Normen
BDG 1979 §109
BDG 1979 §123
BDG 1979 §123 Abs1
BDG 1979 §123 Abs2
BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §44 Abs1
BDG 1979 §48 Abs1
BDG 1979 §91
BDG 1979 §94 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art6 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24 Abs1
VwGVG 2014 §24 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090164.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der im Jahr 1963 geborene Revisionswerber steht in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist auf die Dauer seines Dienststandes der D AG bzw. der E GmbH zur Dienstleistung zugewiesen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde vom 20. Jänner 2021, mit dem gegen den Revisionswerber ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts eingeleitet wurde, er habe (1.) im Zeitraum vom 17. März bis 30. April 2020 an insgesamt 32 Arbeitstagen die Nebengebühr „Fernmeldepauschale/Ortspauschale“ ungerechtfertigt geltend gemacht und verrechnet, (2.) im Juni 2020 an zumindest zwölf Tagen die für Telefonzellen‑Inkassofahrten erforderliche Kilometeranzahl erheblich überschritten, dies in den Fahrzeugeinsatzblättern nicht wie vorgeschrieben dokumentiert und dadurch nicht zu einem umwelt‑ und kostenbewussten Fahrzeugeinsatz beigetragen sowie (3.) am 30. Juni 2020 seinen Dienst eigenmächtig und unerlaubt vorzeitig um ca. 11.30 Uhr anstatt um 15.00 Uhr beendet und dadurch gegen die Dienstpflichten des § 43 Abs. 1 und § 44 Abs. 1 BDG 1979 (zu 1. und 2.) sowie des § 48 Abs. 1 leg. cit. (zu 3.) verstoßen, als unbegründet abgewiesen. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG wurde für nicht zulässig erklärt.
3 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Dementsprechend erfolgt nach ständiger Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben. Auf Vorbringen zur Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist nicht einzugehen, selbst wenn es als Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezeichnet ist (vgl. VwGH 26.2.2021, Ra 2021/09/0007; 25.4.2019, Ra 2019/09/0048).
6 In den gesondert vorzubringenden Gründen ist sohin konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 12.3.2018, Ra 2018/09/0008, mwN).
7 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
8 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision stützt sich auf die Unterlassung der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung. Darin liege, so der Revisionswerber, ein unvertretbarer Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Sodann zitiert er eine Reihe von Rechtssätzen aus Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes. Zu den Tatvorwürfen führt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung ‑ wie auch schon in der Beschwerde ‑ aus, er habe den Vorwürfen entschieden widersprochen, insbesondere sei die Verrechnung der „Fernmeldepauschale/Ortspauschale“ aufgrund des Anfahrtsweges des Revisionswerbers zur Arbeitsstätte zu Recht erfolgt, die Navigations‑App sei keinesfalls fehlerfrei und falsche Standortangaben seien gespeichert sowie habe die Routenplanung aufgrund von „Funklöchern“ zeitweise selbstständig durchgeführt werden müssen und es seien Mehrfachanfahrten notwendig gewesen. Außerdem sei der Revisionswerber am 30. Juni 2020 gleichzeitig mit seinem Kollegen A ausdrücklich vom Dienst befreit und vorzeitig nach Hause geschickt worden. Da der relevante Sachverhalt nicht unstrittig gewesen sei, hätte das Verwaltungsgericht im Sinne der angeführten Rechtsprechung eine mündliche Verhandlung durchführen müssen.
9 Dazu ist der Revisionswerber zunächst auf die ständige und bereits zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach ein Revisionswerber, der eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, konkret anzuführen hat, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Dabei hat er konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihm ins Treffen geführten hg. Erkenntnisse gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hätte und damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre (vgl. VwGH 7.8.2019, Ra 2019/02/0016; 19.5.2014, Ra 2014/09/0001). In diesem Zusammenhang reicht die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Erkenntnissen, so wie dies der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung gemacht hat, nicht aus (vgl. VwGH 26.11.2018, Ra 2018/02/0283). Abgesehen davon befasst sich nur ein einziges der vom Revisionswerber zitierten Erkenntnisse (vgl. VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007), auf das noch näher einzugehen sein wird, mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Zusammenhang mit einem disziplinarrechtlichen Einleitungsbeschluss, während alle anderen Judikate die Besonderheiten bei der Einleitung eines Disziplinarverfahrens nicht berücksichtigen.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung nämlich in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten innerhalb der Verjährungsfrist gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Einleitungsbeschluss begrenzt sohin regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist.
11 Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn im Umfang der Disziplinaranzeige und auf deren Grundlage genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer konkreten Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Es muss die Disziplinarbehörde bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob der Beamte eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebenso wenig muss im Einleitungsbeschluss das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden (vgl. zu alldem etwa VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0210; 24.1.2018, Ra 2017/09/0047).
12 In dieser Phase des Verfahrens ist nur zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob allenfalls offenkundige Gründe für eine sofortige Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Über die Disziplinaranzeige hinausgehende Ermittlungen werden nur im Zweifelsfall notwendig sein. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen gegeben erscheinen lassen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung, er setzt die Kenntnis von Tatsachen voraus, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Vergehen geschlossen werden kann (vgl. VwGH 3.10.2013, 2013/09/0031; 16.10.2008, 2007/09/0182 und 0226; 22.4.1993, 92/09/0398, mwN).
