VwGH 2002/20/0582

VwGH2002/20/058231.3.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde der Bundesministerin für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. Oktober 2002, Zl. 220.884/30-II/04/02, betreffend § 5 Abs. 1 AsylG (mitbeteiligte Partei: B in W, geboren 1963, vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Richard Soyer, Mag. Wilfried Embacher, Mag. Josef Bischof, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §38 Abs5;
AsylG 1997 §4;
AsylG 1997 §5 Abs1;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §8;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art133 Z1;
Dubliner Übk 1997 Art3 Abs4;
EMRK Art1;
EMRK Art13;
EMRK Art3;
VwGG §28 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AsylG 1997 §38 Abs5;
AsylG 1997 §4;
AsylG 1997 §5 Abs1;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §8;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art133 Z1;
Dubliner Übk 1997 Art3 Abs4;
EMRK Art1;
EMRK Art13;
EMRK Art3;
VwGG §28 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, reiste am 21. August 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte mit Schriftsatz vom 22. August 2000 Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 11. Oktober 2000 gab er an, er sei über Italien nach Österreich gekommen. In Italien sei ihm nach dreimonatiger Anhaltung in einem Lager eine Frist von einer Woche für das Verlassen des Landes gegeben worden. Auf den Vorhalt des Bundesasylamts, es sei beabsichtigt, seinen Asylantrag zurückzuweisen und ihn nach Italien auszuweisen, erwiderte der Mitbeteiligte, es spreche nichts gegen Italien. Er wolle aber in Österreich bleiben.

Am 19. Oktober 2000 ersuchte das Bundesasylamt Italien um Übernahme des Mitbeteiligten. Dieses Ersuchen blieb zunächst unbeantwortet.

Mit Bescheid vom 24. Jänner 2001 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Mitbeteiligten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG zurück. Es sprach aus, für die Prüfung des Asylantrages sei nach dem Dubliner Übereinkommen, BGBl. III Nr. 165/1997, Italien zuständig, und wies den Mitbeteiligten nach Italien aus. Die Nichtbeantwortung des Übernahmeersuchens durch Italien komme sowohl nach dem Dubliner Übereinkommen als auch nach einem Arbeitsübereinkommen zwischen dem Bundesasylamt und dem italienischen Innenministerium einer Annahme des Ersuchens gleich.

In seiner Berufung gegen diese Entscheidung machte der Mitbeteiligte geltend, er sei in Italien zum Verlassen des Landes aufgefordert worden und betrachte es daher als "keineswegs feststehend", dass er in Italien Zugang zu einem Asylverfahren erhalten werde. Darüber hinaus sei "amtsbekannt", dass Italien "im vergangenen Jahr mehrere Asylwerber, vermutlich aus der Kurdenprovinz Halfeti, ohne Durchführung eines Asylverfahrens in Italien wieder in die Türkei zurückgeschoben" habe.

Die zuletzt erwähnte Behauptung präzisierte der Mitbeteiligte über Aufforderung der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 13. Februar 2001 dahingehend, dem Vertreter des Mitbeteiligten sei "glaublich Ende Juni/Anfang Juli 2000" in einem Telefonat mit einem türkischen Klienten, dessen aktuelle Adresse er nicht kenne, u. a. mitgeteilt worden, diesem sei "die Tatsache der Zurückschiebung von Italien in die Türkei seitens zweier kurdischer Asylwerber aus Halfeti" bekannt geworden. Aus dem Gespräch sei nicht hervorgegangen, dass diese Personen - von denen in dem Schriftsatz nur eine namentlich genannt war - ihre Asylanträge zuvor zurückgezogen hätten, wohl aber, dass der Vorfall den österreichischen Asylbehörden bekannt geworden sei.

Mit Schreiben vom 5. Juni 2001 legte das Bundesasylamt der belangten Behörde u.a. eine Erklärung des italienischen Innenministeriums vom 28. Mai 2001 über die Umsetzung des Art. 3 EMRK durch Art. 19 des italienischen Gesetzes Nr. 286 vom 25. Juli 1998 vor. Danach sei es untersagt, einen Ausländer in ein Land abzuschieben, wenn er dort "irgendwelchen Verfolgungen unterworfen werden könnte". In solchen Fällen werde der Polizeidirektor auf Grund einer Empfehlung der zentralen Kommission für die Anerkennung der Flüchtlingsrechtsstellung "oder auf Grund irgendwelcher Daten in seinem Besitz" eine außerordentliche Aufenthaltsgenehmigung ausstellen.

