VwGH 2013/06/0124

VwGH2013/06/012431.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde der G reg. Genossenschaft m.b.H. in G, vertreten durch die Konrad-Schröttner-Schinko Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Am Eisernen Tor 2/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 5. Juni 2013, Zl. ABT13-12.10- R214/2013-3, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde R), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z1;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §26 Abs4;
BauG Stmk 1995 §4 Z44;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 lita;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litb;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z1;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §26 Abs4;
BauG Stmk 1995 §4 Z44;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 lita;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei ist Eigentümerin des als reines Wohngebiet gewidmeten Grundstückes Nr. 217/2, KG R. Unmittelbar nördlich der Bauliegenschaft ist die Widmung Gewerbegebiet festgelegt, und ebendort befindet sich auch eine Betriebsanlage.

Mit Eingabe vom 29. April 2011 beantragte die beschwerdeführende Partei die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung einer Wohnhausanlage, bestehend aus sechs Gebäuden mit insgesamt 27 Wohneinheiten, 23 nicht überdachten PKW-Abstellplätzen und 27 Tiefgaragenplätzen auf dem Grundstück Nr. 217/2. Das der nördlichen Grundstücksgrenze am nächsten gelegene Gebäude ist das Objekt H1.

Die beschwerdeführende Partei legte im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens ein schalltechnisches Gutachten der T.-GesmbH vom 8. November 2010 vor, wonach für die bestehende Schallbelastung sowohl der weit entfernte KFZ-Verkehr auf der Südautobahn als auch der umliegende KFZ-Verkehr der A-Straße LXXX maßgeblich seien. Aus der benachbarten Gewerbeanlage seien nachts keine Immissionen feststellbar und flössen Immissionen tagsüber nur untergeordnet in die örtlichen Verhältnisse ein. Die Schallmessung sei im Zeitraum von 15.00 bis 16.00 Uhr sowie von 22.00 bis 23.00 Uhr auf dem Baugrundstück durchgeführt worden. Zwischen 15.00 und 16.00 Uhr betrage der Grundgeräusch- und Basispegel 42 dB, der energieäquivalente Dauerschallpegel 45 dB und der mittlere Spitzenpegel 52 dB. Zwischen 22.00 und 23.00 Uhr betrage der Grundgeräusch- und Basispegel 42 dB, der energieäquivalente Dauerschallpegel 44 dB und der mittlere Spitzenpegel 48 dB. Für den benachbarten Gewerbebetrieb würden in den Berechnungen die maximal zulässigen Schallemissionen an der Grundgrenze gemäß ÖNORM S 5021/T1 für die Widmungskategorie 5 (Gewerbegebiet), nämlich LA,eq = 65 dB tagsüber und 55 dB nachts, eingesetzt, um eventuelle spätere Betriebserweiterungen zu berücksichtigen. Die Planungsrichtwerte für zulässige Schallemissionen beziehungsweise -immissionen würden für die Widmungskategorie "reines Wohngebiet" tagsüber 50 dB, abends 45 dB und nachts 40 dB (energieäquivalenter Dauerschallpegel) betragen. Laut der Durchführungsverordnung zum Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetz 1993 dürfe der energieäquivalente Dauerschallpegel in der hier relevanten Widmungskategorie 2 den Immissionsgrenzwert von LA,eq = 45 dB nachts und LA,eq = 55 dB tagsüber im Freien vor dem Fenster des vom Lärm am stärksten betroffenen Aufenthaltsraumes nicht überschreiten. Die Immissionsgrenzwerte nach der Durchführungsverordnung zum Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetz 1993 entsprächen nicht den Planungsrichtwerten der Flächenwidmung. Anhand der dem Gutachten beiliegenden Immissionspläne sei ersichtlich, dass die Grenzwerte laut der Durchführungsverordnung zum Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetz 1993 an der Nordfassade des Projektgebäudes H1 durch den benachbarten Gewerbebetrieb in beiden Geschossen überschritten würden.

