VwGH 93/17/0021

VwGH93/17/002126.2.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, in den Beschwerdesachen 1.) der Stadtgemeinde Gleisdorf, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in N, 2.) der XY-Gesellschaft m.b.H. in N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N jeweils gegen die Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung

a) vom 3. Jänner 1989, Zl. 7-48 Ste 25/5-1988

(hg. Zlen.: ad 1.: 93/17/0021, ad 2.: 93/17/0022),

b) vom 30. Jänner 1990, Zl. 7-48 Ste 27/7-1990

(hg. Zlen.: ad 1.: 93/17/0025, ad 2.: 93/17/0023),

c) vom 30. Jänner 1990, Zl. 7-48 Ste 29/5-1990

(hg. Zlen.: ad 1.: 93/17/0026, ad 2.: 93/17/0024),

alle betreffend Kanalbenützungsgebühren (mitbeteiligte

Parteien:

ad 1.): XY-Gesellschaft m.b.H. wie oben,

ad 2.): Stadtgemeinde Gleisdorf wie oben),

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AVG §62 Abs2;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art116 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art119a Abs9;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art139 Abs6;
KanalabgabenO Gleisdorf 1985 §6 lita;
KanalabgabenO Gleisdorf 1988 §6 lita;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs2 Z2;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1993:1993170021.X00

 

Spruch:

1) zu Recht erkannt:

Die angefochtenen Bescheide werden auf Grund der von der Zweitbeschwerdeführerin XY-Gesellschaft m.b.H. erhobenen Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 34.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen und II der Beschluß gefaßt

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin Stadtgemeinde Gleisdorf gegen den Bescheid vom 3. Jänner 1989 wird zurückgewiesen.

2.) zu Recht erkannt:

Im übrigen werden die Beschwerden der Erstbeschwerdeführerin Stadtgemeinde Gleisdorf als unbegründet abgewiesen.

Die Stadtgemeinde Gleisdorf hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 1.515,- und der Mitbeteiligten XY-Gesellschaft m.b.H. Aufwendungen in der Höhe von S 34.080,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Zweitbeschwerdeführerin betreibt ein obstverarbeitendes Unternehmen, bei dem produktionsbedingt erhebliche Mengen an verschmutzten Abwässern anfallen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstbeschwerdeführenden Stadtgemeinde Gleisdorf vom 6. März 1981 wurde auf Grund des Steiermärkischen Kanalgesetzes 1955, LGBl. Nr. 70, in der Fassung der Novelle 1968, LGBl. Nr. 165, festgestellt, daß die Liegenschaft der Zweitbeschwerdeführerin, M-Straße, sich im Verpflichtungsbereich (§ 5 leg. cit) befindet und an die von der Erstbeschwerdeführerin errichtete öffentliche Kanalanlage angeschlossen werden muß. Unbestrittenermaßen ist dieser Anschluß erfolgt.

Die Erstbeschwerdeführerin bedient sich zur Ableitung der Abwässer (auch) des "Abwasserverbandes Gleisdorfer Becken", dessen Satzungen von der Wasserrechtsbehörde mit Bescheid vom 15. März 1976, Änderungen derselben mit Bescheiden vom 13. März 1980 und 27. September 1983 genehmigt wurden. Mitglieder dieses Abwasserverbandes sind die Erstbeschwerdeführerin und weitere Gemeinden aus den Bezirken Graz-Umgebung und Weiz.

In einem Schreiben des Bürgermeisters der Erstbeschwerdeführerin an die Zweitbeschwerdeführerin vom 18. September 1981 heißt es:

"Wie Sie wissen wurde am 16. Sept. 1981 die Wasserrechtsverhandlung für die Verbandskläranlage des Abwasserverbandes Gleisdorfer Becken abgeführt.

Voraussichtlich ist mit einem positiven Bescheid für den Einlaßbau von 60.000 EGW bei einer ersten Baustufe von 40.000 EGW zu rechnen. In diese Rechnung gehen Ihre Abwässer mit 15.000 bis 25.000 EGW ein.

Wir haben Ihnen auch Richtziffern für die zu erwartenden Kosten mit Schreiben vom 27.8.d.J. bekanntgegeben.

Es ist nunmehr notwendig, die schon seit langen Jahren laufenden Gespräche über Ihren Anschluß an das öffentliche Netz abzuschließen, da die im Abwasserverband vereinigten Gemeinden den Kanalbau zügig vorantreiben und zusammen mit der Wasserrechtsbehörde auf einen raschen Bau der Verbandskläranlage drängen.

...

Es gilt nun eine endgültige Klärung des Anschlusses der Firma XY an das öffentliche Kanalnetz in

  1. a) technischer Hinsicht (Einwohnergleichwerte)
  2. b) finanzieller Hinsicht

    herbeizuführen.

    ...

    Wir sind überzeugt, daß eine einvernehmliche Lösung in der für die Beteiligten kostenintensiven Materie gefunden werden kann. ..."

    Am 15. März 1983 richtete der Abwasserverband Gleisdorfer Becken an die Zweitbeschwerdeführerin ein Schreiben, in dem es unter anderem heißt:

    "Entsprechend dem Kanalabgabengesetz 1955, § 4 Abs. 5, i. d.g.F., und der Kanalabgabenverordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 19.12.1980, § 5 Abs. 4, erlaubt sich der Abwasserverband Ihnen den schriftlichen Vertrag vorzulegen, welcher die Aufteilung der Bau- und Betriebskosten regelt, wenn Ihr Unternehmen nach Vorbehandlung zur Gänze alle Abwässer in das öffentliche Kanalnetz einleitet.

    Nach firmenmäßiger Fertigung dieses Vertrages wird der Abwasserverband dem Projektanten den Auftrag erteilen, die Projekte Verbandskläranlage für 12.000 EGW und 40.000 EGW auszuschreiben.

    Sollte der Vertrag bis 31. März 1983 nicht unterfertigt vorliegen, nimmt der Abwasserverband Gleisdorfer Becken zur Kenntnis, daß die Firma XY ihre Abwässer anderweitig einer Klärung und Reinigung zuführt ..."

    Das Sitzungsprotokoll des Gemeinderates der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 7. Juni 1984 enthält folgenden Passus:

    "9. Bericht und Anträge des Finanz- und Rechtsausschusses:

    ...

    b) Aufteilung der Kläranlagekosten zwischen Gemeinden des AWV Gleisdorfer Becken und Firma XY

    Der Abwasserverband Gleisdorfer Becken hat über den Konsulenten des AWV Gleisdorfer Becken DI. U eine Berechnungsgrundlage für die Aufteilung der Bau- und Betriebskosten der Kläranlagen zwischen den Verbandsgemeinden und der Firma XY ausarbeiten lassen. Der Finanz- und Rechtsausschuß hat darüber in seiner Sitzung vom 29.5.1984 beraten und empfiehlt dem Gemeinderat die Genehmigung der Berechnungsgrundlage.

