterhaltszahlungen ruhten.

11 Selbst wenn die Erbringung von Arbeitsleistungen in einem gewissen Umfang als glaubwürdig erachtet werden könne, rechtfertige dies in freier Beweiswürdigung nicht die Annahme eines Dienstvertrages.

12 Aufgrund des Scheidungsvergleiches an die ehemalige Ehefrau zu entrichtende Unterhaltszahlungen in Höhe von 800 € pro Monat seien somit in die Form von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit seiner Ehefrau zu dem Zweck gekleidet worden, für den Revisionswerber eine Steuerersparnis durch Betriebsausgaben und für dessen Ehefrau die Möglichkeit einer gesetzlichen Sozialversicherung zu bewirken. Das Entrichten monatlicher Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnabgaben werde nicht als ausreichend angesehen, um ein steuerlich anzuerkennendes Dienstverhältnis zu begründen.

13 Wenn Listen betreffend Stundenaufzeichnungen vorgelegt worden seien, sei zu beachten, dass dies im Widerspruch zur niederschriftlichen Aussage des Revisionswerbers stehe, wonach es keine Stundenaufzeichnungen für die Tätigkeit seiner ehemaligen Ehefrau gebe. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass diese Aufzeichnungen im Nachhinein erstellt worden seien, um die getätigten Zahlungen als Lohnaufwand dem Grund und der Höhe nach zu rechtfertigen.

14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.

15 Das Bundesfinanzgericht hat die Akten des Verfahrens vorgelegt. Darin befindet sich auch eine Revisionsbeantwortung des Finanzamts mit Antrag auf Aufwandersatz.

16 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

19 Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, die „belangte Behörde“ verkenne in ihrer Entscheidung in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Publizität von Rechtsakten und wirtschaftlichen Betrachtungsweise, dass sie bei entsprechender Würdigung des in der Revision angeführten Sachverhaltes zum Ergebnis hätte kommen müssen, dass es sich bei der Entlohnung der ehemaligen Ehefrau um durch den Betrieb veranlasste Aufwendungen handle und dies auch dem wahren wirtschaftlichen Gehalt entspreche. Wäre die „belangte Behörde“ der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über die steuerliche Anerkennung von Verträgen und die wirtschaftliche Betrachtungsweise des § 21 BAO gefolgt, so hätte sie zum Schluss kommen müssen, dass es sich um ein ausreichend definiertes Anstellungsverhältnis handle, bei dem Leistung und Gegenleistung im angemessenen Verhältnis stünden und das auch unter Dritten, nicht Familienangehörigen, so geschlossen worden wäre.

20 Die Revision ist nicht zulässig.

21 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen für den Bereich des Steuerrechts nur als erwiesen angenommen werden und damit Anerkennung finden, wenn sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären. Dies gilt vor allem deshalb, weil der in der Regel zwischen fremden Geschäftspartnern bestehende Interessengegensatz bei nahen Angehörigen auszuschließen ist und durch die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten abweichend von den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten steuerliche Folgen entsprechend beeinflusst werden könnten (vgl. VwGH 30.6.2015, Ra 2015/15/0028, 0029, mwN).

22 Es sind die Sphären von Einkommenserzielung einerseits und Einkommensverwendung anderseits sauber zu trennen (vgl. VwGH 11.11.2008, 2006/13/0046).

23 Diese für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen aufgestellten Kriterien haben ihre Bedeutung im Rahmen der ‑ vom Verwaltungsgerichtshof nur auf ihre Schlüssigkeit zu prüfenden ‑ Beweiswürdigung und kommen daher in jenen Fällen zum Tragen, in denen berechtigte Zweifel am wahren wirtschaftlichen Gehalt einer behaupteten vertraglichen Gestaltung bestehen (vgl. VwGH 28.5.2015, 2013/15/0135).

24 Eine in einem Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG auf (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/15/0050, mwN).

25 Einen derartigen, die Zulässigkeit der Revision begründenden Mangel kann die Revision mit ihren pauschalen Behauptungen nicht darlegen. Der Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, dass ein steuerlich anzuerkennender Dienstvertrag nicht vorliege, ist im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten (vgl. etwa betreffend Anmeldung zur Sozialversicherung: VwGH 16.12.1997, 96/14/0099; betreffend zeitnah erstellte Stundenaufzeichnungen: VwGH 4.6.2003, 2001/13/0300; zu pauschalen Überweisungen ohne Abhängigkeit von konkreten Gegenleistungen: VwGH 11.11.2008, 2006/13/0046; zu schuldrechtlich exakt nachvollziehbaren Leistungsbeziehungen betreffend tatsächliche Arbeitszeit: VwGH 19.12.2013, 2010/15/0124, VwSlg. 8874/F).

26 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

27 Nach § 30a Abs. 7 in Verbindung mit § 36 Abs. 1 VwGG hat im Falle einer außerordentlichen Revision der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren zu führen und die Parteien zur Einbringung einer Revisionsbeantwortung aufzufordern. Eine solche Aufforderung ist nicht ergangen. Aufwandersatz für die von der belangten Behörde ohne eine derartige Aufforderung erstattete Revisionsbeantwortung konnte daher nicht zugesprochen werden (vgl. VwGH 3.7.2015, Ra 2015/03/0041, mwN).

Wien, am 19. März 2021

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