Mit einem weiteren Schreiben vom 5. Juni 2001 legte das Bundesasylamt die ausdrückliche Erklärung des italienischen Innenministeriums vom selben Tag vor, den Mitbeteiligten im Rahmen der Verpflichtungen Italiens aus dem Dubliner Übereinkommen zur Prüfung des Asylantrages zu übernehmen.

Zu Beginn der mündlichen Berufungsverhandlung am 7. Juni 2001 erklärte der Mitbeteiligte, er habe während seines Aufenthaltes in Italien keinen Asylantrag gestellt. Dies sei ihm zwar von italienischen Sicherheitsorganen mit dem Hinweis, es sei erforderlich, wenn er in Italien bleiben wolle, vorgeschlagen worden, er habe es aber im Hinblick auf seine Absicht, in Österreich Asyl zu beantragen, abgelehnt.

Ein zur Verhandlung erschienener Vertreter von UNHCR Rom gab zunächst die Auskunft, der im Schriftsatz vom 13. Februar 2001 genannte Name eines der beiden - dem Schriftsatz zufolge - aus Italien in die Türkei zurückgeschobenen Asylwerber scheine im Computersystem der italienischen Zentralkommission für die Gewährung des Flüchtlingsstatus nicht auf, und erläuterte in weiterer Folge über Ersuchen des Verhandlungsleiters Einzelheiten des italienischen Asyl- und Refoulementschutzverfahrens.

Der Vertreter des Bundesasylamtes legte Unterlagen über das Asylrecht in den EU-Mitgliedstaaten sowie über die Auseinandersetzung mit dem Refoulementschutz in Italien in einem in den Niederlanden geführten Verfahren vor und verwies darauf, dass zu einer im Sinne des Art. 3 EMRK relevanten Bedrohung des Mitbeteiligten im Falle seiner Ausweisung nach Italien kein substantiiertes Vorbringen erstattet worden sei. Der behauptete Vorfall habe vom UNHCR nicht verifiziert werden können und es sei dem Bundesasylamt auch nicht gelungen, zwei weitere - von anderen Asylwerbern behauptete - Refoulementschutzverletzungen durch Italien zu verifizieren. Hiezu wurde auf Beilagen zum ersten der beiden Schriftsätze vom 5. Juni 2001 verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2001 machte das Bundesasylamt geltend, nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. März 2001, G 117/00 u.a., kämen als Prüfungsmaßstab dafür, ob statt der Wahrnehmung der Zuständigkeit Italiens eine Ausübung des Selbsteintrittsrechts Österreichs nach dem Dubliner Übereinkommen geboten sei, nur Normen im Verfassungsrang in Betracht. Die Ausgestaltung des italienischen Asylverfahrens sei "für den gegenständlichen Fall ohne jede Bedeutung". In Bezug auf den Refoulementschutz in Italien werde auf das Fehlen von Beschwerden vor dem EGMR und von Beobachtungen des UNHCR sowie auf die Unterlagen über das in den Niederlanden geführte Verfahren verwiesen.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2001 übermittelte UNHCR Wien der belangten Behörde zum Thema der "recht verworrenen Rechtslage in Italien" das Protokoll eines am 13. Dezember 2001 zwischen der belangten Behörde und einem Vertreter von UNHCR Wien einerseits und dem am 7. Juni 2001 in der Berufungsverhandlung befragten Vertreter von UNHCR Rom andererseits geführten Telefongesprächs.

Das Bundesasylamt gab mit Schreiben vom 24. April 2002 bekannt, die erbetene Stellungnahme des italienischen Innenministeriums zu den Inhalten des Gesprächsprotokolls vom 13. Dezember 2001 sei noch nicht eingelangt. Vorgelegt werde eine - den Ergebnissen des Telefongesprächs am 13. Dezember 2001 widersprechende - Beantwortung von Fragen zum italienischen Asylverfahren und Refoulementschutz, die ein Verbindungsbeamter des Bundesministeriums für Inneres in Rom von einer "weiteren Stelle" des italienischen Innenministeriums erwirkt habe.

Die fortgesetzte Berufungsverhandlung am 25. April 2002, an der sich das Bundesasylamt nicht beteiligte, wurde nach Erörterung des Verfahrensstandes im Hinblick auf die in Aussicht gestellte offizielle Stellungnahme des italienischen Innenministeriums vertagt.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2002 übermittelte UNHCR Wien der belangten Behörde einen Vermerk über telefonische Äußerungen des in der Berufungsverhandlung am 7. Juni 2001 befragten Vertreters von UNHCR Rom zu den mit dem Schreiben des Bundesasylamts vom 24. April 2002 vorgelegten Auskünften aus dem italienischen Innenministerium.

