Normen
AVG §56;
B-VG Art130;
B-VG Art132;
B-VG Art133;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;
WRG 1959 §21;
WRG 1959 §27 Abs1 litc;
WRG 1959 §29;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017070014.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. Februar 2016 wurde der FZ GmbH auf der Rechtsgrundlage des § 56 WRG 1959 ein Pumpversuch auf den Grundstücken 2214, 2218, 2219/2 und 2263, je KG B, aus insgesamt vier Brunnen mit einem vierstufigen Maß der Wasserbenutzung unter Vorschreibung diverser Nebenbestimmungen und befristet bis zum 30. Juni 2016 bewilligt.
2 Der Revisionswerber beantragte am 5. Oktober 2016 die Zustellung dieses Bescheides mit der Begründung, er sei eine anerkannte Umweltorganisation und damit Mitglied der Öffentlichkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention und somit berechtigt, als Verfahrenspartei zur Wahrnehmung und gerichtlichen Überprüfung öffentlicher Interessen, hier des Verschlechterungsverbots nach der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), eingebunden zu werden.
3 Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom 14. Oktober 2016 diesen Antrag zurück und begründete dies mit der fehlenden Parteistellung des Revisionswerbers im Sinne des § 102 WRG 1959. Die Aarhus-Konvention sehe gemäß Anhang 1 für die verfahrensgegenständliche Genehmigung von Pumpversuchen keine Öffentlichkeitsbeteiligung vor; die vom Revisionswerber genannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes seien für den Anlassfall nicht einschlägig.
4 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG). Er verwies auf den Umstand, dass es sich bei ihm um eine anerkannte Umweltorganisation handle und er im Sinne des Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention in jenen Verfahren Parteirechte geltend machen könne, in denen Entscheidungen getroffen würden, die möglicherweise gegen Umweltrecht der Union verstießen. Konkret sei zu prüfen, ob die von der belangten Behörde genehmigten Pumpversuche gegen das Verschlechterungsverbot der WRRL verstießen. Die Zurückweisung des Antrags auf Bescheidzustellung sei daher rechtswidrig und verletze das Recht auf gerichtliche Überprüfung umweltrelevanter Entscheidungen.
5 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis vom 7. Dezember 2016 wies das LVwG die Beschwerde des Revisionswerbers als unzulässig zurück. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht zugelassen.
6 Nach Wiedergabe der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen heißt es in den Erwägungen des LVwG, es sei zunächst die Frage zu klären, ob der Revisionswerber durch den bekämpften Bescheid in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt habe werden können. Dazu sei festzuhalten, dass der dem Verfahren zugrunde gelegte wasserrechtliche Genehmigungsbescheid vom 8. Februar 2016 gemäß § 21 WRG 1959 mit 30. Juni 2016 befristet gewesen sei. Das Recht zur Durchführung des Pumpversuches sei daher mit diesem Datum ex lege erloschen.
7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das Rechtsschutzbedürfnis als Voraussetzung einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht immer dann zu verneinen, wenn es für die Rechtstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mache, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibe oder aufgehoben werde bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Revisionswerber keinen objektiven Nutzen habe.
8 Daher könne im gegenständlichen Fall davon ausgegangen werden, dass die Zustellung des Bescheides für den - allenfalls durch die WRRL geforderten - Rechtsschutz der Umweltorganisation keinen Unterschied mache, weil auch eine darauf folgende Beschwerde gegen diesen Bescheid mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückzuweisen wäre. Somit könne aber die WRRL in Verbindung mit der Aarhus-Konvention nicht zur Anwendung gelangen, weil diese Bestimmungen - wenn überhaupt - nur einen effektiven Rechtsschutz fordern könnten. Die Beschwerde sei daher mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig zurückzuweisen.
