VwGH 2005/20/0547

VwGH2005/20/054723.11.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des M in W, (angeblich) geboren 1990, vertreten durch Dr. Johannes Hock jun., Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. August 2005, Zl. 263.147/0-XIV/39/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein aus dem Anambra-State stammender, der Volksgruppe der Ibo angehörender, nigerianischer Staatsbürger, reiste am 6. Juli 2005 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

Mit Bescheid vom 26. Juli 2005 wies das Bundesasylamt diesen Asylantrag gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt begründete zunächst näher, weshalb es das vom Beschwerdeführer behauptete Geburtsdatum (20. Oktober 1990) für unrichtig halte und stellte fest, dass der Beschwerdeführer jedenfalls volljährig sei. Es stützte sich dabei nicht nur auf den persönlichen Eindruck (optisches Erscheinungsbild und Auftreten bei der Behörde), sondern verwertete auch mehrere gravierende Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers in Bezug auf die zeitliche Einordnung einzelner Ereignisse im Verhältnis zu seinem angeblichen jeweiligen Alter. Das Bundesasylamt erachtete aber auch das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Begründung des Asylantrages - er habe 1998 eine Person, die von seinem Vater, einem Schreinspriester, mit Hilfe eines Fotos "herbeigerufen" worden und in einem Spiegel erschienen sei, dadurch getötet, dass er mit einem Messer in den Spiegel gestochen habe - für "rational absolut nicht nachvollziehbar". Mangels Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe kam das Bundesasylamt rechtlich zur Abweisung des Asylantrages und in Verbindung mit Feststellungen zur allgemeinen Situation sowie zur Menschenrechts- und Versorgungslage in Nigeria zur Versagung von Refoulement-Schutz. Mangels "familiärer Bindungen in Österreich" hielt das Bundesasylamt schließlich auch die Ausweisung des Beschwerdeführers für gerechtfertigt.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung erlassenen - angefochtenen Bescheid vom 11. August 2005 "gemäß § 7, § 8 Abs. 1 und § 8 Abs. 2 AsylG" ab, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen auf die für zutreffend erachteten Ausführungen des Bundesasylamtes verwies und auch kurz auf den Berufungsinhalt einging.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht ergänzend einvernommen hat. Es hätte des persönlichen Eindrucks bedurft, um sein Vorbringen richtig zu würdigen.

Dafür bestand aber angesichts des Berufungsinhaltes kein Anlass. Der Beschwerdeführer ist nämlich in seiner Berufung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung - und zwar sowohl hinsichtlich der angenommenen Volljährigkeit als auch betreffend die für unglaubwürdig angesehenen Fluchtgründe - überhaupt nicht entgegen getreten. Das von der Erstbehörde erzielte beweiswürdigende Ergebnis musste die belangte Behörde aber auch nicht für unschlüssig erachten (vgl. zu Phänomenen, die auf spirituelle Kräfte zurückgeführt werden, auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/20/0477). Das gilt auch für das Alter des Beschwerdeführers, zumal die Einschätzung des Bundesasylamtes nicht nur auf den bloßen optischen Eindruck, sondern auch auf weitere, nachvollziehbar dargestellte Umstände gestützt wurde (vgl. insoweit anders der dem Erkenntnis vom 17. Oktober 2006, Zl. 2005/20/0061, zugrunde liegende Fall). Auch von daher begründete die Unterlassung einer Berufungsverhandlung am Maßstab der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zur Verhandlungspflicht in Fällen, in denen in der Berufung kein diesbezüglicher Antrag gestellt wurde, das Erkenntnis vom 12. Juni 2003, Zl. 2002/20/0336) im vorliegenden Fall keinen Verfahrensmangel.

Demnach ist es im Ergebnis auch nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes durch bloße Verweisung übernommen hat. Da die Berufung - wie erwähnt - die Frage der (dem Beschwerdeführer in nicht unschlüssiger Weise abgesprochenen) Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen mit keinem Wort berührte, liegt insofern im vorliegenden Fall auch kein relevanter Begründungsmangel vor. Zu den in der Berufung zitierten Auszügen aus Länderberichten zu Nigeria hat schon die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass insoweit keine Anknüpfung an die individuelle Situation des Beschwerdeführers vorgenommen wurde. Im Übrigen wurde in der Berufung aktenwidrig behauptet, das Bundesasylamt hätte keine Feststellungen zur Lage in Nigeria getroffen, und demnach auch nicht konkret dargestellt, inwieweit diese Feststellungen unter dem Gesichtspunkt der Nichtgewährung von Abschiebungsschutz unrichtig sein sollen und durch die zitierten Berichtsteile widerlegt werden könnten. Es begründete daher im vorliegenden Fall auch keine wesentliche Mangelhaftigkeit, dass die belangte Behörde darauf nicht weiter eingegangen ist.

Die Beschwerde, die sich gegen die Beweiswürdigung auch nicht ausreichend argumentativ wendet, vermag daher insoweit, als sie sich gegen die Bestätigung der ersten beiden Spruchpunkte des Bescheides des Bundesasylamtes richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.

Mit Rechtswidrigkeit belastet ist hingegen der im Bescheid des Bundesasylamtes vorgenommene Ausspruch nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet". Diesbezüglich wurde nämlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Es war daher die unveränderte Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. November 2006

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