In der fortgesetzten Berufungsverhandlung am 5. Juli 2002 legte der Vertreter des Mitbeteiligten eine von einem italienischen Rechtsanwalt verfasste Darstellung der italienischen Asylrechtslage vom 26. Juni 2002 mit Nachträgen vom 5. Juli 2002 vor und ergänzte diese noch durch weitere, im Lauf der Verhandlung telefonisch eingeholte Auskünfte des italienischen Rechtsanwaltes. Das Bundesasylamt legte eine allgemein gehaltene Stellungnahme des italienischen Innenministeriums zu Fragen des Asylrechts und des Abschiebungsschutzes in Italien vom 14. Juni 2002 vor und führte aus, das Asylverfahren in Italien entspreche dem europäischen Standard. Selbst wenn es in zweiter Instanz keine automatische aufschiebende Wirkung geben sollte, so sei doch davon auszugehen, dass sie beantragt werden könne. Auch abgelehnte Asylwerber könnten gegen die fremdenrechtliche Anordnung einer Abschiebung Berufung einlegen und die italienischen Behörden seien verpflichtet, den Refoulementschutz einzuhalten, sodass es "de facto zu keinen illegalen Abschiebungen in Italien kommt."

Gegenteiliges habe "bis dato weder vom UNHCR noch von anderen Organisationen ... bewiesen werden" können. Dem gegenüber verwies der Vertreter des Mitbeteiligten darauf, aus den vorgelegten Beweismitteln ergebe sich das Fehlen eines effizienten Rechtsschutzes in Italien. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der durch die EMRK gewährten Rechte genüge es, wenn eine solche "auf Grund fehlender Rechtsschutzmöglichkeiten nicht generell ausgeschlossen" werden könne.

Die belangte Behörde befragte den Mitbeteiligten zu den ihm in der Türkei drohenden Gefahren und bestellte den zur Verhandlung beigezogenen Dolmetsch zum nichtamtlichen Sachverständigen für die Beurteilung der Frage, welche Behandlung eine Person mit dem vom Mitbeteiligten behaupteten Profil, nämlich nach im Jahr 2000 erfolgter Ausstellung eines Haftbefehles wegen finanzieller Unterstützung der PKK in den Jahren 1990 bis 1998, in der Türkei zu erwarten habe. Der Sachverständige beschrieb Art und Schwere der zu erwartenden Misshandlungen (Schlagen mit dem Gummiknüppel, Abspritzen mit dem Hochdruckwasserstrahl, Hochziehen an den am Rücken gebundenen Armen) und führte aus, finanzielle Unterstützung der PKK werde gegenwärtig als gravierender betrachtet als eine seinerzeitige Unterstützung lediglich mit Lebensmitteln und Kleidung.

Mit Schreiben vom 27. August 2002 legte das Bundesasylamt eine in Beantwortung einer Anfrage vom 16. Juli 2002 erteilte Auskunft des italienischen Innenministeriums vom 23. August 2002 u. a. zur Frage der aufschiebenden Wirkung der einem abgewiesenen Asylwerber zur Verfügung stehenden Rechtsmittel vor.

Der vierten und letzten Verhandlungstagsatzung am 10. September 2002 wurde der italienische Rechtsanwalt, dessen Darstellung der italienischen Asylrechtslage der Vertreter des Mitbeteiligten am 5. Juli 2002 vorgelegt hatte, als Sachverständiger beigezogen. Er erläuterte insbesondere die soeben in Kraft getretenen Änderungen der italienischen Rechtslage und führte dazu u.a. aus, die Änderungen verfolgten bewusst das Ziel, einen abgewiesenen Asylwerber schon während des gerichtlichen Überprüfungsverfahrens außer Landes bringen zu können.

Nach der Entlassung des Sachverständigen legte die Vertreterin des Bundesasylamtes ein vom Bundesasylamt eingeholtes schriftliches Gutachten eines anderen italienischen Rechtsanwaltes zur italienischen Gesetzgebung und Praxis auf dem Gebiet des Asylverfahrens vom 6. September 2002 vor. Sie führte dazu aus, über die Auswirkungen der gerade in Kraft getretenen "völlig neuen Rechtslage in Italien" könne nur spekuliert werden, aber es sei davon auszugehen, dass es in Italien "auch in Zukunft zu keinen illegalen Abschiebungen kommt".

Der Vertreter des Mitbeteiligten verwies erneut auf "gravierende Rechtsschutzmängel" im italienischen Asyl- und Fremdenrecht und im Besonderen darauf, dass der Rekurs an das Gericht im Falle einer Ausweisung keine aufschiebende Wirkung habe. Es sei zu befürchten, dass es weiterhin - hier bezog sich der Vertreter des Mitbeteiligten auf einen vom Vertreter von UNHCR Rom in dem Telefonat am 13. Dezember 2001 erwähnten Fall - zu Abschiebungen während des Rechtsmittelverfahrens kommen werde, und es könne "nicht ausgeschlossen werden", dass es - gemeint: im Falle einer Verbringung des Mitbeteiligten nach Italien - "zu einer Verletzung der durch die EMRK gewährleisteten Rechte (Art. 3, 13 EMRK) kommen wird".

