Normen
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220246.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, gegen die Abweisung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) als unbegründet abgewiesen. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
Dies begründete das Verwaltungsgericht Wien (VwG) im Wesentlichen damit, dass dem Revisionswerber keine ausreichenden Unterhaltsmittel zur Verfügung stünden, er nach wie vor eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle und die Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG nicht zu seinen Gunsten ausfalle.
Die Ehefrau des Revisionswerbers, eine österreichische Staatsbürgerin, verdiene (unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen) monatlich durchschnittlich EUR 1.808,--; für ein Ehepaar und drei Kinder betrage der Richtwert nach dem ASVG EUR 1.784,48, die Familienbeihilfe für drei Kinder betrage EUR 593,--. Nach Abzug der Miete (EUR 733,84 abzüglich der freien Station in der Höhe von EUR 288,87) und der Kreditraten (EUR 220,--) stünden jedoch keine ausreichenden Mittel zur Finanzierung des Aufenthaltes des Revisionswerbers zur Verfügung. Der "Vorvertrag" der R Bau GmbH mit dem Revisionswerber sei "keinesfalls ausreichend konkretisiert" und sei "lediglich als Gefallen an den Vater des Beschwerdeführers abgeschlossen" worden; es sei "davon auszugehen, dass dieser lediglich zu dem Zweck errichtet wurde, um die ausreichenden finanziellen Mittel des Beschwerdeführers im Verfahren darzulegen". Die in der hg. Judikatur (Hinweis auf VwGH 25.3.2010, 2010/21/0088; 21.12.2010, 2009/21/0096) formulierten Voraussetzungen für die Zugrundelegung einer derartigen Vereinbarung bei der Bemessung nach § 11 Abs. 5 NAG seien nicht gegeben.
Der Revisionswerber sei 2006 wegen mehrfachen schweren Raubes zu einer unbedingten Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden und 2010 nach Verbüßung der Haftstrafe aus dem Bundesgebiet ausgereist. Das mit Bescheid vom 24. Jänner 2007 gegen ihn erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot sei "(a)ufgrund einer Änderung der Rechtslage" mit Bescheid vom 29. Jänner 2016 aufgehoben worden; 2016 sei er nach Österreich zurückgekehrt. Die Zeit seines zweijährigen Aufenthaltes in Österreich nach der Haftentlassung reiche - zumal der Revisionswerber über kein Einkommen verfüge - nicht aus, um mit Sicherheit davon ausgehen zu können, dass er nicht wieder straffällig werde.
Im Rahmen der Interessenabwägung kam das VwG - mit näherer Begründung - zu dem Ergebnis, dass die persönlichen Interessen des Revisionswerbers die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen nicht überwögen.
5 In der Zulässigkeitsbegründung rügt die Revision ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der hg. Rechtsprechung, weil das VwG einerseits den Vorvertrag (Hinweis auf VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0024) und andererseits das geringe Unterschreiten der erforderlichen Unterhaltsmittel (Hinweis auf VwGH 19.11.2014, 2013/22/0009) durch das Einkommen der Ehefrau des Revisionswerbers nicht berücksichtigt habe. Darüber hinaus sei das gegen den Revisionswerber erlassene Aufenthaltsverbot "wegen Änderung des Sachverhaltes bzw. Wegfall der Gründe, die zur Erlassung geführt haben", aufgehoben worden. Das VwG lasse offen, aus welchem Grund die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes "eine andere Gefährdungsprognose zum Gegenstand haben sollte." Dass - wie das VwG ausgeführt habe - ein längerfristiges Aufenthaltsrecht eine andere Abwägung erfordere als ein visumfreier Aufenthalt, sei der Rechtsprechung fremd; die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sei zu beachten (Hinweis auf VwGH 7.12.2016, Ra 2016/22/0030; 26.6.2012, 2009/22/0262).
6 Dem ist zunächst zu entgegnen, dass die Revision den beweiswürdigenden Ausführungen des VwG, wonach der Vorvertrag nicht ausreichend konkretisiert im Sinn der hg. Judikatur (Hinweis auf VwGH 25.3.2010, 2010/21/0088; 21.12.2010, 2009/21/0096) und nur gefälligkeitshalber abgeschlossen worden sei, nicht entgegentritt. Diese Beurteilung ist jedenfalls nicht als unvertretbar anzusehen (vgl. zur Überprüfung der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof etwa VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0133, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof sprach zur Berechnung des "Haushaltseinkommens" gemäß § 11 Abs. 5 NAG bereits aus, dass die Familienbeihilfe ausschließlich der Versorgung, Erziehung und Berufsausbildung der Kinder dient und daher nicht bei der Prüfung des Nachweises ausreichender Unterhaltsmittel zu berücksichtigen ist (vgl. VwGH 22.3.2011, 2007/18/0689). Angesichts dessen unterschreitet das Einkommen der Ehefrau des Revisionswerbers den erforderlichen Richtsatz nicht nur geringfügig, sodass der Hinweis auf das hg. Erkenntnis 2013/22/0009 nicht zielführend ist. Somit liegt die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG nicht vor. Bereits aus diesem Grund wies das VwG die Beschwerde zutreffend ab.
Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht gegen die vom VwG durchgeführte Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG.
7 Der Verwaltungsgerichtshof brachte bereits wiederholt zum Ausdruck, dass eine Revision unzulässig ist, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und dieser Begründung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt (vgl. etwa VwGH 31.5.2017, Ra 2017/22/0044, mwN). Auf das weitere Vorbringen, ob der Revisionswerber immer noch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, war daher nicht mehr einzugehen.
8 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.
Wien, am 8. November 2018
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