European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150050.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 20. Juli 2010 setzte das Finanzamt - erklärungsgemäß - die Einkommensteuer der Mitbeteiligten für das Jahr 2009 fest. Die Bemessungsgrundlage (Einkommen) wurde mit 5.241,86 EUR festgestellt, die Einkommensteuer mit 0 EUR festgesetzt.
2 Mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 beantragte die Mitbeteiligte die Aufhebung dieses Bescheides gemäß § 299 BAO. Sie beantragte die Berücksichtigung weiterer Werbungskosten. Ihr Sohn sei seit Jänner 2009 bei ihr als Bürogehilfe "geringfügig" angestellt. Er erstelle die erforderlichen Listen, Bestellformulare, Besuchsberichte, Abrechnungen, erledige großteils den Mailverkehr und regle teilweise ihre Termine. Dazu sei er auch bei der Gebietskrankenkasse angemeldet. Er erhalte für diese Tätigkeit (diese beziehe sich auf wenige Stunden in der Woche, da er ansonsten die Handelsakademie besuche) einen monatlichen Lohn von 100 EUR. Das Geld werde monatlich (14 mal im Jahr) bar ausgezahlt (normalerweise am Monatsende, ausnahmsweise bei "dringendem Bedarf" auch früher). Diese Ausgaben (1.400 EUR) seien noch nicht berücksichtigt.
3 Mit Bescheid vom 13. Dezember 2010 wies das Finanzamt diesen Antrag ab. Eine Änderung des Bescheides hätte keinen vom bisherigen Abgabenbetrag (Einkommensteuer 0 EUR) anders lautenden Bescheid zur Folge, sodass bei der Ermessensübung der Rechtsbeständigkeit der Vorrang gegenüber der Rechtsrichtigkeit zu geben gewesen sei.
4 Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Durch die beantragte Berücksichtigung der weiteren Ausgaben würde sich zwar die "Lohnsteuer" nicht ändern, es würde sich aber ihr Gewinn für das Jahr 2009 vermindern. Ausgehend von dem im Bescheid ausgewiesenen Gewinn müsse sie eine Nachzahlung von mehr als
1.600 EUR an die Sozialversicherung leisten. Könne sie hingegen einen neuen Steuerbescheid vorlegen, bei dem der Gewinn unter der "Gewinngrenze" der Sozialversicherung liege, müsse sie keine Nachzahlung leisten.
5 Das Finanzamt ersuchte daraufhin die Mitbeteiligte, den Dienst- oder Werkvertrag, die Stundenaufzeichnungen und sonstige Unterlagen vorzulegen, die die Aufgaben (Tätigkeiten) des Sohnes beschrieben.
6 Die Mitbeteiligte schilderte daraufhin neuerlich die Tätigkeiten ihres Sohnes und führte ergänzend aus, die Tätigkeit ihres Sohnes sei unregelmäßig; er arbeite nicht täglich, sondern je nach Bedarf und je nach seiner Möglichkeit. Im Durchschnitt komme er auf eine Arbeitszeit von ca. zwei bis drei Stunden pro Woche. Es könne daher von einer durchschnittlichen Monatsarbeitszeit von etwa 10 Stunden ausgegangen werden.
7 Mit Berufungsvorentscheidung vom 8. März 2011 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Ein schriftlicher Vertrag sei nicht vorgelegt worden, weshalb angenommen werde, dass es sich um eine mündliche Vereinbarung handle. Die Anmeldung des Arbeitsverhältnisses bei der Gebietskrankenkasse sei erst Ende November 2010 erfolgt; erst damit sei die Arbeitsvereinbarung nach außen zum Ausdruck gekommen. Der beschriebene Tätigkeitsbereich gehe nicht über die im ABGB begründete Mitwirkungspflicht bzw. eine familienhafte Mitarbeit hinaus. Es seien daher die Voraussetzungen zur steuerlichen Anerkennung des Vertrags mit dem Sohn nicht gegeben. Daraus folge, dass der Spruch des Einkommensteuerbescheides 2009 nicht rechtswidrig sei.
8 Die Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Ergänzend brachte sie vor, die geleisteten Stunden seien von ihr und teilweise auch von ihrem Sohn auf einem "Kalender" notiert worden; dieser Kalender könne bei Bedarf eingesehen werden. Seit Jänner 2010 werde der Lohn auf ein Bankkonto überwiesen. Dem Schriftsatz legte sie einen - unter Verwendung eines Musterformulars der Wirtschaftskammer - erstellten Dienstvertrag bei (unterfertigt am 12. März 2011, Beginn des Dienstverhältnisses am 1. Jänner 2009).
9 Mit Eingabe vom 11. April 2011 legte die Mitbeteiligte ergänzend einen (mit 7. April 2011 datierten) Jahreslohnzettel und Beitragsgrundlagennachweis für ihren Sohn für das Jahr 2009 vor.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde Folge und hob den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 20. Juli 2010 gemäß § 299 Abs. 1 BAO auf.