Im Akt befindet sich weiters eine von der S.-GmbH in Auftrag gegebene, sich auf die Lärmimmissionen des Gewerbebetriebes beziehende gutachterliche Stellungnahme der P.-GmbH vom 1. September 2003. Danach würden beim derzeitigen Zustand, in dem die Fenster ohne mechanische Belüftung geöffnet seien, die Planungswerte für zulässige Immissionen im benachbarten reinen Wohngebiet von LA,eq = 50 dB tagsüber beziehungsweise LA,eq = 40 dB nachts überschritten. Bei einem künftigen geschlossenen Zustand der Fenster mit einem Bauschalldämmaß R'w = 30 dB, Außenfassade R'w = 55 dB sowie Dach R'w = 29 dB und einer mechanischen Belüftung würden diese Planungsrichtwerte nicht überschritten.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 erhoben J. S., die S.- GmbH sowie die S.-Holding-GmbH Einwendungen. J. S. und die S.-GmbH seien Eigentümer der nördlich benachbarten Grundstücke mit darauf befindlichen Betriebsanlagen, und die S.-Holding-GmbH sei Mieterin der an das Baugrundstück grenzenden Betriebsanlage. Die Einschreiter sprachen sich im Wesentlichen gegen eine heranrückende Wohnbebauung und die gesetzwidrige Flächenwidmung aus und erhoben Einwendungen in Bezug auf das Gutachten der T.- GesmbH. Überdies legten sie neben einem laut behördlichem Vermerk mit Bescheid vom 12. Dezember 1999 bewilligten Einreichplan folgende bau- und gewerberechtliche Bewilligungsbescheide vor:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

§ 4 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995), LGBl. Nr. 59 idF LGBl. Nr. 78/2012, lautet auszugsweise:

"§ 4. Die nachstehenden Begriffe haben in diesem Gesetz folgende Bedeutung:

...

44. Nachbar: Eigentümer oder Inhaber eines Baurechtes (Bauberechtigter) der an den Bauplatz angrenzenden Grundflächen sowie jener Grundflächen, die zum vorgesehenen Bauplatz in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, dass vom geplanten Bau oder dessen konsensgemäßer Benützung Einwirkungen auf diese Grundflächen ausgehen können, gegen welche die Bestimmungen dieses Gesetzes Schutz gewähren, oder dass von seiner genehmigten gewerblichen oder landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betriebsanlage Einwirkungen auf den Bauplatz ausgehen können;

..."

§ 26 Stmk BauG 1995 idF LGBl. Nr. 13/2011 lautet auszugsweise:

"§ 26. (1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und einem Bebauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist

...

(4) Bei Neu- oder Zubauten, die dem Wohnen dienen, sind auch Einwendungen im Sinne § 26 Abs. 1 Z 1 zu berücksichtigen, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer genehmigten benachbarten gewerblichen oder landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betriebsanlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken (heranrückende Wohnbebauung). Dies gilt jedoch nur in Bezug auf rechtmäßige Emissionen, deren Zulässigkeit vom Nachbarn zu belegen ist."

§ 29 Stmk BauG 1995 idF LGBl. Nr. 78/2012 lautet auszugsweise:

"§ 29. (1) Die Behörde hat einem Ansuchen mit schriftlichem Bescheid stattzugeben, wenn die nach diesem Gesetz für die Bewilligung geforderten Voraussetzungen erfüllt sind.

...

(5) Eine Bewilligung ist mit Auflagen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, damit den von der Behörde zu wahrenden öffentlichen Interessen sowie den subjektiv-öffentlichen Rechten der Nachbarn entsprochen wird.

..."

§ 23 StROG 1974, LGBl. Nr. 127 idF Nr. 20/2002, lautet

auszugsweise:

"§ 23. (1) ...

...

(5) Im Bauland sind entsprechend den örtlichen Erfordernissen Baugebiete festzulegen. Als Baugebiete kommen hiebei in Betracht:

a) reine Wohngebiete, das sind Flächen, die ausschließlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Nutzungen, die zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes dienen (Kindergärten, Schulen, Kirchen u. dgl.) oder die dem Gebietscharakter nicht widersprechen, zulässig sind;

...

d) Gewerbegebiete, das sind Flächen, auf denen Betriebe und Anlagen aller Art, Verwaltungsgebäude sowie im untergeordneten Ausmaß auch Einzel- und Großhandelsbetriebe und die für die Aufrechterhaltung dieser Betriebe und Anlagen in ihrer Nähe erforderlichen Wohnungen errichtet werden können. Diese Nutzungen dürfen keine das örtsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigungen in benachbarten Baugebieten verursachen. ...

