VwGH 2008/10/0063

VwGH2008/10/006311.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der E P in Z, vertreten durch Dr. Klaus Dengg, Mag. Stefan Geisler und Mag. Markus Gredler, Rechtsanwälte in 6280 Zell/Ziller, Talstraße 4a, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. Jänner 2008, Zl. IIIa1-F-10.039/6, betreffend Rodungsbewilligung sowie Aufträge nach dem ForstG 1975 und dem Wasserrechtsgesetz 1959, zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17 Abs4;
ForstG 1975 §17 Abs5;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17 Abs4;
ForstG 1975 §17 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Versagung der Rodungsbewilligung und gegen den forstbehördlichen Auftrag richtet, als unbegründet abgewiesen.

Die Entscheidung über den Auftrag nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 und über die Kosten des Verfahrens obliegt dem dafür zuständigen Senat 07.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. Jänner 2008 wurden der beschwerdeführenden Partei

1) die forstrechtliche Bewilligung zur Rodung eines Teiles von 4.000 m2 einer näher bezeichneten Grundfläche versagt,

2) der forstbehördliche Auftrag erteilt, die erwähnte Teilfläche, die von der beschwerdeführenden Partei bereits ohne forstrechtliche Bewilligung gerodet wurde, in näher beschriebener Art und Weise wieder aufzuforsten und

3) der wasserrechtliche Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes in näher beschriebener Art und Weise erteilt.

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, dem eingeholten Gutachten eines Amtssachverständigen für Wildbach- und Lawinenverbauung sei zu entnehmen, dass ein besonders großes öffentliches Interesse an der Erhaltung der in Rede stehenden Fläche als Wald bestehe. Das von der beschwerdeführenden Partei zu dieser Frage vorgelegte Privatgutachten habe demgegenüber geringere Beweiskraft, schon weil sich der Privatsachverständige von seiner forstlichen Ausrichtung her als Sachverständiger für Wald- und Forstwirtschaft, Hölzer, Holzgewinnung (inkl. Bringung und Transport), größere und kleinere landwirtschaftliche Liegenschaften sowie größere und kleinere forstliche Liegenschaften, bei der Beurteilung des Gefährdungspotenzials durch einen Wildbach nicht auf derselben fachlichen Ebene befände wie der Amtssachverständige für Wildbach- und Lawinenverbauung. Betreffend die nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei an der beantragten Rodung bestehenden öffentlichen Interessen der Agrarstrukturverbesserung sei der beschwerdeführenden Partei aufgetragen worden, bestimmte Unterlagen vorzulegen. Diesem Auftrag habe die beschwerdeführende Partei nicht entsprochen. Obzwar der Behörde daher eine abschließende Beurteilung nicht möglich sei, zeige selbst das von der beschwerdeführenden Partei zur Stützung ihrer Auffassung vorgelegte Privatgutachten, dass im vorliegenden Fall bloß Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen für die Rodung sprächen, nicht aber ein öffentliches Interesse an der Agrarstrukturverbesserung. Ein solches öffentliches Interesse liege nämlich nur dann vor, wenn die beantragte Rodung eine Maßnahme darstellte, die für die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung oder den Erfordernissen eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes notwendig seien. Im vorliegenden Fall liege die Rodung jedoch im rein privaten Interesse der beschwerdeführenden Partei. Weiters sei noch zu berücksichtigen, dass auch die Zielsetzungen der Raumordnung gegen die Rodung sprächen. Im vorliegenden Fall sei die Zielsetzung einer Ausweitung des Freilandes zur Erhaltung der Landwirtschaft nicht zu erkennen. Vielmehr sei für die in Rede stehende Fläche in den Flächenwidmungsplänen ausschließlich Wald vorgesehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975 (ForstG 1975) ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.

Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde gemäß § 17 Abs. 2 ForstG 1975 eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.

Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde gemäß § 17 Abs. 3 ForstG 1975 eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Öffentliche Interessen an einer anderen Verwendung iSd Abs. 3 sind gemäß § 17 Abs. 4 ForstG 1975 insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- oder öffentlichen Straßenverkehr, im Post- oder öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung, im Siedlungswesen oder im Naturschutz.

Bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses im Sinne des Abs. 2 oder bei der Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 3 hat die Behörde gemäß § 17 Abs. 5 ForstG 1975 insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

Gemäß § 172 Abs. 6 ForstG 1975 hat die Behörde, wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer Acht lassen, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere

  1. a) die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung,
  2. b) die Verhinderung und die Abstandnahme von Waldverwüstungen,
  3. c) die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die Wildbachräumung,

    d) die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden oder Bewuchs oder

    e) die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen, dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr

    im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen.

    Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf sachverständige Grundlage gestützte Auffassung zu Grunde, an der Erhaltung der zur Rodung beantragten bzw. bereits ohne Bewilligung gerodeten Fläche als Wald bestehe ein besonders großes öffentliches Interesse. Die beantragte Rodung liege demgegenüber im rein privaten Interesse der beschwerdeführenden Partei; an der Rodung bestehe jedenfalls kein in der Agrarstrukturverbesserung begründetes öffentliches Interesse. Zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes sei der beschwerdeführenden Partei die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes vorzuschreiben gewesen.

    Die beschwerdeführende Partei wendet ein, dem von ihr vorgelegten Gutachten sei zu entnehmen, dass das Risikopotenzial im Katastrophenfall wesentlich geringer sein müsse als vom Amtssachverständigen angenommen. Auch sei die Rodefläche nicht als Schutzwald einzustufen. Dass die Rodefläche in einer Waldfunktionsfläche liege, in der der Schutzwirkung des Waldes höchste Bedeutung zukomme, sei unzutreffend. Dies hätte sich auch bei Vornahme des von der beschwerdeführenden Partei in ihrer Berufung beantragten Lokalaugenscheins sowie bei Einholung eines Sachbefundes aus dem Bereich des Forstwesens ergeben. Schließlich hätte die belangte Behörde den Ausführungen im Privatgutachten folgend zum Ergebnis kommen müssen, dass die Rodung der Sicherung einer existenzfähigen landwirtschaftlichen Betriebseinheit diene, den Charakter einer Ersatzbeschaffung (für in der Vergangenheit verloren gegangene landwirtschaftliche Nutzflächen) habe und durch den direkten Anschluss der Rodefläche an eine hofeigene Grundparzelle diese um gut ein Viertel vergrößere, sodass eine vollständig mechanisch bearbeitbare Einheit im Ausmaß von ca. 1,65 ha entstehe. Soweit die belangte Behörde darauf hinweise, die beschwerdeführende Partei habe ihr trotz Aufforderung bestimmte Unterlagen nicht vorgelegt und es sei ihr daher nicht möglich gewesen, das Vorliegen einer Existenzgefährdung des Betriebes der beschwerdeführenden Partei abschließend zu beurteilen, werde übersehen, dass weder der beschwerdeführenden Partei persönlich, noch ihrem Rechtsanwalt eine entsprechende Aufforderung zugestellt worden sei. Die belangte Behörde habe auch trotz des Grundsatzes der Amtswegigkeit des Verfahrens bei der beschwerdeführenden Partei nicht nachgefragt, aus welchen Gründen sie die Unterlagen nicht vorgelegt habe, obwohl sie entscheidungswesentliche Bedeutung besäßen.

    Mit diesem Vorbringen wird - in Ansehung der Versagung der Rodungsbewilligung bzw. des Wiederaufforstungsauftrages - keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt:

    Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, liegen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 ForstG 1975 dann nicht vor, wenn es sich um Waldflächen handelt, denen nach dem Waldentwicklungsplan mittlere oder hohe Schutzfunktion, mittlere oder hohe Wohlfahrtsfunktion oder hohe Erholungswirkung zukommt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 31. Juli 2009, Zl. 2008/10/0333, vom 31. März 2009, Zl. 2006/10/0071, vom 23. April 2007, Zl. 2003/10/0077, und vom 21. Juni 2007, Zl. 2004/10/0095). Wenn die belangte Behörde daher auf Grund der Lage der betreffenden Fläche in einer Waldfunktionsfläche mit der Wertziffer 311 davon ausgegangen ist, dass der Schutzwirkung des Waldes in diesem Bereich nach dem Waldentwicklungsplan höchste Bedeutung zukomme und daher eine Rodungsbewilligung gemäß § 17 Abs. 2 ForstG 1975 nicht erteilt werden könne, so ist das nicht rechtswidrig.

    Eine Rodungsbewilligung wäre somit nur gemäß § 17 Abs. 3 ForstG 1975 in Betracht gekommen, d.h. nur unter der Voraussetzung, dass ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

    Liegt ein die Rodung rechtfertigendes öffentliches Interesse nicht vor, so ist die Rodungsbewilligung zu versagen. In diesem Fall bedarf es weder einer Interessenabwägung noch der Feststellung, welches Ausmaß das öffentliche Interesse an der Walderhaltung aufweist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1996, Zl. 96/10/0039, und die dort zitierte Vorjudikatur).