    Es ergeht somit der Antrag, GZ.: 23/811-2/1984: der Gemeinderat möge der Berechnungsgrundlage des D.I. U zustimmen.

    Einstimmige Annahme."

    Am 6. August 1984 richtete der Bürgermeister der Erstbeschwerdeführerin ein Schreiben an die Zweitbeschwerdeführerin, in welchem es heißt:

    "Der Abwasserverband Gleisdorfer Becken hat über den Konsulenten des AWV Herrn Dipl.Ing. U eine Berechnungsgrundlage für die Aufteilung der Bau- und Betriebskosten der Kläranlage zwischen den Verbandsgemeinden und der Firma XY ausarbeiten lassen, welche vom Gemeinderat der Gemeinde Gleisdorf in seiner Sitzung vom 7.6.1984 gutgeheißen wurde.

    Die Stadtgemeinde Gleisdorf übersendet Ihnen diesen Vorschlag zur gefälligen Kenntnisnahme und ersucht allenfalls um Stellungnahme."

    Am 25. Juli 1985 wurde zwischen dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken und der Zweitbeschwerdeführerin eine Vereinbarung abgeschlossen, deren wesentliche Bestimmungen wie folgt lauten:

    "Präambel:

    Der Abwasserverband Gleisdorfer Becken in der Folge kurz AWV genannt, hat bereits begonnen, eine Verbandskläranlage im Gemeindegebiet Gleisdorf zu errichten. Zweck dieser Kläranlage ist es, die Abwässer der verschiedenen Mitgliedsgemeinden des Abwasserverbandes Gleisdorfer Becken zu sammeln und biologisch zu reinigen. Da bei der Firma XY-Ges.m.b.H., in der Folge kurz XY genannt, ebenfalls beträchtliche Abwässer anfallen, sodaß eine diesbezügliche Entsorgung notwendig ist, kommen der AWV und die XY hiemit überein, diese beiderseitigen Vorhaben zu koordinieren.

    Zu diesem Zweck wird eine Vorkläranlage errichtet, in welche die Vorreinigung der Betriebsabwässer der XY nach dem Verfahren der anaeroben Abwasserreinigung mit nachgeschalteter hochbelasteter aerober Reinigungsstufe erfolgen soll. Diese Vorkläranlage, in unmittelbarer Nähe der XY situiert, ist auf einem von der XY dem AWV zu übereignenden Grundstück zu errichten.

    Für diese Vorkläranlage besteht bereits ein über Auftrag der XY erstelltes Projekt des Zivilingenieur Prof. B, welches im allgemeinen Grundlage der Errichtung und der baulichen Durchführung sein wird. Zweck dieser zu errichtenden Vorkläranlage soll sein, daß von Seiten der Firma XY nur mehr eine Restschmutzfracht von 7.000 EGW (Einwohnergleichwerten) in die Verbandskläranlage des AWV eingebracht wird. Die Entsorgung der vorgereinigten Abwässer erfolgt über die öffentliche Kanalisation. ...

    Zweck dieses Übereinkommens ist die genaue Festlegung der Bedingungen, zu denen die Errichtung der Vorkläranlage, sowie die Übernahme und Reinigung der vorgereinigten Abwässer der Firma XY erfolgen kann.

    ...

    3. Art und Menge der abgegebenen Abwässer:

    Es ist ein Meßschacht nach der vorerwähnten Kläranlage zu errichten, in welchem alle vorgereinigten Abwässer der XY gesammelt und einer Messung unterzogen und erst danach über den öffentlichen Kanal in die Verbandskläranlage eingebracht werden. Die Ergebnisse der Messungen, welche in dem zu errichtenden Maßschacht vorgenommen werden, bilden die Basis für die Verrechnung sowohl der Baukosten der Verbandskläranlage des AWV, als auch der in dieser Kläranlage anerlaufenden Betriebskosten.

    Der XY wird das Recht eingeräumt, in jedem Falle eine Schmutzfracht von 7.000 EGW in die Verbandskläranlage einzubringen. Weiters wird vorerst davon ausgegangen, daß von den übrigen Mitgliedergemeinden rund 9.000 EGW in die Verbandskläranlage eingebracht werden.

    Sollte jedoch im Durchschnitt während der Kampagne eine prozentmäßig höhere Einbringung von Schmutzfracht erfolgen, so erhöht sich die von der XY zu erbringende Beteiligung an den Baukosten (Annuitäten). Sollte die Einbringung von Schmutzfracht seitens der XY im Jahresdurchschnitt unter 7.000 EGW liegen, so reduziert sich der von der XY zu leistende Anteil an den Annuitäten verhältnismäßig. Die Kampagnezeit und die Betriebstage sind aus den Meßergebnissen zu ersehen.

    Von der Firma XY können folgende Abwässer in den öffentlichen Kanal, der zur Verbandskläranlage führt, eingeleitet werden:

    a) Vorgereinigte Betriebsabwässer

    ...

    b) Häusliche Abwässer in Form von Fäkal-, Wasch- und Badewässern, Küchen- und Spülwässern.

    ...

    5. Übernahme der Abwässer:

    Die Einleitung der häuslichen Abwässer und der vorgereinigten Betriebsabwässer erfolgt in den öffentlichen,

    zur Verbandskläranlage führenden Sammelkanal ... Für je(ne)

    Abwässer, die nicht über den Meßschacht, sondern direkt in die öffentliche Kanalanlage entsorgt werden, sind Gebühren nach der Kanalgebührenabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf zu ent(richten).

    ...

    7. Ermittlung der Anteile der Fa. XY an den Bau- und Be(triebs)kosten der Kläranlage des AWV Gleisdorfer Becken:

    Die Kosten für die Errichtung der Vorkläranlage bei der Firma XY sind zur Gänze von der Fa. XY dem AWV zu ersetzen. ...

    ...

    a) Baukosten:

    Für die Aufteilung der Baukosten der Verbandskläranlage des AWV wird die Endabrechnungssumme der Kläranlage herangezogen, die als Grundlage für die Abrechnung beim Wasserwirtschaftsfonds dient.

    ...

    b) Betriebskosten:

    Die Aufteilung der Betriebskosten erfolgt nach den tatsächlichen jährlichen Abwassermengen, BSB5-Frachten bzw. Feststofffrachten.

    ...

    Die detaillierte Aufteilung erfolgt nach dem beiliegenden

    "Aufteilungsschlüssel für Betriebskosten" ...

    c) Kanalgebühren für die unter Punkt 3 b) dieses Vertrages angeführten häuslichen Abwässer. Hiefür sind die Bestimmungen der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf in der jeweils geltenden Fassung (erg.: anzuwenden).

    Hinsichtlich der Zahlungsfristen gelten die Bestimmungen

    der Stmk. Landesabgabenordnung.

    ..."