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Oktober 2002 gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten gemäß § 32 Abs. 2 AsylG statt. Sie behob den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Jänner 2001 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Inneres, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Die belangte Behörde beantragt in der Gegenschrift - mit der näher erläuterten Begründung, ihre Entscheidung sei "zur Wahrung der Grundrechtssphäre der nunmehr mitbeteiligten Partei" erfolgt - die Zurückweisung der Amtsbeschwerde wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art. 133 Z 1 B-VG.

Dem steht zunächst entgegen, dass es im vorliegenden Fall um die richtige oder falsche Anwendung des § 5 Abs. 1 AsylG und somit einer einfachgesetzlichen - wenn auch verfassungskonform zu interpretierenden - Bestimmung geht. Die Zurückweisung einer Amtsbeschwerde, die nicht der Geltendmachung subjektiver Rechte dient, aus dem in der Gegenschrift behaupteten Grund käme aber von vornherein nicht in Frage (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. September 1998, Zl. 97/01/1065, und vom 20. Juli 2004, Zl. 2003/05/0137).

2. In der Amtsbeschwerde wird die Auffassung vertreten, die belangte Behörde sei im Sinne der § 38 Abs. 7 AsylG, § 7 Abs. 1 UBASG von ihrer "bisherigen Rechtsprechung" abgegangen und daraus ergebe sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides unter dem Gesichtspunkt der Entscheidung durch ein Einzelmitglied statt einen Senat der belangten Behörde.

Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Standpunkt erübrigt sich, weil die Amtsbeschwerde zur Begründung nur pauschal auf "ungefähr 100 Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates die italienische Rechtslage betreffend" verweist und unerörtert lässt, inwiefern die belangte Behörde Rechtsansichten, die früheren Entscheidungen zugrunde lagen, widersprochen habe.

3. In der Amtsbeschwerde wird auch keine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides behauptet. Gerügt werden Begründungsmängel im angefochtenen Bescheid, aus denen sich dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ergebe. Die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, die Ausführungen der beigezogenen Experten stünden nicht im Widerspruch zueinander. Auf Grund dieser Fehleinschätzung habe die belangte Behörde nicht erkannt, dass es einer vergleichenden Prüfung des Beweiswertes der Expertenmeinungen bedurft hätte. Bei schlüssiger und nachvollziehbarer Beweiswürdigung - so der in der Amtsbeschwerde vertretene Standpunkt - wäre "klar zum Vorschein gekommen, dass lediglich das (vom Bundesasylamt vorgelegte) Gutachten des italienischen Rechtsanwaltes L. die italienische Rechts- und Tatsachenlage im Refoulementbereich widerspruchsfrei und klar strukturiert darstellt. Somit wäre dieser Expertise zu folgen gewesen und wäre die belangte Behörde zu einem diametralen Ergebnis gelangt". Darüber hinaus habe es die belangte Behörde auch verabsäumt, "die Ausführungen des italienischen Innenministeriums einer Beweiswürdigung zu unterziehen".

Inwiefern sich die belangte Behörde zu "Ausführungen des italienischen Innenministeriums" in Widerspruch gesetzt habe oder deren ergänzende Heranziehung zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätte, geht aus der Amtsbeschwerde nicht hervor.

In Bezug auf das vom Bundesasylamt vorgelegte Gutachten macht die belangte Behörde in der Gegenschrift geltend, auch dessen vorrangige Zugrundelegung - wie in der Amtsbeschwerde gefordert - hätte zum gleichen Verfahrensergebnis geführt und in der Amtsbeschwerde würden wesentliche Teile des Gutachtens missverstanden oder übergangen.

Dem ist zumindest insofern beizupflichten, als die in der Amtsbeschwerde zitierten Ausführungen über die praktische Unüblichkeit von Abschiebungen während laufender Rechtsmittelverfahren nicht erkennbar auf Erfahrungen mit dem Vollzug der bei Bescheiderlassung aktuellen italienischen Rechtslage beruhen und das Gutachten in weiteren, in der Amtsbeschwerde nicht zitierten Ausführungen auf eine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten durch die geänderte Rechtslage und auf die sofortige Vollstreckbarkeit von Abschiebungen ohne Rücksicht auf erhobene Rechtsmittel ("im Unterschied zu dem, was infolge der vorhergehenden Gesetzeslage geschah") Bezug nimmt. Teile dieser u.a. auf das sogenannte "Bossi-Fini-Gesetz" Nr. 189/2002 zurückgehenden Regelungen sind inzwischen - u.a. wegen der mangelnden Effizienz des gegen Abschiebungsverfügungen offen stehenden Rechtszuges an ein Gericht - für verfassungswidrig erklärt worden (vgl. vor allem die am 15. Juli 2004 veröffentlichte Entscheidung Nr. 222/2004 des italienischen Verfassungsgerichtes).