..."

Die beschwerdeführende Partei bringt im Wesentlichen vor, bereits die Behörde erster Instanz hätte die Parteistellung des J. S., der S.-GmbH und der S.-Holding GmbH prüfen und deren Einwendungen mangels Parteistellung zurückweisen müssen. J. S. sei weder Eigentümer noch Inhaber einer gewerblichen Betriebsanlage. Auf seiner Liegenschaft befinde sich keine betriebliche Anlage. Auch der S.-GmbH komme als bloßer Mieterin der Betriebsanlage keine Parteistellung zu.

Weiters sei die S.-GmbH im gesamten Verwaltungsverfahren dem gesetzlichen Auftrag, die Rechtmäßigkeit der Emissionen der Betriebsanlage zu belegen, nicht nachgekommen, weshalb sämtliche Einwendungen irrelevant und unbeachtlich seien. Eine diesbezügliche Aufforderung der Behörde sei ebenfalls nicht ergangen, was begründete Zweifel an der Unbefangenheit der Behörde aufwerfe. Überdies habe die belangte Behörde nicht ausreichend geprüft, ob tatsächliche oder rechtmäßige Emissionen vorlägen. Infolgedessen sei im gesamten Verfahren unerörtert geblieben, ob die von dem benachbarten Gewerbebetrieb ausgehenden Immissionen baurechtlich rechtmäßig seien.

Hinsichtlich der Zulässigkeit der von der Betriebsanlage ausgehenden Emissionen sei auf das Widmungsmaß abzustellen. Die Lärmbelastung dürfe an der Grundstücksgrenze das Widmungsmaß nicht überschreiten, da die an der Grundstücksgrenze bestehende Einwirkung Beurteilungsmaßstab sei. Dies gelte umso mehr, als keinerlei Auflagen für den gewerblichen Betrieb erteilt worden seien. Liege die Lärmbelastung über dem Widmungsmaß, so lägen keine zulässigen Emissionen vor, die der Nachbar nach § 24 Abs. 4 Stmk BauG 1995 geltend machen könne. Im Ergebnis seien damit keine rechtmäßigen Emissionen gegeben.

Überdies habe die beschwerdeführende Partei auf die Gültigkeit des Flächenwidmungsplanes 4.0 der mitbeteiligten Marktgemeinde vertraut, in welchem weder Immissionen noch notwendige Schallschutzmaßnahmen angegeben seien. Der Flächenwidmungsplan sei von der M.-GmbH ausgearbeitet worden und stehe im Widerspruch zu deren Stellungnahme vom 13. Jänner 2013. Dieser Widerspruch sei rechtswidrig und der beschwerdeführenden Partei unerklärlich, zumal ihr die Stellungnahme erst mit Zustellung der Entscheidung der Berufungsbehörde zur Kenntnis gelangt sei. Die Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör führe zu einem Verfahrensfehler, da die beschwerdeführende Partei bei Kenntnis der Stellungnahme geltend gemacht hätte, dass sie auf einen rechtskräftigen Flächenwidmungsplan, der keine Immissionen und keinen Bedarf an einem Schallschutz aufzeige, vertrauen dürfe. Dass die belangte Behörde zwar einerseits eingestehe, dass das Parteiengehör verletzt worden sei, jedoch andererseits den Standpunkt vertrete, die Berufungsbehörde wäre zu keinem anderen Ergebnis gekommen, widerspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens. Die Behörde lasse außer Acht, dass bereits die Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen, für eine Rechtsverletzung ausreiche. Dieses Vorgehen begründe Zweifel an der Unbefangenheit. Überdies wären sowohl die Berufungsbehörde als auch die belangte Behörde gehalten gewesen, amtswegig Ermittlungen hinsichtlich des offenkundigen Widerspruches zwischen dem Flächenwidmungsplan und der Stellungnahme der M.-GmbH durchzuführen.