    I. Mit den mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellten, unter Verwendung von Formularen ausgefertigten Bescheiden vom 29. Dezember 1987, 19. April 1988 und 13. Juli 1988 wurden der Zweitbeschwerdeführerin seitens der Erstbeschwerdeführerin unter anderem Kanalbenützungsgebühren für die Zeit vom 1. Jänner bis 30. November 1987 sowie für das zweite und dritte Vierteljahr 1988 in jeweils näher genannter Höhe vorgeschrieben. Der Formularvordruck enthält auf seiner Rückseite unter anderem folgende Angaben:

    ABGABENBESCHEID

    (Fortsetzung des Spruches:)

    RECHTL. GRUNDLAGEN BZW. BEGRÜNDUNG

    ...

    Die KANALBENÜTZUNGSGEBÜHR wird nach den §§ 6 und 7 der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 22.12.1980, i. d.g.F., wie die Wasserverbrauchsgebühr in vierteljährlichen Teilbeträgen vorgeschrieben und abgerechnet.

    ...

Der Bürgermeister"

Dagegen erhob die Zweitbeschwerdeführerin jeweils Berufung.

Mit Bescheid vom 29. September 1988 änderte der Gemeinderat

der erstbeschwerdeführenden Stadtgemeinde Gleisdorf "gemäß

§ 213 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung ... in

Verbindung mit § 6 der geltenden Kanalabgabenordnung der

Stadtgemeinde Gleisdorf" aus Anlaß dieser Berufungen die

erstinstanzlichen Vorschreibungen zu Ungunsten der

Zweitbeschwerdeführerin ziffernmäßig ab. Im übrigen wurden die

angefochtenen Bescheide bestätigt. Dies im wesentlichen mit der

Begründung, der öffentliche Kanal der Stadtgemeinde Gleisdorf

führe unmittelbar an der Liegenschaft der

Zweitbeschwerdeführerin vorbei und es sei diese

unbestrittenermaßen an das öffentliche Kanalnetz der

Stadtgemeinde Gleisdorf angeschlossen; und zwar laut Mitteilung

des Abwasserverbandes Gleisdorfer Becken in ihrer Gesamtheit

seit 12. Jänner 1987. Die zwischen dem Abwasserverband und der

Zweitbeschwerdeführerin abgeschlossene Vereinbarung vom

25. Juli 1985 und die Satzung des Abwasserverbandes könnten

nicht so ausgelegt werden, daß der Abwasserverband in die

Gebührenhoheit einer Mitgliedsgemeinde eingegriffen hätte oder

einzugreifen berechtigt gewesen wäre. Dadurch, daß die

Vorstandsmitglieder des Abwasserverbandes in ihren Gemeinden

auch Bürgermeister seien, seien "Rechtswirkungen aus der

Vereinbarung vom 25. Juli 1985 in diese Gemeinden nicht

eingetreten." Die Ausführungen in der Berufung, wonach mit der

genannten Vereinbarung auch die Stadtgemeinde Gleisdorf

berechtigt oder verpflichtet worden wäre, gingen somit ins

Leere.

Gegen diesen Bescheid erhob die Zweitbeschwerdeführerin Vorstellung an die Steiermärkische Landesregierung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Jänner 1989 (im Kopf dieses Beschlusses unter Punkt a) genannt) gab die belangte Behörde dieser Vorstellung Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde Gleisdorf. Zur Begründung führte sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen aus, die Zweitbeschwerdeführerin habe einen mit 11. August 1988 datierten "Antrag auf Feststellung der mangelnden Anschlußpflicht, in eventu auf Ausnahme von der Anschlußpflicht" eingebracht und die Feststellung begehrt, daß auf Grund des geänderten Sachverhaltes keine Anschlußpflicht hinsichtlich der gegenständlichen Grundstücke, eventuell auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes eine Ausnahme hinsichtlich des Anschlußzwanges gemäß § 5 Abs. 3 des Kanalgesetzes 1955, LGBl. Nr. 70, bestehe.

Die Zweitbeschwerdeführerin sei mit dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken unter den in der Vereinbarung vom 25. Juli 1985 ersichtlichen Voraussetzungen übereingekommen, eine Vorkläranlage in unmittelbarer Nähe der Zweitbeschwerdeführerin zu errichten. Diese Vereinbarung enthalte unter anderem Regelungen über die Aufteilung der Betriebskosten. Schon vor dem Abschluß dieser Vereinbarung habe der Gemeinderat der Erstbeschwerdeführerin unter anderem der Aufteilung der Bau- und Betriebskosten der Kläranlage zwischen den Verbandsgemeinden und der Zweitbeschwerdeführerin zugestimmt. Es sei davon auszugehen, daß die zwischen der Zweitbeschwerdeführerin einerseits und dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken andererseits abgeschlossene Vereinbarung vom 25. Juli 1985 für sich betrachtet und unbeschadet des Umstandes, daß der Bürgermeister der Stadtgemeinde Gleisdorf auch Obmann dieses Abwasserverbandes sei, in die hoheitlichen Abgabenerhebungsrechte der Erstbeschwerdeführerin im eigenen Wirkungsbereich nicht einzugreifen vermöge. Inwieweit jedoch ein Rechtsband zwischen der Zweitbeschwerdeführerin und dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken einerseits und der Erstbeschwerdeführerin andererseits dadurch erzeugt worden sei, daß die Vereinbarung vom 25. Juli 1985 eingehende Regelungen über die Aufteilung der Betriebskosten enthalte und der Gemeinderat der Erstbeschwerdeführerin dieser Aufteilung vorgängig bereits in seiner Sitzung von 7. Juni 1984 einstimmig zugestimmt habe, sei auf Gemeindeebene ungeklärt geblieben. Nach den Bestimmungen des Kanalabgabengesetzes 1955 enthielten Kanalbenützungsgebühren auch die Kosten für den Betrieb der Kanalanlage. Davon ausgehend hätten es die gemeindlichen Abgabenbehörden unterlassen, sich mit der Frage zu befassen, inwieweit der Gemeinderatsbeschluß vom 7. Juni 1984 - und zutreffendenfalls in welchem Umfang - in das gemeindliche Abgabenerhebungsrecht eingegriffen haben könnte.

Dazu komme, daß Kanalbenützungsgebühren im Zusammenhalt der §§ 10 und 6 Abs. 1 des Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. Nr. 71, nur für gemeindliche Kanalanlagen erhoben werden dürften. Ob und zutreffendenfalls in welchem Umfang die von der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der von dieser mit dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken abgeschlossenen Vereinbarung vom 25. Juli 1988 (richtig: 1985) errichtete Vorkläranlage zur gemeindlichen Kanalanlage zähle und ob die von der XY-Gesellschaft m.b.H. in diese eingeleiteten "Betriebsabwässer" eine Einleitung von Abwässern in das öffentliche GEMEINDLICHE Kanalnetz darstellten und in der Folge eine Pflicht zur Entrichtung von Kanalbenützungsgebühren auszulösen imstande seien, hätte auf Gemeindeebene (durch Erledigung des Antrages der Zweitbeschwerdeführerin vom 11. August 1988) einer präjudiziellen Klärung noch vor Erlassung des abgabenrechtlichen Berufungsbescheides zugeführt werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richten sich die Beschwerden der Stadtgemeinde Gleisdorf (hg. Zl. 93/17/0021, früher 89/17/0025) und der XY-Gesellschaft m.b.H. (hg. Zl. 93/17/0022, früher 89/17/0026).