4. Aufzugreifen - wenngleich in der Amtsbeschwerde nicht geltend gemacht - ist jedoch der Umstand, dass die belangte Behörde bei der Entscheidung darüber, ob die Zuständigkeit Italiens im vorliegenden Fall gemäß § 5 Abs. 1 AsylG wahrgenommen werden durfte oder stattdessen ein Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens geboten war, nicht den richtigen rechtlichen Maßstab angelegt hat.

4.1. Das AsylG selbst (in der hier maßgeblichen Fassung vor der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101) ordnet für den Fall der vertraglichen Zuständigkeit eines anderen Staates scheinbar zwingend die Zurückweisung des (nicht gemäß § 4 AsylG erledigten) Asylantrages, die Feststellung der Zuständigkeit des anderen Staates und die Ausweisung des Asylwerbers an, wobei Letztere stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Vertragsstaat gilt (§ 5 Abs. 1 und 3 AsylG). Eine fallbezogene Prüfung unter Gesichtspunkten der EMRK ist nicht vorgesehen.

Der Verfassungsgerichtshof vertrat in seinem Erkenntnis vom 8. März 2001, G 117/00 u.a., VfSlg 16.122, die Auffassung, § 5 AsylG sei nicht isoliert zu sehen und das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - "die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 vorzunehmen". Eine "strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung)" des § 5 Abs. 1 AsylG sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittrechtes "von der Asylbehörde zu vermeiden" (vgl. in Bezug auf Art. 3 EMRK - zum Teil die Gefahr einer Kettenabschiebung durch Italien betreffend - auch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 6. November 2001, B 308/00, B 1247/00, B 1351/00 und B 1541/00, VfSlg 16.160, sowie vom 26. November 2001, B 901/01; ebenso nun auch zu §§ 5 und 5a AsylG in der Fassung der AsylG-Novelle 2003 Punkt III.4.7.4.3. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 15. Oktober 2004, G 237/03 u.a.).

Dieser dem angefochtenen Bescheid bereits zugrunde liegenden Rechtsansicht hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Jänner 2003, Zl. 2000/01/0498, angeschlossen und die Bedachtnahme auf Kriterien der Art. 3 und 8 EMRK bei Entscheidungen gemäß § 5 AsylG, ungeachtet des Fehlens einer diesbezüglichen Anordnung in der Bestimmung selbst, in seither ständiger Rechtsprechung als möglich und notwendig erachtet.

4.2. Das Erfordernis einer grundrechtskonformen Auslegung des § 5 Abs. 1 AsylG im Sinne dieser Judikatur bezieht sich nach dem Verständnis des Verwaltungsgerichtshofes aber auf die Erfüllung der Verpflichtungen Österreichs und nicht anderer Staaten aus der - in Österreich im Verfassungsrang stehenden - EMRK.

Bezugspunkt der Prüfung unter den im vorliegenden Fall angesprochenen Aspekten des Art. 3 EMRK ist daher - wie bei den gemäß § 8 AsylG zu treffenden Entscheidungen - die Aufenthaltsbeendigung durch Österreich unter dem Gesichtspunkt der Risiken, denen der Betroffene damit ausgesetzt wird (vgl. näher das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2004, Zl. 99/20/0573; aus der Vorjudikatur insbesondere die Erkenntnisse vom 21. August 2001, Zl. 2000/01/0443, und vom 16. Juli 2003, Zl. 2003/01/0059; aus der Judikatur des EGMR zuletzt - im Zusammenhang mit Auslieferungen - die Entscheidung vom 4. Februar 2005 im Fall Mamatkulov und Askarov gegen Türkei; zur Anknüpfung an die aufenthaltsbeendende Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Art. 1 EMRK die Entscheidung vom 12. Dezember 2001, Bankovic u.a. gegen Belgien u.a.).