9 Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei. Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zur lösenden Rechtsfrage lägen ebenfalls keine vor.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
11 Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision heißt es, dem Revisionswerber komme grundsätzlich das Recht zu, Beschwerde gegen einen Genehmigungsbescheid zu erheben, was die Zustellung des Genehmigungsbescheides auf Antrag voraussetze. Das LVwG habe in seinem Beschluss mit der Vorwegnahme der Entscheidung über eine noch gar nicht erhobene Beschwerde argumentiert. Ob der Revisionswerber in einer allfälligen Beschwerde Rechtsverletzungen geltend machen könne, zu deren Geltendmachung er als Umweltorganisation berechtigt sei, sei erst bei der tatsächlichen Erhebung einer solchen Beschwerde zu beurteilen. Mit dem Antrag auf Bescheidzustellung habe der Revisionswerber zudem noch gar nicht zum Ausdruck gebracht, Beschwerde gegen den Genehmigungsbescheid erheben zu wollen, sondern sich lediglich auf das ihm grundsätzlich zustehende Beschwerderecht (sowie seine grundsätzliche Parteistellung) berufen. Er könne ohne Zustellung des Bescheides auch nicht wissen, ob für eine Beschwerde gegen diesen ein Rechtsschutzinteresse bestehe oder nicht. Auch der Umstand, dass die Genehmigung nur befristet bis 30. Juni 2016 erteilt worden sei, könne ihm ohne Zustellung des Bescheides gar nicht bekannt sein. Das LVwG habe daher über die Zulässigkeit einer noch gar nicht erhobenen Beschwerde entschieden, ohne ihm Gelegenheit zu geben, eine solche Beschwerde überhaupt zu erheben. Durch die Verweigerung der Zustellung werde dem Revisionswerber auch die Möglichkeit genommen, ein umfassendes Gesamtbild von der Verwaltungssache zu erlangen.
12 Das LVwG hätte sich mit der Parteistellung bzw. Beschwerdelegitimation des Revisionswerbers und damit zusammenhängend mit seinem Recht auf Bescheidzustellung auseinandersetzen müssen und hätte den Antrag auf Bescheidzustellung nicht unter Vorwegnahme der Entscheidung über eine allfällige Beschwerde gegen diesen noch gar nicht zugestellten Bescheid zurückweisen dürfen. Die Entscheidung des LVwG verletze den Revisionswerber daher in seinem Recht auf Zustellung des Genehmigungsbescheides, welches unabhängig von Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels gegen den Bewilligungsbescheid bestehe.
13 Der Verwaltungsgerichtshof habe bislang noch nicht entschieden, ob einer Partei die Zustellung eines Bescheides unter Vorwegnahme der Entscheidung über eine noch gar nicht erhobene Beschwerde versagt werden könne. Von dieser grundsätzlichen Rechtsfrage hänge daher die Revision ab.
14 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 2. Die Revision erweist sich als unzulässig. Das LVwG ist von der bestehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nämlich nicht abgewichen:
17 2.1. Unstrittig ist der Umstand, dass der Bescheid der belangten Behörde vom 8. Februar 2016 gemäß § 21 WRG 1959 mit 30. Juni 2016 befristet war. Mit dem Ablauf dieser Frist ist die wasserrechtliche Bewilligung gemäß § 27 Abs. 1 lit. c WRG 1959 erloschen. Diese Wirkung tritt ex lege und auch ohne Erlassung eines nach § 29 leg. cit. vorgesehenen Feststellungsbescheides ein (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 2008, 2007/07/0069).
18 Der verfahrensgegenständliche Antrag wurde zu einem Zeitpunkt gestellt, als das Recht zur Durchführung eines Pumpversuches nicht mehr bestand.
19 2.2. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich § 33 Abs. 1 VwGG entnehmen lasse, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof versteht. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, ist diese unzulässig, fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens (vgl. die hg. Beschlüsse vom 30. Jänner 2013, 2011/03/0228, vom 23. Oktober 2013, 2013/03/0111, und vom 9. September 2015, Ro 2015/03/0028).
20 Der Verwaltungsgerichtshof hat ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass diese Überlegungen über das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses als Voraussetzung für eine zulässige Beschwerdeerhebung auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2016, Ra 2015/11/0027).
