VwGH 2010/01/0035

VwGH2010/01/003516.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerden der 1. G H, 2. M H, beide in S (CH), beide vertreten durch Dr. Hans Lehofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 8, gegen die Bescheide der Steiermärkische Landesregierung je vom 28. Juli 2008, 1.) Zl. FA7C-12-1754/2005-26, 2.) Zl. FA7C-12- 1753/2005-23, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §27 Abs1;
StbG 1985 §27 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2010010035.X00

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerinnen sind - im Jahr 1979 bzw. 1978 in Graz - geborene Schwestern. Im Zeitpunkt ihrer Geburt hatten sie die österreichische Staatsbürgerschaft kraft Abstammung von ihrem ehelichen Vater erworben. Ihre Mutter ist im Besitz des Schweizer Bürgerrechts.

Am 28. August 1985 stellten die Eltern der Beschwerdeführerinnen bei der zuständigen Schweizer Behörde ("Bürgerrecht und Zivilstandsdienst des Kantons St. Gallen") gemäß dem damals geltenden Art 57 Abs. 8 Bst. a des Schweizer Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz; in der Folge: BüG) ein Gesuch um Anerkennung der Beschwerdeführerinnen als Schweizer Bürger. Am 15. September 2005 stellte das Zivilstandesamt der Gemeinde E. eine Bestätigung "betreffend Bürgerrechtsanerkennung" aus, wonach die Beschwerdeführerinnen auf Grund der Eintragung im Familienregister der Gemeinde am 3. Oktober 1985 als Bürgerinnnen von E. anerkannt worden seien. Mit Schreiben vom 13. Februar 2006 bestätigte das "Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement EJPD - Bundesamt für Migration" gegenüber den Beschwerdeführerinnen, dass sie "das Schweizer Bürgerrecht aufgrund der Anerkennung durch die zuständige kantonale Behörde gemäß Artikel 57 Abs. 8 (BüG) erworben haben. … Somit haben Sie das Schweizer Bürgerrecht nicht in einem Einbürgerungsverfahren sondern auf behördlichen Beschluss hin erworben." Die - bereits im Verwaltungsverfahren anwaltlich vertretenen -Beschwerdeführerinnen räumten im Zuge des ihnen gewährten Parteiengehörs mit Stellungnahme vom 21. April 2008 explizit ein, dass sie mit Wirksamkeit vom 3. Oktober 2010 aufgrund der damals bestehenden Übergangsbestimmung des Artikels 57 Abs. 8 BüG als Schweizer Bürgerinnen anerkannt worden seien.

Mit den angefochtenen Bescheiden stellte die belangte Behörde - auf Antrag der Beschwerdeführerinnen - jeweils fest, dass die Beschwerdeführerinnen die österreichische Staatsbürgerschaft durch den freiwilligen Erwerb des Schweizer Bürgerrechts mit Wirksamkeit vom 3. Oktober 1985 gemäß § 27 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 verloren haben. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass ein "automatischer" Erwerb des Schweizer Bürgerrechts im Zeitpunkt der Geburt der Beschwerdeführerinnen nicht vorgesehen gewesen sei. Mit 1. Juli 1985 seien die rechtlichen Bestimmungen hinsichtlich des Erwerbs des Schweizer Bürgerrechts dahin gehend geändert worden, dass seit diesem Zeitpunkt eheliche Kinder einer Schweizer Bürgerin "automatisch" mit ihrer Geburt das Schweizer Bürgerrecht erwerben würden. Da die Beschwerdeführerinnen vor dem 1. Juli 1985 geboren worden seien, habe ein automatischer Erwerb des Schweizer Bürgerrechts nach ihrer Mutter nicht eintreten können. Für eheliche Kinder einer Schweizer Bürgerin, die zwischen dem 1. Jänner 1953 und dem 30. Juni 1985 geboren worden seien, würden Übergangsbestimmungen gelten, wonach der Erwerb des Schweizer Bürgerrechts durch Anerkennung eines diesbezüglichen Antrages eintritt. Im gegenständlichen Fall hätten die Eltern als gesetzliche Vertreter der Beschwerdeführerinnen ein Gesuch um Anerkennung als Schweizer Bürger gestellt und seien die Beschwerdeführerinnen laut Bestätigung der Gemeinde E. am 3. Oktober 1985 als Schweizer Bürger anerkannt worden. Die Beschwerdeführerinnen hätten durch behördlichen Akt infolge eines entsprechenden Gesuchs gemäß Art 57 Abs. 8 Bst. a BüG das Schweizer Bürgerrecht erworben; dies habe auch das Bundesamt für Migration mit Schreiben vom 13. Februar 2006 festgestellt. Der Erwerb des Schweizer Bürgerrechts sei nicht ex lege und auch nicht rückwirkend auf das Geburtsdatum der Beschwerdeführerinnen erfolgt.