In der überlangen Verfahrensdauer des erstinstanzlichen Verfahrens spiegle sich die ablehnende Haltung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde wieder. Sowohl das Verhalten des Bürgermeisters als auch jenes von Mag. B. N. ließen Zweifel an deren Unbefangenheit aufkommen. Die rechtswidrige Vorgangsweise des Bürgermeisters habe die beschwerdeführende Partei an der Erfüllung ihres statuten- und gesetzmäßigen Auftrages gehindert. Ausgehend von der 20-monatigen Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens habe die beschwerdeführende Partei noch am 15. Jänner 2013 ihre Schadenersatzansprüche beim Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde geltend gemacht (wurde näher ausgeführt). Die Befangenheit sei sowohl im Rahmen der Berufung als auch der Vorstellung moniert worden, jedoch sei der Berufungsbescheid nicht darauf eingegangen und es seien keinerlei amtswegige Erhebungen getätigt worden. Insbesondere hätte die Behörde erheben müssen, weshalb eine überlange Verfahrensdauer vorliege und die Behörde erster Instanz mehrere Gutachten eingeholt habe, obwohl vor Beauftragung des Sachverständigen Ing. L. bereits drei Gutachten vorgelegen seien, wovon zwei die Bewilligungsfähigkeit des Projektes attestiert hätten.

Die belangte Behörde sei überdies nicht auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, wonach die Bestellung eines weiteren Amtssachverständigen außerhalb des Ermessensspielraumes der erkennenden Behörde liege, eingegangen und habe keine Ausführungen hinsichtlich der Abfassung einer Stellungnahme durch den Amtssachverständigen ohne Durchführung eigener Messungen getätigt. Die Messergebnisse seien zu keinem Zeitpunkt der beschwerdeführenden Partei bekannt gegeben worden.

Ing. L. gehe im Rahmen der Stellungnahme vom 10. Juli 2012 nicht auf die gewaltigen Unterschiede der vorliegenden Messergebnisse ein, sondern übernehme die hohen Pegelwerte ohne deren Überprüfung auf Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit sowie ohne Begründung der Aussage, es sei eine mögliche Gesundheitsgefährdung zu erwarten. Lediglich ein medizinischer Sachverständiger könne die Auswirkungen von Lärmbelastungen auf den menschlichen Organismus beurteilen. Die Messergebnisse der P.- GmbH seien übernommen worden, obwohl es sich bei diesem Gutachten um ein vom benachbarten Gewerbebetrieb vorgelegtes Privatgutachten handle, welchem keinerlei Beweiskraft zukomme.

Die Stellungnahme des Ing. L. sei überdies bewusst falsch interpretiert worden, zumal kein Anlass bestanden habe, Ing. L. nach Einholung des eindeutigen Gutachtens der R.-KEG mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens zu beauftragen. Ing. L. habe nämlich ausgeführt, dass dieses Gutachten fachlich richtig und nachvollziehbar sei. Es wäre daher dem Antrag auf Erteilung der Baubewilligung unter Vorschreibung der im Gutachten der R.-KEG genannten Auflagen stattzugeben gewesen. Da die Behörde erster Instanz die R.-KEG amtswegig beauftragt habe, komme diesem Gutachten volle Beweiskraft zu.

