VwGH 2009/21/0287

VwGH2009/21/028729.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Mag. Farid Beglari und Dr. Gunther Ledolter, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 7. August 2009, Zl. Fr 563/2004, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, lebt seit dem Jahr 1973 in Österreich. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. Mai 2004 wurde er wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2, vierter Fall, Abs. 3, erster Fall und Abs. 4 Z. 3 SMG als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB) in der "Entwicklungsstufe" des Versuches (§ 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt. Er habe sich gewerbsmäßig als Mitglied einer kriminellen Vereinigung am

21. und 22. Mai 2002, indem er den Kontakt zwischen dem (zugleich verurteilten) Mittäter S. und einem verdeckten Ermittler des Bundesministeriums für Inneres herstellte, das von ihm selbständig geführte Gastlokal für die Treffen der Genannten zur Verfügung stellte und sich an den Verhandlungen über den Kaufpreis und die Übergabemodalitäten beteiligte, an der versuchten Weitergabe und dem gewinnbringenden Verkauf von rund 4,5 kg Heroin beteiligt.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 6. Juli 2004 erließ die Bundespolizeidirektion Graz gegen den Beschwerdeführer (hierauf gestützt) gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde zurückgewiesen, nachdem ein damit verbundener Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen worden war. Eine in dieser Angelegenheit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, Zl. 2008/22/0544, dem die Einzelheiten des Verfahrens entnommen werden können, als unbegründet abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 7. August 2009 wies die belangte Behörde einen Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des genannten Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ab.

Begründend führte sie aus, der Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 FPG könne nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit seiner Erlassung die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Beschwerdeführers geändert hätten, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen sei. Der Beschwerdeführer sei aktuell in zweiter Ehe verheiratet. Sein Sohn aus erster Ehe lebe in Österreich. Der nunmehrigen Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern (im Alter von acht und vierzehn Jahren) sei im Dezember 2005 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit einer Österreicherin seien auf den Beschwerdeführer gemäß § 87 FPG die (inhaltlich dargestellten) Bestimmungen des § 86 Abs. 1 Satz 1bis 5 FPG anzuwenden. Soweit der Beschwerdeführer in Abrede stelle, dass durch seinen Verbleib im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde, sei dem zu entgegnen, dass er sich gewerbsmäßig als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, und zwar mit fünf weiteren rechtskräftig bestraften Mittätern, am Versuch einer Weitergabe von Heroin in einer das 25-fache der Grenzmenge weit übersteigenden Menge beteiligt habe. Ein derartiges Verhalten stelle auch eine hinreichend schwere Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Der seit der Verurteilung und der bedingten Entlassung aus der Strafhaft (am 22. Oktober 2007) verstrichene Zeitraum sei im Hinblick auf die einem gewerbsmäßigen Handel mit Suchtmitteln bekanntermaßen innewohnende große Wiederholungsgefahr als zu kurz anzusehen, um von einer günstigen Zukunftsprognose ausgehen zu können. Erschwerend komme hinzu, dass der Beschwerdeführer trotz Bestehens eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes unrechtmäßig weiterhin im Bundesgebiet aufhältig geblieben sei, sodass auch von einem fremdenrechtlichen Wohlverhalten nicht die Rede sein könne.

Soweit der Beschwerdeführer auf seine Ehe, die Führung eines angepassten Lebens und seine geregelte Beschäftigung verweise, werde keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes aufgezeigt, weil die Ehe und eine Berufstätigkeit (als Gastwirt) bereits vor der Erlassung des Aufenthaltsverbotes vorgelegen seien. Die verbüßte Haftzeit habe für die Prognosebeurteilung im Übrigen außer Betracht zu bleiben, weil insoweit die behauptete Änderung der Lebensweise keinen Schluss auf einen Wegfall der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers rechtfertige. Soweit dieser meine, seine Persönlichkeitsstruktur wäre an Hand eines klinischpsychologischen Gutachtens zu beurteilen gewesen, aus dem sich eindeutig ergeben hätte, dass sein weiterer Verbleib im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nachhaltig oder maßgeblich gefährde, sei er damit auf den schon dargestellten hohen Grad der Gefährlichkeit seiner Straftat zu verweisen. Diese Gefahr könne nur dann als in relevantem Ausmaß gemindert angesehen werden, wenn er sich über einen längeren Zeitraum (nach der Haftentlassung) wohlverhalten hätte, wobei ein bloß behaupteter oder von einem Psychologen festgestellter Gesinnungswandel, der sich noch nicht über einen relevanten Zeitraum hinweg bewährt habe, in einem Fall wie dem vorliegenden keinesfalls für eine positive Zukunftsprognose ausreiche.

