VwGH Ro 2014/06/0049

VwGHRo 2014/06/004912.8.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, in der Revisionssache der *****, gegen den Bescheid der belangten Behörde Steiermärkische Landesregierung vom 27. Dezember 2013, Zl. ABT13-12.10-L441/2013-1, betreffend eine baurechtliche Angelegenheit (mitbeteiligte Parteien: *****), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §42;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §26 Abs4;
BauG Stmk 1995 §26;
BauRallg;
B-VG Art133 Abs1 Z1;
VwGG §33 Abs1 idF 2013/I/033;
VwGG §55 idF 2013/I/033;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:RO2014060049.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Die Revisionswerberin hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 12. März 2013 beantragte die A GmbH (im Folgenden: Revisionswerberin) die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit zehn Wohneinheiten, zehn überdachten PKW-Abstellplätzen und fünf PKW-Abstellplätzen im Freien sowie die Errichtung eines weiteren Wohnhauses mit zwölf Wohneinheiten, zwölf überdachten PKW-Abstellplätzen und sechs PKW-Abstellplätzen im Freien auf zwei näher genannten Grundstücken in der KG Leibniz.

Die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien sowie der Drittmitbeteiligte erhoben jeweils mit Schriftsatz vom 2. April 2013 Einwendungen gegen dieses Bauvorhaben.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde L. mit Bescheid vom 6. Mai 2013 der Revisionswerberin die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen.

Die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien sowie der Drittmitbeteiligte beriefen.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde L. vom 1. Juli 2013 wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid (vom 27. Dezember 2013) hob die belangte Behörde den oben genannten Bescheid auf Grund der von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Vorstellungen auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde L.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab. Die mitbeteiligten Parteien beantragten die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

Die Revisionswerberin teilte mit Schriftsatz vom 31. Juli 2014 mit, durch Zurückziehung der Berufungen sämtlicher mitbeteiligter Parteien klaglos gestellt zu sein und auf den Aufwandersatz zu verzichten.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Revision mit Beschluss als gegenstandlos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.

Bei einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 55 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnisses - im Besonderen durch das Verwaltungsgericht selbst oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war § 33 Abs. 1 VwGG in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 33/2013 nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) lag insbesondere auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hatte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 13. Mai 2005, Zl. 2004/02/0386). Diese Rechtsprechung kann für das VwGG in der Fassung seit der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 übernommen werden.

Das Rechtsschutzinteresse der Revisionswerberin ist durch die Zurückziehung der Berufungen sämtlicher mitbeteiligter Parteien (nachträglich) weggefallen. Die vorliegende Revision war daher als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren hierüber gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Mangels einer formellen Klaglosstellung kommt § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 122/2013 zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist.

Die Revisionswerberin rügte eine unrichtige Anwendung des § 26 Abs. 4 Stmk. BauG durch die belangte Behörde. Unter Hinweis insbesondere auf die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 2009, Zl. 2008/06/0041 und Zl. 2008/06/0053, und vom 5. Juli 2007, Zl. 2006/06/0094, argumentiert die Revisionswerberin, die mitbeteiligten Parteien hätten im Hinblick auf § 26 Abs. 4 letzter Satz Stmk. BauG, wonach sie die Zulässigkeit der rechtmäßigen Emissionen zu belegen hätten, ein unzureichendes Vorbringen erstattet.

§ 26 Steiermärkisches Baugesetz - Stmk BauG, LGBl. Nr. 59/1995, in der Fassung LGBl. Nr. 13/2011, lautet auszugsweise:

"§ 26

Nachbarrechte

(1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und einem Bebauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist

2. ...

(4) Bei Neu- oder Zubauten, die dem Wohnen dienen, sind auch Einwendungen im Sinne § 26 Abs. 1 Z 1 zu berücksichtigen, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer genehmigten benachbarten gewerblichen oder landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betriebsanlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken (heranrückende Wohnbebauung). Dies gilt jedoch nur in Bezug auf rechtmäßige Emissionen, deren Zulässigkeit vom Nachbarn zu belegen ist."