II. In gleicher Weise (und insbesondere unter Verwendung eines gleichartigen Formulares) erging der Bescheid vom 20. Oktober 1988 betreffend den Vorschreibungszeitraum

4. Vierteljahr 1988. Die dagegen von der Zweitbeschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Erstbeschwerdeführerin vom 6. Dezember 1988 "gemäß § 213 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung" unter Hinweis auf die Begründung seines Berufungsbescheides vom 29. September 1988 als unbegründet abgewiesen. Der dagegen von der Zweitbeschwerdeführerin erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Jänner 1990, Zl. 7-48 Ste 27/7-1990 (im Kopf dieses Beschlusses unter Punkt b) genannt), mit gleichlautender Begründung wie im Bescheid vom 3. Jänner 1989 Folge gegeben. Dagegen wenden sich die Beschwerden der Stadtgemeinde Gleisdorf zu hg. Zl. 93/17/0025 (früher 90/17/0108) und der XY-Gesellschaft m.b.H. zu hg. Zl. 93/17/0023 (früher 90/17/0105).

III. In gleicher Weise erging weiters der Bescheid vom 7. Dezember 1988 betreffend Endabrechnung 1988. Zwei weitere Bescheide vom 15. März 1989 betreffend das 1. Vierteljahr 1989 ergingen hingegen auf Formularen, in denen der die Kanalbenützungsgebühr betreffende Absatz wie folgt lautet:

"Die KANALBENÜTZUNGSGEBÜHR wird nach den §§ 6 und 7 der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 24.11.1988, i. d.g.F., wie die Wasserverbrauchsgebühr in vierteljährlichen Teilbeträgen vorgeschrieben und abgerechnet."

Der Vordruck endet mit den Worten:

"Der Bürgermeister

Dr. F"

Dieser Namensangabe ist jeweils die eigenhändige

Unterschrift des genannten Bürgermeisters beigefügt.

Gegen diese Bescheide erhob die Zweitbeschwerdeführerin jeweils Berufung.

Mit Bescheid vom 21. Juni 1989 änderte der Gemeinderat der Erstbeschwerdeführerin "gemäß § 213 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 158/1963, i.d.g.F., in Verbindung mit § 6 der Kanalabgabenordnung vom 267.11.1985 in der zuletzt geltenden Fassung der Stadtgemeinde Gleisdorf" auf Grund der Berufung gegen den Bescheid vom 7. Dezember 1988 diesen zu Ungunsten der Zweitbeschwerdeführerin ziffernmäßig ab. Im übrigen wurde der angefochtene Bescheid vom 7. Dezember 1988 bestätigt. Die Berufungen gegen die Bescheide vom 15. März und vom 18. Mai 1988 wurden gemäß § 213 LAO "in Verbindung mit § 1 ff der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 24.11.1988" als unbegründet abgewiesen; beides unter Hinweis auf die Begründung des Berufungsbescheides vom 29. September 1988.

Der dagegen von der Zweitbeschwerdeführerin erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Jänner 1990, Zl. 7-48 Ste 29/5-1990 (im Kopf dieses Beschlusses unter Punkt c) genannt), mit gleichlautender Begründung wie im Bescheid vom 3. Jänner 1989 Folge gegeben.

Dagegen wenden sich die Beschwerden der Stadtgemeinde Gleisdorf zu hg. Zl. 93/17/0026 (früher 90/17/0109) und der XY-Gesellschaft m.b.H. zu hg. Zl. 93/17/0024 (früher 90/17/0106).

Ad I. bis III.: Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens in ihren übereinstimmenden Beschwerden erachtet sich die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, daß die Bescheide ihres Gemeinderates vom 29. September 1988, 6. Dezember 1988 und 21. Juni 1989 nicht aufgehoben würden. Die Zweitbeschwerdeführerin erachtet sich nach dem Inhalt ihres (gleichfalls im wesentlichen übereinstimmenden) Vorbringens in ihrem Recht verletzt, daß die Aufhebung der Bescheide des Gemeinderates nicht mit der Begründung erfolgt sei, der Stadtgemeinde Gleisdorf stehe kein Recht zu, der Zweitbeschwerdeführerin für ihre Betriebsanlage eine Kanalbenützungsgebühr vorzuschreiben. Beide Beschwerdeführer beantragen, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes, die Zweitbeschwerdeführerin darüber hinaus, auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erklärte, zum Inhalt der Gegenschriften werde der Inhalt der ausführlichen Begründung der bekämpften Bescheide sinngemäß erhoben.

Auch die beschwerdeführenden Parteien erstatteten in ihrer Eigenschaft als Mitbeteiligte wechselweise je eine Gegenschrift, in der sie - die Erstbeschwerdeführerin zumindest erkennbar - jeweils die Abweisung der gegnerischen Beschwerde beantragen. Darüber hinaus erstatteten die Beschwerdeführer unaufgefordert weitere Äußerungen.

Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 1992, V 93,94/91-28, hat der Verfassungsgerichtshof über Antrag des Verwaltungsgerichtshofes § 6 lit. a der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 26. November 1985, kundgemacht durch Auflegung zur öffentlichen Einsicht im Stadtamt und Kundmachung der Auflegung vom 2. Dezember bis 19. Dezember 1985, in der Fassung der Verordnung vom 22. Dezember 1986, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23. Dezember 1986 bis 23. Jänner 1987 sowie § 6 lit. a der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 24. November 1988, kundgemacht durch Auflegung zur öffentlichen Einsicht im Stadtamt und Kundmachung der Auflegung vom 25. November 1988 bis 15. Dezember 1988, als gesetzwidrig aufgehoben. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß die Vereinbarung vom 25. Juli 1985 auch Rechtswirkungen für die Erstbeschwerdeführerin entfalte, weil der Gemeinderat der Erstbeschwerdeführerin am 7. Juni 1984 dem Abschluß einer Vereinbarung mit jenem Inhalt, welcher in der Folge am 25. Juli 1985 vertraglich festgelegt wurde, ausdrücklich seine Zustimmung erteilt habe und eine Bevollmächtigung des Wasserverbandes durch die einzelnen Mitglieder (hier durch die Erstbeschwerdeführerin) zu einer treuhändigen Vertretung besonderer Art erfolgt sei. Da die bekämpften Verordnungsbestimmungen auf die Vereinbarung vom 25. Juli 1985 nicht Bedacht nähme, verstießen sie gegen das Gleichheitsgebot.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung verbunden und hierüber - hinsichtlich Punkt II.1.) des Spruches in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Die Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 26. November 1985, kundgemacht durch Auflegung zur öffentlichen Einsicht im Stadtamt und Kundmachung der Auflegung vom 2. Dezember bis 19. Dezember 1985, sieht in § 1 vor, daß für die Benützung der öffentlichen Kanalanlage der Stadtgemeinde Gleisdorf unter anderem Kanalbenützungsgebühren erhoben werden.