13 Zutreffend hat das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung zudem ausgeführt, dass mit einer Entscheidung über eine disziplinarrechtliche Schuld und Strafe eines Beamten in der Regel eine Entscheidung über eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK getroffen wird (vgl. VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049). Bei der Entscheidung über einen Einleitungsbeschluss im Disziplinarverfahren der Beamten nach § 123 BDG 1979 wird im Unterschied zu einem Disziplinarerkenntnis jedoch noch nicht über die Schuld und Strafe entschieden. Es handelt sich vielmehr um einen vorbereitenden verfahrensrechtlichen Bescheid, der den Eintritt der Verjährung verhindert, und eine Umgrenzung des Verfahrensgegenstandes und erst eine Voraussetzung für die Entscheidung in der Sache selbst, aber keine abschließende Entscheidung darstellt. Der Beschuldigte hat auch nach Erlassung eines Einleitungsbeschlusses die Möglichkeit, alle zu seiner Verteidigung sprechenden Umstände geltend zu machen (vgl. VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007).
14 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007, mit den verfahrensrechtlichen Anforderungen an das zur Erlassung eines Einleitungsbeschlusses führende Verfahren befasst und zusammenfassend festgehalten, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen hat, welche der Erörterung der Sach‑ und Rechtslage sowie der Erhebung der Beweise dient. Als Ausnahme von dieser Regel kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Antrages gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Die Akten lassen dann im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann (vgl. Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Teilband 2007, zu § 67d AVG, Rz 26), wenn also der Sachverhalt geklärt ist (vgl. dazu die im hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, dargestellten Voraussetzungen) und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre.
15 Im Revisionsfall bestand die Rechtssache sohin in der Beurteilung, ob ein ausreichend konkreter Verdacht im Hinblick auf die Begehung bestimmter Dienstpflichtverletzungen in sachverhaltsmäßiger und tatbestandsmäßiger Hinsicht gegeben war und in der Formulierung dieses Verdachtes in Form eines konkreten Vorwurfes, bei dessen Verneinung hingegen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 BDG 1979. Eine abschließende Beurteilung der Schuld und Strafe im Hinblick auf die vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen war nicht vorzunehmen (vgl. noch einmal VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007).
16 Demnach kann dem Verwaltungsgericht zunächst nicht entgegengetreten werden, wenn es zum Ergebnis kommt, die Anforderungen an einen Einleitungsbeschluss im Disziplinarverfahren seien im Revisionsfall erfüllt: Hinsichtlich der drei Anschuldigungspunkte liegen hinreichend konkrete und begründete Anhaltspunkte vor, dass der Revisionswerber im Verdacht stehe, die vorgeworfenen Handlungen begangen und damit schuldhaft gegen seine Dienstpflichten verstoßen zu haben. Es steht des Weiteren unverwechselbar fest, welche konkreten Vorgänge den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bilden und der Sachverhalt ist für das Verfahrensstadium des Einleitungsbeschlusses ausreichend geklärt. Auch wenn der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung die Auffassung vertritt, es würden offenkundige Gründe für eine Einstellung vorliegen, so führt er doch keinen solchen Grund konkret an und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch keiner ersichtlich. Alleine durch das (bloß unsubstantiierte) Bestreiten der Vorwürfe, vermag der Revisionswerber keine derartigen „offenkundigen“ Gründe darzutun. Dem Verwaltungsgericht ist daher auch zuzustimmen, wenn es meint, es seien keine offenkundigen Gründe für eine Einstellung nach § 118 Abs. 1 BDG 1979 hervorgekommen.
17 Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand von Einleitungsbeschlüssen nach § 123 BDG 1979, für welche noch keine abschließende Klarheit hinsichtlich Schuld und Strafe, sondern nur ein sachverhaltsmäßig und rechtlich ausreichend konkreter Verdacht bestehen muss, kann der Revisionswerber auch im Hinblick auf die Unterlassung der Durchführung der beantragten Verhandlung keine Rechtswidrigkeit aufzeigen:
18 Soweit der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung vorbringt, dass die Verrechnung der Nebengebühr „Fernmeldepauschale/Ortpauschale“ zu Recht erfolgt sei, bestreitet er nicht, dass er die Nebengebühr verrechnet hat, sondern er bringt nur seinen Standpunkt zum Ausdruck, die Verrechnung sei zu Recht erfolgt (dies im Übrigen entgegen seiner anfänglichen Verantwortung). Eine abschließende rechtliche Würdigung muss in diesem Stadium des Verfahrens aber nicht erfolgen. Bei den Ausführungen zur angeblich fehlerhaften Navigations‑App handelt es sich um bloße Behauptungen, die der Revisionswerber ohne Angabe von Beweismitteln aufstellt. Auch die Würdigung dieses Vorbringens muss erst im Ermittlungsverfahren erfolgen. Überdies bestreitet der Revisionswerber mit seinem Vorbringen die Tatsachen nicht substantiiert. Dem Vorbringen des Revisionswerbers zum Vorfall am 30. Juni 2020 ist entgegenzuhalten, dass er unstrittig den Dienst vorzeitig beendet hat; seine gestützt auf einen namhaft gemachten Zeugen (wiederholte) Behauptung, dass er „ausdrücklich vom Dienst befreit“ worden sei, steht in Widerspruch zur Darstellung der Dienstbehörde und vermag in diesem Verfahrensstadium die vom Verwaltungsgericht daraus abgeleitete Annahme hinreichender Verdachtsgründe einer Dienstpflichtverletzung nicht zu erschüttern.
19 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen
Wien, am 19. Juli 2021
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