Die belangte Behörde habe ein in der Beilage des schalltechnischen Gutachtens der P.-GmbH abgedrucktes Foto unrichtig interpretiert, da dieses den Schluss zulasse, dass die wesentlichen Immissionen des benachbarten Betriebes durch Arbeitsgeräusche in der Halle 2 mit teilweise geöffneten Fenstern verursacht würden. Diese Halle befinde sich etwa 28 m nördlich vom Messpunkt MP1. Auf Grund des gemessenen Spitzenschallpegels von etwa 88 dB könne von einer maximalen Schallemission an den geöffneten Fenstern von etwa 110 dB ausgegangen werden. Die Zulässigkeit derartiger Emissionen sei fraglich. Es wirkten Spitzenpegelwerte von rund 93 dB auf ein Wohngebäude, das sich auf einem anderen, näher genannten Grundstück befinde. An der nördlichen Grundgrenze zu einem weiteren, näher genannten Grundstück werde ein Spitzenpegelwert von 90 dB veranschlagt. Die beiden südlich dieser Liegenschaft gelegenen Grundstücke würden an der jeweiligen nördlichen Grundstücksgrenze mit einem Spitzenpegelwert von 80 dB beziehungsweise 77 dB belastet. Auf die sich westlich der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft befindliche Wohnanlage wirkten Spitzenpegelwerte von 72 dB bis 75 dB ein. Es sei somit deutlich erkennbar, dass die von der P.- GmbH behaupteten Schallemissionen der gewerblichen Betriebsanlage die medizinisch zulässigen Höchstgrenzen mit Pegelspitzen von 70 dB bei weitem überschritten. Diese Überschreitung wirke im Umkreis von etwa 200 m im südlichen Bereich des Unternehmens und betreffe 25 Wohnobjekte.

Ausgehend davon, dass im Messbericht der T.-GesmbH vom 8. November 2010 lediglich einzelne Schallereignisse der benachbarten Betriebsanlage vermerkt seien, und von der Feststellung der R.-KEG, wonach die als untergeordnete Einzelgeräusche auftretenden Schallemissionen des Betriebes der S.- GmbH aufgrund ihrer Seltenheit und geringen Lautstärke nicht auswertbar seien, sei anzunehmen, dass keine von der Betriebsanlage ausgehenden relevanten Emissionen hätten festgestellt werden können. Da das Gutachten der R.-KEG amtswegig beigeschafft worden sei, komme ihm volle Beweiskraft zu und sei ihm zu folgen.

Die Messergebnisse der P.-GmbH stünden im krassen Widerspruch zu jenen der beiden anderen Sachverständigen. Auf den "Pegelschrieben" im Geräuschmessbericht sei jedoch zu erkennen, dass während der Messungen keine Tonaufnahmen vorgenommen worden seien. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wodurch die hohen Schallpegel verursacht worden seien.

Ing. L. habe zwar ausgeführt, dass das Gutachten der P.-GmbH fachlich richtig und nachvollziehbar sei, jedoch im Folgesatz die Richtigkeit auf die Berücksichtigung der Besucherparkplätze und die Tiefgaragenzu- und -abfahrt beschränkt. Das Amtssachverständigengutachten sei daher nicht in sich schlüssig und auch nicht nachvollziehbar.

Die belangte Behörde setze sich lediglich mangelhaft mit der Möglichkeit der Erteilung von Auflagen auseinander, obwohl dem Gutachten der R.-KEG konkrete Auflagen zum Schallschutz zu entnehmen seien.

Abschließend bringt die beschwerdeführende Partei vor, die belangte Behörde sei ihrer Begründungspflicht nur mangelhaft nachgekommen. Der Behörde komme eine erhöhte Begründungspflicht zu, wenn das Gesetz unbestimmte Gesetzesbegriffe verwende beziehungsweise der Behörde Ermessen eingeräumt werde. Es sei nicht deutlich, von welchen Kriterien sich die Behörde habe leiten lassen.

Zu den Beschwerdeausführungen ist zunächst zu bemerken, dass eine etwaige Mitwirkung eines befangenen Organes bei der Entscheidung der ersten Instanz durch eine unbefangene Berufungsentscheidung gegenstandslos wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 2007, Zl. 2007/07/0004, mwN). Soweit die Beschwerde daher die Befangenheit der Organwalter erster Instanz durch deren Vorgangsweise ins Treffen führt, führt sie daher nicht zum Ziel.

Auch die Vorbringen hinsichtlich einer überlangen Verfahrensdauer sowie der Einholung weiterer Sachverständigengutachten ohne diesbezügliche Notwendigkeit beziehungsweise Verpflichtung der Baubehörden gehen ins Leere. Aus den in § 39 Abs. 2 AVG normierten Verfahrensgrundsätzen, etwa dem Gebot der raschen Durchführung des Verwaltungsverfahrens, sind keine subjektiven Rechte der Parteien eines Verfahrens ableitbar (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, S. 543, E 44). Die Behörde entscheidet, wann der maßgebende Sachverhalt ausreichend ermittelt ist und welche Beweismittel zur Entscheidungsfindung notwendig sind. Ob die Behörde einen weiteren Sachverständigen für notwendig hält, ist von ihr selbst zu beurteilen (vgl. Walter/Thienel, aaO, S. 835, E 224).