§ 6 der Kanalabgabenordnung in der Fassung der Verordnung vom 22. Dezember 1986, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23. Dezember 1986 bis 23. Jänner 1987 hat (bzw. hatte) folgenden Wortlaut:

"§ 6

a) Die Höhe der jährlichen Kanalbenützungsgebühr beträgt für jene Liegenschaften, welche an die vom Abwasserverband Gleisdorfer Becken errichtete Kanalanlage angeschlossen sind

S 16,50 pro m3 verbrauchten Wassers zuzüglich S 2,70 pro m2 der für die Ermittlung des Kanalisationsbeitrages heranzuziehenden Berechnungsfläche jeweils des laufenden Jahres. Hinzu kommt noch die gesetzliche Umsatzsteuer;

b) für alle anderen Liegenschaften, welche einen öffentlichen Kanal benützen, S 9,-- pro m3 verbrauchten Wassers zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer.

Die Kanalbenützungsgebühr wird jährlich in vier gleichen Teilbeträgen zum 15.2., 15.5., 15.8. und 15.11. vorläufig auf Basis der letzten Endabrechnung vorgeschrieben, die Endabrechnung ist bis spätestens 15.2. des Folgejahres zu erstellen."

§ 7 der Kanalabgabenordnung enthält nähere Bestimmungen über die Ermittlung der Kanalbenützungsgebühr von Liegenschaften mit eigener Wasserversorgungsanlage, § 8 legt fest, wer zur Entrichtung der Kanalbenützungsgebühr verpflichtet ist, § 9 regelt die Fälligkeit.

Die übrigen Bestimmungen der Kanalabgabenordnung betreffen nicht die Kanalbenützungsgebühr.

Die die Kanalbenützungsgebühr betreffenden §§ 6 bis 9 der - ab 1. Jänner 1989 geltenden - Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 24. November 1988, kundgemacht durch Auflegung zur öffentlichen Einsicht im Stadtamt und Kundmachung der Auflegung vom 25. November 1988 bis 15. Dezember 1988, sind im wesentlichen gleichlautend. Die beiden (nunmehr aufgehobenen) Fassungen der lit. a des § 6 waren wortgleich.

I.) Zu den Beschwerden der Zweitbeschwerdeführerin XY-Gesellschaft m.b.H.:

Zunächst ist auf die Frage einzugehen, ob die von der Zweitbeschwerdeführerin erhobenen Beschwerden angesichts des Umstandes, daß mit den angefochtenen Bescheiden der von der Zweitbeschwerdeführerin erhobenen Vorstellung jeweils Folge gegeben wurde, zulässig sind.

Die Frage ist zu bejahen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Vorstellungswerber, wenn die Aufsichtsbehörde einen die Aufhebung tragenden Grund anders beurteilt hat als er, berechtigt und zur Wahrung seines Rechtsstandpunktes genötigt, diesen Bescheid anzufechten, obwohl dem Spruch nach festgestellt wurde, daß der Vorstellungswerber in seinen Rechten verletzt worden ist. Die Bindung an die einem kassatorischen Vorstellungsbescheid beigegebene Begründung besteht allerdings nur insoweit, als letztere für die Aufhebung tragend ist, wobei es einer ausdrücklich geäußerten Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde bedarf (vgl. hiezu etwa den hg. Beschluß vom 23. Mai 1991, Zl. 88/17/0013, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Zu dem die Aufhebung tragenden Teil der Begründung gehören über den dort angeführten Aufhebungsgrund hinaus allerdings auch sonstige Ausführungen in der Begründung eines Vorstellungsbescheides, wenn erst unter Berücksichtigung dieser Teile der Begründung ein Aufhebungsgrund dargelegt erschiene, mit anderen Worten der im Bescheid angeführte Aufhebungsgrund für sich allein die Aufhebung nicht zu tragen imstande wäre (vgl. hiezu die hg. Beschlüsse vom 9. Februar 1990, Zlen. 90/17/0035, 0037, und vom 9. März 1990, Zl. 88/17/0060).

Im Beschwerdefall kann der explizit geltend gemachte Aufhebungsgrund aus dem Zusammenhalt der Begründung der angefochtenen Bescheide nur so verstanden werden, daß die Vorstellungsbehörde meint, NUR im Zusammenhalt mit dem Beschluß des Gemeinderates vom 7. Juni 1984 greife die mehrfach zitierte Vereinbarung in das Abgabenerhebungsrecht der Gemeinde ein. Der Zweitbeschwerdeführerin muß daher das Recht zugebilligt werden, die Überbindung dieser Rechtsauffassung mit der darin enthaltenen Einschränkung zu bekämpfen; nach ihrer Auffassung ist ja die genannte Vereinbarung geeignet, für die Erstbeschwerdeführerin UNMITTELBAR Rechtswirkungen zu erzeugen, die deren Recht zur Erhebung von Kanalbenützungsgebühren von vornherein ausschlösse.

Die Beschwerden der Zweitbeschwerdeführerin sind daher zulässig. Sie sind auch berechtigt.

Der Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes, mit dem die oben genannten Verordnungsstellen als gesetzwidrig aufgehoben wurden, schließt gemäß Art. 139 Abs. 6 B-VG ihre Anwendung auf die vorliegenden Anlaßfälle aus; bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide hat der Verwaltungsgerichtshof so vorzugehen, als ob bei deren Erlassung die aufgehobenen Bestimmungen nicht (mehr) dem Rechtsbestand angehört hätten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1992, Zl. 92/17/0227, und je vom 4. November 1992, Zlen. 92/17/0128 und 92/17/0228, sowie die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Das oben wiedergegebene Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin, die Vereinbarung vom 25. Juli 1985 sei geeignet, das Recht der Erstbeschwerdeführerin zur Erhebung von Kanalbenützungsgebühren auszuschließen, trifft daher zumindest im Ergebnis zu. Zwar vermochte (im Sinne der Begründung des angefochtenen Bescheides) die Vereinbarung vom 25. Juli 1985 in die hoheitlichen Abgabenerhebungsrechte der Erstbeschwerdeführerin INSOFERN nicht einzugreifen, als diese aus der AUFRECHTEN Geltung der Kanalabgabenordnungen vom 26. November 1985 bzw. vom 24. November 1988 erflossen. Da jedoch die genannten Verordnungsstellen gerade wegen ihrer Nichtberücksichtigung der Vereinbarung vom 25. Juli 1985 aufgehoben wurden und damit für die Beschwerdefälle als nicht existent anzusehen sind, bestand für die vorliegenden Abgabenfestsetzungen letztlich zufolge dieser Vereinbarung keine taugliche Rechtsgrundlage.