Da die Beschwerdeführerinnen das Schweizer Bürgerrecht aufgrund einer auf diesen Erwerb gerichteten freiwilligen Willenserklärung ihrer Eltern erworben hätten, sei gemäß § 27 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 "automatisch" der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft eingetreten.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführerinnen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerden mit Beschlüssen je vom 23. Juni 2010, Zlen. B 1586/08-7 bzw. B 1587/08-7 ablehnte und die Beschwerden gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung je einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall anzuwendende Rechtsgrundlage bildet das - ab 31. Juli 1985 als Wiederverlautbarung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 geltende - Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG).

Gemäß § 27 Abs. 1 StbG verliert die österreichische Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

Gemäß Abs. 2 erster Satz leg. cit. verliert ein nicht eigenberechtigter Staatsbürger die Staatsbürgerschaft nur dann, wenn die auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtete Willenserklärung (Abs. 1) für ihn entweder von seinem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen ausdrücklicher Zustimmung von ihm selbst oder einer dritten Person abgegeben wird.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. verliert ein minderjähriger Staatsbürger, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, die Staatsbürgerschaft außerdem nur dann, wenn er der auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichteten Willenserklärung (Abs. 1) seines gesetzlichen Vertreters oder der dritten Person (Abs. 2) vor dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit ausdrücklich zugestimmt hat.

Gemäß § 42 Abs. 1 StbG ist außer den in den §§ 25 Abs. 3, 38 und 58c besonders geregelten Fällen ein Feststellungsbescheid in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft zu erlassen, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat.

2. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 27 Abs. 1 StbG festgehalten hat (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 15. März 2010, Zl. 2008/01/0590, mwN), setzt diese Bestimmung voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtete "positive" Willenserklärung abgibt und die fremde Staatsangehörigkeit infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt.

Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung" anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an; der Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft tritt auch ein, wenn der Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit auf Grund des fremden Rechts ex lege eintritt (vgl. Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft Bd. II (1990) S. 296).

Diese Grundsätze gelten auch im Anwendungsbereich des § 27 Abs. 2 StbG.

3. Die Beschwerdeführerinnen hatten durch Geburt nach ihrem Vater die österreichische Staatsbürgerschaft erworben (vgl. § 7 Abs. 1 StbG 1965). Nach den - insoweit unbestrittenen - Feststellungen der belangten Behörde haben sie als Kinder eines österreichischen Vaters und einer Schweizer Mutter die Schweizer Staatsangehörigkeit nicht von Geburt an erworben; die Beschwerdeführerinnen räumen vielmehr selbst ein, dass sie erst mit Wirksamkeit von 3. Oktober 1985 als Schweizer Bürger "anerkannt" worden seien. Eine Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft liegt nicht vor.

Dazu ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass erst seit der Bestimmung des Art. 1 Abs. 1 Bst. a BüG in der Fassung der "Änderung vom 14. Dezember 1984" (= BBl. 1952 III 137 idF. BBl. 1984 III 1469) der Erwerb des Schweizer Bürgerrechts eines Kindes, dessen Eltern miteinander verheiratet sind und dessen Vater oder Mutter Schweizer Bürger(in) ist, von Geburt an vorgesehen ist.

Gemäß Art 57 Abs. 8 Bst. a BüG (in der Fassung der erwähnten Änderung vom 14. Dezember 1984) konnte ein nach dem 31. Dezember 1952 geborenes Kind eines ausländischen Vaters und einer schweizerischen Mutter innert drei Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes bei der zuständigen Behörde des Heimatkantons der Mutter die Anerkennung als Schweizer Bürger beantragen, sofern die Mutter das Schweizer Bürgerrecht durch Abstammung, Adoption oder Einbürgerung erworben hat.