Zur Vermeidung von Grundrechtswidrigkeiten im zuvor dargestellten Sinn ist es auch erforderlich, dass das Verfahren, in dem in Österreich geprüft wird, ob die Aufenthaltsbeendigung mit Art. 3 EMRK im Einklang steht, den Anforderungen des Art. 13 EMRK entspricht. Wird vertretbar behauptet, die Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 3 EMRK, so muss dem Betroffenen ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen, der zu einer unabhängigen und gründlichen Prüfung führt. Für die Wirksamkeit der Beschwerde im Sinne der Anforderungen des Art. 13 EMRK bedarf es auch der Möglichkeit einer Aussetzung der Vollziehung (vgl. etwa Ladewig, EMRK (2003) Rz 7 und 12 zu Art. 13 EMRK; zur aufschiebenden Wirkung ergänzend die Entscheidung des EGMR vom 5. Februar 2002, Conka gegen Belgien; zur faktischen Effektivität des Rechtsschutzes unter Gesichtspunkten des Rechtsstaatsprinzips und des Art. 13 EMRK auch Punkt III.4.7.4. der Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2004).

4.3. Die belangte Behörde geht in ihrer Entscheidung von einer anderen, bei Verpflichtungen des Zielstaates aus der EMRK ansetzenden Betrachtungsweise aus. Unter dem Gesichtspunkt einer allenfalls drohenden Kettenabschiebung in die Türkei erachtet es die belangte Behörde als "entscheidungswesentlich, ob der Berufungswerber im Falle seiner vollzogenen Ausweisung von Österreich nach Italien dort ein Art. 13 EMRK entsprechendes Verfahren vorfinde, in welchem geprüft werde, ob die vom Berufungswerber in seinem Herkunftsstaat befürchtete Gefährdung tatsächlich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehe" (Seite 7 des angefochtenen Bescheides). In Verbindung mit - zu § 4 AsylG ergangener - Judikatur über Anforderungen an das Asylverfahren und den Refoulementschutz im sicheren Drittstaat sowie mit den Ergebnissen ihres Ermittlungsverfahrens leitet die belangte Behörde aus dieser Prämisse - Maßgeblichkeit des Verhältnisses der in Italien zur Verfügung stehenden Rechtsschutzeinrichtungen zu Art. 13 EMRK - die Unzulässigkeit der Wahrnehmung der Zuständigkeit Italiens ab (Seite 32 bis 34 des angefochtenen Bescheides). Die italienische Rechtslage sei "qualifiziert unklar" und unterschreite in Bezug auf den "Standard hinsichtlich des Ausmaßes des auch vom Berufungswerber dieses Verfahrens in Italien erwartbaren Bleiberechtes während der Dauer gerichtlicher Überprüfungsverfahren" die "oben ... aus Art. 13 EMRK abgeleiteten Anforderungen".

4.4. Die rechtliche Prämisse, es komme auf die Erfüllung von Art. 13 EMRK durch Italien an, ist im angefochtenen Bescheid nicht näher begründet. Sie ließe sich - ausgehend von der unmittelbaren Maßgeblichkeit nur der Verpflichtungen Österreichs und nicht anderer Staaten aus der EMRK - auf zwei Weisen rechtfertigen, nämlich mit einer Verletzung einerseits des Art. 3 EMRK und andererseits des Art. 13 EMRK - jeweils in Verbindung mit Art. 1 EMRK - durch Österreich, falls dem Betroffenen in seinem Herkunftsstaat eine Behandlung der im vorliegenden Fall vom Sachverständigen angenommenen Art droht und das Verfahren in dem Drittstaat, in den er verbracht werden soll, nicht Art. 13 EMRK entspricht.

4.4.1. Was zunächst Art. 3 EMRK anlangt, so trifft es grundsätzlich zu, dass sich aus dieser Bestimmung - unbeschadet internationaler Vereinbarungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen - das Erfordernis der Bedachtnahme auf ein allfälliges Risiko einer Kettenabschiebung ergibt und dabei auch Verfahrensgestaltungen im Drittstaat von Bedeutung sein können (vgl. die Auseinandersetzung mit "effective procedural safeguards" in Deutschland in der Entscheidung des EGMR vom 7. März 2000, T.I. gegen Vereinigtes Königreich).

Der bisherigen Judikatur des EGMR ist aber nicht entnehmbar, dass der Drittstaat - bei sonstiger Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Verbringung des Betroffenen dorthin - stets den Anforderungen des Art. 13 EMRK entsprechen müsse. Im Besonderen hat der EGMR in der Entscheidung T.I. gegen Vereinigtes Königreich zwar einerseits die Verfahrensgestaltung in Großbritannien als dessen Unzuständigkeit nach dem Dubliner Übereinkommen wahrnehmendem Vertragsstaat an Art. 13 EMRK gemessen und andererseits bei der Prüfung einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch Großbritannien auch die Verfahrensgestaltung im Zielstaat Deutschland erörtert. Letzteres erfolgte aber ohne Bezugnahme auf Art. 13 EMRK und die entscheidende Schlussfolgerung lautete, es fehle das "real risk" einer Verbringung des Betroffenen nach Sri Lanka, wo er nach seinen Behauptungen - denen der EGMR einen eigenen Abschnitt der Entscheidungsgründe widmete - bereits gefoltert worden war.