Zum Vorbringen der Beschwerde, wonach den Ausführungen der R.- KEG allein aufgrund ihrer amtswegigen Beiziehung zu folgen sei, ist zu bemerken, dass die Aussagen von Sachverständigen grundsätzlich den gleichen verfahrensrechtlichen Beweiswert haben. Es besteht auch zwischen dem Gutachten eines Amtssachverständigen und dem eines Privatsachverständigen kein verfahrensrechtlicher Wertunterschied, und auch Amtssachverständigengutachten kommt im Rahmen der freien Beweiswürdigung kein erhöhter Beweiswert zu (vgl. Walter/Thienel, aaO, S. 836, E 230, sowie den hg. Beschluss vom 19. März 2015, Ra 2015/06/0024, mwN).

Hinsichtlich des Vorbringens, die S.-GmbH sei nicht Partei des Verfahrens, ist auszuführen, dass nach dem Wortlaut des § 4 Z 44 Stmk BauG 1995 die Parteistellung auch im Falle der heranrückenden Wohnbebauung mit dem Eigentum (beziehungsweise dem Baurecht) an den betreffenden Nachbargrundflächen verbunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2011, Zl. 2011/06/0048; siehe auch die bei Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht, 5. Auflage, S. 297 wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zu § 26 Stmk BauG).

Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens hat neben J. S. und der S.-GmbH auch die S.-Holding-GmbH die heranrückende Wohnbebauung moniert. Insofern die S.-GmbH bloß Betreiberin einer Betriebsanlage sein sollte, konnte sie keine rechtswirksamen Nachbareinwendungen erheben. Dies verschlägt aber nichts und es kann auch dahingestellt bleiben, ob auf der Liegenschaft des J. S. eine Betriebsanlage ist: Gegen die Parteistellung der S.-Holding-GmbH bringt die beschwerdeführende Partei nämlich nichts vor (dies entspricht auch dem Grundbuchsstand, wonach die S.-Holding-GmbH Eigentümerin des unmittelbar nördlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes Nr. 223/2, KG R., ist).

Die Berücksichtigung einer auf § 26 Abs. 4 Stmk BauG 1995 gestützten Einwendung setzt zunächst voraus, dass Neu- oder Zubauten errichtet werden sollen, die dem Wohnen dienen, weiters aber auch, dass die Widmung des Baugrundstückes einen Immissionsschutz gewährt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2007, Zl. 2006/06/0094, mwN). Unstrittig dient die aus mehreren Gebäuden bestehende verfahrensgegenständlich projektierte Wohnbebauung Wohnzwecken. Die Widmung der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft als reines Wohngebiet gewährt einen Immissionsschutz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1991, Zl. 91/06/0030).

Nach § 26 Abs. 4 Stmk BauG 1995 kommt es bei den hier ins Treffen geführten Emissionen darauf an, ob an der Grundgrenze des Baugrundstückes Immissionen einwirken, die der Flächenwidmung des Baugrundstückes widersprechen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2011).

Bei Beurteilung der von der benachbarten Betriebsanlage ausgehenden, auf das Baugrundstück einwirkenden Immissionsbelastung sind zwei miteinander verknüpfte Fragen zu klären, nämlich einerseits das Ausmaß der Immissionsbelastung, und andererseits die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Immissionsbelastung, weil gemäß § 26 Abs. 4 letzter Satz Stmk BauG 1995 nur auf rechtmäßige Emissionen, deren Zulässigkeit überdies vom Nachbarn zu belegen ist, Bedacht zu nehmen ist (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2011).

Ferner ist zu beachten, dass § 26 Abs. 4 Stmk BauG 1995 (grundsätzlich) auf bestimmte tatsächlich gegebene Immissionen abstellt und nicht auf in Genehmigungsbescheiden enthaltene Emissionsstandards (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2009, Zl. 2008/06/0041).