Durch die Überbindung der oben dargestellten, abweichenden Rechtsansicht an die Gemeindebehörden hat die belangte Behörde daher die Zweitbeschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt, weshalb die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.

Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß sich die mit dem angefochtenen Vorstellungsbescheid vom 3. Jänner 1989 verfügte Kassation des Berufungsbescheides vom 29. September 1988 aus anderen Gründen im Ergebnis als berechtigt erwiesen hätte. Die Besonderheit der Bindungswirkung kassatorischer gemeindeaufsichtsbehördlicher Bescheide bringt es nämlich mit sich, daß nicht nur der Spruch an sich, sondern auch die maßgebende, in der Begründung enthaltene Rechtsansicht taugliches Beschwerdeobjekt sein kann, der Verwaltungsgerichtshof somit gehalten ist, auch dann, wenn eines der Begründungselemente die Gesetzmäßigkeit der Kassation trägt, die Stichhaltigkeit der anderen zu überprüfen. Dies gilt umso mehr für den Fall, daß alle Kassationsgründe verfehlt sind, sich die Aufhebung jedoch aus einem weiteren Grund im Ergebnis als richtig erwiese. Auch in einem solchen Fall ist der Vorstellungsbescheid infolge seiner verfehlten Begründung als rechtswidrig aufzuheben (vgl. die Erkenntnisse vom 26. Februar 1988, Zl. 85/17/0037, und vom 6. Oktober 1989, Zl. 87/17/0209).

Wie oben bereits dargestellt, ergingen die erstinstanzlichen Bescheide vom 29. Dezember 1987,

19. April 1988 und 13. Juli 1988 (letzterer wurde nach den Angaben in der dagegen erhobenen Berufung am 14. Juli 1988 zugestellt) im Wege automationsunterstützter Datenverarbeitung auf Formularen, die als "Unterschrift" lediglich den Aufdruck "Der Bürgermeister" ohne Nennung eines Namens und ohne Beglaubigungsvermerk tragen. Daß der Zweitbeschwerdeführerin dieser Bescheid auch in eben dieser Gestalt zugestellt wurde, geht daraus hervor, daß die in den Akten befindliche Abschrift des Bescheides vom 29. Dezember 1987 folgenen Vermerk trägt:

"Diese Abschrift stimmt mit dem EDV-Originalbescheid vollkommen überein, der am 30.12.1987 mit der Post versendet wurde.

Gleisdorf, 1. Feber 1988

(Stampiglie) Die Stadtkasse Gleisdorf

unleserliche Unterschrift eh."

Inhaltlich gleichartige Vermerke tragen auch die Abschriften der beiden anderen zuletzt genannten Bescheide.

Nun stand zum 26. Juli 1988 - dem Tag des Inkrafttretens der LAO-Novelle LGBl. für Steiermark Nr. 41/1988 - § 73 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 158/1963, in der Stammfassung in Kraft. Diese Bestimmung lautete:

"(1) Alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, daß die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist.

(2) Bei im Lochkartenverfahren oder in ähnlichen Verfahren hergestellten Ausfertigungen gilt die aufgedruckte Namensangabe als Unterschrift im Sinne des Abs. 1."

Erst durch die genannte Novelle LGBl. Nr. 41/1988 wurde dem § 73 leg. cit. ein Absatz 3 folgenden Wortlautes angefügt:

"(3) Ausfertigungen, die mittels einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage hergestellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch das in Betracht kommende Organ der Abgabenbehörde, um deren Erledigung es sich handelt, genehmigt."

Daraus folgt, daß den "Bescheiden" vom 29. Dezember 1987, 19. April 1988 und 13. Juli 1988 die Bescheidqualität mangelte, da sie weder die Unterschrift des Genehmigenden oder einen Beglaubigungsvermerk nach § 73 Abs. 1 LAO noch auch wenigstens eine aufgedruckte Namensabgabe nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle - die in den darin geregelten Fällen als Unterschrift gilt - tragen (vgl. zu der mit § 73 Abs. 1 LAO übereinstimmenden Vorschrift des § 18 Abs. 4 AVG das Erkenntnis vom 15. April 1980, Zlen. 291, 292/80, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung sowie insoweit auch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 20. März 1984, Slg. Nr. 11 371/A).

Die Berufungen gegen die erstinstanzlichen Bescheide vom 29. Dezember 1987, 19. April 1988 und 13. Juli 1988 hätten daher vom Gemeinderat der Erstbeschwerdeführerin mangels eines tauglichen Berufungsgegenstandes zurückgewiesen werden müssen. Darauf, ob - was nicht aktenkundig ist - diesen erstinstanzlichen Erledigungen allenfalls Urschriften zu Grunde lagen, die mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen waren (vgl. hiezu die Erkenntnisse vom 24. April 1986, Slg. Nr. 6115/F, vom 23. Mai 1986, Zl. 86/17/0063 ff, und vom 10. März 1988, Zl. 87/16/0032), kam es diesbezüglich daher nicht mehr an.

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit der Berufungsbescheide ergab sich hingegen nicht etwa aus folgenden Umständen:

Wie oben dargestellt, stützten sich die erstinstanzlichen Bescheide mit Ausnahme der beiden zuletzt ergangenen vom 15. März und 18. Mai 1989 auf die "§§ 6 und 7 der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 22.12.1980, i. d.g.F.", die jedoch gemäß § 11 der Kanalabgabenordnung vom 26. November 1985 mit Ablauf des 31. Dezember 1985, also vor Erlassung der genannten Bescheide, außer Kraft getreten ist. Allerdings heißt es im Spruch des Berufungsbescheides vom 29. September 1988, die "Kanalbenützungsgebühren der angefochtenen Bescheide" (vom 29. Dezember 1987, 19. April 1988, und 13. Juli 1988) würden gemäß § 213 LAO in Verbindung mit § 6 der GELTENDEN Kanalabgabenordnung wie folgt

abgeändert ... In ähnlicher Weise wurde auch der

erstinstanzliche Bescheid vom 7. Dezember 1988 mit dem Berufungsbescheid vom 21. Juni 1989 unter Anwendung der zutreffenden Verordnung abgeändert. Es ist daher hinsichtlich dieser Bescheide davon auszugehen, daß die Berufungsbehörde im Sinne des § 213 Abs. 2 LAO ihre diesbezüglich zutreffende Rechtsanschauung über die anzuwendende Rechtsgrundlage an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz gesetzt hat.