Die Bedachtnahme auf das Ausmaß verfahrensrechtlicher Garantien im Drittstaat ist nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes daher nur Teil einer ganzheitlichen Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk" (vgl. in diesem Sinn zur Abschiebung in einen Drittstaat schon Alleweldt, Schutz vor Abschiebung bei drohender Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (1996) 64; zu T.I. gegen Vereinigtes Königreich unter dem Gesichtspunkt des "indirect risk" Noll, Formalism vs.

Empiricism: Some Reflections on the Dublin Convention on the Occasion of Recent European Case Law, NJIL Vol. 70 No. 1 (2001) 161 ff; zur Maßgeblichkeit einer "Gesamtbetrachtung" bzw. "Gesamtprognose" - außerhalb des Kontexts der Verbringung in einen Drittstaat - etwa Alleweldt, a.a.O. 88 und in NVwZ 1997, 1079). Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen (vgl. zuletzt etwa die Entscheidungen des EGMR vom 31. August 2004, A.B. gegen Schweden, vom 12. Oktober 2004, Liton gegen Schweden, und vom 26. Oktober 2004, B. gegen Schweden, jeweils in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat).

Im vorliegenden Fall hatte der Mitbeteiligte zunächst gemeint, es spreche "nichts gegen Italien". Die in der Berufung erhobene Behauptung von Abschiebungen "ohne Durchführung eines Asylverfahrens" blieb auch nach dem Versuch ihrer Präzisierung im Schriftsatz vom 13. Februar 2001 vage und erwies sich im weiteren Verfahren als nicht objektivierbar. In Bezug auf den Mitbeteiligten lag die ausdrückliche Erklärung Italiens vor, ihn im Rahmen der Verpflichtungen aus dem Dubliner Übereinkommen zur Prüfung seines Asylantrages zu übernehmen, und er selbst hatte aus eigener Wahrnehmung berichtet, er sei von italienischen Sicherheitsorganen schon während seines vorangegangenen Aufenthaltes aufgefordert worden, Asyl zu beantragen, wenn er in Italien bleiben wolle. Auf Zweifel am Zugang des Mitbeteiligten zu einem Verfahren, in dem er die behauptete Bedrohung würde geltend machen können, konnte die belangte Behörde ihre Entscheidung daher nicht stützen (vgl. demgegenüber die bei Alleweldt, a. a.O. (1996) 67, im Zusammenhang mit dem Dubliner Übereinkommen nur erörterten Fälle bereits abgelehnter Asylwerber).

Für eine fallbezogene Gefahrenprognose wäre unter diesen Umständen zunächst maßgeblich gewesen, ob ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" bestand, dass der Mitbeteiligte, wenn er das von ihm behauptete und vom Sachverständigen beurteilte Bedrohungsbild glaubhaft geltend machen würde, in Italien nicht schon in erster Instanz Asyl oder zumindest eine humanitäre Aufenthaltsberechtigung oder anderweitigen Schutz vor einer Abschiebung in die Türkei erhalten würde. Erst nach Bejahung eines solchen Risikos - über das der angefochtene Bescheid keine Feststellungen enthält - hätte es auf die von der belangten Behörde behandelten Fragen des Rechtsmittelverfahrens im Rahmen einer Gesamtprognose am Maßstab des Art. 3 EMRK allenfalls ankommen können.