11 Begründend führte das Bundesfinanzgericht nach Wiedergabe des Verfahrensgangs im Wesentlichen aus, das Finanzamt habe die grundsätzlichen Voraussetzungen, die bei Familienverträgen vorliegen müssten, zutreffend geschildert. Im konkreten Fall sei aber zu berücksichtigen, dass sich die Mitbeteiligte bemüht habe, die Voraussetzungen für die Anerkennung des Dienstverhältnisses zu erfüllen, sobald sie jeweils hievon Kenntnis erlangt habe. So habe sie Anmeldungs- und Beitragsunterlagen für 2009 vorgelegt. Das Bundesfinanzgericht zweifle nicht an der Ernsthaftigkeit der zuerst mündlichen Vereinbarung mit dem Sohn. Der Umfang der Entlohnung für die geringfügige Tätigkeit erscheine angemessen. Der Bedarf an Unterstützung für die Tätigkeit der Mitbeteiligten sei insbesondere für das Erstellen von Excel-Tabellen, Vereinbarung von Terminen, Erstellen von Formularen, Ausarbeitung von Informationen an Kundschaften, Tätigen von Bestellungen, Telefonieren, Faxen, Scannen, Drucken und sonstige Bürotätigkeiten gegeben gewesen. Der Sohn sei durch seinen Besuch der Handelsakademie in der Lage gewesen, diese Hilfstätigkeiten für die Mutter auszuführen. Die Mitbeteiligte habe die formalen Voraussetzungen zu einem Dienstverhältnis im Zuge des Verfahrens erfüllt. Damit werde klar, dass der Spruch des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 20. Juli 2010 falsch gewesen sei, die Bemessungsgrundlage sei um 1.400 EUR zu hoch angesetzt gewesen, womit die sachlichen Voraussetzungen des § 299 Abs. 1 BAO erfüllt seien. Im Rahmen der Ermessensübung seien auch die außersteuerlichen Auswirkungen zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall ergäbe sich eine nicht als geringfügig anzusehende Auswirkung im Hinblick auf Sozialversicherungsbeiträge der Mitbeteiligten in Höhe von mehr als 1.600 EUR.
12 Die Revision sei nicht zulässig; Feststellungen auf der Sachverhaltsebene beträfen keine Rechtsfragen und seien grundsätzlich keiner Revision zugänglich.
13 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts.
14 Zur Zulässigkeit der Revision wird zusammengefasst geltend gemacht, das vom Bundesfinanzgericht angenommene Dienstverhältnis erfülle nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung von vertraglichen Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen. Das Dienstverhältnis sei - wie näher ausgeführt wird - im Jahr 2009 weder nach außen ausreichend zum Ausdruck gekommen, noch habe es einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt gehabt. Es sei eine mit Taschengeld belohnte familienhafte Mitarbeit anzunehmen.
15 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet; Aufwandersatz wurde nicht geltend gemacht.
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen für den Bereich des Steuerrechts nur als erwiesen angenommen werden und damit Anerkennung finden, wenn sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären. Dies gilt vor allem deshalb, weil der in der Regel zwischen fremden Geschäftspartnern bestehende Interessengegensatz bei nahen Angehörigen auszuschließen ist und durch die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten abweichend von den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten steuerliche Folgen entsprechend beeinflusst werden könnten (vgl. VwGH 30.6.2015, Ra 2015/15/0028, mwN).
20 Diese für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen aufgestellten Kriterien haben ihre Bedeutung im Rahmen der - vom Verwaltungsgerichtshof nur auf ihre Schlüssigkeit zu prüfenden - Beweiswürdigung und kommen daher in jenen Fällen zum Tragen, in denen berechtigte Zweifel am wahren wirtschaftlichen Gehalt einer behaupteten vertraglichen Gestaltung bestehen (vgl. VwGH 26.5.2010, 2006/13/0134, mwN).
21 Eine in einem Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung, wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. neuerlich VwGH 30.6.2015, Ra 2015/15/0028, mwN).
22 Die Revision zeigt an sich zutreffend auf, dass im zu beurteilenden Fall eine Reihe von Umständen vorliegt, die Zweifel am wahren wirtschaftlichen Gehalt der von der Mitbeteiligten behaupteten Leistungsbeziehung zu ihrem Sohn erwecken können (vgl. etwa VwGH 4.6.2003, 2001/13/0300; 11.11.2008, 2006/13/0046; vgl. aber auch etwa VwGH 1.6.2006, 2003/15/0093; 26.3.2014, 2011/13/0036, VwSlg. 8903/F). Damit kann aber letztlich nur dargelegt werden, dass das Bundesfinanzgericht im Rahmen der Beweiswürdigung auch zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Eine die Zulässigkeit der Revision begründende grobe Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung wird aber nicht aufgezeigt.
23 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 31. Jänner 2019
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