VwGH 2012/01/0059

VwGH2012/01/005919.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der D O in W, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 30. Juni 2011, Zl. MA 35/III-O 9/2008, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §27 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2012010059.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. Juni 2011 stellte die belangte Behörde gemäß §§ 39 und 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. I Nr. 311 idF BGBl. I Nr. 135/2009 (StbG) fest, dass die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG "durch ihren Erwerb (Wiedererwerb) der türkischen Staatsangehörigkeit am 24. Mai 2002" verloren habe. Sie sei nicht österreichische Staatsbürgerin.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, am 3. April 2008 habe der (damalige) Ehegatte der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde vorgesprochen und angegeben, dass die Beschwerdeführerin nach der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wieder die türkische Staatsangehörigkeit angenommen habe. Einem vorgelegten Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister sei zu entnehmen gewesen, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 8 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes mit Beschluss des Ministerrates vom 24. Mai 2002 wieder in den türkischen Staatsverband aufgenommen worden sei. Aufgrund der daraufhin eingeleiteten Erhebungen sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. September 1999 (mit Wirkung vom gleichen Tag) in Erstreckung nach ihrem Ehemann die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei. In diesem Zusammenhang habe sie ihre türkische Staatsangehörigkeit zurückgelegt. Mit Ministerratsbeschluss vom 23. November 1998 sei ihre Entlassung aus dem türkischen Staatsverband bewilligt worden, laut der darüber ausgestellten Urkunde habe sie ihre türkische Staatsangehörigkeit am 5. Oktober 1999 verloren. Diese habe sie jedoch mit Beschluss des Ministerrats vom 24. Mai 2002 wieder erworben.

Die Beschwerdeführerin habe die türkische Staatsangehörigkeit auf Grund ihres Antrages, den sie entweder im Zusammenhang mit dem Besitz von Grundstücken oder einem künftigen Pensionsbezug in der Türkei gestellt habe, wieder erworben. Für die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe zu keiner Zeit den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit beantragt, seien keinerlei Anhaltspunkte hervorgekommen. Diese Behauptung finde auch in der türkischen Verwaltungspraxis und im türkischen Staatsangehörigkeitsrecht keine Deckung, zumal gemäß Art. 11 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 11. Februar 1964 die Einbürgerung eines Antrages bei der zuständigen Behörde, im Ausland beim türkischen Konsulat, bedürfe. Nicht nachvollziehbar sei, dass die Beschwerdeführerin, obwohl sie in der Türkei einer beruflichen Tätigkeit als Nählehrerin nachgegangen sei, die türkische Sprache nicht wenigsten soweit beherrscht haben sollte, dass sie unabhängig von ihrem Ehemann einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft als solchen erkennen und unterschreiben habe können. Dass der Beschwerdeführerin die rechtlichen Formalitäten in der Türkei nicht bekannt gewesen seien, sei auch insofern nicht glaubwürdig, als aus den Akten des Ehescheidungsverfahrens hervorgehe, dass der Beschwerdeführerin die auf sie (im türkischen Grundbuch) eingetragenen Grundstücke und Besitzurkunden bekannt gewesen seien. Es erscheine nicht glaubwürdig, dass solche Eintragungen gänzlich ohne Mitwirkung der Beschwerdeführerin und ohne deren Wissen um ihre türkische Staatsbürgerschaft erfolgt seien. Die Behauptungen der Beschwerdeführerin, sie sei in Unkenntnis davon gewesen, dass sie in der türkischen Botschaft in Wien einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt habe, müsse als reine Schutzbehauptung gewertet werden. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bewusst einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft gestellt habe. Gemäß § 27 Abs. 1 StbG verliere die Staatsbürgerschaft, wer aufgrund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwerbe, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden sei. Da die Beschwerdeführerin die türkische Staatsangehörigkeit auf Grund einer von ihr ausgegangenen Willenserklärung wieder erworben habe und ihr eine Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht bewilligt worden sei, sei die spruchgemäße Feststellung zu treffen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 27. Februar 2012, B 1371/11-3, ab und trat sie mit weiterem Beschluss vom 21. März 2012, B 1371/11-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die Beschwerdeführerin ergänzte die Beschwerde mit Schriftsatz vom 2. Mai 2012. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß (dem seit der Stammfassung BGBl. Nr. 311/1985 unverändert gebliebenen) § 27 Abs. 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

Die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG setzt voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete "positive" Willenserklärung abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zl. 2009/01/0045, mwH).

Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, im Falle deren Erwerbs den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zl. 2009/01/0045, mwH).

Ein Irrtum über die Auswirkungen des gewollten Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit vermag - selbst wenn er unverschuldet wäre - die Rechtswirksamkeit eines auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gerichteten Antrages im Sinne des § 27 Abs. 1 StbG nicht zu beseitigen. Vielmehr tritt der Verlust der Staatsbürgerschaft unabhängig davon ein, ob er beabsichtigt war, auch wenn der Betroffene die österreichische Staatsbürgerschaft beibehalten wollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2012, Zlen. 2010/01/0035 und 0036, mwH).

In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe im Ermittlungsverfahren glaubhaft angegeben, keine Kenntnis über den Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft gehabt und erst im Jahr 2008, im Zuge des Scheidungsverfahrens, davon Kenntnis erlangt zu haben. Sie könne sich weder erinnern, für einen Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft unterschrieben zu haben, noch diesbezüglich zur Botschaft gegangen zu sein. Es liege daher hinsichtlich des Wiedererwerbs der türkischen Staatsbürgerschaft ein Willensmangel vor. Die Besonderheit liege im vorliegenden Fall darin, dass die Beschwerdeführerin vorbringe, für einen Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft nicht unterschrieben zu haben. Es werde lediglich vermutet, dass der Wiedererwerb aufgrund eines Antrags erfolgt sei, der Nachweis dafür habe nicht erbracht werden können. Seitens der türkischen Behörden werde vorgebracht, dass es keine Aufzeichnungen diesbezüglich gäbe. Für die Unkenntnis des Wiedererwerbs spreche zudem, dass die Beschwerdeführerin auf Urlauben in der Türkei stets mit ihrem österreichischen Reisepass eingereist sei und sich stets ein Touristenvisum besorgt habe.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf.

Die behördliche Beweiswürdigung ist der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nur dahin unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, was dann der Fall ist, wenn sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut nicht widersprechen. Dem Gerichtshof kommt es hingegen nicht zu, die Beweiswürdigung der belangten Behörde darüber hinaus auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2011, Zl. 2009/01/0019, mwN).

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid (ausgehend von den Bestimmungen des türkischen Staatsangehörigkeitsrechts) davon aus, dass für den (Wieder‑)Erwerb der Staatsbürgerschaft zwingend die Antragstellung des Einzubürgernden vorgeschrieben sei. Diese Feststellung wird in der Beschwerde nicht konkret bestritten. Daran anschließend beurteilte die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren derart, dass sie damit Gegenteiliges - nämlich dass ihre Wiedereinbürgerung im konkreten Fall nicht mit ihrem Wissen und Willen aufgrund ihres Antrages vorgenommen wurde -

nicht glaubwürdig dargelegt habe (vgl. zu ähnlichen beweiswürdigenden Überlegungen etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. April 2012, Zl. 2010/01/0021, vom 26. Jänner 2012, Zl. 2009/01/0045, vom 19. Oktober 2011, Zl. 2009/01/0018, und vom 15. März 2010, Zl. 2008/01/0590). Mit dem oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringen, das insofern lediglich die unsubstantiierten Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren wiederholt, wird aber eine Unschlüssigkeit der diesbezüglichen behördlichen Beweiswürdigung nicht aufgezeigt.

Soweit die Beschwerde weiters eine fehlerhafte Ermessensübung dadurch, dass die belangte Behörde "ausschließlich den Umstand des Wiedererwerbs der türkischen Staatsbürgerschaft in ihre Entscheidung" einfließen habe lassen und keine Abwägung des Gesamtverhaltens vorgenommen habe, rügt, ist darauf hinzuweisen, dass der belangten Behörde bei ihrer Beurteilung, ob ein Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft im Grunde des § 27 Abs. 1 StbG eingetreten ist, kein Ermessen eingeräumt ist.

Da die Beschwerde sich somit im Ergebnis als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. Dezember 2012

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