VwGH Ra 2017/17/0340

VwGHRa 2017/17/034023.8.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des H L, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 8. Februar 2017, LVwG 30.23-2862/2016-22, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark),

Normen

VStG §16 Abs2;
VStG §44a Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170340.L00

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe und die Verfahrenskosten (des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie des Beschwerdeverfahrens) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 2. September 2016 wurde der Revisionswerber als das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 52 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) betreffend ein näher bezeichnetes Glücksspielgerät für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.000,-- sowie im Falle ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab (Spruchpunkt I.), setzte den Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren mit EUR 600,- fest (Spruchpunkt II.) und erlegte dem Revisionswerber die Bezahlung von Barauslagen in Form von Sachverständigengebühren in der Höhe von EUR 274,50 auf (Spruchpunkt III.). Weiters sprach es aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt IV.).

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Die Revision stellt in den Zulässigkeitsgründen zunächst mit näheren Ausführungen die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols in den Raum; weiters behauptet der Revisionswerber eine fehlende ausreichende Begründung im angefochtenen Erkenntnis, aus welchem Grund bei dem verfahrensgegenständlichen Spiel die "Glücksspielkomponente" gegenüber dem "Geschicklichkeitsfaktor" überwiege. Darüberhinaus führt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung einen Verstoß gegen § 16 Abs. 2 VStG ins Treffen, da gegenständlich die Verhängung einer zwei Wochen übersteigenden Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig gewesen sei.

5 Die Revision ist, soweit sie sich gegen den Strafausspruch richtet, aus dem aufgezeigten Grund des Verstoßes gegen § 16 Abs. 2 VStG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig und berechtigt. Im Übrigen - somit hinsichtlich des Ausspruches zur Schuld und zu der auferlegten Bezahlung von Barauslagen - ist die Revision zurückzuweisen.

Zum Ausspruch über Schuld und Barauslagen:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Im Hinblick auf die in der Revision vorgebrachte Unionsrechtswidrigkeit des GSpG ist auszuführen, dass mit den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, sowie vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage vorliegt. Von dieser Rechtsprechung ist das LVwG im Revisionsfall nicht abgewichen.

10 Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, C-347/09 , Dickinger und Ömer, Rn. 83 f, 30.4.2014, C-390/12 , Pfleger, Rn. 47 ff, 30.6.2016, C-464/15 , Admiral Casinos & Entertainment AG, Rn. 31, 35 ff, sowie 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof in den zitierten Erkenntnissen vom 16. März 2016 und vom 11. Juli 2018 durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen.

11 Zum Vorbringen des Revisionswerbers, wonach das für die Verwaltungsgerichte anzuwendende Amtswegigkeitsprinzip der in Art. 6 EMRK normierten Unparteilichkeit des erkennenden Gerichtes widerspreche, genügt es, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2017, E 3282/2016, zu verweisen. Darin hat der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK verneint. Soweit Art. 47 GRC als anzuwendende Norm in Betracht kommen könnte, vermögen die Revisionsausführungen ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, C-685/15 , Online Games Handels GmbH ua, stehen darüber hinaus die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen.

12 Die Revision zeigt somit in Bezug auf die behauptete Unionsrechtswidrigkeit des GSpG keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

13 Auch mit dem Zulässigkeitsvorbringen, im angefochtenen Erkenntnis fehle eine Begründung zur Feststellung der überwiegenden Glückspielkomponente des verfahrensgegenständlichen Spiels, wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargelegt:

14 Dem angefochtenen Erkenntnis ist die Begründung der durch das LVwG - nach Durchführung eines mängelfreien Verfahrens, insbesondere einer Verhandlung samt Einvernahme eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen - getroffenen Feststellung, es stehe betreffend das gegenständliche Spiel insgesamt die Glücksspielkomponente im Vordergrund, eindeutig zu entnehmen.

15 Der Verwaltungsgerichtshof ist - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. für viele VwGH 15.3.2016, Ra 2014/01/0187).

16 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2016/01/0013, mwN). Dass und wodurch dem LVwG vorliegend ein derartiger krasser Fehler der Beweiswürdigung unterlaufen wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt (vgl. etwa VwGH 4.5.2018, Ra 2018/01/0178, mwN). Ein Abweichen des LVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht verwaltungsbehördlicher Entscheidungen, wie in der Zulässigkeitsbegründung der Revision im Ergebnis - unsubstantiiert - behauptet, ist in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht ersichtlich; eine über allgemeine Behauptungen hinausgehende konkrete Begründung, aus welchem Grund die durch das LVwG vorgenommene Beweiswürdigung im vorliegenden Fall unvertretbar sein sollte, lassen die Zulässigkeitsausführungen der Revision vermissen.

17 Da die Revision somit hinsichtlich des durch das angefochtene Erkenntnis ausgesprochenen Schuldspruches keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt, war sie in diesem Umfang zurückzuweisen. Zur Frage der auferlegten Bezahlung von Barauslagen enthält die Revision, die das Erkenntnis zwar grundsätzlich seinem gesamten Inhalt und Umfang nach anficht, in der Zulässigkeitsbegründung keine Ausführungen, weshalb sie auch in diesem Umfang zurückzuweisen war (z.B. VwGH 22.7.2017, Ra 2017/17/0343).

Zum Ausspruch über die Strafe:

18 Nach dem - vom Verwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen anzuwendenden - § 16 Abs. 2 VStG darf die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen.

19 Da aufgrund der im Revisionsfall in Rede stehenden Verwaltungsübertretung iSd § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG nur eine Geldstrafe und keine primäre Freiheitsstrafe ausgesprochen werden darf, darf vorliegend das Höchstmaß der dafür verhängten Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 Abs. 2 erster Satz VStG zwei Wochen nicht übersteigen. Die im gegenständlichen Fall erfolgte Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen verstößt daher, wie die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen zutreffend aufzeigt, gegen diese Strafbemessungsgrenze und belastet das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich der Strafhöhe der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. auch VwGH 29.5.2015, Ro 2014/17/0049).

20 Ist der Ausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs der Strafausspruch zur Gänze aufzuheben (vgl. etwa VwGH 23.6.2017, Ra 2016/08/0141 oder auch VwGH 6.9.2016, Ra 2016/09/0056, mwN).

21 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Strafausspruchs und in dem damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruch über die Verfahrenskosten wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

22 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. August 2018

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