4. Indem die Eltern der - damals minderjährigen, noch nicht 14 Jahre alten - Beschwerdeführerinnen nach Maßgabe des Art 57 Abs. 8 Bst. a BüG am 28. August 1985 die Anerkennung als Schweizer Bürger(innen) für ihre Töchter beantragt haben, haben sie als deren gesetzliche Vertreter eine auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gerichtete Willenserklärung im Sinne des § 27 Abs. 2 StbG abgegeben. Diese Willenserklärung bewirkte die "Anerkennung" der Beschwerdeführerinnen als Schweizer Bürgerinnen (mit Wirksamkeit vom 3. Oktober 1985). Somit liegt ein Fall des Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit auf Grund eines Antrages im Sinne des § 27 Abs. 2 StbG vor (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0722, zum ähnlich gelagerten Fall eines Antrages gemäß der Übergansbestimmung des Art 57 Abs. 6 BüG).

5.1. Die Beschwerde wendet ein, dass den Beschwerdeführerinnen das Schweizer Bürgerrecht nicht "autonom" verliehen worden sondern ihnen "aufgrund ihrer Abstammung von einer Schweizerin ein bestehendes Bürgerrecht (nachträglich) zuerkannt" worden sei bzw. dass § 27 Abs. 2 StbG lediglich "den tatsächlichen heterogenen Erwerb einer neuen Staatsbürgerschaft" und "keineswegs die homogene Feststellung einer kraft Abstammung rechtlich zustehenden Staatsbürgerschaft" regle. Damit wird - nach Verständnis des Verwaltungsgerichtshofes - die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass nach Maßgabe des § 27 (Abs. 2) StbG der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nur im Fall eines durch einen konstitutiven behördlichen Akt begründeten Erwerbes der fremden Staatsangehörigkeit eintrete, dieser Fall aber gegenständlich nicht vorliege.

Dieses Vorbringen ist jedoch schon deshalb nicht zielführend, weil es - wie unter Pkt. 2 dargestellt - nach § 27 StbG auf die Art des Erwerbes der fremden Staatsangehörigkeit (förmliche Verleihung, ex lege Erwerb) auf Grund einer Willenserklärung nicht ankommt.

Aus diesem Grund kann auch dahin gestellt bleiben, ob der nach Maßgabe des Art. 57 Abs. 8 BSt. a BüG erfolgten "Anerkennung" des Schweizer Bürgerrechts der Beschwerdeführerinnen lediglich - wie die Beschwerde offenkundig meint - deklarativer oder - worauf die erwähnte Stellungnahme des Bundesamt für Migration vom 13. Februar 2006 ("auf behördlichen Beschluss hin erworben") sowie eine aktenkundige Stellungnahme der österreichischen Botschaft in Bern vom 18. Juli 2006 ("nicht ex lege") hinzudeuten scheinen - konstitutiver Charakter zukommt.

5.2. Aus dem Vorbringen, dass die Mutter der Beschwerdeführerinnen österreichisch-schweizerische Doppelstaatsbürgerin sei, lässt sich für die Beschwerdeführerinnen in Ansehung der Bestimmung des § 27 Abs. 2 StbG nichts gewinnen.

5.3. Ebenso wenig verhilft das Argument, die Beschwerdeführerinnen seien "guten Glaubens" davon ausgegangen, durch die Anerkennung der Schweizer Staatsangehörigkeit die österreichische Staatsbürgerschaft nicht verloren zu haben, der Beschwerde zum Erfolg; diesem Vorbringen ist nämlich entgegen zu halten, dass ein Irrtum über die Auswirkungen des gewollten Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit - selbst wenn er unverschuldet wäre - die Rechtswirksamkeit eines Antrages auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gerichteten Antrages im Sinne des § 27 Abs. 1 (gleiches gilt für Abs. 2) StbG - nicht zu beseitigen vermag und der Verlust der Staatsbürgerschaft unabhängig davon eintritt, ob er beabsichtigt war, auch wenn die/der Betroffene die österreichische Staatsbürgerschaft beibehalten wollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2001/01/0588, mwN).

6.  Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerinnen zu Recht festgestellt, sodass die dagegen erhobenen Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen waren.

7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. Februar 2012

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