VwGH Ra 2021/09/0007

VwGHRa 2021/09/000726.2.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Doblinger und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rabensteig 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. November 2020, Zl. W116 2227999‑1/9E, betreffend Suspendierungnach dem Beamten‑Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres [nunmehr: Bundesdisziplinarbehörde]), den Beschluss gefasst:

Normen

BDG 1979 §112 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs1 Z5
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090007.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist seit 2003 Leiter einer Abteilung im Bundesministerium für Inneres.

2 Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 17. Dezember 2019 wurde der Revisionswerber gemäß § 112 Abs. 3 Beamten‑Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) vom Dienst suspendiert, da durch seine Belassung im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes gefährdet würde. Der Revisionswerber sei verdächtig, in 23 näher angeführten Fällen innerhalb eines mehrjährigen Zeitraumes Mitarbeiterinnen auf Grund ihres Geschlechts diskriminiert, in 4‑Augen‑Gesprächen unangebrachte geschlechtsspezifische und religiöse ‑ weit ins Privatleben hineingehende ‑ Äußerungen getätigt und sie gemobbt zu haben sowie den ihm in seiner Leitungsfunktion übertragenen Aufgaben als Führungskraft nicht nachgekommen zu sein und dadurch Dienstpflichtverletzungen nach §§ 43 Abs. 2, 43a und 45 BDG 1979 bzw. §§ 8a und 4 Bundes‑Gleichbehandlungsgesetz (B‑GlBG) begangen zu haben.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid vom Revisionswerber erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG als unbegründet ab und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.

4 In seiner Entscheidungsbegründung hat sich das Verwaltungsgericht ‑ soweit für die Revision von Relevanz ‑ zur Verneinung des Einwandes des Revisionswerbers im Beschwerdeverfahren, dass die sechsmonatige Frist für die Verfolgungsverjährung bereits am 27. Mai 2019 mit der Kenntnis des Inhalts eines anonymen Schreibens vom 22. Mai 2019, worin dem Revisionswerber ein bereits seit mehreren Jahren andauerndes schikanöses und diskriminierendes Verhalten gegenüber weiblichen Bediensteten sowie der Mangel an Bereitschaft Führungsverantwortung zu übernehmen vorgeworfen wurde, durch den zuständigen Leiter des Referates für Disziplinar‑ und Beschwerdeangelegenheiten zu laufen begonnen habe, auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 2002, 2001/09/0205, gestützt; demnach komme (zusammengefasst) „als ‚Kenntnis‘ von der Dienstpflichtverletzung nur das auf sicheren Grundlagen beruhende Wissen über bestimmte Tatsachen in Betracht, nicht jedoch ein bloßes Gerücht, Vermutungen Dritter oder bloßes Kennenmüssen [...]. Ein anonymes Schreiben steht auf der Stufe von Vermutungen Dritter, keinesfalls ist dem der Akteneinsicht entzogenen anonymen Schreiben ein auf sicheren Grundlagen beruhendes Wissen über bestimmte Tatsachen zu entnehmen.“ Davon ausgehend kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass die für den Revisionswerber zuständige Dienstbehörde zu diesem Zeitpunkt noch nicht das notwendige, auf sicheren Grundlagen beruhende Wissen über bestimmte Tatsachen gehabt habe, um von einer im Sinne von § 94 Abs. 1 Z 1 BDG 1979 fristauslösenden Kenntnis der gegenständlichen Dienstpflichtverletzungen ausgehen zu können. Im Weiteren führte es zur Strafbarkeitsverjährung und dem Umstand, dass ein Teil der vorgeworfenen Einzelhandlungen bereits länger als drei Jahre zurückliegen, aus, dass es sich bei den Vorwürfen im Wesentlichen um gleichartige Tathandlungen handle, die bei Wahrheitsunterstellung einen Angriff auf dasselbe Rechtsgut darstellen würden und auf ein für ein fortgesetztes Delikt erforderliches Gesamtkonzept hindeuten würden.

5 Gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dem Revisionswerber, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Da der Verwaltungsgerichtshof ‑ wie bereits angeführt ‑ gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bloß beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 7. September 2016, Ra 2016/19/0137, vom 13. September 2016, Ra 2016/01/0041, und vom 29. September 2016, Ra 2016/05/0083).

