VwGH 2009/01/0018

VwGH2009/01/001819.10.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, Lerchenfelder Gürtel 27/20, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. November 2008, Zl. MA 35/III - A 53/07, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §27 Abs1;
StbG 1985 §27 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. September 1996 war dem Beschwerdeführer gemäß § 11a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden.

Dazu war dem Beschwerdeführer mit Beschluss des türkischen Ministerrates vom 12. Februar 1996 die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband genehmigt worden. Mit Ausstellung der Entlassungsurkunde des türkischen Innenministeriums vom 22. November 1996 hatte er die türkische Staatsangehörigkeit verloren.

Auf Grund einer Mitteilung der österreichischen Botschaft Ankara vom 16. November 2007, wonach aus dem von der Schwester des Beschwerdeführers anlässlich eines Visumsantrages vorgelegten Familienregisterauszug hervorgehe, dass der Beschwerdeführer nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft die türkische Staatsangehörigkeit wieder angenommen habe, leitete die belangte Behörde ein Feststellungsverfahren zur Prüfung der österreichischen Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers ein.

Mit Schreiben vom 11. Februar 2008 wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt.

Im Zuge einer persönlichen Vorsprache bei der belangten Behörde am 10. März 2008 gab der Beschwerdeführer an, nichts von einem Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zu wissen.

In weiterer Folge brachte der Beschwerdeführer - nunmehr rechtsanwaltlich vertreten - mit Schriftsätzen vom 10. April und 30. Mai 2008 im Wesentlichen vor, er sei ohne sein Wissen in der Türkei wiedereingebürgert worden und habe die türkische Staatsbürgerschaft weder beantragt noch eine Erklärung oder eine ausdrückliche Zustimmung abgegeben. Es liege offenbar ein Irrtum vor. Die belangte Behörde möge den diesbezüglichen Akt aus der Türkei beischaffen. Auf Vorhalt der belangten Behörde, es sei auf Grund der datenschutzrechtlichen Bestimmungen in der Türkei nicht möglich, von den türkischen Behörden personenbezogene Auskünfte oder Unterlagen zu erhalten, wiederholte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2008, er habe keinen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt. Dazu treffe ihn auch nicht die Beweislast. Er könne nicht mit Sicherheit sagen, ob ihm die türkischen Behörden eine Bestätigung ausstellen würden, da diesbezügliche Bestätigungen nicht üblich seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. November 2008 stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit am 2. Februar 1998 gemäß § 27 Abs. 1 StbG verloren hat und nicht österreichischer Staatsbürger ist.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem von der österreichischen Botschaft Ankara vorgelegten Familienregisterauszug sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 2. Februar 1998 die türkische Staatsangehörigkeit angenommen habe. Der beim Amt der Wiener Landesregierung zur Verfügung stehenden "Amtsliteratur" sei über das türkische Staatsangehörigkeitsrecht zu entnehmen, dass nach Art. 8 in Verbindung mit Art. 6 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes (Nr. 403 vom 11. Februar 1964) für den (Wieder)Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zwingend eine Antragstellung des Einzubürgernden vorgeschrieben sei. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die türkische Staatsangehörigkeit auf Grund seines Antrages erworben habe. Da ihm eine Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht bewilligt worden sei, sei nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen festzustellen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft mit Wirkung vom 2. Februar 1998 verloren habe.

Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei dem Beschwerdeführer bekannt gegeben worden. Dieser habe daraufhin vorgebracht, von keinem Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zu wissen, und in der Folge durch seinen bevollmächtigten Vertreter insofern Stellung genommen, dass er ohne sein Wissen in der Türkei wiedereingebürgert worden sei bzw. die türkische Staatsangehörigkeit weder beantragt noch eine Erklärung oder eine ausdrückliche Zustimmung dazu abgegeben habe. Für diese Behauptung habe der Beschwerdeführer jedoch keinen Beweis vorgelegt. Nach Einräumung einer Stellungnahmefrist habe der Vertreter des Beschwerdeführers den bisherigen Standpunkt wiederholt, angegeben, dass offenbar ein Irrtum vorliege, und beantragt, den Einbürgerungsakt des Beschwerdeführers aus der Türkei zu beschaffen. Die belangte Behörde habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass dies auf Grund der datenschutzrechtlichen Bestimmungen in der Türkei nicht möglich sei, und zwar, wie die Erfahrung der belangten Behörde zeige, selbst mit Bevollmächtigung der Partei nicht. In dem daraufhin eingelangten Antwortschreiben sei (nur) nochmals eine Antragstellung des Beschwerdeführers in Abrede gestellt, eine diesbezügliche Beweislast zurückgewiesen sowie erwähnt worden, es könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die türkischen Behörden dem Beschwerdeführer eine Bestätigung ausstellen würden, da solche Bestätigungen nicht üblich seien.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 29. Jänner 2009, B 1/09-3, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer ergänzte die Beschwerde mit Schriftsatz vom 20. März 2009. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß (dem seit der Stammfassung BGBl. Nr. 311/1985 unverändert gebliebenen) § 27 Abs. 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

Die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG setzt voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete "positive" Willenserklärung abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2010, Zl. 2008/01/0590, mit Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 19. März 2009, Zl. 2007/01/0633, und vom 19. Februar 2009, Zl. 2006/01/0884).

Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 15. März 2010, Zl. 2008/01/0590, mit Hinweis auf Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 1990, S. 296).

Die belangte Behörde setzte sich im Beschwerdefall zutreffend mit dem nach § 27 Abs. 1 StbG erforderlichen Tatbestandsmerkmal der positiven Willenserklärung auseinander und ging insofern beweiswürdigend davon aus, dass der Beschwerdeführer die türkische Staatsbürgerschaft auf Antrag erworben habe, da nach den maßgeblichen Bestimmungen des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes für den (Wieder)Erwerb der Staatsbürgerschaft zwingend eine Antragstellung des Einzubürgernden vorgeschrieben sei und der Beschwerdeführer Gegenteiliges - nämlich dass seine Wiedereinbürgerung im konkreten Fall nicht auf Antrag vorgenommen worden sei - nicht substantiiert behauptet habe.

Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, in seinem Recht auf amtswegige Ermittlung des wahren Sachverhalts verletzt zu sein. Obwohl er mehrfach vorgebracht habe, nie um die türkische Staatsbürgerschaft angesucht zu haben, habe die belangte Behörde trotz ausdrücklicher Aufforderung keinerlei Nachweise für die "unrichtige Behauptung" beigebracht, wonach er dies angeblich getan habe.

Mit diesem - auf die Beweiswürdigung der belangten Behörde abzielenden - Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Es ist nämlich nicht als unschlüssig zu erkennen, wenn die belangte Behörde angesichts der im Zeitpunkt des (Wieder)Erwerbs der Staatsbürgerschaft geltenden (nicht bestrittenen) türkischen Rechtslage, wonach die Einbürgerung eines Antrages des Einzubürgernden bedürfe, sowie der (ebenfalls nicht bestrittenen) Tatsache, dass dem Beschwerdeführer die türkische Staatsbürgerschaft (wieder) verliehen wurde, davon ausging, dass der Verleihung ein Antrag des Beschwerdeführers zugrunde gelegen sei. Demgegenüber bestreitet der Beschwerdeführer bloß unsubstantiiert, jemals einen solchen Antrag gestellt zu haben, wobei jedoch mögliche Gründe für eine derartige "antragslose" Staatsbürgerschaftsverleihung im Dunkeln bleiben. Worin er einen "Irrtum" zu erkennen meint, legt der Beschwerdeführer ebenfalls nicht näher dar.

Den beantragten amtswegigen Ermittlungen (Beischaffung des türkischen Staatsbürgerschaftsaktes durch die belangte Behörde) wären offenkundig faktische (und rechtliche) Hindernisse entgegengestanden. Die belangte Behörde verweist insofern zutreffend auf die offenkundige Unmöglichkeit, von Amts wegen personenbezogene Auskünfte von den türkischen Behörden zu erhalten, sowie die Möglichkeit des Beschwerdeführers, als Betroffener die entsprechenden Auszüge bzw. Aktenabschriften über die Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft zu verlangen und -

im Rahmen seiner insofern bestehenden Mitwirkungspflicht - der belangten Behörde vorzulegen (vgl. wiederum die hg. Erkenntnisse vom 15. März 2010, Zl. 2008/01/0590, und vom 19. März 2009, Zl. 2007/01/0633).

Soweit der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren behauptet, "die betreffenden Urkunden" von der türkischen Botschaft "nicht bekommen" zu haben, da eine derartige Vorgangsweise gesetzlich nicht vorgeschrieben sei, stellt dies eine unzulässige Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) dar, hat er doch im Verfahren vor der belangten Behörde nur angegeben, er könne nicht mit Sicherheit sagen, ob ihm die türkischen Behörden eine Bestätigung (gemeint: über die antragslose Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft) ausstellen würden, da diesbezügliche Bestätigungen nicht üblich seien. Einen konkreten Versuch, die bloß vage Bestreitung des von der belangten Behörde - wie dargelegt in nicht unschlüssiger Weise - angenommenen Sachverhalts durch Vorlage entsprechender Unterlagen, die einen gegenteiligen Geschehensablauf nahelegen würden, zu substantiieren, hat der Beschwerdeführer damit gerade nicht behauptet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. Oktober 2011

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