    Die belangte Behörde hat das Vorliegen eines in der Agrarstrukturverbesserung liegenden öffentlichen Interesses an der beantragten Rodung mit der Begründung verneint, es stünden bloß Nützlichkeits- bzw. Zweckmäßigkeitserwägungen im Vordergrund, die Rodung sei jedoch unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung des Betriebes der beschwerdeführenden Partei bzw. unter dem gleichermaßen bedeutsamen Blickwinkel der Erfordernisse eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes nicht notwendig. Die Beschwerde verweist zur Begründung ihres gegenteiligen Standpunktes auf das von der beschwerdeführenden Partei im Verfahren vorgelegte Gutachten. Diesem zufolge seien dem Betrieb der beschwerdeführenden Partei in der Vergangenheit durch den Ausbau der Zillertalbahn Flächen im halben Ausmaß der aktuellen Rodungsfläche entzogen worden; die Flächenbasis des Betriebes sei dadurch um ca. 1 % reduziert worden. Die Rodemaßnahmen dienten einem Ausgleich des Flächen- und Ertragsverlustes und erbrächten einen Ersatzertrag von schätzungsweise 1,6 to Trockenheuertrag. Durch den direkten Anschluss der ca. 3.500 m2 großen Rodefläche an eine hofeigene Grundparzelle entstehe eine vollständig mechanisch bearbeitbare Einheit von ca. 1,65 ha, die vom Hauptbetrieb nur 4,5 km entfernt sei. Die Rodemaßnahme diene zudem dem Ausgleich eines ungünstigen Verhältnisses von Grünlandbiomasse zum Futterbedarf in der Gemeinde Zellberg und entspreche, weil sie an eine ausgewiesene Feldflur anschließe, auch hervorragend den Zielvorstellungen der überörtlichen Raumplanung.

    In diesen Darlegungen hat die belangte Behörde zu Recht keinen Anhaltspunkt für die Auffassung gesehen, die beantragte Rodung sei zur Sicherung der Existenz des Betriebes der beschwerdeführenden Partei oder unter dem gleichermaßen bedeutsamen Blickwinkel der Erfordernisse eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes notwendig; kann dem Gutachten doch konkret lediglich entnommen werden, dass die beschwerdeführende Partei mit der Rodung einen Ersatz für ihr in der Vergangenheit in einem zur Betriebsgröße verhältnismäßig kleinen Ausmaß entzogene Betriebsflächen anstrebt und die beantragte Rodefläche an eine ihrer landwirtschaftlichen Grundflächen angrenzt, die vollständig mechanisch bearbeitbar ist. Umstände jedoch, denen zufolge die beantragte Rodung für den Betrieb der beschwerdeführenden Partei existenznotwendig oder vergleichsweise bedeutsam für die wirtschaftliche Betriebsführung wäre, sind diesem Gutachten nicht einmal ansatzweise zu entnehmen. Vor dem Hintergrund der ständigen hg. Judikatur zum Vorliegen eines in der Agrarstrukturverbesserung gelegenen öffentlichen Interesses (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2000, Zl. 97/10/0036, und die dort zitierte Vorjudikatur) hat die belangte Behörde das Vorliegen eines solchen öffentlichen Interesses an der beantragten Rodung daher zu Recht verneint.

    Damit erweist sich auch die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge als nicht wesentlich iSd § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG.

    Soweit die beschwerdeführende Partei jedoch vorbringt, es hätte ihr insbesondere im Hinblick auf die mit der vorgeschriebenen Wiederherstellung des vorigen Zustandes verbundenen Kosten zumindest die Rodung einer Teilfläche bewilligt werden müssen, übersieht sie, dass auch die Rodung einer Teilfläche nur im Falle eines das Walderhaltungsinteresse überwiegenden öffentlichen Interesses an der Rodung bewilligt werden könnte. Da es an einem solchen öffentlichen Interesse wie dargelegt fehlt, erweist sich dieses Vorbringen schon aus diesem Grund als nicht zielführend.

    Die gegen die Versagung der Rodungsbewilligung sowie gegen den forstbehördlichen Auftrag zur Wiederaufforstung erhobene Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Soweit sich die Beschwerde gegen die Erteilung des wasserpolizeilichen Auftrages richtet, obliegt die Entscheidung hierüber dem dafür zuständigen Senat 07. Diesem obliegt auch die Entscheidung über den Kostenersatz gemäß den §§ 47 ff VwGG.

    Wien, am 11. Dezember 2009

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