Dies trifft zwar im Falle des erstinstanzlichen Bescheides vom 20. Oktober 1988 nicht zu. Hier hat die Berufungsbehörde mit ihrem Bescheid vom 6. Dezember 1988 den Bescheid der ersten Instanz schlechthin bestätigt und sich daher hinsichtlich der bestätigten Abgabenfestsetzung gleichfalls auf eine bereits außer Kraft getretene Rechtsvorschrift gestützt. Dies vermochte jedoch eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides nicht zu begründen, weil dieser in der damals bereits geltenden neuen Fassung der Verordnung seine Deckung fand.

Aus den genannten Gründen war jedoch wie im Spruch zu entscheiden, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin einzugehen war. Hiebei konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich diesbezüglich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.

II.) Zu den Beschwerden der Erstbeschwerdeführerin Stadtgemeinde Gleisdorf:

Vor dem Hintergrund der bereinigten Rechtslage hatte der Verwaltungsgerichtshof auch die Frage der Beschwerdeberechtigung (Rechtsverletzungsmöglichkeit) auf Seiten der Erstbeschwerdeführerin zu prüfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine Berechtigung zur Erhebung einer Parteibeschwerde gegen einen Bescheid dann nicht, wenn der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid unabhängig von der Frage der Gesetzmäßigkeit in einem Recht nicht verletzt sein kann (vgl. z.B. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 13. Juli 1956, Slg. Nr. 4127/A).

Dies gilt auch für Gemeindebeschwerden nach Art. 119a Abs. 9 B-VG, weil auch diese als PARTEIbeschwerden, mit denen eine Verletzung des subjektiven Rechtes auf Selbstverwaltung geltend gemacht wird, anzusehen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. Juni 1978, Slg. Nr. 5283/F, und Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S 71/72). Anders als bei einer objektiven Beschwerde im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG genügt es demnach bei einer Gemeindebeschwerde nicht, wenn bloß eine objektive Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt wird, die Möglichkeit, daß die Gemeinde in ihren Rechten verletzt wurde, aber auszuschließen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1991, Zl. 89/17/0111). Ein solcher Fall liegt hier aus folgenden Gründen vor:

Zwar sind die in den angefochtenen Bescheiden angeführten Kassationsgründe auch im Sinne der Beschwerden der Erstbeschwerdeführerin zur Gänze verfehlt. Die belangte Behörde hat die Aufhebung der mit Vorstellung bekämpften Berufungsbescheide zusammengefaßt auf folgende zwei tragende Gründe gestützt:

1.) Zwar könne die Vereinbarung vom 25. Juli 1985, für sich betrachtet, in die hoheitlichen Abgabenerhebungsrechte der Erstbeschwerdeführerin im eigenen Wirkungsbereich nicht eingreifen, es sei jedoch auf Gemeindeebene ungeklärt geblieben, inwieweit durch diese Vereinbarung im Zusammenhalt mit dem Gemeinderatsbeschluß vom 7. Juni 1984 "ein Rechtsband" zwischen der Zweitbeschwerdeführerin und dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken einerseits und der Erstbeschwerdeführerin andererseits erzeugt worden sei und inwieweit der Gemeinderatsbeschluß in das gemeindliche Abgabenerhebungsrecht eingegriffen haben könnte;

2.) die Gemeinde hätte vor Erlassung des Berufungsbescheides durch Erledigung des Antrages vom 11. August 1988 zu klären gehabt, ob die oben genannte Vorkläranlage zur "gemeindlichen" Kanalanlage zähle und ob die von der Zweitbeschwerdeführerin "in diese" (offenbar gemeint: in die VORkläranlage) eingeleiteten Betriebsabwässer eine Einleitung von Abwässern in das öffentliche "gemeindliche" Kanalnetz darstelle.

Die Erstbeschwerdeführerin bekämpft beide Begründungselemente als unstichhaltig; in beiderlei Hinsicht an sich zu Recht.

ad 1.) Gemäß § 94 Abs. 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115, kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches im Bereiche der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung erheben. Nach Absatz 5 dieser Gesetzesstelle hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Letztere ist nach Absatz 6 der genannten Gesetzesstelle bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

Eine solche Rechtsverletzung kann - analog zum Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof - unter anderem in einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides der höchsten Gemeindeinstanz oder in einer relevanten Verletzung von Verfahrensvorschriften bestehen; ist etwa der Sachverhalt auf Gemeindeebene nicht hinreichend geklärt worden und führt die Vorstellungsbehörde kein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch, so hat sie den Bescheid der obersten Gemeindeinstanz aufzuheben (Erkenntnisse vom 14. März 1980, Slg. Nr. 10 067/A, vom 11. Dezember 1984, Zl. 84/05/0164, und vom 25. Juli 1990, Zl. 87/17/0304). Nicht jedoch darf eine solche Aufhebung mit der Begründung erfolgen, die Gemeindebehörden hätten die Klärung einer RECHTSFRAGE unterlassen.

Genau dies ist jedoch mit dem oben unter Punkt 1.) genannten Begründungselement geschehen. Die belangte Behörde hat den Gemeindebehörden nicht etwa die nähere Klärung des SACHVERHALTES im Hinblick auf den Gemeinderatsbeschluß vom 7. Juni 1984 aufgetragen; sie hat sie vielmehr angewiesen, eine Rechtsfrage zu lösen, wozu in Wahrheit sie allein verpflichtet war. Auch damit hat sie ihrerseits die angefochtenen Vorstellungsbescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. August 1991, Zl. 91/17/0061).

ad 2.) Dasselbe gilt auch hier. Auf Grund der oben wiedergegebenen Vereinbarung vom 25. Juli 1985 steht (arg.:

"... die Entsorgung der VORGEREINIGTEN Abwässer erfolgt über die öffentliche Kanalisation.") eindeutig fest, daß die Vorkläranlage NICHT zu den "gemeindlichen Kanalanlagen" (gemeint: den öffentlichen Kanalanlagen im Sinne des § 6 Abs. 1 des Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. Nr. 71) zählt und daß daher die Einleitung der Betriebsabwässer seitens der Zweitbeschwerdeführerin in die Vorkläranlage an sich noch keine Einleitung von Abwässern in das öffentliche Kanalnetz darstellt. Wohl aber trifft dies für die Einleitung der Abwässer VON der Vorkläranlage in den öffentlichen, zur Verbandskläranlage führenden Sammelkanal zu.

Der Gemeinderat der Erstbeschwerdeführerin hat in seinem Berufungsbescheid vom 29. September 1988 unbekämpft festgestellt, daß die Zweitbeschwerdeführerin an das öffentliche Kanalnetz der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Gesamtheit seit 12. Jänner 1987 angeschlossen ist. Dies stimmt auch - wie erwähnt - mit Punkt 5.) der Vereinbarung vom 25. Juli 1985 überein, wonach die Einleitung der häuslichen Abwässer und der (erg.: durch die Vorkläranlage vorgereinigten) Betriebsabwässer in den öffentlichen, zur Verbandskläranlage führenden Sammelkanal erfolgt. Auf die vorhergehende Reinigung der Abwässer in der Vorkläranlage kam es daher nicht an; es ist nicht zu erkennen, was diesbezüglich in tatsächlicher (oder auch rechtlicher) Hinsicht noch zu klären gewesen wäre.