Dem Beschwerdeführer sei darin beizupflichten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes einen schwerwiegenden Eingriff in sein Privat- und Familienleben iSd § 66 Abs. 1 FPG bewirke. Dieser sei jedoch im Hinblick auf das dargestellte, gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande begangene, massive Verbrechen nach dem SMG in Kauf zu nehmen. Die für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden maßgeblichen öffentlichen Interessen seien zumindest gleich hoch, wenn nicht sogar höher als die entgegenstehenden privaten und familiären Interesse zu bewerten, sodass die Individualinteressen an der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes in den Hintergrund treten müssten. Insgesamt habe sich die private oder familiäre Interessenlage des Beschwerdeführers seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht zu seinen Gunsten in rechtserheblicher Weise geändert. In Ermangelung eines Wegfalls der seinerzeitigen Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei seine Aufrechterhaltung daher unter Berücksichtigung des § 66 FPG dringend geboten und zulässig.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Ein darauf abzielender Antrag kann somit nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 FPG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr eingeräumte Ermessen zu üben. Bei Fremden, die seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - wie der Beschwerdeführer - die Stellung eines Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) eines österreichischen Staatsbürgers erlangt haben, ist überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur im Grunde des § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG in Betracht kommt (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 2009, Zl. 2008/21/0141, mwN).

Unter Berücksichtigung der hohen Gefährlichkeit der vom Beschwerdeführer gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung versuchten Weitergabe von rund 4,5 kg Heroin, also einer übergroßen Menge einer "harten Droge", womit regelmäßig eine große Wiederholungsgefahr einhergeht, ist die Beurteilung der belangten Behörde, dass vom Beschwerdeführer nach wie vor eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, sowie dass auf Grund seines Verhaltens der Schluss zu ziehen ist, die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich würde durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nahhaltig und maßgeblich gefährdet (§ 86 Abs. 1 Satz 1bis 5 FPG) nicht zu beanstanden. Das festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers erweist sich nämlich als im höchsten Maß sozialschädlich (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Juni 2009, Zl. 2008/22/0625 und Zl. 2009/22/0148).

Dazu kommt, wie schon die belangte Behörde zutreffend erwähnt hat, dass der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung aus der Strafhaft beharrlich der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, sodass auch in diesem Zeitraum von einem Wohlverhalten (im fremdenrechtlichen Sinn) nicht die Rede sein kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2006/21/0115).

Da ein allfälliger Gesinnungswandel des Beschwerdeführers vorrangig daran geprüft werden kann, wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat, kann auch auf Grund des seit der Haftentlassung (am 22. Oktober 2007) verstrichenen - noch nicht allzu langen - Zeitraumes nicht auf einen Wegfall oder eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit geschlossen werden.

Der Beschwerde gelingt es auch nicht, eine Rechtswidrigkeit der im angefochtenen Bescheid unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat nämlich ohnedies die zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Treffen zu führenden Argumente (vor allem seinen langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet sowie die familiäre und berufliche Integration) berücksichtigt. Jedoch kommt dem aus den konkreten Umständen seiner Straftat zu Recht abgeleiteten ungünstigen Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers aus Gesichtspunkten der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ein sehr hoher Stellenwert zu. Letztlich hat daher die belangte Behörde zutreffend darauf verwiesen, dass das massive Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine ungünstige Prognose im Hinblick auf eine Gefährdung iSd § 86 Abs. 1 erster bis fünfter Satz FPG rechtfertige, welche die Aufrechterhaltung der gegenständlichen Maßnahme als dringend geboten erscheinen lasse; die sich daraus ergebenden nachteiligen Auswirkungen haben der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen in Kauf zu nehmen.

Ebenso vermag die Beschwerde keine konkreten Aspekte aufzuzeigen, welche die belangte Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens zu einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes hätten veranlassen müssen.

Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, dass ihn die belangte Behörde nicht persönlich befragt und dadurch die Möglichkeit verabsäumt habe, ein persönliches Bild von seiner Person zu gewinnen. Mit diesem Vorbringen wird jedoch kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt, weil im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der belangten Behörde weder ein Recht auf eine mündliche Berufungsverhandlung noch ein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, Zl. 2008/21/0068, mwN). Die Möglichkeit, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (etwa niederschriftlich am 22. Oktober 2007 oder in der an die belangte Behörde gerichteten Berufung), wird auch in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt.

Schließlich rügt der Beschwerdeführer das Unterbleiben der Einholung des von ihm beantragten Gutachtens eines klinischpsychologischen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass durch seinen weiteren Verbleib in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht nachhaltig und maßgeblich gefährdet wäre. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass das massive Fehlverhalten des Beschwerdeführers, auf Grund dessen er bis zum 22. Oktober 2007 in Strafhaft angehalten worden war, noch nicht so lange zurückliegt, dass ein Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr anzunehmen wäre. Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, dass für eine Bewährung in erster Linie das Verhalten eines Fremden auf freiem Fuß maßgeblich ist, sodass weder die Einholung eines Gutachtens noch eine Befragung des Beschwerdeführers geeignet gewesen wäre, die angesichts seines Gesamtverhaltens nicht zu beanstandende Prognose in Bezug auf die von seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu widerlegen (vgl. zum Ganzen neuerlich das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, Zl. 2008/21/0068, mwN).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 29. April 2010

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