8 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird auch dem Erfordernis der gesonderten Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung Genüge getan. Enthält eine Revision die Ausführungen zu ihrer Begründetheit wortident auch als Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision, wird damit dem Erfordernis der gesonderten Darlegung von in § 28 Abs. 3 VwGG geforderten Gründen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, nicht entsprochen (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 19. April 2016, Ra 2016/02/0062, und vom 29. Jänner 2016, Ra 2015/06/0128).

9 Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof bereits betont, dass die Gründe für die Zulässigkeit der Revision (insbesondere auch) gesondert von den Revisionsgründen gemäß § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG darzustellen sind. Auch wird der Darstellung von Revisionsgründen nicht dadurch entsprochen, dass auf die Ausführungen zu den Zulässigkeitsgründen verwiesen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. März 2016, Ra 2015/06/0043). Auf Vorbringen zur Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist nicht einzugehen, selbst wenn es als Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezeichnet ist (vgl. den hg. Beschluss vom 27. Februar 2015, Ra 2014/06/0050).

10 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich die gegenständliche Revision, die inhaltlich eine Trennung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG und der Revisionsgründe nicht erkennen lässt, als nicht gesetzmäßig ausgeführt. Daran ändert auch nichts, dass die Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit und der Revisionsgründe unter der Überschrift „Zulässigkeit der Revision“ erfolgt und überdies eine eigene Rubrik „Revisionsgründe“ vorhanden ist, zumal sich die Ausführungen unter der Überschrift „Revisionsgründe“ inhaltlich bloß als Verweis auf die zuvor getätigten Ausführungen unter der Überschrift „Zulässigkeit der Revision“ darstellen.

11 Der Revisionswerber kann auch ‑ ungeachtet dessen ‑ mit dem Vorbringen in seiner Zulässigkeitsbegründung, das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 2002, 2001/09/0205, gestützt und es fehle höchstgerichtliche Judikatur dazu, „ob nicht ein Schreiben, das zwar ‚anonym‘ verfasst, aber auf insgesamt 11 Seiten sehr detailgetreu Vorwürfe zur Belästigung von Mitarbeitern und mangelnder Führungsverantwortung des [Revisionswerbers] erhoben werden, nicht bereits als ‚Kenntnis‘ von der Dienstpflichtverletzung und damit als fristauslösendes Ereignis angesehen werden kann“, zumal Vorwürfe in dem Schreiben wortgleich in den Suspendierungsbescheid übernommen worden seien und zur Richtigkeit der Vorwürfe in dem Schreiben auf zwei eindeutig identifizierbare Personen hingewiesen werde, und dass damit einige näher genannte Anschuldigungspunkte bereits verjährt seien, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufzeigen.

12 Soweit der Revisionswerber weiters zu seinem Verjährungseinwand geltend macht, dass einzelne Tathandlungen in den Jahren 2015, 2016 und 2019 gesetzt worden seien und es durch deren Abstand an einer für die Annahme eines fortgesetzten Delikts notwendigen Handlungseinheit fehle, übersieht er, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Verfügung der Suspendierung den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraussetzt, die wegen „ihrer Art“ das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwerwiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwerwiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Suspendierung begründet sein, z.B. bei denkbarer Verdunkelungsgefahr im Dienst oder schwerer Belastung des Betriebsklimas (vgl. u.a. VwGH 18.9.2008, 2007/09/0383).

13 Angesichts dessen kann der Revisionswerber mit diesem Vorbringen in diesem Verfahrensstadium die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei der Vielzahl von 23 innerhalb eines Zeitraumes zwischen 2003 und 20. Mai 2019 gesetzten Tathandlungen, die bei Wahrunterstellung einen Angriff auf dasselbe Rechtsgut darstellen würden und auf ein für ein fortgesetztes Delikt erforderliches Gesamtkonzept hindeuten würden, nicht erschüttern. Erst wenn die Tatzeitpunkte näher determinierbar werden, kann die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Judikatur des VwGH, dass unter Berücksichtigung des Einzelfalles größere Abstände zwischen den Tathandlungen gegen die Annahme eines fortgesetzten Deliktes sprechen können, zum Tragen kommen. Es werden somit auch in der Revision keine Gründe für eine offenkundige Verjährung aufgezeigt.

14 Die Revision war daher mangels Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 26. Februar 2021

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