Vollends verfehlt war es, wenn die belangte Behörde den Gemeindeinstanzen eine solche Klärung durch vorgängige Erledigung des Antrages der Zweitbeschwerdeführerin vom 11. August 1988 auftrug. Dieser Antrag war auf die Feststellung der mangelnden Anschlußpflicht auf Grund eines geänderten Sachverhaltes, in eventu des Vorliegens einer Ausnahme hinsichtlich des Anschlußzwanges gemäß § 5 Abs. 3 des Kanalgesetzes 1955, LGBl. Nr. 70, gerichtet. Abgesehen davon, daß dieser Antrag inzwischen rechtskräftig abgewiesen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. März 1991, Zl. 90/06/0139), entsteht gemäß § 6 Abs. 3 des Kanalabgabengesetzes 1955, sofern die Kanalabgabenordnung der Gemeinde nicht anderes bestimmt, die Gebührenschuld für die Kanalbenützung mit dem Ersten des Monats, in dem der öffentliche Kanal IN BENÜTZUNG genommen wird. Damit übereinstimmend normiert § 9 der im Beschwerdefall anzuwendenden Kanalabgabenordnungen der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 26. November 1985 bzw. vom 24. November 1988, daß die Gebührenschuld für die Kanalbenützung mit dem Ersten des Monats entsteht, in dem der öffentliche Kanal BENÜTZT wird. Anknüpfungspunkt für die Entstehung des Abgabenanspruches ist daher nicht, wie im Falle des Kanalisationsbeitrages nach § 2 Abs. 1 und 2 des Kanalabgabengesetzes 1955 in der Fassung vor der mit 1. November 1988 in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 80/1988, die Fertigstellung der öffentlichen Kanalanlage ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Anschluß der Liegenschaft, sondern die FAKTISCHE Benützung des öffentlichen Kanals, die im Beschwerdefall unbestritten vorliegt.

Die Entscheidung über den Antrag vom 11. August 1988 war daher entgegen der Auffassung der belangten Behörde für die Frage der (tatsächlichen) Einleitung der Abwässer in die öffentliche Kanalisationsanlage und damit auch für das Entstehen der Verpflichtung zur Entrichtung der Kanalbenützungsgebühren keineswegs präjudiziell.

Aus dieser Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Bescheide ergibt sich jedoch noch nicht zwingend, daß die beschwerdeführende Stadtgemeinde durch diese Bescheide in ihren Rechten verletzt sein könnte. Denn von einer solchen Rechtsverletzungsmöglichkeit könnte nur dann gesprochen werden, wenn die angefochtenen Bescheide hätten bewirken können, daß die beschwerdeführende Stadtgemeinde in ihrem Recht auf gesetzmäßige Abgabenerhebung eingeschränkt worden wäre.

Dies trifft hier jedoch hinsichtlich des Berufungsbescheides vom 29. September 1988 nicht zu. Diesbezüglich wird nämlich die Vorstellungsbehörde bei Erlassung des Ersatzbescheides zu beachten haben, daß sich die Berufungen vom 1. Februar, 16. Mai und 20. Juli 1988 - wie oben bereits ausgeführt - gegen untaugliche Anfechtungsobjekte (Nichtbescheide) richteten und daß daher der Gemeinderat der Erstbeschwerdeführerin bei seiner Erledigung der sodann wiederum offenen Berufungen VORWEG - also noch bevor sich die Frage stellt, ob und gegebenenfalls inwieweit bei einer Sachentscheidung Bindung an die ausschließlich materiell-rechtlichen Aufhebungsgründe der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheide besteht - zu berücksichtigen haben wird, daß diese Berufungen zurückzuweisen sind (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1991, Zl. 89/17/0111). Da sohin die Erstbeschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid vom 3. Jänner 1989 in ihrem Recht auf gesetzmäßige Abgabenerhebung nicht eingeschränkt wurde, mußte ihre dagegen erhobene Beschwerde mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit gemäß § 34 Abs. 2 und 3 VwGG zurückgewiesen werden (vgl. hiezu auch das Erkenntnis vom 29. Jänner 1993, Zl. 90/17/0200).

Hinsichtlich der beiden anderen Berufungs- bzw. Vorstellungsbescheide ist zu bedenken, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bindungswirkung einer aufhebenden Vorstellungsentscheidung nur dann eintritt, wenn die maßgebliche Rechtslage dieselbe und in der Zwischenzeit keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes erfolgt ist. In den Beschwerdefällen wird sich die Rechtslage jedoch für den mit der gegenständlichen Angelegenheit (zufolge der notwendig werdenden Aufhebung seiner Berufungsbescheide durch die zu erlassenden Ersatzbescheide) neuerlich befaßten Gemeinderat in einem wesentlichen Punkt anders darstellen als zur Zeit der Erlassung seiner Bescheide vom 6. Dezember 1988 und vom 21. Juni 1989. Da nämlich unter dem Begriff "Anlaßfall" im Art. 139 Abs. 6 B-VG (arg.: "... die vor der Aufhebung VERWIRKLICHTEN TATBESTÄNDE") das gesamte Verwaltungsgeschehen in der konkreten Rechtssache zu verstehen ist, wird auch der Gemeinderat bei seiner neuerlichen Entscheidung im hier relevanten Umfang auf die Aufhebung der oben zitierten Verordnungsstellen durch den Verfassungsgerichtshof Rücksicht zu nehmen und sie nicht mehr anzuwenden haben. In diesen Fällen hat es daher bei der allgemeinen Regel zu verbleiben, wonach Gegenstand der Überprüfung und etwaigen Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof nur der Spruch des angefochtenen Bescheides ist. Ist dieser rechtmäßig, darf der Bescheid nicht aufgehoben werden, mag er auch auf unrichtigen rechtlichen Erwägungen beruhen.

In diesem Umfang waren die Beschwerden der Erstbeschwerdeführerin daher zwar nicht (weil sie nicht rückwirkend unzulässig werden konnten) zurück-, wohl aber gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 6. Oktober 1989, Zl. 87/17/0209).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auch in diesem Umfang auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Da sich die belangte Behörde in ihren "Gegenschriften" lediglich auf die Begründung der angefochtenen Bescheide berufen hat, war ihr lediglich der Vorlageaufwand zuzuerkennen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 690, angeführte

hg. Rechtsprechung). Der Mitbeteiligten XY-Gesellschaft m.b.H. waren für ihre Gegenschriften Stempelgebühren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.

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