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Vorbringen der mitbeteiligten Parteien um Einwendungen im Sinn des § 26 Stmk. BauG handelt. Eine Einwendung ist ihrer begrifflichen Bestimmung nach ein Vorbringen einer Partei (des Nachbarn) des Verfahrens, welches seinem Inhalt nach behauptet, das Vorhaben des Antragstellers (Bauwerbers) entspreche entweder zur Gänze oder hinsichtlich eines Teiles (einzelner Punkte) nicht den Bestimmungen der Rechtsordnung. Eine Einwendung braucht nicht begründet werden; eine Einwendung im Rechtssinn liegt bereits vor, wenn das Vorbringen die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat, wenn somit wenigstens erkennbar ist, aus welchen Gründen sich der Nachbar gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers wendet (vgl. dazu die Ausführungen bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht,

6. Auflage, S. 122).

Es trifft zwar zu, dass Nachbarn gemäß § 26 Abs. 4 Stmk. BauG eine Mitwirkungspflicht haben. Diese enthebt die Behörden jedoch nicht von ihrer Verpflichtung, von Amts wegen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln. Solches kann auch aus den von der Revisionswerberin zitierten hg. Erkenntnissen, insbesondere jenen vom 21. Oktober 2009, Zl. 2008/06/0041 und Zl. 2008/06/0053, nicht abgeleitet werden. In dem dem erstgenannten hg. Erkenntnis zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren wurde die Beschwerdeführerin vielmehr zweimal - einmal von der erstinstanzlichen Behörde und ein weiteres Mal von der Berufungsbehörde - aufgefordert, die Rechtmäßigkeit der vom Betrieb ausgehenden Immissionen und deren Zulässigkeit zu belegen bzw. darzulegen, auf welchen Grundstücken sich die Betriebsstätten genau befänden und welche Immissionen von ihnen ausgingen. Da entsprechende Informationen trotz zweimaliger Aufforderung nicht übermittelt wurden, war es den Baubehörden nicht möglich, allenfalls unter Heranziehung von Sachverständigen zu prüfen, ob der Betrieb der Beschwerdeführerin an der Grundgrenze der Baugrundstücke der Widmung allgemeines Wohngebiet widersprechende Immissionen verursacht. Auch im zweitgenannten hg. Erkenntnis ging der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich davon aus, dass die Behörde die Beschwerdeführerin gemäß § 26 Abs. 4 Stmk BauG hätte auffordern müssen, weitere Informationen zu übermitteln. Auf Grund spezieller - im gegenständlichen Verfahren nicht vorliegender - Umstände wurde das Unterbleiben dieser Ermittlungen jedoch als nicht relevant beurteilt.

Die Behörde kann Einwendungen, aus denen mit ausreichender Konkretheit die behauptete Verletzung eines subjektiven Rechtes erkennbar ist, nicht gänzlich unbeachtet lassen, nur weil die Rechtmäßigkeit der Emissionen nicht belegt wurde. Sie hat vielmehr der Partei mitzuteilen, welche Daten zur Begründung des geltend gemachten Anspruches noch benötigt werden, und sie aufzufordern, für ihre Ansprüche Beweise anzubieten (vgl. Fuss, Welche Mängel eines schriftlichen Anbringens sind verbesserungsfähig, in ZfV 2000/522, 229). Bezogen auf § 26 Abs. 4 Stmk BauG bedeutet dies, dass die Baubehörden in Erfüllung ihrer aus § 39 Abs. 2 AVG erfließenden Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes die mitbeteiligten Parteien hätten auffordern müssen, die Rechtmäßigkeit der von ihren Betrieben ausgehenden Emissionen zu belegen, damit die Baubehörden - allenfalls unter Heranziehung von Sachverständigen - prüfen können, ob diese Betriebe an den Grundgrenzen der Baugrundstücke der Widmung widersprechende Immissionen verursachen.

Die belangte Behörde hob daher zu Recht den Berufungsbescheid mangels Auseinandersetzung mit den Einwendungen der mitbeteiligten Parteien im Sinn des § 26 Abs. 4 Stmk. BauG auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde.

Bei diesem Ergebnis wäre die Revision abzuweisen gewesen, womit die Revisionswerberin den mitbeteiligten Parteien die Kosten des Verfahrens gemäß den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014) zu ersetzen hat.

Wien, am 12. August 2014

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