21 2.3. Die Grundsätze dieser auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten relevanten Rechtsprechung zum Begriff des Rechtsschutzinteresses lauten:
22 Das Rechtsschutzinteresse besteht bei einer Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Dieses Interesse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. den hg. Beschluss vom 29. September 2010, 2008/10/0029, mwN, und - in einer dem hier vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellation - den hg. Beschluss vom 24. Jänner 1995, 93/04/0204).
23 Die Rechtsverletzungsmöglichkeit wird - wie dargestellt - immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung eines Revisionswerbers keinen Unterschied macht, ob das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts aufrecht bleibt oder aufgehoben wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht zu einer abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit berufen. Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt dann nicht vor, wenn eine Entscheidung lediglich über abstrakt-theoretische Rechtsfragen herbeigeführt werden soll, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann (vgl. die hg. Beschlüsse vom 16. Dezember 2010, 2008/20/0502, und vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0088, jeweils mwN).
24 2.4. Daraus folgt, dass ein Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht keinen Anspruch auf die bloße Feststellung der Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Bescheides hat; das Verwaltungsgericht ist ebenfalls nicht berufen, eine Entscheidung lediglich über abstrakt-theoretische Rechtsfragen zu treffen, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann.
25 3. Im vorliegenden Fall war die ohne Beiziehung der revisionswerbenden Partei erwirkte befristete wasserrechtliche Genehmigung im Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgelaufen, das verliehene Recht war wieder erloschen. Das Vorliegen dennoch weiterbestehender, mit dem Bescheid verbundener Rechtswirkungen wurde vom Revisionswerber nicht ins Treffen geführt.
26 Die Frage, ob dem Revisionswerber im Bewilligungsverfahren vor der belangten Behörde Parteistellung oder aber das Recht auf Bescheidzustellung zur Erhebung eines Rechtsmittels zugekommen wäre, erweist sich daher als theoretische Fragestellung. Es macht für die Rechtsstellung des Revisionswerbers, selbst wenn er Partei des Verfahrens wäre, keinen Unterschied, ob der Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird.
27 Dem Revisionswerber fehlt es daher am Rechtsschutzbedürfnis; die begehrte Entscheidung beträfe lediglich abstrakt-theoretische Rechtsfragen der Parteistellung, denen aber keine praktische Relevanz mehr zukommen kann. Zu einer bloß abstrakten objektiven Rechtskontrolle ist das Verwaltungsgericht - wie dargestellt - aber nicht berufen.
28 4. Der Revisionswerber irrt, wenn er meint, es sei mit der Vorwegnahme der Entscheidung über eine noch gar nicht erhobene Beschwerde argumentiert worden, und das Vorliegen einer Rechtsverletzungsmöglichkeit könne noch nicht beurteilt werden.
29 Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht war Beurteilungsmaßstab allein die Frage, ob den Revisionswerber die Zurückweisung seines Antrags auf Bescheidzustellung durch die belangte Behörde (angesichts des Ablaufes der Bewilligungsdauer und des Erlöschens des Rechtes) überhaupt in Rechten verletzen könne. Ob er durch den (erloschenen) Bewilligungsbescheid und das damit verliehen gewesene Recht in Rechten verletzt worden war, wurde hingegen nicht beurteilt.
30 Dass diese Beurteilung des fehlenden Rechtsschutzinteresses unrichtig wäre, bzw. worin konkret fallbezogen sein Rechtsschutzinteresse liege, bringt der Revisionswerber nicht vor. Entgegen seiner Ansicht besteht in der vorliegenden Fallkonstellation kein "von den Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels gegen den Bewilligungsbescheid unabhängiges" Recht auf Zustellung eines Genehmigungsbescheides.
31 5. Die Ansicht des LVwG, die Beschwerde wäre daher mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückzuweisen, steht daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zeigt die Revision nicht auf.
32 6. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Juli 2017
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