Darüber hinaus ist schon im Hinblick darauf, dass das Gesetz diesbezüglich keine Unterscheidung trifft, hinsichtlich der Zulässigkeit von Emissionen sowohl auf die baurechtliche als auch auf die nach anderen Rechtsnormen geforderte, also insbesondere auch auf die gewerbebehördliche Rechtmäßigkeit der Emissionen abzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. August 2010, Zl. 2009/06/0002). Die Ansicht der belangten Behörde, ausschließlich die baurechtliche Rechtmäßigkeit der Emissionen sei ausschlaggebend, ist folglich unzutreffend.

Zwar haben Nachbarn gemäß § 26 Abs. 4 Stmk BauG 1995 eine Mitwirkungspflicht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der geltend gemachten Emissionen. Diese enthebt die Behörden jedoch nicht von ihrer Verpflichtung, von Amts wegen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln (vgl. den hg. Beschluss vom 12. August 2014, Zl. Ro 2014/06/0049). Der Baubehörde erster Instanz wurden mehrere bau- und gewerberechtliche Bewilligungsbescheide vorgelegt. Die Berufungsbehörde ist schon im Hinblick darauf von der Konsensmäßigkeit der Anlage ausgegangen. Zur Beurteilung der gewerbe- und auch baurechtlichen Rechtmäßigkeit der Emissionen wäre aber noch zu prüfen und darzulegen gewesen, ob die tatsächlich vorhandene Betriebsanlage von den Bewilligungsbescheiden auch gedeckt ist.

Die Berufungsbehörde ist im Übrigen, der P.-GmbH folgend, davon ausgegangen, dass mangels "emissionsbzw. immissionstechnischer" Begrenzungen in den Konsensen des Gewerbebetriebes die theoretische Maximalbelastung zur Beurteilung heranzuziehen sei. Diese Auffassung ist zutreffend, insoweit diese Maximalbelastung durch die rechtmäßige Betriebsanlage erreicht werden kann. Dies hat die P.-GmbH offenbar angenommen, und dem wurde im Verwaltungsverfahren nicht entgegengetreten.

Sollten die nach den obigen Grundsätzen im Ergebnis schließlich festgestellten, von rechtmäßigen Emissionen herrührenden Immissionen unter Bedachtnahme auf die Flächenwidmung des Baugrundstückes zu hoch sein und dem nicht ausreichend durch Vorschreibung von Auflagen im Sinne des § 29 Abs. 5 Stmk BauG 1995 begegnet werden können, hätte dies bei der gegebenen Rechtslage zur Abweisung des Baubewilligungsgesuches zu führen (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 8. Juni 2011, mwN).

Insbesondere die R.-KEG schlug im Rahmen ihrer gutachterlichen Stellungnahme Auflagen vor, die zur Bewilligungsfähigkeit des Bauprojektes führen sollten. Die Berufungsbehörde verneinte die Möglichkeit der Vorschreibung von Schallschutzfenstern zur Herbeiführung der Bewilligungsfähigkeit, verabsäumte es aber, auf die Möglichkeit von Auflagen im Übrigen umfassend einzugehen. Wenngleich der belangten Behörde zwar darin zuzustimmen ist, dass eine Vorschreibung von Schallschutzfenstern nicht zur Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens führen kann, da die an der Grundgrenze einwirkenden Immissionen ausschlaggebend sind (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2011), so wäre dennoch im Sinne des § 29 Abs. 5 Stmk BauG 1995 die Möglichkeit der Vorschreibung anderer Auflagen, auch unter Befassung von Sachverständigen, umfassend zu prüfen gewesen. Bemerkt wird, dass dann, wenn Auflagen nicht ausreichen sollten, die gegenständliche Flächenwidmung verfassungsrechtlich bedenklich erschiene, weil sie die widmungskonforme Nutzung der Bauliegenschaft praktisch ausschlösse.

Aus den genannten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, wobei es sich erübrigt, auf die weiteren Beschwerdeausführungen näher einzugehen.

Der Anspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen nach den genannten Verordnungen bereits berücksichtigt ist.

Wien, am 31. März 2016

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