Die belangte Behörde hat insbesondere nicht festgestellt, dass in Italien etwa rechtliche Sonderpositionen vertreten würden, nach denen auch bei Zugrundelegung der Behauptungen des Mitbeteiligten eine Schutzverweigerung zu erwarten gewesen wäre. Der Fall des Mitbeteiligten unterscheidet sich damit in doppelter Hinsicht von dem in der Entscheidung T.I. gegen Vereinigtes Königreich behandelten Fall, in dem einerseits der Asylantrag des Betroffenen in Deutschland bereits rechtskräftig abgewiesen und die Abschiebung nach Sri Lanka für zulässig erklärt worden war, und dies andererseits - zumindest auch - auf einer abweichenden Interpretation des Art. 3 EMRK beruhte. Der EGMR begnügte sich trotz der in Deutschland bereits getroffenen Entscheidungen - wenngleich in Verbindung mit verfahrensrechtlichen Garantien der im vorliegenden Fall von der belangten Behörde geprüften Art - in Bezug auf das zu erwartende Endergebnis damit, dass der Betroffene, würden ihm die deutschen Behörden nun glauben, Schutz nach § 53 Abs. 6 deutsches AuslG erhalten "könnte", und erachtete die Beschwerde gegen eine Verbringung nach Deutschland aus diesem Grund als offensichtlich unbegründet (vgl. dazu Noll, a. a.O. bei FN 51). Bei Bedachtnahme auf den Unterschied in der Ausgangslage und gemessen an den letztlich ausschlaggebenden Erwägungen in den Ausführungen des EGMR lässt sich aus dieser Entscheidung nicht ableiten, schon die von der belangten Behörde angenommenen Mängel in der Gestaltung des Rechtsmittelverfahrens bedeuteten für den Mitbeteiligten das im Sinne der Rechtsprechung des EGMR über eine bloße Möglichkeit hinausgehende, ausreichend substantiierte "real risk", auch bei Berechtigung des Schutzbegehrens von Italien in die Türkei verbracht zu werden.

War ein solches Risiko nicht feststellbar, so war die Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs gemäß § 5 Abs. 1 AsylG nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes - soweit es Art. 3 EMRK betrifft - auch zulässig, wenn sich die Verneinung des Risikos nicht damit begründen ließ, dass Italien ein allen Anforderungen des Art. 13 EMRK entsprechendes Verfahren zur Verfügung stelle.

Dabei wird nicht verkannt, dass es in der Judikatur des EGMR Entscheidungen gibt, die von einer verfahrensmäßigen Verletzung ("procedural breach") des Art. 3 EMRK handeln (vgl. zuletzt etwa die Entscheidung vom 24. Februar 2005, Khashiyev u.a. gegen Russland; ältere Nachweise bei Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention (2003) § 19 Rz 9). Eine Übertragung dieser Judikatur auf Fälle wie den hier zu beurteilenden (bezogen auf das Verfahren im Drittstaat, mit entsprechenden Konsequenzen für die Aufenthaltsbeendigung durch Österreich) scheint bisher aber weder stattgefunden zu haben noch sachlich geboten zu sein, weshalb sich nähere Ausführungen über das Verhältnis zu einer Unterschreitung der Standards des Art. 13 EMRK erübrigen.

4.4.2. Denkbar bliebe damit noch, dass Österreich - auch im Falle der Zulässigkeit der Aufenthaltsbeendigung nach den soeben erörterten Maßstäben und trotz Prüfung dieser Frage in einem Art. 13 EMRK entsprechenden Verfahren in Österreich - Art. 13 EMRK verletzt, wenn es den Schutzsuchenden auf ein Land verweist, in dem sein "arguable claim", bezogen auf die Bedrohung im Herkunftsstaat, nicht in einem Art. 13 EMRK entsprechenden Verfahren geprüft wird. Eine derart weitgehende Verantwortung für die Gewährleistung anderer Rechte als derjenigen aus Art. 3 EMRK und im Besonderen eines bloß prozeduralen Rechtes - sei es auch in Verbindung mit Art. 3 EMRK - im Zielstaat wird in der bisherigen Judikatur des EGMR aber nicht vertreten (vgl. bereits das dargestellte Prüfungsschema in der Entscheidung T.I. gegen Vereinigtes Königreich; zur Sonderstellung des Art. 3 EMRK u. a. die Entscheidung des EGMR vom 22. Juni 2004, F. gegen Vereinigtes Königreich, und die Erörterungen des House of Lords in den Fällen Ullah-Do und Razgar, IJRL Vol. 16 No. 3 (2004) 411 ff; s.a. die Nachweise etwa bei Hailbronner, Ausländerrecht, Rz 38h ff zu § 53 deutsches AuslG (2000), und Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003) 219 f; wohl a.A. Legomsky, Secondary Refugee Movements and the Return of Asylum Seekers to Third Countries: The Meaning of Effective Protection, IJRL Vol. 15 No. 4 (2003) 567 ff).

4.5. Der Klarheit halber ist schließlich noch hervorzuheben, dass die verfassungskonforme Interpretation des § 5 AsylG nicht an Hand der Judikatur zu § 4 AsylG - einer ausdrückliche und weitreichende Garantien in Bezug auf das Verfahren im Drittstaat als solches enthaltenden Vorschrift - erfolgen kann.

5. Durch die Heranziehung des Art. 13 EMRK als Maßstab für die Auseinandersetzung mit den in Italien zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten statt einer ganzheitlichen Gefahrenbeurteilung unter dem Gesichtspunkt des "real risk" im Sinne der ständigen Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK hat die belangte Behörde daher die Rechtslage verkannt.

Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 31. März 2005

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